Akten
Wilhelm Keller an Karl Weltzien
Enthält: (1r) Keller dankt für eine Besorgung Weltziens und entschuldigt den Verzug einer Besorgung von Geräten ("Apparate") für Weltzien, unter anderem mit der erst jetzt erfolgten Öffnung des Laboratoriums. Keller erklärt Spannungen zwischen ihm und Wilhelm Seubert mit einer grundsätzlichen Verschiedenheit der "Ideen, Vergnügen und Handlungen", die infolge von Veränderungen Seuberts während seines Berliner Aufenthalts entstanden ist. Keller teilt am Tag seines Schreibens angestellte Beobachtungen mit. (1v) "Das Laboratorium liegt am Ende der Stadt, oder wenn man von Frankfurt kommt, am Anfang der Stadt [...]. Das Gebäude ist ganz neu, von außen recht hübsch, sieht aber kleiner aus, als es ist, weil es dicht an das Spital, das ein ziemlich bedeutendes Haus ist, angränzt. Zu ebener Erde ist das Laboratorium, den übrigen Theil, der aber nur aus der Belletage besteht, bewohnt der Herr Professor [Justus] Liebig mit seiner Familie. Zuerst kommt ein Laboratorium, wo nur Präparate in größerer Quantität gemacht werden. Rundherum sind Blasen zum Destilliren, ebenso Sandkapillen, Tische und Stative. In der Mitte befindet sich ein großer vierckender Herd mit Sandkapillen. Aus diesem Laboratorium führt ein Gang [...] zu dem Gemach, aus dem soviel unberühmte [!] Entdeckungen hervorgehen, zu deren Vergrößerung ich pflichtgemäß beitragen muß. Und aus diesem Allerheiligsten geht eine Thüre ins Auditorium, und auf der anderen Seite lauft gerade mit dem zweiten Laboratorium die Bibliothek, die meistens aus Journalen besteht, und der Wagenkammer parallel. Auf der einen Seite des Ganges, welcher das erste mit dem zweiten und dritten Laboratorium verbindet, befindet sich das Privatlaboratorium und Arbeitszimmer des Professors und ein Chemikalienkabinet, auf der andern Seite ist die Niederlage chemischer Apparate. Dann folgt eine Kammer mit rohen Produkten und hiernach noch ein Zimmerchen zur Aufbewahrung der Kleider." Keller verspricht die nachträgliche Zusendung einer Zeichnung des Laboratoriums. "Die innere Einrichtung des Laboratoriums ist ausgezeichnet, jedes Eckchen in den verschiedenen Abtheilungen ist höchst zweckmäßig benutzt. Es sind 26 Plätze zum Analysiren da, wovon 18 jeder sein Aq hat, so dass man nur den Hahn zu öffnen braucht. Jeder Arbeiter hat einen Schrank, den er verschließen kann, [2r] und eine Menge von Schubladen. Zum Arbeiten erhält man übrigens nichts als die gewöhnlichsten Reagentien, die Kohlen zum Brennen, ganz große Schaalen und Gläser, alles übrige muss man sich selbst stellen. Die Waage erhält man von dem Laboratorium. Obgleich ich die meine nicht durchaus nothwenig hätte, so bin ich doch froh, sie zu haben. Die Apparate sind hier sehr theuer, was Ihnen schon der Preis von den wenigen Glasgeräthschaften anzeigen wird. Dafür sollen auch die hiesigen Vebrennungsröhren desto länger halten." Der "Chemiker Dr. Hagen", der sich viele Jahre in Berlin aufhielt, sagte Keller, dass die Gießener Röhren mehr als doppelt soviel wie die Berliner Röhren "aushielten". Hagen kann oft eine Röhre für zehn Verbrennungen nutzen. Keller hofft, dass auch die an Weltzien gesandten Röhren so lange halten. Er hat sie "unter vielen anderen herausgesucht". 24 Röhren kosten 4 fl (...), der "Traubenapparat" (Lesung unsicher) 36 Kreuzer, der "Kaliapparat 1fl 12 Kreuzer. Keller hat sich einen "Apparat zur organischen Analyse zusammengestellt" und will morgen mit der Analyse der Harnsäure beginnen. Heute hat er sich eine Substanz dargestellt (Name nicht lesbar) ("Sie sehen, dass man sich hier alles verschaffen muß, ehe man arbeiten will."). Keller arbeitet mit dem Schweizer Wydler. Vielleicht erinnert sich Weltzien noch von seinem Berliner Aufenthalt her an ihn. Wydler reist mit einem Begleiter nach Schweden. Er hatte während Weltziens Aufenthalt in Berlin ("zu Ihrer Zeit") ein Privatissimum bei (Heinrich) Girard. Das Leben in Gießen ist im Hinblick auf Essen, Trinken und Unterkunft "sehr flott" und fast genauso teuer wie in Berlin. "Die Chemiker essen zuerst um 5 Uhr zu Mittag, wodurch nicht wenig Zeit verschwendet wird." Keller hat am Tag des Schreibens elf qualitative Analysen gemacht und hofft, die qualitativen Analysen in den kommenden zwei Wochen abzuschließen. Anschließend macht er "noch einige quantitative und nachher lauter Entdeckungen". Keller vermutet im Gießener Laboratorium einen "KieselfluorwasserstoffsäureApparat", denn er sah die Zubereitung des Stoffs "aus einem steinern Krug, der im Sandbad stand". P.S. Organische Stoffe werden in Gießen auf einfache Weise verbrannt. Keller beschreibt die Vorgehensweise genau. (2v) Adresszusatz: "Nebst zweien Kästchen mit chemischen Apparaten".
- Archivaliensignatur
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27072/192
- Umfang
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2 Blatt
- Kontext
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27072 Nachlass Karl Weltzien >> 1 Korrespondenzstücke in der alphabetischen Folge der Absender >> 1.68 Keller, Wilhelm (*1818, Arzt)
- Bestand
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27072 Nachlass Karl Weltzien
- Indexbegriff Person
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Weltzien, Karl (*1813, +1870)
Liebig, Justus von (*1803, +1873)
Keller, Wilhelm (*1818)
Girard, Heinrich (*1814, +1874)
Hagen (Nachname)
Wydler (Nachname)
Seubert, Wilhelm
- Indexbegriff Ort
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Berlin/DE
Gießen/DE
- Laufzeit
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ohne Datierung (ab 1840 Oktober 1, Gießen?)
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
07.03.2025, 09:23 MEZ
Datenpartner
Karlsruher Institut für Technologie, KIT-Archiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Akten
Entstanden
- ohne Datierung (ab 1840 Oktober 1, Gießen?)