Bestand
Kloster Salem: Nachträge aus Schloss Salem (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Bei der Übergabe der Salemer Akten in das
Generallandesarchiv (1879) offenbar übersehener Rest. Mit Zugang
2012 Nr. 4, 2014 Nr. 20 und 2017 Nr. 38 im Generallandesarchiv
unter Eigentumsvorbehalt des Hauses Baden hinterlegt.
Inhalt und Bewertung
Vor
allem Wirtschaftsschriftgut der Klosterämter in Salem und der
Pflegen in den Klosterorten, mit Schwerpunkt im 17. und 18.
Jahrhundert.
Überlieferungsgeschichte: Das
Archiv des ehemaligen Klosters Salem wurde, anders als bei den
anderen säkularisierten Klöstern in Baden, erst spät vom Haus Baden
als Inhaber der Standesherrschaft Salem an das Karlsruher
Generallandesarchiv abgegeben, die Urkunden unter
Eigentumsvorbehalt seit 1855, die Akten seit 1879. Bei der
Aktenübernahme scheinen Teile in Salem vergessen worden zu sein. Es
handelte sich aber offenbar nicht um vielleicht noch kurrente
Vorakten des markgräflichen Rentamts aus der klösterlichen Zeit,
denn die Übergangsjahre nach 1800 sind darin fast nicht vertreten.
Wie es zu der Separierung kam, ist noch ungeklärt; da eine Vielzahl
von Klosterprovenienzen - Kelleramt, Bursamt, Steueramt usw., aber
auch viele Außenpflegen - vertreten sind, konnte es sich auch nicht
um einen übersehenen Bestand gehandelt haben. Möglichweise waren es
ungeordnete Reste aus den Ämtern und dem Archiv (dessen Signaturen
stellenweise noch erkennbar sind). Völlig ungeklärt ist auch, wie
zwischen diese Archivalien ein Benutzerzettel des
Generallandesarchivs von 1895 geraten konnte; vielleicht hat ihn
ein Karlsruher Archivar als Notizzettel benutzen wollen und in
Salem liegen gelassen. Das würde allerdings bedeuten, dass das
Schriftgut zu dieser Zeit als nicht archivwürdig angesehen wurde -
angesichts von nicht wenigen Pergamenturkunden und umfangreichen
Amtsbüchern (die z.T. Karlsruher Serien ergänzen), ist das nicht
recht vorstellbar. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
wurden diese Reste in Salem teilweise chronologisch umgeordnet,
d.h. blattweise auseinandergenommen und neu zusammengesetzt; aber
auch Packen, die von dieser Sortierung nicht erfasst wurden, waren
vollständig vermischt worden. Von der Sortierung ausgenommen
blieben die Pergamenturkunden, die Mehrzahl der Amtsbücher und
einige wenige verschnürte Aktenpäckchen, die noch in der
Brieffaltung des 16. und 17. Jahrhunderts verwahrt worden waren;
der deutliche inhaltliche Zusammenhang eines jeden dieser Päckchen
verweist auf eine frühe, einfache Form der Registraturablage. Bei
anderem Schriftgut ging jeder Zusammenhang verloren. Durch
zahlreiche Lesefehler beim Datum stimmte auch die chronologische
Reihe nicht. Blattweise wurde auch Schriftgut des Klosters
Petershausen untergemischt (jetzt in GLA 95-1). Dieser Bestand
wurde vom Eigentümer als Teil des Zugangs 2012 Nr. 4 sowie als
Zugang 2014 Nr. 20 und 2017 Nr. 38 im Generallandesarchiv unter
Eigentumsvorbehalt hinterlegt.
Neuordnung: Bei der
Neuordnung im Rahmen eines Projekts der Stiftung Kulturgut
Baden-Württemberg war zu entscheiden, ob 1) bei möglichst genauer
Beschreibung von Inhalten der aktuelle Zustand beizubehalten und
allenfalls in der Chronologie zu bereinigen , 2) die systematische
Ordnung des Klosterarchivs um 1800 zu rekonstruieren, 3) die
Ordnung des Aktenbestandes im Generallandesarchv nach den
badischen, alphabetischen Rubriken von Brauer zu übernehmen oder 4)
eine neue systematische Ordnung einzuführen war. Modell 1 wäre am
schnellsten zu lösen gewesen, hätte die vielfach gleichen Betreffe
aber bis zum Unsinn wiederholt und keinerlei Zusammenhang erkennen
lassen. Die Modelle 2 und 3 hätten exakte Zuordnungen in feste
Rubrikensysteme verlangt; damit wäre ein Wissen vorgetäuscht
worden, das bei der Vielzahl von Fragmenten und atomisierten
Vorgängen aber höchst problematisch gewesen wäre. Die Entscheidung
fiel daher für Modell 4. Grundlage der Rubrikenbildung war der
vorgefundene Bestand; die Rubriken sollten in logischem Gefälle
möglichst große "Auffangbecken" bilden, um wenigstens einen
Überblick auf das so heterogene Schriftgut zu ermöglichen. Während
der Einzelblattsortierung bildeten sich dann auch immer wieder alte
Vorgangsserien heraus, die als eigene Einheiten dargestellt werden
konnten. Trotzdem gibt die Neuordnung nicht vor, eine "historische"
Ordnung zu sein. Das Schriftgut besteht weiterhin aus isolierten
Fragmenten, darüber dürfen auch die scheinbar eindeutigen Rubriken
nicht hinwegtäuschen (ein Bodensatz der alten chronologischen
Ordnung hat sich in der Rubrik Klosterwirtschaft/Chronologische
Serie erhalten). Auch auf die Wiederherstellung von Klosterämter-
und Pflegeprovenienzen war zu verzichten, da sie nur ansatzweise
und nur bei einem kleinen Teil möglich gewesen wäre. Der Umgang mit
dem Gesamtbestand ist jedoch wesentlich leichter geworden; dafür
hat sich auch der höhere Zeitaufwand gelohnt. Der Zusammenhang mit
dem ja viel umfangreicheren und zentralen Aktenbestand, den die
Karlsruher Archivare seit 1879 gebildet hatten und den Maria Salaba
1978 noch einmal gründlich überarbeitet hat (GLA 98), ist aber
jeweils im Einzelfall zu suchen. Das Register zu Bestand GLA 98 ist
dafür eine wesentliche Hilfe.
Inhalt: Schwerpunkt des
Bestands ist Wirtschaftsschriftgut des Klosters aus der frühen
Neuzeit, vor allem aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Daneben finden
sich zahlreiche Unterlagen der klösterlichen Ortsherrschaft wie
Gemeinderechnungen und deren Abhör, bäuerliche Inventuren und
Teilungen sowie Schuld- und Gantverfahren; die Grenzen zum
klösterlichen Wirtschaftsschriftgut sind dabei fließend, da sich
aus den Fall-Gebühren Schuldverhältnisse gegenüber dem Kloster mit
Zinszahlungen u.ä. entwickeln konnten. Auch die Schuldenpolitik des
Klosters selbst ist vielfach dokumentiert, vor allem in
Rentenverkäufen und den Zinsleistungen an die Gläubiger (bzw. deren
Mahnungen). Zahlreich sind auch Rechnungsquittungen von Handwerkern
und Kaufleuten aller Branchen; gerade für den Bau und Unterhalt der
herrschaftlichen Gebäude - und damit auch den Kirchenbau - bietet
der Bestand Quellen. Als Beispiel für die weiten Salemer
Handelsbeziehungen sei die Korrespondenz genannt, die sich aus den
Geschäftsbeziehungen mit dem Winterthurer Salz-Monopolisten
Melchior Steinen entwickelte, oder die Unterlagen aus
Eisenlieferungen z.T. weit entfernter Bergwerke. In Quellen zu
Kontributionsleistungen, Einquartierungen und Schadensberichten
werden nicht zuletzt die Auswirkungen der großen Kriege der beiden
Jahrhunderte im Alltag des Klosters und seiner Untertanen greifbar.
Bei der Inventarisierung der großen Rechnungsserien des Salemer
Rentamts (2016) fanden sich v.a. weitere Rechnungen und Urbare der
Provenienz Kloster Salem und seiner nachgeordneten Ämter seit dem
17. Jahrhundert. Einige Rechnungsserien wurden in Salem über die
Säkularisation hinaus vom selben Personal weitergeführt, in der
Regel auch die lokalen Zinsregister zur Sommer- und Herbsternte;
ihre Fortsetzung ab 1803 ist aber jeweils in Bestand 69 Baden,
Salem-1 und Salem-7 zu suchen. Wenige Aktenreste entstammen den
Restitutionsklöstern aus der Zeit des 30jährigen Kriegs, deren Äbte
- wie der Königsbronner Wolfgang Rupp - in Salem Zuflucht gefunden
hatten. Aktenfragmente des Hochstifts Konstanz könnten aus der
Laufbahn von Verwaltungsbeamten zu erklären sein, die zwischen
Kloster und Hochstift wechselten (vgl. Nr. 795). Siegel makulierter
Pergamenturkunden dokumentieren vor allem städtische Siegler des
16. Jahrhunderts, vermutlich aus kurzfristigen Geschäftsbeziehungen
des Klosters. Gemessen am Aktenhauptbestand GLA 98 scheint GLA 98-1
tatsächlich wenig bedeutend, ein Rest eben, der vielleicht einige
wenige Überlieferungslücken schließt. Aber dieses Bild täuscht. In
diesem "Rest" haben sich Alltagsquellen z.B. bäuerlicher Eigentums-
und Schuldverhälnisse erhalten, die üblicherweise nicht archiviert
wurden. So entstand diese Überlieferung vielleicht doch als
Sammlung von Cassanda aus absichtlichen und zufälligen Ablagen, die
schließlich so unübersichtlich geworden war, dass man vor der
Vernichtung zurückschreckte - heute ein Gewinn für die Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte am östlichen Bodensee.
Bilder und Pläne: Aus der
Güterverwaltung des Klosters stammen eine ganze Reihe von
Gemarkungsplänen des 18. Jahrhunderts, meist Inselkarten, in die
z.T. katastermäßig auch Flurstücksnummern eingetragen sind. In
ihren Stadien - vom Feldhandriss bis zur ausgefertigten Flurkarte -
, ihren Übersichtsplänen mit teils exakten Siedlungswiedergaben und
mit ihrer Unterscheidung von Acker, Weide, Sonderkulturen und Wald
sind es herausragende Quellen zur klösterlichen Kulturlandschaft.
Der letzte Geometer des Klosters, Franz Anton Eggler, überzeugte
durch seine hohe Kunst der exakten Vermessung und Darstellung dabei
so sehr, dass er noch bis zu Beginn der 1830er Jahre als Renovator
und Kartograph im Dienst der Markgrafen von Baden arbeiten konnte.
Aber auch seine Vorgänger, die namentlich nur selten bekannt sind,
haben beachtliche Planserien angelegt; die umfangreichste, wenn
auch schlecht erhaltene schuf der Lindauer Ingenieur Johann Jakob
Heber in den Jahren zwischen 1710 und 1713. Nicht wenige dieser
älteren Pläne beeindrucken auch durch ihre Größe; "Spitzenreiter"
ist hier ein Plan der Herrschaft Schemmerberg von 1710 mit fast 8
Quadratmetern. Als besondere Grafikgattung sind Restauflagen
Salemer Thesenblätter hervorzuheben. Als Museumsgut werden die
meisten von ihnen als Einzelstücke gerahmt in Salem verwahrt; der
"Archivbestand" in Rollen verweist jedoch auf ihre geschäftsmäßige
Entstehung im Rahmen des Salemer Lehrbetriebs, dessen Bedeutung
damit publizistisch propagiert und zugleich der Ruhm der Äbte
verbreitet werden sollte. Zum Lehrbetrieb des Klosters zählte
schließlich wohl auch eine Sammlung gedruckter Land- und
Weltkarten, die außer mit geografischen Karten auch als
Unterweisung über die politische Gliederung der Reichskreise, die
Kriege des ausgehenden 18. Jahrhunderts und nicht zuletzt die
Verbreitung der Zisterzienserklöster zu informieren hatten; ihr vor
allem didaktischer Zweck dürfte durch die Befestigung an kunstvoll
gedrechselten Holzstäben auch bei Kleinformaten gesichert sein - es
waren Unterrichtskarten für die Wand. Ähnliches dürfte für einige
Lehrtafeln zu den Äbten und Wappen benachbarter Klöster sowie zur
Abfolge der Kaiser u.a. gelten. Da dieses Unterrichtsmaterial wie
auch die älteren Gemarkungspläne im 19. Jahrhundert rasch an
Bedeutung verloren, ist ihr Erhaltungszustand überwiegend stark
gefährdet; bis zu einer künftigen Restaurierung können sie nur in
Ausnahmefällen vorgelegt werden. Lediglich die Pläne von Franz
Anton Eggler bildeten hier wohl immer eine Ausnahme und wurden als
die Kostbarkeiten, die sie ja auch sind, besonders sorgfältig
behandelt. Einige wenige Entwürfe zu Altären sind Reste einer
überaus wichtigen, generell aber zerstreuten oder verlorenen
Überlieferung.
Umfang: Der Bestand umfasst 3
Pergamenturkunden, 10,10 lfd. m Akten und Bände, ca. 170 Bilder und
Pläne, z.T. in Rollen, sowie eine Sammlung abgeschnittener Wachs-
und Lacksiegel. Karlsruhe, im März 2014/April 2017/Januar 2022
Konrad Krimm
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 98-1
- Umfang
-
1444 Archivalien
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Kleinere geistliche Territorien >> Salem
- Bestandslaufzeit
-
15. Jh. - 1805 (- nach 1895)
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 15. Jh. - 1805 (- nach 1895)