Bestand
Weltliche Lagerbücher: OA Neuenstadt (Bestand)
1. Zur Geschichte des Amtes (altwürttembergischen Oberamts) Neuenstadt: Das Amt Neuenstadt gehörte zu den kleinsten Ämtern in Württemberg. Stadt und Amt Neuenstadt am Kocher waren zunächst im Besitz der Herren von Weinsberg. Anfang des 14. Jahrhunderts wurde das Amt Neuenstadt aus dem Amt Weinsberg gelöst. Es bestand bis zur napoleonischen Zeit. Die Stadt Neuenstadt am Kocher fungierte seit ca. 1380 als Sitz der Herren von Weinsberg. Aufgrund der hohen Verschuldung der Herren von Weinsberg wurden Stadt und Amt Neuenstadt 1450 an die Pfalz verkauft. 1504 eroberte Herzog Ulrich von Württemberg im pfälzisch-landshutischen Erbfolgekrieg die Ämter Neuenstadt und Weinsberg. Nachdem die Stadt Weinsberg und einige benachbarte Dörfer im Bauernkrieg niedergebrannt wurden, wurde auch das Amt Weinsberg von 1525 bis 1553 von Neuenstadt aus verwaltet. Die dortigen Vögte fungierten zugleich als Amtmann für Weinsberg. Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden die beiden Ämter auch durch den Schmalkaldischen Krieg und die spanische Besatzung. Im Zuge der Normalisierung wurden ab 1551 in Neuenstadt Kelter und Amtshaus gebaut und das weinsbergische Schloss erneuert. 1559 bis 1565 wurde an dessen Stelle das württembergische Schloss errichtet. Nachdem es ab 1566 für einige Jahre Witwensitz für die Gattin Herzog Ludwigs gewesen war, diente es von 1618 bis 1781 als Residenz der 1742 im Mannesstamm erloschenen Neuenstädter Nebenlinie des Hauses Württemberg, welcher die Ämter Neuenstadt, Möckmühl und Teile von Weinsberg überlassen wurden. Die fünf Orte des Amts Neuenstadt - die Stadt Neuenstadt sowie die Dörfer Brettach, Cleversulzbach, Gochsen und Kochersteinsfeld - liegen nahe beieinander am Kocher oder in einem der südlichen Seitentäler und waren durch Verkehrswege gut miteinander verbunden. Aufgrund dessen bewirtschafteten viele Familien Parzellen in mehreren Markungen des Amts. Einheitlich war auch der Rechtsstatus: Alle Einwohner waren Untertanen - und meist Leibeigene - der Herrschaft, die zugleich Grundherr über den größten Teil der Markungen war. Daneben verfügten hier die Klöster Lichtenstern und Schöntal über Grundbesitz. Die Amtsorte galten als relativ arm, verfügten jedoch über eine gute Infrastruktur (Kirchen, Mühlen, Kelter, Siechenhäuser). Die Stadt Neuenstadt ist als Ackerbürgerstadt zu charakterisieren. Während der Zeit als Residenzstadt der Linie Württemberg-Neustadt blühten jedoch auch Gewerbe und Handwerk. Kirchlich gehörte Neuenstadt bis zur Reformation zum Bistum Würzburg (Kapitel Weinsberg), danach als Teil des Dekanats Neuenstadt zur General-Superintendenz Heilbronn. Für die Stadt Neuenstadt, die um 1320 als 'Neue Stadt Helmbund' gegründet worden war, fungierte bis 1595 die Kirche der aufgegebenen alten Stadt Helmbund (heute Ruine) als Pfarrkirche. Analog gingen im 16. Jahrhunderts alte Helmbunder Mühlen ab und entstanden neue Mühlen in Neuenstadt. In die Zuständigkeit der württembergischen Ämter fielen Wehr- und Steuerwesen, Verwaltung und Rechtsprechung, so dass fast alle herrschaftlichen Befugnisse in den Händen des Amtmanns lagen, der zugleich die Funktion des Stadtvorstehers der Amtsstadt wahrnahm. Auch im Zeitalter des Absolutismus konnte sich die Amtskorporation wesentliche Rechte und Freiheiten bewahren.
2. Zur Geschichte und Ordnung des Gesamtbestands H 101 - weltliche Lagerbücher der Oberämter: Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außen-vermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. Nach Abgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereint der heutige Bestand H 101, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe.
3. Zur Verzeichnung des Bestands H 101/ 45: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den gesamten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Die entsprechende Verzeichnung für das Amt ( (zuletzt altwürttembergisches Oberamt) Neuenstadt wurde 1956 von Dr. Liselotte Hubert-Becker erstellt und später ergänzt. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den ursprünglichen Richtlinien vorgesehene systematische Neuerfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Aufgenommen werden lediglich die bereits erfassten Reskripte. Diese werden im "Enthält-Vermerk" ausgewiesen und bei der Gesamtlaufzeit des Bandes berücksichtigt. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer, 2. Titel, 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz, 4. eventuelle Register, 5. Renovator(en), 6. Inhalte und Darstellungsweise, 7. Orte, 8. Urkunden, 9. äußere Bandbeschreibung, 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte, 11. Vorsignaturen, 12. Umfang, 13. Jahr der Anlage. Die Angaben zum Titel orientieren sich primär an den Suchbedürfnissen der meisten Nutzer des Bestands: Ortsnamen und Laufzeit, die als wichtigstes Kriterium für die zügige Ermittlung gesuchter Einzelbände auch meist auf den Bandrücken von den Registraturen der Rentkammer, Ämter etc. deutlich vermerkt sind. Bei den Laufzeitangaben ist zu beachten, dass in einem Großteil der Bände Nachträge eingefügt worden, die bei den Laufzeitangaben berücksichtigt sind. Weiterhin erfolgte eine Neusignierung entsprechend dem gängigen Signaturschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter/Kellereien (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände eines Bestandes ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/45 übernahm im zweiten Quartal 2010 unter Anleitung des Unterzeichneten im Rahmen ihrer Ausbildung die Archivanwärterin Sylvia Günteroth (Ausbildung zur Diplomarchivarin FH). Die Endredaktion gestaltete der Unterzeichnete. Der Bestand umfasst nun 51 Bände bzw. 5,8 Regalmeter. In diesen Bänden sind 109 Urkundenbschriften enthalten, deren chronologische Zusammenstellung ergab, dass es sich um 37 verschiedene Urkunden zum Bereich des Amts aus der Zeit zwischen 1445 bis 1766 handelt. Stuttgart, im Juni 2010 Franz Moegle-Hofacker
4. Literaturangaben: GRÄF, Hartmut, Die Ämter Neuenstadt am Kocher und Weinsberg an der Wende zur Neuzeit. Verteilung der Vermögen und Infrastruktur im ländlichen Bereich (Forschungen aus Württembergisch Franken 51) Ostfildern 2004 RAFF, Gerhard, Hie gut Wirtemberg allewege, Bd. 3, Stuttgart 2002, S. 363-509 (Linie Württemberg-Neuenstadt)
5. Korrespondierende Bestände: A 17a Fürstliche Kanzlei Neuenstadt A 19a Hof-, Residenz- und Spezialrechnungen A 44 Urfehden A 55 Darlehen und Schulden A 202 Geheimer Rat: Akten A 206 Oberrat: Ältere Ämterakten A 213 Oberrat: Jüngere Ämterakten A 227 Oberrat: Forst, Wald und Jagd A 249 Rentkammer: Ämterakten A 281 Kirchenvisitationsakten A 284 Kirchenrat: Ämterregistratur A 297 Weltliche Zins- und Haischbücher A 302 Weltliche Ämterrechnungen A 303 Geistliche Ämterrechnungen A 304 Reskripten- und Berichtsbücher der Bezirksämter A 305 Reskripten- und Berichtsbücher der Forstämter A 560 Forstamt Neuenstadt G 66, 79, 90 142, G 157, 170, 231 Württembergisches Hausarchiv (Nebenlinie Neuenstadt) H 102/57 Geistliche Lagerbücher der Kirchengutsverwaltung: Neuenstadt H 107/13 Forstlagerbücher: Neuenstadt Sowie: Staatsarchiv Ludwigsburg, B 503 II und III (Kloster Schöntal).
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/45
- Umfang
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51 Bände, Bestellnummern: Band 1 - 51
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)
- Bestandslaufzeit
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1523-1795
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
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Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
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20.01.2023, 15:09 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1523-1795