Bestand

Weltliche Lagerbücher: OA Leonberg (Bestand)

1. Zur Geschichte des Amtes Leonberg: Die Stadt Leonberg wurde 1248 oder 1249 von Graf Ulrich I. von Württemberg als Stadt Levinberch gegründet und ist damit eine der ältesten Stadtgründungen der württembergischen Grafen. Im Konflikt zwischen den Habsburgern Ludwig IV. und Friedrich dem Schönen um Kaiserwürde und Vormacht im Reich stellte sich Graf Eberhard I. von Württemberg auf die Seite des Gegenkönigs Friedrich. Als sich dieser Konflikt zum Reichskrieg ausweitete, unterstützte die Stadt Leonberg gemeinsam mit der Reichsstadt Esslingen 1312 bis 1316 Ludwig IV. und stand somit gegen Württemberg. Einige Jahre nach Ende diesen Auseinandersetzungen wurde Leonberg 1383 wieder endgültig württembergisch. In der württembergischen Verwaltungsgliederung wurde die Stadt Vogteisitz, dann Amtssitz. Seit 1304 stand an der Spitze der Stadt ein vom Landesherrn eingesetzter Schultheiß, der 1450 von einem Vogt abgelöst wurde, der zugleich das Amt Leonberg leitete. Ab 1759 leitet ein Oberamtmann die Stadtverwaltung. Zum Amt Leonberg gehörten im sechzehnten Jahrhundert neben den beiden Städten Leonberg und Heimsheim die Dörfer Ditzingen, Eltingen, Friolzheim, Gebersheim, Gerlingen, Heimerdingen, Hemmingen, Hirschlanden, Höfingen, Mönsheim, Münklingen, Renningen, Rutesheim, Warmbronn und Weilimdorf. Später kamen Malmsheim, Perouse und Schöckingen hinzu. Von der Größe bewegte sich das Amt damit im Mittelfeld der württembergischen Ämter. Wirtschaftlich lag Leonberg ungünstig im Herzogtum Württemberg. Mit der Gründung wurde Leonberg zwischen bereits bestehende Markungen gesetzt, so dass die eigene Ausdehnung flächenmäßig gering bleiben musste. Zudem lagen Stadt und Amt an keiner zentralen Verkehrs- oder Handelsverbindung. Der Leonberger Markt war unbedeutend im Hinblick auf die benachbarten und deutlich größeren Städte wie Stuttgart, Sindelfingen oder Weil der Stadt. Wichtigste Erwerbsmöglichkeit im Amt war die Landwirtschaft mit einem Schwerpunkt auf dem Weinbau. Ins Zentrum des Interesses rutschte Leonberg 1457, als einer der ersten württembergischen Landtage in der Stadt tagte. Hier wurde die Frage der Vormundschaft über den minderjährigen Herzog Eberhard V. entschieden. Während das Leonberger Schloss vor dem sechzehnten Jahrhundert von den württembergischen Grafen und Herzögen lediglich als Jagdschloss genutzt worden war, wurde es nach 1560 von Herzog Christoph als mögliche Residenz ausgebaut und danach etwas häufiger bewohnt. Dauerhaft wurde es erstmals von Herzogin Sybille genutzt, die getrennt von ihrem Mann, Herzog Friedrich, ab 1593 hier lebte. Nach dem Tod Herzog Friedrichs ließ sie das Schloss von Heinrich Schickhardt als Witwensitz ausbauen. Danach war noch zweimal Witwensitz für die Gemahlinnen verstorbener württembergischer Herzöge. Im achtzehnten Jahrhundert wurde das Schloss Verwaltungssitz. In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts wurden in Leonberg nach fünfzehn Anklagen acht Frauen wegen Hexerei verbrannt. Unter den Angeklagten war auch die Mutter des kaiserlichen Astronomen Johannes Kepler, Katharina Kepler. Damit war Leonberg Schauplatz einer der bekanntesten Hexenprozesse überhaupt. Nach Pestepidemien 1584 in Leonberg, 1585 in Gebersheim, Heimsheim und Renningen hatte das Amt Leonberg - wie sehr viele andere württembergische Städte und Ämter - vor allem während des Dreißigjährigen Krieges und des Habsburger Interregnums massive Verluste in Bevölkerung und Wirtschaftskraft zu verkraften. Als 1718 Herzog Eberhard Ludwig das Amt Ludwigsburg errichtete, fiel Malmsheim an das Amt Leonberg, das zuvor beim Amt Böblingen gewesen war. Weilimdorf dagegen musste an das Amt Cannstatt abgegeben werden. Mit der Verwaltungsreform 1758 wurde Leonberg zum Oberamt erhoben. Im Zuge der Neugliederung des Königreichs Württemberg 1806 wurde dem Oberamt neben einigen altwürttembergischen Orten unter anderem die ehemaligen Reichsstadt Weil der Stadt angegliedert, die zunächst von 1803 bis 1808 Sitz eines eigenen Amts gewesen war. Das Oberamt Leonberg wurde 1934 zum Landkreis Leonberg umbenannt und mit der Kreisreform 1973 aufgehoben, wobei der nördliche Teil dem Enzkreis und dem Landkreis Ludwigsburg zugeschlagen wurde, der südliche Teil fiel an den Landkreis Böblingen.

2. Zur Geschichte und Ordnung des Bestandes: Seit 1422/1423 wurden in Württemberg bei der von der Rentkammer zentral gesteuerten systematischen Aufzeichnung von Besitzungen, Rechten und Einkünften in Lagerbüchern mehrere gleichlautende Reinschriften erstellt: Ein Exemplar verblieb in der Kanzlei der Rentkammer, ein zweites wurde im Archiv hinterlegt, eine dritte Reinschrift erhielt die zuständige Kellerei, die in der Zeit des aktuellen Gebrauchs Nachträge vermerkte. Das heutige Lagerbuchselekt führt verschiedene ältere Reihen zusammen: 2.1 Die altwürttembergische Reihe "weltliche Lagerbücher" Ursprünglich umfasste diese Reihe die Archivexemplare, die häufig den Außen-vermerk "Archiv" tragen. Im Laufe der Zeit wurden diesem Bestand Konzepte, Mehrfertigungen und Lagerbücher der 1806 neu erworbenen Herrschaften hinzugefügt, so dass ein Mischbestand erwuchs, der 1938 anlässlich der Neugliederung der Bestände durch K.O. Müller die Bestandsbezeichnung H 1 erhielt. 2.2 "Dublettenreihe" Seit 1908 wurden unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Dublettenreihe" Mehrfertigungen, aber auch Konzepte und Abschriften von Lagerbüchern geistlicher und weltlicher altwürttembergischer sowie neuwürttembergischer Herrschaften zusammengeführt. Der Bestand gelangte ins Staatsarchiv Ludwigsburg und erhielt die Signatur H 6. 2.3 Lagerbuchreihe des Finanzarchivs Im Rahmen der Neuordnung 1806 wurde der überwiegende Teil der altwürttembergischen Lagerbücher aus den Registraturen der Bezirksämter den Kameralämtern übergeben, die - ausgehend von den aktuellen Verwaltungsbedürfnissen - umfangreiche Kassationen und Umordnungen vornahmen. Allmählich gaben die Kameralämter die Lagerbücher an das 1822 eingerichtete Finanzarchiv ab. Nach erneuten Kassationen und uneinheitlicher Ordnung wurden in dieser Zeit für ungefähr die Hälfte der Überlieferung provisorische Verzeichnisse erstellt. Die dabei vergebenen rund 4200 Zahlensignaturen sind mit Blaustift auf der Vorderseite vermerkt. 1924 übernahm das Staatsarchiv Ludwigsburg die Lagerbuchbestände des aufgelösten Finanzarchivs und wies sie der Bestandsgruppe H 6-10 zu. 2.4 "Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg Bruchstückhaft blieb um 1930 der Versuch, aus der Überlieferung des Finanzarchivs diejenigen Erneuerungen in einer Reihe zusammenzuführen, die in den Stuttgarter Lagerbuchbeständen fehlten. 2.5 Beständebereinigung durch K.O. Müller K.O. Müller löste den von ihm gebildeten Mischbestand H 1 (s. o.) in einer zweiten Verzeichnungsphase auf, indem er die altwürttembergischen Lagerbücher im Bestand A 295 zusammenfasste und die neuwürttembergischen Lagerbücher den Reihen B 1-5 zuwies. Nach Abgabe der in Ludwigsburg befindlichen Lagerbücher an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Juli 1950 wurde unter der Leitung von F. Pietsch der gesamte Überlieferungskomplex neu gegliedert. Aus pragmatischen Gründen verzichtete man dabei auf die Rekonstruktion der Registraturen der Kanzlei, des Archivs sowie der Kellereien in eigenen Reihen. Vielmehr vereint der heutige Bestand H 101, gruppiert nach Oberämtern, alle überlieferten Exemplare einer Erneuerung - also Konzepte, Reinschriften, Abschriften - in einer Reihe.

3. Zur Verzeichnung des Bestandes: Nach der Zusammenführung der Lagerbuchbestände im Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1950 war die anschließende Neuordnung um 1960 im wesentlichen abgeschlossen. Damit konnte eine Neuverzeichnung in Angriff genommen werden. Angesichts der zu bewältigenden großen Mengen entwarfen H.-M. Maurer und H. Natale 1974 "Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern" und trieben die Erschließung der Lagerbuchselekte mit den bestehenden geringen Personalressourcen unter Einbeziehung von Auszubildenden und Aushilfskräften voran. Inzwischen liegen für den gesamten Bestand H 101 Konzeptverzeichnungen vor, die allerdings nur sehr eingeschränkt benutzt werden können. Die entsprechende Verzeichnung für das Oberamt Leonberg wurde 1955 von D. Wunder im Konzept fertiggestellt und später fortlaufend ergänzt. Bei der laufenden Überarbeitung dieser Konzeptverzeichnungen wird auf die in den Richtlinien vorgesehene systematische Neuerfassung von Reskripten und Notizen verzichtet. Aufgenommen werden lediglich die bereits erfassten Reskripte. Diese werden im "Enthält-Vermerk" ausgewiesen und bei der Gesamtlaufzeit des Bandes berücksichtigt. Der Verzeichnung liegt folgendes Schema zugrunde: 1. Bandnummer, 2. Titel, 3. Genetische Stufe und Behördenprovenienz, 4. eventuelle Register, 5. Renovator(en), 6. Inhalte und Darstellungsweise, 7. Orte, 8. Urkunden, 9. äußere Bandbeschreibung, 10. enthaltene Beilagen oder Reskripte, 11. Vorsignaturen, 12. Umfang, 13. Jahr der Anlage. Die Angaben zum Titel orientieren sich soweit als möglich an den auf den Vorsatzblättern zu findenden Innentiteln der Bände. Weiterhin erfolgte eine Neusignierung entsprechend dem gängigen Signaturschema der Lagerbuchselekte: Die bestehende Durchnummerierung wird durch Zwischennummern für die einzelnen Ämter (H 101/1 Altensteig bis H 101/64 Winnenden) mit jeweiliger Neuzählung der einzelnen Bände eines Bestandes ersetzt. Alte und neue Signaturen können der Konkordanz entnommen werden. Die Bearbeitung der vorhandenen Titelaufnahmen des Bestandes H 101/33 übernahmen im September und Dezember 2008 unter Anleitung des Unterzeichneten die Archivreferendare René Hanke und Joachim Brüser. Die Endredaktion gestaltete der Unterzeichnete. Der Bestand umfasst nun 135 Bände, in denen 411 Urkundenabschriften ausgewiesen sind, bzw. 8,50 Regalmeter. Stuttgart, im März 2009 Franz Moegle-Hofacker

4. Literaturverzeichnis: - Achim Landwehr, Policey im Alltag - Die Implementation frühneuzeitllicher Policeyordnungen in Leonberg, Frankfurt/Main 2000. - Eduard Paulus, Beschreibung des Oberamts Leonberg, hrsg. vom königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1852. - Gregor Richter, Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg; 36), Stuttgart 1979. - Wilfried Setzler (Hg.), Leonberg - Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte, Stuttgart 1993.

Korrespondierende Bestände: A 206 - Oberrat: Ältere Ämterakten A 213 - Oberrat: Jüngere Ämterakten A 248 - Rentkammer: Generalakten A 249 - Rentkammer : Ämterakten A 284 - Kirchenrat: Ämterregistratur A 298 - Weltliche Leibeigenenbücher A 302 - Weltliche Ämterrechnungen A 303 - Geistliche Ämterrechnungen A 368 - Amtsakten Leonberg, weltliche Verwaltung A 368L - Amtsakten Leonvberg, weltliche Verwaltung A369 - Amtsakten Leonberg, geistliche Verwaltung A 369 L - Amtsakten Leonberg, geistliche Verwaltung A 572 - Stadt und Amt Leonberg H 102/ 42 - Lagerbücher Geistliche Verwaltung Leonberg L 6 - Landständisches Archiv, Materienregistratur

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 101/33
Extent
135 Bände, Bestellnummern: Band 1-135

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Weltliche Lagerbücher der Oberämter (gesamt)

Date of creation of holding
1350-1839

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Last update
20.01.2023, 3:09 PM CET

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  • Bestand

Time of origin

  • 1350-1839

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