Bestand

Kloster Petershausen: Nachträge aus Schloss Salem (Bestand)

Überlieferungsgeschichte: Ein nicht geringer Teil der hier inventarisierten petershausischen Archivalien stammt aus der Überlieferung des Klosters St. Georgen in Stein am Rhein; so ist dessen Geschichte kurz vorauszuschicken. Das Kloster, das im Spätmittelalter unter Züricher Vogtei stand, wurde 1525 aufgehoben; der Konvent bestand jedoch weiter und Abt David von Winkelsheim konnte 1525 nach Radolfzell unter österreichischen Schutz fliehen. Einer der Schwerpunkte des Klosterbesitzes hatte im westlichen Hegau (Herrschaften Hilzingen und Staufen) gelegen. Dieser Besitz im Hegau blieb im 16. Jahrhundert zwischen Konvent, Österreich und Zürich umstritten. Nach der Absetzung des Abtes Martin Geiger durch den Bischof von Konstanz 1581 wählten die letzten Steiner Konventualen den Abt von Petershausen, Andreas II. Öxlin, zu ihrem Abt, St. Georgen wurde in Kloster Petershausen inkorporiert. Die Auseinandersetzung mit Zürich um die Güter im Hegau endete erst 1698 in einem Vertrag. Abt David von Winkelsheim hatte 1525 Teile des Klosterarchivs aus Stein geflüchtet. Vermutlich im Zusammenhang mit dem Vertrag von 1698 entstand schließlich eine Züricher Überlieferung zu den St. Georgener Klosterämtern - die 1806 aus Zürich an das Stadtarchiv Schaffhausen gegeben wurde - und eine petershausische. 1802 wurde auch Kloster Petershausen säkularisiert, das Klosterarchiv fiel mit der Herrschaft an die Grafschaft bzw. seit 1805 badische Standesherrschaft Salem. Von Salem aus gelangten die petershausischen Archivalien zwischen 1842 und 1910 in das Generallandesarchiv (heute v.a. Bestände 1 und 95). Zwischen den Archivalien aus Kloster St. Georgen und aus Kloster Petershausen selbst wurde in Karlsruhe nicht mehr unterschieden. In Salem blieben dagegen ca. 30 Urkunden, eine Reihe von Amtsbüchern und Aktenfragmente zurück, die auch ehemals st. georgischen Besitz betrafen. Zum Teil stammten sie noch aus der Zeit vor der Inkorporation, insbesondere von den Vorbesitzern der Herrschaft Staufen, den Grafen von Zimmern und der Familie Geizkofler. Es ist unklar, warum das Schriftgut nicht mit den übrigen Archivalien noch im 19. Jahrhundert nach Karlsruhe weitergeleitet wurden. Zwischen den Urkunden fand sich ein Akteneinlieferungsbeleg des Forstamts Salem von 1863 mit dem Beschluss der Domänenkanzlei, dieses Schriftgut als Forstamtsakten dem Salemer Archiv einzuverleiben (jetzt in GLA 98-1 Nr. 794); ob sich dahinter die Petershausener Archivalien verbargen, muss aber offen bleiben. Spätestens in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Urkunden in Salem chronologisch gelegt und mit einigen wenigen ebenfalls dort verbliebenen Urkunden des Klosters Salem vermischt. Auch unter salemitanische Aktenreste gerieten zahlreiche Petershausener Schriftstücke. 2012, 2014 und 2017 hinterlegte das Haus Baden das Petershausener und Salemer Restschriftgut unter Eigentumsvorbehalt im Generallandesarchiv Karlsruhe; hier wurde es mit Mitteln der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg inventarisiert. Unter Berücksichtigung der alten Archivsignaturen des Petershausener Klosterarchivs ergaben sich dabei fast von selbst wieder sinnvolle Urkundengruppierungen. Bei einer sanblasianischen Urkunde zu einem Bauernlehen in Immendingen war noch nicht zu entscheiden, ob es sich dabei um späteren Besitz des Klosters Petershausen oder des Klosters Salem handelte; sie wurde daher zur Mehrzahl der Urkunden, also den petershausischen genommen. Die losen Aktenreste entstammten überwiegend den Registraturen des Obervogteiamts Hilzingen und des Amts Herdwangen.

Inhalt: Die Urkunden beziehen sich überwiegend auf die Vergabe bäuerlicher Erbzinslehen in Hilzingen und Schlatt am Randen; ein Prozess der Lehensleute gegen das Dominikanerinnenpriorat St. Katharinental in Diessenhofen gehört ebenfalls in diesen Zusammenhang. Eine eigene Gruppe bilden bäuerlich Schuldreverse, bei denen wiederum auch das Priorat St. Katharinental als Gläubiger erscheint. Der Amtsbuchbestand enthält vor allem größere und kleinere Serien von Urbaren (Lagerbüchern, Güterrenovationen), Zinsregistern, Vogtrechtslisten, Rechnungen und Rechnungsbeilagen, Unterpfandbüchern, Kompetenzbüchern, Formelbüchern, Ordnungen und Protokollen des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Obervogteiamt Hilzingen und den Ämtern Radolfzell, Herdwangen und Überlingen. Als Überlieferung der Vorbesitzer der ehemals zimmerischen Herrschaft Staufen haben sich einige Bände aus der Lehenherrschaft des österreichischen Rats Zacharias Geizkofler zu Haunsheim erhalten. Der älteste Band ist ein Kalendarium der Zeit um 1500, vermutlich aus der Pfarrkirche von Sauldorf, das mit urkundlichen Einträgen zu Jahrzeitstiftungen am Übergang vom liturgischen Hilfsmittel zum Amtsbuch der geistlichen Güterverwaltung steht. Einige Serien des 17. und 18. Jahrhunderts sind relativ geschlossen erhalten und daher sozial- und wirtschaftsgeschichtlich besonders aussagekräftig. Bei anderen fand offenbar eine "Dezimierung" statt, bei der nur jeder 10. Band aufgehoben wurde; dass diese Teilkassation vermutlich vor der Bearbeitung durch Archivare geschah, ist archivgeschichtlich bemerkenswert. Für mehrere Einbände wurde gattungstypisch ältere Pergament-Makulatur verwendet, v.a. liturgische Handschriften und nach ihrem Inhalt erledigte Urkunden. Ihre genauere Identifikation steht noch aus; zum Teil sind - auch illuminierte - Handschriftenseiten des 14. bis frühen 16. Jahrhunderts darunter, zum Teil Inkunabeln. Die Akten berühren vor allem das Verhältnis des Klosters und seiner Hilzinger Untertanen zu Vorderösterreich als Pfandherrn der Herrschaft Staufen-Hilzingen und zu den Freiherren von Deuring in Gottmadingen. Umfangreiche Unterlagen des Amtmanns in Herdwangen über eigene Amtskosten, bäuerliche Schuldverschreibungen und die Führung der Waisenkasse zeigen Registraturverhältnisse, wie man sie sich etwa beim Dorfrichter Adam vorstellt: wirre Notizen und flüchtige Zinsbelege, die aber offensichtlich Rechtskraft besaßen und z.T. über Jahre hinweg und auch noch unter badischer Herrschaft in dieser Form fortgeführt wurden (vgl. auch GLA 69 Baden, Salem-2). Bei der Inventarisierung der großen Rechnungsserien des Salemer Rentamts (2016) fanden sich v.a. weitere Rechnungen und Urbare der Provenienz Kloster Petershausen und seiner nachgeordneten Ämter seit dem 17. Jahrhundert. Einige Rechnungsserien wurden in Petershausen über die Säkularisation hinaus vom selben Personal weitergeführt; ihre Fortsetzung ab 1803 ist aber jeweils in Bestand 69 Baden, Salem-1 und Salem-7 zu suchen. Bestand 95-1 umfasst jetzt 34 Pergamenturkunden, ca. 500 Bände, ca. 1 lfd. m Akten und 10 Pläne in insgesamt ca. 13 lfd.m. Bei den Urkunden sind Siegel nur noch an zwei Ausfertigungen erhalten. Karlsruhe, im Juni 2017 Konrad Krimm

Reference number of holding
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 95-1
Extent
648 Archivalien

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Kleinere geistliche Territorien >> Petershausen

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Last update
03.04.2025, 11:03 AM CEST

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