Bestand

Ritterkanton Kraichgau (Bestand)

Inhalt und Bewertung

Abgesehen von der Aussonderung einiger Spezialia in der Rubrik "Reichsritterschaft, einzelne Familien" und in dem Abschnitt "einzelne Orte betr. Akten" am Schluß, enthalten alle Rubriken neben Generalakten umfangreiche Spezialakten zu einzelnen Familien und Orten. Zahlreiche familienbezogene Akten dieses Archivs befinden sich ferner in den Beständen 44 und 72, ortsbezogene Spezialia im Bestand 229 (vgl. auch Bestand 41).

Der Ritterkanton Kraichgau: Der 1542 konstituierte Ritterkanton Kraichgau war hinsichtlich der Zahl der bei ihm inkorporierten Mitglieder und Güter unter den Orten des schwäbischen Ritterkreises der kleinste, bezogen auf den Raum zwischen Sinsheim, Schwaigern, Neckarmühlbach und Neckarbischofsheim aber auch der mit der größten Dichte. Nachdem sie sich 1560, eher der Not als eigenem Antrieb gehorchend, der Ritterschaft in Schwaben angeschlossen hatten, brauchten die Kraichgauer noch einmal mehr als ein Menschenalter, bis sie sich endlich darauf verstanden, eine erste, allem Anschein nach aber nie förmlich verabschiedete Matrikel der Mitglieder und ihres Besitzes zu erstellen. Eine "amtliche" Gütermatrikel des Kantons Kraichgau kam auch später nie mehr zustande und hätte angesichts ständiger interner und externer Fluktuation ohnehin immer wieder erneuert werden müssen. Überdies stellte sich rasch heraus, dass mitnichten der gesamte zwischen Rhein, Neckar, Zaber und Pfinz gelegene Adelsbesitz von der Ritterschaft besteuert werden konnte, denn abgesehen davon, dass immer wieder ritterschaftlicher Besitz in fremde Hände gelangte und so dem fiskalischen Zugriff der Korporation entzogen wurde, stand dem im nördlichen Teil des Kraichgaus - betroffen waren unter anderem Daisbach, Helmstadt, Schatthausen und Zuzenhausen - vor allem der seitens der Kurpfalz aus der zentlichen Obrigkeit abgeleiteten und mit aller Konsequenz zur Geltung gebrachte Anspruch auf Landeshoheit im Wege. Außerhalb des Kraichgaus waren dem Ritterkanton die Dörfer und Güter Eschenau und Lehrensteinsfeld im Weinsberger Tal immatrikuliert. Die vergleichsweise schmale materielle Basis ihres Kantons war gewiss ursächlich dafür, dass die Kraichgauer Reichsritterschaft in ihren Reihen ausschließlich Realisten duldete und Personalisten die Aufnahme konsequent verweigerte. Und auch was die geburtsständische Exklusivität betrifft, war man im Kraichgau kompromisslos: Güterbesitzern, die den hohen Ansprüchen der Kraichgauer nicht genügten, wurde auf den Ritterkonventen weder Sitz noch Stimme zugebilligt. Die Direktorialverfassung des Ritterkantons wurzelte in einer von Anfang an kollegialen Leitung, deren Stellen sich oft nur unter Schwierigkeiten besetzen ließen und die daher in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs nahezu gänzlich unterging. Aus dieser Notsituation erwuchs aber schließlich 1640 das Amt eines persönlichen Direktors, dem fortan in der Regel vier Ritterräte zur Seite standen. Die Leitungsgremien rekrutierten sich von altersher nicht allein geburtsständisch exklusiv, sondern waren überdies, entsprechend dem traditionell evangelischen Selbstverständnis des Kantons, stets ausschließlich mit Rittern evangelisch-lutherischen Bekenntnisses besetzt; gleiches galt bis zum Ende des Alten Reiches für das gesamte Kanzleipersonal. Ritterdirektoren waren: 1640-1658 Dietrich von Gemmingen-Guttenberg, 1659/61-1685 Philipp Ludwig von Neipperg, 1685-1707 Uriel von Gemmingen-Hornberg, 1707-1725 Eberhard Friedrich von Neipperg, 1726-1728 Georg Friedrich von Sternenfels, 1728-1735 Johann Reinhard von Mentzingen, 1735-1757 Johann Dietrich von Gemmingen-Fürfeld, 1757-1778 Philipp von Gemmingen-Guttenberg, 1778-1795 Karl Christoph von Helmstatt und1795-1806 Ernst von Gemmingen-Michelfeld.

Das Kantonsarchiv: Kanzlei und Archiv des Ritterkantons Kraichgau hatten ursprünglich ihren Sitz in Wimpfen und wurden 1619 nach Heilbronn verlegt. Dort fand das Archiv zunächst im Haus des Johann Georg Rollwag am Markt eine Unterkunft, seit 1788 in einem eigens zu diesem Zweck errichteten dreistöckigen Gebäude am Hafenmarkt. 1792 wurde es aus Sicherheitsgründen für mehrere Jahre in den Härtleshof nach Nürnberg ausgelagert. Als Archivare sind nachweisbar: 1687-1705 Johann Ludwig Kugelmann, nach 1705 Johann Balthasar Müller aus Giengen, vor 1744 Johann Georg Müller, 1744-1757 Adam Friedrich Genth, 1757-1763 Jakob Ernst Friedrich Kiesling, 1763-1768 Johann Dietrich Lang, 1768-1771 Johann Georg Uhl, 1771-1773 Johann Christoph Heinrich Zeller, 1773-1779 Eberhard Gottfried Baumann und 1780-1795 Jakob Gottlieb Reuss aus Marbach, zuvor württembergischer Kanzleiadvokat. Diese Archivare hatten meistens eine juristische Vorbildung und waren zeitweise auch als Konsulenten des Kantons tätig. Unter ihnen hat der zuletzt genannte Reuss die größten Verdienste um die Ordnung des Archivs. Nach dem Ende des Ritterkantons 1805/06 fiel der größte Teil der reichsritterschaftlichen Gebiete an Baden, der Rest an Württemberg. Die Württemberg betreffenden Teile des Archivguts gelangten 1868/69 nach Ludwigsburg und werden heute im dortigen Staatsarchiv im Bestand B 578 verwahrt. Die Generalakten und auf Baden bezüglichen Spezialakten im vorliegenden Bestand wurden nach dem badischen Rubrikenschema 1925 bis 1937 verzeichnet.

Reference number of holding
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 125
Extent
3951 Faszikel im Signaturbereich 1-3908

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Ritterschaftliche Archive >> Kraichgau
Related materials
Kurt Andermann, Der Reichsritterkanton Kraichgau. Grundlinien seines Bestands und seiner Verfassung, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 160 (2012) S. 291-338.
Rainer Brüning/Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S.246-259.
Günter Cordes, Bestände baden-württembergischer Staatsarchive zur Geschichte der Reichsritterschaft in den Kantonen Kocher, Odenwald und Kraichgau, in: Archivalische Zeitschrift 68 (1972) S. 87-88.
Konrad Krimm und Kurt Andermann, Archive der Kraichgauer Ritterschaft, Karlsruhe 1993, S. 12 ff.
Volker Press, Die Reichsritterschaft im Kraichgau zwischen Reich und Territorium 1500 bis 1623, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 122 (1974) S. 35-98.

Date of creation of holding
[1255] 1422-1836

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Last update
03.04.2025, 11:03 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • [1255] 1422-1836

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