Bestand
Rentamt Salem (Bestand)
Verwaltungs- und
Überlieferungsgeschichte: Die Reichsabteien Salem und Petershausen fielen
Ende 1802 als Säkularisationsgut an den Markgrafen von Baden und bildeten
zwei Grafschaften, im Großherzogtum Baden seit 1806 Standesherrschaften.
An die Stelle der alten Salemer Klosterämter trat 1802 zunächst eine
"General Ökonomie Administration" des Abtes, die noch bis 1804 unter
badischer Aufischt amtierte. Ihre Nachfolgerin wurde die "Oberverrechnung
Salem"; der Oberverrechnung waren die Gefällverwaltung in Konstanz und
die ehemals petershausischen Rentämter in Petershausen, Hilzingen und
Herdwangen unterstellt. Vorgesetzte Behörde für alle Ämter in der
Standesherrschaft war die Markgräfliche bzw. Großherzoglich Badische
Domänenkanzlei in Karlsruhe, die den gesamten Liegenschaftsverkehr und
die Rechnungsführung der Ämter überwachte und auch deren Schriftgut z.T.
an sich zog. Der Verwaltungsbruch gegenüber den Traditionen der
reichsunmittelbaren Abtei war so zwar unübersehbar, fiel aber durch
personelle Kontinuitäten wiederum milder aus als bei anderen
säkularisierten Klöstern. Die Salemer Kanzlerdynastie Seyfried etwa blieb
bis Anfang der 1830er Jahre in der Salemer Verwaltung präsent; derselbe
"weiche" Übergang lässt sich auch bei den Rentämtern des Klosters
Petershausen beobachten. Auch so überaus tüchtige Klosterbeamte wie der
Salemer Geometer Franz Anton Eggler arbeiteten unter der badischen
Herrschaft noch lange weiter, wobei Eggler ja nicht nur seine berühmten
Karten zeichnete, sondern zugleich die gesamte wirtschaftliche Grundlage
der Herrschaft in Lagerbüchern dokumentierte und die Wirtschaftsstruktur
der Dörfer durch systematische "Vereinödung", d.h. Flurbereinigung
wesentlich veränderte. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wandelten sich diese
Strukturen langsam. Wohl im Zusammenhang mit dem Tod Großherzog Ludwigs
I. (der die Nutzung des Bodenseefideikommiss noch für sich beansprucht
hatte, obwohl er eigentlich für die nichtregierenden Prinzen des Hauses
vorgesehen war) bzw. dem Regierungsantritt der Hochberger Linie unter
Großherzog Leopold 1830 wurde die Verwaltung in Petershausen mit der in
Salem vereinigt, wenig später unter dem Namen "Rentamt Salem". Auch das
Herdwanger Rentamt wurde 1846 nach Salem verlegt, blieb dort aber als
eigene Stelle erhalten und übersiedelte in den 1860er Jahren wieder nach
Herdwangen, bis es 1897 aufgelöst wurde und sein Sprengel - als eigener
Wirtschaftsbezirk - an das Rentamt Hilzingen überging; Hilzingen hatte
schon 1884 die Aufsicht über den Grundbesitz in Allmannsdorf und Konstanz
übernommen. 1921 wurde auch das Hilzinger Rentamt aufgelöst, sein
Sprengel fiel an Salem, während der Konstanzer Besitz jetzt von der
Domänenkanzlei in Karlsruhe aus verwaltet wurde. Vermutlich im
Zusammenhang mit diesen Verwaltungskonzentrationen, aber auch als Folge
der Verlagerung der Hofhaltung des Prinzen Max von Karlsruhe nach Salem
ging das Rentamt in die neue "Markgräflich Badische Verwaltung" in Salem
ein. Die Aktenführung der badischen Amtleute blieb zunächst in sehr
bescheidenen Verhältnissen. Das gilt vor allem für die Verwalter in
Herdwangen und Hilzingen; aber auch die Oberverrechnung Salem kannte
offenbar zunächst keine Rubrikenordnung, sondern legte nur nach Bedarf
Akten unter einem jeweils zufälligen Titel an; als Deckblatt diente oft
Papierabfall. Es ist so wohl auch kein Zufall, dass diese älteste
badische Überlieferungsschicht in Salem bei der Neuorganisation der
1830er Jahre kaum beachtet, manchmal noch mit einem neuen Deckblatt
versehen, aber nur in wenigen Fällen weitergeführt wurde. In die neue
Registratur mit alphabetischer Rubrikenordnung wurden die Akten der
Oberverrechnung in der Regel nicht übernommen, sondern blieben, wenn
überhaupt, irgendwo zwischen den großen Rechnungsbeständen ungeordnet
liegen; dort traten sie erst wieder 2014 bei der Übernahme der Akten nach
Karlsruhe zu tage. Das neue Rentamt verfuhr im Übrigen - wie viele
badische Behörden - mit der Brauer'schen alphabetischen Rubrikenordnung
nach eigenem Gutdünken, ergänzte das rasch veraltende Stichwortsystem
nach Bedarf und manövrierte sich so in die Widersprüche jedes Aktenplans
herein, dessen Grundlage keine Sachsystematik, sondern eine alphabetische
Stichwortreihenfolge ist. Es hatte dabei den Vorteil, auf lange Zeit
keine Platzprobleme zu kennen: Mit der fortschreitenden Übergabe des
Klosterarchivs an das Generallandesarchiv in Karlsruhe seit 1855 konnte
das Rentamt die großzügigen Archivräume mit ihren eingebauten Schränken
und beweglichen Fluchtkästen neu füllen und noch 1911 wegen der
ausreichenden Platzreserve auf Kassationen verzichten. Die
Rentamtsregistratur spiegelt daher heute in immer noch bewundernswerter
Fülle den Mikrokosmos einer Standesherrschaft des 19. Jahrhunderts, in
der betriebswirtschaftlicher Ehrgeiz und planvolles Handeln eindrucksvoll
greifbar werden. Wann diese sog. "Neue Registratur" geschlossen bzw.
nicht mehr fortgeführt wurde, ist noch nicht klar erkennbar. Die
Aktenlaufzeiten reichen in der Regel bis in die 1920er Jahre, im
Einzelfall aber auch bis in die Nachkriegsjahre um 1950. Mit der
Auflösung der Rentämter in Herdwangen und Hilzingen wurden deren
Registraturen in die Salemer Überlieferung intergriert und manchmal auch
fortgeführt. Bei der Übernahme des Gesamtbestandes in das
Generallandesarchiv 2014 erwies sich die Rekonstruktion der Provenienzen
trotzdem als sinnvoll; im Ergebnis wurde deutlich, dass hier drei doch
ziemlich selbstständige Verwaltungskörper nebeneinander bestanden hatten,
bei denen an Salem nur partiell Gesamtaufgaben gefallen waren (wie etwa
die großen Güterrenovationen Franz Anton Egglers). Lediglich bei den
umfangreichen Amtsbuchserien (Rechnungen, Lagerbücher u.ä.) schien diese
Rekonstruktion problematisch: Ein großer Teil war gemeinsam mit jüngeren
Klosterbeständen im Zug der Rechnungsrevisionen an die Domänenkanzlei
nach Karlsruhe gelangt und von dort erst 1874 in großen Lieferungen auch
nur noch nach Salem zurücktransportiert worden; dieser Vorgang
wiederholte sich vermutlich in den Jahrzehnten danach. Als komplexer
Rechnungsbestand sollte diese Überlieferungseinheit möglichst
nachvollziehbar erhalten bleiben (jetzt Bestand GLA 69 Baden, Salem-7),
analog blieben die Lagerbücher und Gefällregister - die ohnehin für den
gesamten Bodenseefideikommiss oft auf Eggler zurückgingen - als Block in
Bestand 69 Baden, Salem-1 beisammen. Lediglich die Amtsbücher
klösterlicher Provenienz wurden wieder in die beiden Klosterbestände von
Salem und Petershausen eingegliedert (GLA 98-1 und 95-1).
Inhalt: Die badische
Verwaltungstätigkeit setzte im Bodensee-Fideikommiss mit der Abwicklung
der beiden Klöster Salem und Petershausen nach 1802 ein (wobei in Salem
eine "Kommunität" noch bis 1804 bestand). Damit verbunden war die
Neunutzung der Klostergebäude, punktuell begleitet von Abbruch, Neubau
und Restaurierungen im ganzen Klosterareal; der Aktenbestand ist hier mit
seinen Baurelationen bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg
außerordentlich ergiebig. Auch die Weiterpflege der berühmten
zisterziensischen Landeskultur, der Wasserleitungen und der Teiche vor
allem, ist gut dokumentiert. Beim landwirtschaftlichen Grundbesitz nimmt
vor allem die planmäßige Umwandlung der Lehensverhältnisse in bäuerliches
Eigengut oder standesherrliches Pachtland seit den 1830er Jahren großen
Raum ein; intensiver Liegenschaftsverkehr und gezielte Arrondierungen
ergeben das Bild einer sehr bewussten Bodenpolitik, die bis in die
Versuche von Landreformen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg die
agrarischen Verhältnisse am östlichen Bodensee wesentlich prägten.
Auffällig ist die große Zahl der herrschaftlichen Kameralhöfe, deren
Bewirtschaftung und gezielter Ausbau nach 1900 ebenso dicht in Quellen
belegt ist wie der intensive Weinbau. Dabei fällt in der Epoche des
verstärkten "Heimatschutzes" im ländlichen Bauwesen vor allem die
planerische Tätigkeit des Architekten Fritz Hirsch auf, der als
Oberbauinspektor in Bruchsal und dann als Baudirektor in Karlsruhe das
Haus Baden immer wieder beriet. Nicht zu vergessen ist nicht zuletzt,
dass in jüngerer Zeit auch der Besitz in Karlsruhe und im badischen
Unterlande von Salem aus verwaltet wurde.
Ordnung und Verzeichnung: Bei der
Hinterlegung der Salemer Rentamtsakten im Generallandesarchiv Karlsruhe
unter Eigentumsvorbehalt des Hauses Baden im Jahr 2014 ermöglichte die
Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg ein Erschließungsprojekt, das die
gesamte Salemer Ämterüberlieferung nach modernen Standards zugänglich
machen sollte. Die Akten des Rentamts wurden zum größeren Teil durch
Peter Ganz, zum kleineren durch den Unterzeichneten inventarisiert, bei
dem auch die Redaktion lag. Die originale Aktenordnung des Rentamts - die
alphabetische Rubrikenfolge in den "Generalia" und in den Ortsakten der
"Specialia" - sollte dabei nach Möglichkeit erhalten bleiben; mit
pragmatischen Kompromissen - etwa bei der Einfügung der Akten der
Oberverrechnung in die jüngere Aktenordnung - war dies auch möglich. Ein
Problem stellte die Unübersichtlichkeit mancher sehr stark angefüllter
Rubriken dar, ein anderes die je nach Registratorengeneration wechselnden
Ablagemethoden. Die jetzige Klassifikation entspricht daher nur im
Allgemeinen der Salemer Registraturordnung, im Einzelnen wurde
korrigierend verändert. Bei Bedarf wurden Rubriken zusammengefasst, wo
sie zu wenig ausgefüllt, oder systematisch untergliedert, wo sie zu voll
waren. Dies ergab vielfach - vor allem bei den Amtsbuchserien - eine
ausgeprägte Tiefengliederung. In Scope-Archiv ist eine solche gegliederte
Struktur online gut darstellbar; im gedruckten Findbuch versagt das
System dagegen, da es keine Hierarchisierung der Überschriften kennt und
Ebenen der 2., 3. oder 4. Ordnung für den Nutzer nur im
Inhaltsverzeichnis, nicht im Bandinneren grafisch erkennbar macht. Die
Titelaufnahmen innerhalb einer Rubrik sind in der Regel chronologisch,
manchmal auch leicht erkennbar alphabetisch angelegt. Durch mehrere Hefte
hindurch kontinuierlich geführte Akten blieben jedoch beisammen; an
dieser Stelle kann die Chronologie innerhalb einer Rubrik am Ende der
Aktenserie wieder zurückspringen. Der Bestand umfasst 5796 Nummern in 98
lfd.m Akten und Bänden und ca. 280 plan liegenden Bauplänen. Für die
umfangreichen Flur- und Gemarkungskarten wurde ein eigener Bestand
gebildet (69 Baden, Salem-17), dabei ist jedoch zu beachten, dass auch in
den Akten gefaltete Flurkarten enthalten sein können. Auch die
Rechnungsserien erhielten einen eigenen Bestand (69 Baden, Salem-7);
wegen der verschiedenen Bearbeiter blieben solche Serien im Einzelfall
auch bei den Akten, vor allem, wenn es sich um dünne, ungebundene Hefte
handelte. Auf bestandsübergreifende Zusammenhänge wurde jedoch jeweils
verwiesen. Springnummern ergeben sich aus Korrekturen bei der Redaktion,
vereinzelt wurden auch Archivalien nach Salem zurückgegeben. Nachträge
von 2017 wurden 2022 eingearbeitet. Karlsruhe, im Dezember 2016/Januar
2022 Konrad Krimm
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 Baden, Salem-1
- Umfang
-
5796 Archivalien
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Dynastie und Regierung >> Bodensee-Fideikommiss
- Indexbegriff Ort
-
Salem FN
- Bestandslaufzeit
-
(1532 -) 1803 - ca. 1930 (-1956)
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- (1532 -) 1803 - ca. 1930 (-1956)