Akten

Wilhelm Keller an Karl Weltzien

Enthält: (1r) Keller übersendet mit gleicher Post die durch Weltzien bestellen "Apparate bis auf die Röhre zur Stickstoffbestimmung", die in Gießen nicht benutzt wird. Stattdessen erfolgt die Stickstoffbestimmung nach einem Verfahren, das Keller genau beschreibt. Das Verfahren ist auch im "Handwörterbuch" (= Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie, begründet von Justus Liebig) dargestellt, doch hält Keller die zusätzliche Beschreibung des praktischen Ablaufs für hilfreich. (1v) Keller sendet Weltzien auch "keine graduirte Röhren", weil diese zum einen aus Paris bezogen werden und zum anderen schwer erhältlich sind. "Von den kleinen [Glas-]Kugeln" schickt Keller seinen ganzen Vorrat. Er hat die Kugeln selbst geblasen. Sie werden auch sonst in Gießen selbst hergestellt und sind nicht für Geld erhältlich. Weltzien soll sich die besten Kugeln zum Gebrauch heraussuchen. Auch "Gestelle zur Dumasischen Dampfanalyse" sind nicht vorrätig, und es stehen "einem die verschiedenen Arbeiter nicht so zu Gebote wie in Carlsruhe". Die "Trockenapparate" sind teurer als der erste, weil sich der Diener verrechnete. Mit Ausnahme der Verbrennungsröhren scheint alles Material auf dem gleichen Preisniveau zu stehen wie in Berlin. Weltzien hat viel Material aus Berlin bezogen und kann dies beurteilen. Weltzien schrieb, dass er "die Früchte seiner Arbeit nicht genießen" könne. Dies ging auch manchem Gießener Praktikanten so. Weltzien hat jedoch die organische Analyse und daneben gelernt, dass er nicht lange "zaudern" dürfe, wenn er seine Ergebnisse publizieren wolle. Keller sprach mit (Justus) Liebigs Assistenten, der seit Jahren die Redaktion des "Journals" leistet und deshalb genauso gut wie Liebig selbst befragt werden kann. (Am Rand: "Die Kellen zum spezifischen Gewicht des Dampfes" müssen noch nahezu im rechten Winkel gebogen werden (Zeichnung), was über einer "Spirituslampe" möglich ist. Keller unterließ diese Herrichtung vor dem Versand wegen der größeren Bruchgefahr.) In Sachen der Publikation ist "nichts zu machen", wenn Weltziens (2r) "Arbeit mit der [Charles Frérdéric] Gerhards stimmt, wo nicht, so ist es desto besser". Wenn Weltzien etwas von seiner Säure übrig hat, soll er diese an Keller "zur Controllirung" schicken, der gerne "mehre Verbindungen daran untersuchen" will. Weltzien soll aber schnell handeln, wenn seine Arbeit bald nach der Gerhards gedruckt werden soll. Keller fand heraus, dass in der "Schwefelkamphersäure kein SO[hoch]2, sondern nothwendigerweise [beide Buchstaben waagerecht durchstrichen]SO[hoch]5 enthalten sein muß". Im Laboratorium wurden "andere Atomengewichte der wasserhaltigen und wasserfreien Camphersäure gefunden, was aber noch näherer Untersuchung bedarf". Trotz der Ferien arbeiten die Praktikanten weiter im Laboratorium. "Die englische Expedition kehrt nach und nach wieder zurück". (Joseph) Redtenbacher, ein "Schwager" des aus Zürich als "Professor der Mechanik" an die Polytechnische Schule Karlsruhe berufenen (Ferdinand) Redtenbacher, und (Franz) Varrentrapp ("Farrentrapp") sind beide "ausgezeichnete Leute". Die beiden wollten nach Paris gehen, doch kamen sie wieder zurück. Infolge des Rufs an die Universität Wien erreichte Liebig eine Gehaltserhöhung, nach der er den Ruf ablehnte. Als späteres Arbeitsgebiet hat Keller nun die "Maschinenbaukunde" gewählt. Er will deswegen (2v) in den Osterferien sein "Apothekerexamen machen" und sich danach "hauptsächlich auf Mathematik legen und zugleich bei einem Mechanikus täglich einige Stunden arbeiten". Gleichzeitig will er noch im Laboratorium arbeiten, sich dabei aber auf "Körper unorganischer Natur" verlegen. Keller will nach England gehen, dort "in eine Fabrik als Lehrling treten" und hofft, dort auch eine Anstellung zu finden. Keller kann Weltzien wegen seiner intensiven Beschäftigungen nicht besuchen, hofft aber auf einen Besuch Weltziens, der in Gießen die aus der Literatur benannten Methoden der organischen Analyse auch in der "praktische[n] Ausführung sehen" kann. Keller betont den Vorteil des praktischen Lernens unter Anleitung gegenüber dem mühsamen Weg eigenständiger Erfahrungen und damit verbundener Misserfolge. Weltzien würde aus einem Besuch in Gießen größeren Nutzen ziehen als aus seinem Berliner Aufenthalt. In Gießen halten sich stets einige Verheiratete auf, "die sich mit Chemie beschäftigen". So ein Dr. Gumprecht aus Preußen, der wohl Berliner ist, und ein ehemaliger Kaufmann, der in Hamburg geboren wurde und in England "etablirt" war. Der letztere ist Kellers Nachbar im Laboratorium und ist mit einer schönen Schottin verheiratet. Weltzien hatte sich in Berlin vorgenommen, seine Frau nicht mehr zu verlassen. (3r) In Gießen kann Weltzien sich mit der gesamten Familie zum Studium aufhalten. Die Gegend um Gießen und das dortige Leben werden von weitgereisten Chemikern gelobt. Keller wird durch zuviel Gesellschaft von der Arbeit abgehalten. Er ist dem "Clubb" und der "Sonntagsgesellschaft" beigetreten. Man spielt jeden Sonntag deutsch oder französisch Theater, "oder es gibt Tableaux, die recht hübsch sind". Keller ärgert sich, dass er in einem französischen Theaterstück eine Rolle spielen muss. "Am Ende des Curses geben die Chemiker dem Professor Liebig, wozu noch [Johann Heinrich] Buff, der Physiker, und [Robert Wilhelm] Bunsen von Marburg eingeladen werden, es soll sehr munter hergehen, zuletzt sind alle bekneipt, was [...] überhaupt sehr häufig vorfällt". Wenn Weltzien nach Gießen kommt, kann er "die Bekanntschaft des ganzen Chemikerpersonals" machen, was ihm später vielleicht nützlich sein wird. Keller lädt Weltzien dazu ein.

Archivaliensignatur
KIT-Archiv, 27072/195
Umfang
3 Blatt

Bestand
27072 Nachlass Karl Weltzien
Kontext
27072 Nachlass Karl Weltzien >> 1 Korrespondenzstücke in der alphabetischen Folge der Absender >> 1.68 Keller, Wilhelm (*1818, Arzt)

Laufzeit
1840 Dezember 18, Gießen

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Letzte Aktualisierung
21.11.2023, 11:50 MEZ

Objekttyp


  • Akten

Entstanden


  • 1840 Dezember 18, Gießen

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