Bestand
Weingarten, Benediktinerkloster: Leibeigenschaftsbriefe (Bestand)
1. Überlieferung: Im vorliegenden Inventar sind sämtliche 1143 Leibeigenschaftsbriefe des Stuttgarter Bestandes B 515 regestiert, die ihrerseits ca. ein Achtel der heute im Hauptstaatsarchiv verwahrten und auf die Bestände B 515 B 522 verteilten Urkundenüberlieferung des vormaligen Benediktinerklosters Weingarten ausmachen. Diese an sich sehr beachtliche Menge ist aber nur noch ein Rest der bis zur Säkularisation der Reichsabtei mutmaßlich angefallenen Leibeigenschaftsurkunden. Die seither eingetretenen Verluste sind mit Sicherheit der Behandlung des Klosterarchivs durch Württemberg in den Jahren nach 1806 zuzuschreiben, wobei Gründe und Motive der dafür verantwortlichen Personen nur teilweise rekonstruiert werden können. Es gilt als sicher, dass das Klosterarchiv noch beim Anfall an Württemberg (1806) nahezu vollständig erhalten war. Während der kurzen oranien-nassauischen Herrschaft (1802-1806) sind dessen Bestände von Ausnahmen abgesehen kaum angetastet worden (1). 1812 nahm der Untertürkheimer Pfarrer und Historiker Johann Christian Pfister im Auftrag der württembergischen Regierung eine erste Bestandsaufnahme in Weingarten vor und veranlasste auch schon die Überführung von 5 Kisten Urkunden nach Stuttgart (2). Leibeigenschaftsbriefe (3) waren aber sicher nicht darunter, weil sich Pfister um Ergänzung der damaligen Bestände des Staatsarchivs bemüht nur für solches Material interessierte, das sich auf die Geschichte der Welfen, die Genealogie des Hauses Württemberg und einige der im 16. Jahrhundert säkularisierten württembergischen Mannsklöster bezog (4). Insgesamt dürften die von Pfister veranlassten Entnahmen den Bestand kaum merklich reduziert haben. Anders verhält es sich aber vermutlich mit der intensiven Nutzung des Archivs durch das neueingerichtete Kameralamt Weingarten, das bei seiner täglichen Arbeit auf die gewachsene Beständestruktur wohl ebenso wenig einen Gedanken verschwendet hat wie auf die Reponierung benutzter Dokumente oder allgemein die pflegliche Behandlung des Schriftguts. Zu erheblichen Verlusten scheint es vor allem durch die Entfernung des Archivs aus seinen angestammten Räumen gekommen zu sein, die wahrscheinlich der häufig wechselnden Nutzung der Klostergebäude durch zahlreiche Institutionen während der ersten Dezennien der württembergischen Herrschaft zu verdanken war. Unter anderem schlugen 1809 die württembergische Landvogtei am Bodensee, bis 1828 das Kameralamt Weingarten, seit 1825 eines der beiden zentralen württembergischen Waisenhäuser und eine Erziehungsanstalt für "Vagantenkinder" im ehemaligen Gotteshaus ihr Domizil auf (5). Die Verlegung des Archivs wurde wohl erst nach Pfisters Besuch durchgeführt, bewirkte aber durch die damit einhergehende gravierende Verschlechterung der Lagerungsbedingungen bei Teilen des Bestands erhebliche Schäden. Als im Sommer 1826 der Geheime Archivar Christoph Friedrich Lotter das Weingartner Archiv inspizierte (6) und nach Schriftstücken durchsuchte, die für das königliche Staatsarchiv in Stuttgart geeignet erschienen, fand er die pergamentenen (bäuerlichen) Lehenbriefe und Manumissionsurkunden, die ursprünglich sogenannte Extraladen gebildet hatten, in einem feuchten Nebenraum des damaligen "Archiv-Locals", mangels geeigneter "Repositorien" in einer Ecke zu einem großen Haufen gestapelt. Wie Lotter sich drastisch ausdrückt, hat die unzweckmäßige Lagerung dazu geführt, "daß sich die zu unterst gelegenen pergamenten Urkunden mit den daran gehangenen Sigillen von Wachs in eine Flüssigkeit entflößten." Um weiteren Schäden vorzubeugen hat er die durch Moder und Fäulnis noch "unversehrte[n] oder weniger angegriffene" [n] Stücke in 10 leer aufgefundene Kästen verpacken und im großen Archivraum aufstellen lassen (7). Über die Menge der bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Totalschäden bzw. der nicht mehr zu rettenden Stücke macht Lotter leider keine Angaben. Einige wenige Manumissionen hob er "wegen antiquarischem Werthe" schon damals für das Staatsarchiv Stuttgart aus (8). Lotter, in den Jahren 1824 bis 1828 mit der gewaltigen Aufgabe betraut, in den Archiven der 1802 bis 1810 unter württembergische Staatshoheit gefallenen Herrschaften diejenigen Dokumente aufzuspüren, die sowohl dem Staatsinteresse als Belege dienen konnten als auch historischen Wert besaßen, wählte das zu übernehmende Material nach Richtlinien und Kriterien aus, die seit 1813 mehrere Angehörige des königlichen Staatsarchivs in Gutachten und Denkschriften formuliert hatten, sowie nach der Maxime des Kanzleidirektors im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Rosner, der aus Anlass der Fertigstellung des Neubaus des Staatsarchivs 1826 dessen Zweckbestimmung als Tresor für wichtige Dokumente der Staatsverwaltung einer-, als historische Forschungsstätte andererseits beschrieben hatte (9). Als Handlungsanleitung diente Lotter wohl insbesondere ein von dem Staatsarchivar Carl Friedrich Pfaff geschriebenes Memorial vom 21. Juni 1824, laut dem vor allem Pergamenturkunden archivwürdig seien, und hier wiederum speziell herrschaftliche Kaufbriefe, Lehenbriefe, Bündnisse und Verträge, nicht aber Zinsbriefe, Urfehden oder Manumissionen, in denen ja lediglich persönliche Rechtsverhältnisse oder Privatgeschäfte dokumentiert seien (10). Weil also Lotter bei seinem Weingartener Aussonderungsgeschäft im Sommer 1826 die Leibeigenschafts- und bäuerlichen Lehenbriefe weisungsgemäß unberücksichtigt lassen musste, wollte er seine Auftraggeber wenigstens auf den historischen Wert dieser Quellen hingewiesen haben und plädierte daher in seinem Abschlussbericht eindringlich für deren dauerhafte Erhaltung, nachdem er ja bereits für die Verbesserung ihrer Lagerungsbedingungen gesorgt hatte. Denn diese Dokumente, "wenn sie gleich nicht für das Staatsarchiv geeignet sind, würden es auf jeden Fall doch noch wegen antiquarischem oder historischem Werth ferner aufbewahrt zu werden verdienen, was namentlich von den alten Manumissionsurkunden aus dem 14. bis 16. Jahrhundert und den größtentheils auf Pergament geschriebenen Lehenbriefen und Reversen ... gesagt werden kann" (11). Insgesamt musste Lotter bei seiner Abreise zu seinem Bedauern geschätzte 4000 Pergamenturkunden in Weingarten zurücklassen (12). In den Jahren 1838 bis 1840 wurde das Weingartner Archivdepot endgültig aufgelöst. Mit dieser Aufgabe wurde "Archivkommissär" Valentin Schloßstein betraut, der als Verwalter eines in Stuttgart begründeten Nebenarchivs das zwar nicht staatsarchiv-, aber dennoch aufbewahrungswürdige Schriftgut der im Königreich Württemberg aufgegangenen ehemaligen Reichsherrschaften übernehmen sollte (13). Wegen des notorischen Platzmangels auch der damaligen Nebenarchive sollte er zwar möglichst großzügig kassieren, war aber andererseits an eine Hauptinstruktion gebunden, die auch ein Verzeichnis (14) der seinerzeit durch Lotter als erhaltenswert eingestuften Dokumente enthielt, darunter die nach wie vor in den Kästen XVI bis XXVII des Depots gelagerten Leibeigenschafts- und bäuerlichen Lehenbriefe, die jetzt folglich, zumindest soweit sie auf Pergament geschrieben waren, zur dauerhaften Archivierung bestimmt und nach Stuttgart abtransportiert wurden. Denn Lotter hatte 1826 in seinem Rechenschafts- und Reisebericht lediglich auf den antiquarischen Wert der aus dem 14. bis 16. Jahrhundert stammenden Manumissionen auf Pergament aufmerksam gemacht, wobei die betonte Wertschätzung für die älteren Urkunden auf diesem Beschreibstoff ja zugleich die Geringschätzung der jüngeren auf Papier implizierte. Was auch immer die Gründe dafür gewesen sein mögen, Schloßstein muss mit oder ohne Anweisung von oben - große Mengen Leibeigenschaftsbriefe auf Papier, die in Weingarten im Dreißigjährigen Krieg innerhalb weniger Jahre die Exemplare auf Pergament verdrängt hatten, noch vor Ort kassiert haben. Anders ist jedenfalls nicht plausibel zu erklären, warum die Überlieferung der Weingartner Leibeigenschaftsbriefe, die für die Jahre um 1600 mit 10 oder mehr Urkunden pro Jahr ausgesprochen dicht ist, in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts merklich ausdünnt und ab 1650 weitestgehend abbricht. Für die Jahre 1646 bis 1806 existieren in B 515 nur ganze 29 Leibeigenschaftsbriefe, das entspricht noch nicht einmal drei Prozent des heutigen Bestandes! Die in diesem Zeitraum entstandenen Urkunden sind zwar fast durchweg auf Papier geschrieben, doch legt die weite Streuung ihrer Entstehungszeit die Vermutung nahe, dass es sich bei diesen späten Manumissionen lediglich um vereinzelte exemplarische Belegstücke handelt, die Schloßstein zur Dokumentierung der Veränderung ihrer äußeren Form und ihres Inhalts aufbewahrt wissen wollte. Natürlich kann die Ausdünnung der Überlieferung ab den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts zumindest teilweise auch auf die jetzt den Bodenseeraum erreichenden Kriegswirren zurückzuführen sein, und auch die um dieselbe Zeit einsetzende, im Bestand klar nachweisbare rapide Verdrängung des Beschreibstoffs Pergament durch Papier mag insoweit indirekt mit den Zeitläuften zusammenhängen, als in Kriegszeiten Luxusgüter wie Pergament generell knapp werden (15). Was nun auch immer die Gründe für das dauerhafte Verschwinden der pergamentenen Manumissionsbriefe in den Jahren um 1650 gewesen sein mögen, der gleichzeitige, abrupte und beinahe vollständige Abbruch der Weingartener Überlieferung im HStAS dürfte wohl auf das Konto des nicht zuletzt wegen seiner rigorosen Kassationspraxis in der württembergischen Archivgeschichte kontrovers beurteilten Schloßstein gehen. Nach anfänglicher Unterbringung in der Tübingertorkaserne in Stuttgart, dem erwähnten Nebenarchiv, und im Klarakloster in Heilbronn wurden die Leibeigenschaftsbriefe 1869 in das neubegründete Staatsfilialarchiv Ludwigsburg überführt, wo sie dem Bestand B 515 zugeordnet wurden. Im Zuge des Beständeausgleichs zwischen Ludwigsburg und Stuttgart ab 1969 wurden die Weingartner Klosterbestände B 515 und B 522 an das Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgegeben. ANMERKUNGEN: (1) Seiler, Archive, S. 331 f.; Rudolf, Aus den Niederlanden ins Oberland, S. 474. (2) Pietsch, Archivreisen, S. 336. (3) Über die Anzahl der noch unmittelbar vor der Säkularisation in Weingarten vorhanden gewesenen Leibeigenschaftsurkunden geben auch die zeitgenössischen Repertorien nichts her; vgl. etwa HStAS, B 16 Altrepertorien des Klosterarchivs von 1770/1771. (4) Hierzu die Berichte Pfisters in HStAS, J 1, Nrn. 125 a und 125 b. (5) Vgl. OAB Ravensburg, S. 137 ff. (6) Die bei Rudolf, Schicksale, S. 488, geäußerte Meinung, das vollständig erhaltene Archiv sei 1812 gemeinsam mit der 60 000 Bände umfassenden Klosterbibliothek nach Stuttgart abtransportiert worden, ist unzutreffend. (7) HStAS, E 61, Bü 508: Reiseberichte Lotters vom Sommer 1826, fol. 52v. (8) HStAS, E 61, Bü 207, Bericht Lotters, datiert Wiblingen/Stuttgart August/September 1826. Danach soll der große Rest der vorläufig in Weingarten verbliebenen Lehen- und Leibeigenschaftsbriefe in hölzernen Kästen mit den röm. Ziffern XVI bis XXVII, also in insgesamt 12 Behältnissen, untergebracht worden sein. (9) Pietsch, Archivreisen, v.a. S. 338, 345. Neuerdings Kretzschmar, Alte Archive - neue Herren, S. 1257. (10) Pietsch, Archivreisen, S. 349. (11) Wie Anm. 7. (12) Seiler, Archive, S. 331. (13) Derselbe, S. 332. (14) HStAS, E 61, Bü 207: "Nähere Andeutungen über Verwendung der Hauptinstruction bei Bereisung des Archivs zu Weingarten oder über dessen Inhalt", s.d. (15) Dennoch sind aus dieser Zeit einzelne Urkunden auf dem teureren Beschreibstoff durchaus noch vorhanden, die letzte Pergamenturkunde im Bestand wurde 1659 durch Kloster Weißenau ausgestellt (Nr. 1118).
2. Verzeichnung des Urkundenbestandes: Die Leibeigenschaftsbriefe des Stuttgarter Bestandes B 515 wurden von Mitte Juni 2008 bis ebendahin 2009 im Auftrag des Landesarchivs Baden-Württemberg und im Rahmen eines von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg finanzierten Projekts durch den Bearbeiter regestiert. Da die Manumissionen an die bereits durchgezählten übrigen Urkunden des Bestandes anschließen, beginnt ihre Zählung mit der Bestellnummer 2328. Bei der Verzeichnung wurden gravierende Beschädigungen des Schriftgutes stets protokolliert. Künftig sollen außerdem zumindest die stark beschädigten Urkunden restauriert, der gesamte Bestand in säurefreie Taschen umgepackt und die Regesten online gestellt werden. Die Verzeichnung der Leibeigenschaftsbriefe von B 515 ist ebenso wie die inzwischen angelaufene der mehr als 2000 bäuerlichen Pacht- und Lehenbriefe des Stuttgarter Bestandes B 522 - lediglich als Teilprojekt einer als Fernziel angedachten Internet-Präsentation der gesamten Weingartener Urkundenüberlieferung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart anzusehen. Angesichts des vorgegebenen knappen Bearbeitungszeitraums wurden Regesten gefertigt, die einen Kompromiss zwischen Voll- und Kurzregest darstellen. Der Rechtsinhalt wird in der durch die Originaldokumente vorgegebenen Reihenfolge möglichst knapp beschrieben, wobei jedoch bestimmte, häufig wiederkehrende Elemente etwa die formelhafte Aufzählung der den Eigenleuten auferlegten Pflichten und rechtlichen Beschränkungen gekürzt oder summarisch zusammengefasst wiedergegeben werden. Die Ausstellungsdaten erscheinen in der Reihenfolge Jahr Monat Tag, in Klammern folgt in buchstabengetreuer Transskription die Datierung nach dem Heiligenkalender, die Form der Tagesbezeichnung, die nicht nur in Weingarten selbst und bei den benachbarten Prälaten, sondern auch im sonstigen weitgehend katholischen Ursprungsraum der sich später dem Gotteshaus zu Eigen ergebenden Leute bis ins späte 16. Jahrhundert hinein gebräuchlich blieb. Sofern was aber nur vereinzelt vorkommt ausdrücklich nach dem neuen Stil datiert wurde, ist dies eigens vermerkt. Da die Urkundenaussteller überwiegend katholisch waren, kann in den meisten Fällen die Datierung nach dem Gregorianischen Kalender seit dem Stichjahr 1583 stillschweigend vorausgesetzt werden, bei mutmaßlich evangelischen Ausstellern (Reichsstädte) ist freilich das Festhalten am Julianischen Kalender zu vermuten. Wörtliche Quellenzitate sind durch Anführungszeichen kenntlich gemacht, da die verwendete Software Scope-Archiv im Titelfeld keine Kursivierungen ermöglicht. Ortsnamen erscheinen im Regest stets in moderner Form, wobei aber bis ca. 1550 jeweils die Schreibweise in der Vorlage in buchstabengetreuer Transskription in runden Klammern nachgestellt ist, wenn sie vom heutigen Gebrauch stark abweicht. Die häufig nicht identifizierbaren Höfe, Weiler, sonstigen Kleinstsiedlungen, Flur- oder Landschaftsnamen sind ebenfalls buchstabengetreu transskribiert wiedergegeben und durch Anführungszeichen als Quellenzitate gekennzeichnet. Unsichere Lesungen von Orts- oder Personenenamen sind immer mit einem unmittelbar auf den Namen folgenden und in runde Klammern gesetzten Fragezeichen versehen, das dann auch bei den Index-Einträgen entsprechend aufscheint. Ebenso wird bei Orten verfahren, die nicht zweifelsfrei zu identifizieren sind. Familiennamen sind - soweit heute noch gebräuchlich - seit dem Urkundenausstellungsdatum 1550 meist entsprechend dem modernen Gebrauch normalisiert, ansonsten gemäß Vorlage buchstabengetreu wiedergegeben. Die Namen bekannter Persönlichkeiten oder Familien erscheinen immer in der heute üblichen Schreibweise. Vornamen wurden aufgenommen, wie sie in der Quelle stehen. Dies gilt insbesondere für die zahlreichen Kurzformen: Frick, Hinz, Kunz, Jörg, Lutz, Nes, Marx usw., die nicht durch die modernen schriftdeutschen Schreibweisen Friedrich, Heinrich, Konrad etc. ersetzt wurden, was bei den leibeigenen und häufig unterbäuerlichen Namensträgern wohl auch kaum angemessen wäre. Bei Vornamen, deren frühere Schreibweise nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden kann (etwa: Aelle = Adelheid; Bryda = Brigitte), erscheint im Regest der Name in moderner Form und - in Klammern nachgestellt in der Schreibweise der Vorlage. Eine besondere und im Einzelfall unlösbare Schwierigkeit bieten die Nachnamen der Kinder, die in den Quellenvorlagen meistens nicht genannt werden. Da die im vorliegenden Urkundenbestand aufscheinenden verheirateten Eigenleute bis ins 17. Jahrhundert hinein fast durchwegs unterschiedliche Familiennamen tragen, musste abgesehen von den seltenen Fällen, in denen auch die Nachnamen der Kinder erwähnt sind - bei der Index-Bearbeitung in dieser Hinsicht eine willkürliche Entscheidung getroffen werden, die von Fall zu Fall vielleicht richtig, möglicherweise aber auch falsch ist: Wegen der matrilinearen Vererbung der Leibeigenschaft wurde nämlich bei den mittelalterlichen Urkunden eine Weitergabe des Familiennamens der Mutter an die Kinder vorausgesetzt, was zutreffend sein kann oder auch nicht. Da mit dem beginnenden 16. Jahrhundert die Beispiele für die Vererbung des Familiennamens über die Väter häufiger werden, sind in den Urkunden seit ca. 1500 bis 1520 Kinder stets unter dem Familiennamen der Väter im Index ausgeworfen. Bischöfe, Äbte und sonstige Amts- oder Funktionsträger erscheinen im Personenindex und jeweils bei ihrer Institution, letztere ist aber selbstverständlich zusätzlich auch im Ortsindex ausgeworfen. Dieser ist nach dem Vorbild von Band 8 der Landesbeschreibung Baden-Württemberg gestaltet, d.h. es wird bei allen Orten im Inland zunächst der Teilort, dann die Gemeinde und schließlich der Kreis (mit den bei KFZ-Kennzeichen üblichen einzelnen oder kombinierten Großbuchstaben) angegeben. Orte in Österreich und in der Schweiz sind durch Angabe des Bundeslandes bzw. Kantons kenntlich gemacht, Orte im übrigen Ausland nur noch durch den Ländernamen. Zur besseren Identifizierung der in den Urkunden genannten Personen Vertragspartner, Bürgen, Notare, Amtleute, Siegler und Zeugen werden im Regest jeweils deren Sitze/Wohnorte, Ämter, Titel und Funktionen angegeben, wobei allerdings lange Titulaturen gekürzt sind. Für Währungsangaben wurden die üblichen Abkürzungen verwendet, also etwa fl rh für Rheinische Gulden oder lb h für Pfund Heller. Beschädigungen der Urkunden sind mitunter eingehend beschrieben. Die Leibeigenschaftsbriefe waren bei Beginn der Verzeichnung bereits chronologisch vorsortiert. Die einfach strukturierten Urkunden enthalten keine Inserte, also mussten auch keine zusätzlichen Nummern vergeben werden.
3. Zum Informationsgehalt der Weingartener Leibeigenschaftsbriefe: Die im vorliegenden Inventar enthaltenen Regesten erschließen den Bestand von Urkunden über leibherrliche Rechte (1), der von 1331 bis zum Ende des Alten Reiches (1806) im Archiv des Klosters Weingarten erwachsen ist. Es handelt sich hierbei um einen reinen Provenienzbestand, und das bedeutet vor allem, dass nur bei etwa der Hälfte der Urkunden Weingarten Aussteller oder Empfänger war. Die restlichen kamen - vielleicht erst Jahre nach ihrer Ausstellung - aus Gründen ins Klosterarchiv, die häufig in der individuellen Lebensplanung ihrer Empfänger/Besitzer zu suchen, aber im einzelnen meist völlig unbekannt sind. Wer sich aus welchen Gründen auch immer - der Leibherrschaft des Abts unterwarf, musste gleichzeitig den Nachweis führen, weder einen fremden Leibherrn zu haben noch einer fremden Obrigkeit schirmverwandt zu sein. Die zu diesem Zweck vorgelegten urkundlichen Belege (meist Manumissionen früherer Leibherren, aber auch Entlassungen aus städtischem oder gemeindlichem Bürgerrecht) wurden bei dieser Gelegenheit einbehalten und im Archiv hinterlegt. Lediglich bei den 35 Ergebungsbriefen, die von 1519 bis 1593 den Junkern Gremlich von Jungingen zu Bettenreute und Hasenweiler und deren Rechtsnachfolger, Ferdinand Freiherr zu Grafeneck und Burgberg ausgestellt worden sind, ist klar, dass sie mit der Erwerbung von Hasenweiler durch Weingarten (1601) in den Besitz des Klosters gelangt sein müssen. Für den Zeitraum von etwa 1350 bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein ist eine kontinuierliche und weitgehend ungestörte Überlieferung anzunehmen, da aus beinahe jedem Jahr zwischen einer und bis zu zehn Urkunden erhalten sind. Dennoch vorhandene Lücken sind möglicherweise auch den obenbeschriebenen schlechten Lagerungsbedingungen und der unsachgemäßen Behandlung des Bestands zwischen 1806 und 1826 zuzuschreiben. Wie zahlreich die zwischen ca. 1640 und 1806 ausgestellten Urkunden auf Papier ursprünglich gewesen sind, ist leider völlig unbekannt, weil Schloßstein, der 1838 bis 1840 ihre Vernichtung veranlasste, keine Angaben hierzu hinterlassen hat. Man muss also feststellen, dass der heutige Bestand der Weingartener Leibeigenschaftsurkunden vielleicht nicht einmal mehr die Hälfte seines ursprünglichen Umfangs hat, sondern nurmehr ein Torso ist. Nach dem unmittelbaren Ausstellungszweck lassen sich die Leibeigenschaftsbriefe grob in 10 Gruppen unterteilen, von denen die Loskäufe durch Eigenleute mit 654 Exemplaren (= 57,2 % des Gesamtbestandes) die mit Abstand größte sind. Es folgen die Tauschgeschäfte zwischen Leibherren mit 155 Textzeugen (= 13,5 %), die Verkäufe von Leibeigenen durch ihre Herren, in der Regel gegen Geld, in seltenen Fällen gegen nicht näher ausgeführte Gegenleistungen, mit 108 Briefen (= 9,4 %), die Unterwerfungsurkunden oder Ergebungen mit 63 (= 5,5 %) und die unentgeltlichen Freilassungen mit 49 Exemplaren (= 4,3 %). Bei einer ähnlich großen Gruppe von 55 Urkunden (= 4,8 %) handelt es sich um spezielle Vereinbarungen, die Leibherren untereinander getroffen, oder um rechtlich einschränkende Konditionen, die Leibherren nachträglich ehemaligen Eigenleuten aufgezwungen haben. Belege über die Verschenkung von Leibeigenen durch ihre Herren (27 Fälle oder 2,4 %) und die aus unterschiedlichen Gründen ausgestellten Attestate (21 Exemplare oder 1,8 %) fallen dagegen zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Dies gilt erst recht für die wenigen Urkunden, die anlässlich des freiwilligen Ausscheidens ihrer Empfänger aus städtischem oder landsgemeindlichem Bürgerrecht ausgestellt wurden (8 Exemplare oder 0,7 %), und diejenigen, die gegen Eigenleute verhängte Strafen belegen (3 Stücke oder 0,26 %). Da die Leibeigenschaftsbriefe des Bestands B 515 nur etwa zur Hälfte von Weingarten selbst ausgestellt oder empfangen worden sind, dokumentieren sie nicht nur dessen leibherrliche Praxis, sondern auch diejenige in den Orten und Gebieten, aus denen die späteren Weingartener Eigenleute zugewandert sind, in einem geographischen Raum also, der wesentlich größer ist als das Territorium des Gotteshauses. Die Herkunftsorte der Urkundenbesitzer, die sich selbst oder deren leibliche Nachkommen sich irgendwann der Leibherrschaft des Abts unterworfen haben, liegen im großen Ganzen in Oberschwaben und im Allgäu und - erheblich seltener - in unmittelbar daran anstoßenden Gebieten (etwa in Vorarlberg, in Liechtenstein, im Kanton St. Gallen, im mittleren Teil Bayerisch Schwabens), ein geographisches Einzugsgebiet, das im wesentlichen von der Donau im Norden, der Iller im Osten, dem Bodensee im Süden und der Hegaualb im Westen begrenzt wird. Hauptschwerpunkt der Beurkundungstätigkeit ist natürlich Weingarten selbst, weil im Bestand zahlreiche Loskäufe, Freilassungen und Vertauschungen von Eigenleuten aus den klösterlichen Ämtern (2) oder Ergebungen von dort wohnenden Freizinsern belegt sind. Ebenso zahlreich urkundeten die adeligen, klösterlichen oder städtischen Nachbarherrschaften Weingartens, vor allem als Aussteller von Manumissionen. Am häufigsten sind, neben vielen anderen, die Truchsessen von Waldburg bzw. Grafen von Sonnenberg für ihre zahlreichen Besitzungen, die Grafen von Montfort, Inhaber der Herrschaften Bregenz und Tettnang sowie der Grafschaft Rothenfels, die Freiherren bzw. Grafen von Könisegg, Inhaber der Herrschaft Aulendorf und Besitznachfolger der Montfort in Rothenfels, die Grafen von Werdenberg und die Landgrafen von Fürstenberg als Inhaber der Grafschaft Heiligenberg, die Deutschordenskommende Altshausen, Reichsstadt und Spital Ravensburg, Reichsstadt und Pfarrkirchenpflege Wangen im Allgäu, Österreich als Inhaber der Herrschaft Bregenz und der Reichslandvogtei in Schwaben mit dem Amtsflecken Altdorf, die Klöster Baindt, Langnau, Schussenried und Weißenau sowie das Chorherrenstift Waldsee vertreten. Unter den an Oberschwaben und Allgäu angrenzenden Herrschaften sind als häufiger auftretende Urkundenaussteller noch Stadt und Spital Memmingen, die zunächst rechbergische, dann fuggersche Herrschaft Babenhausen, Landammann und Räte im Hinteren Bregenzer Wald, die Dompropstei Konstanz, Kloster Petershausen, Chorherrenstift Kreuzlingen (für den Kelhof Hirschlatt) sowie die Klöster Salem, Schaffhausen und St. Gallen, letzteres u.a. als Vogtherrschaft des Kelhofes Weiler-Simmerberg und Inhaber der Herrschaft Neuravensburg, erwähnenswert. Schon Kloster St. Georgen (zu Villingen), vertreten nur durch Manumission einer Person aus Pfohren (1561), liegt abseits der üblichen Herkunftsgebiete der Weingartener Eigenleute. Ganz selten stammten diese auch aus relativ weit entfernten Orten, so etwa eine Bürgerin von Augsburg, die sich 1567 den Junkern Gremlich von Jungingen zu Hasenweiler leibuntertänig machte. Die Klassifizierung der Urkunden in 10 Gruppen orientiert sich - wie gesagt - nur an ihrem unmittelbaren Ausstellungszweck, die in ihnen außerdem enthaltenen Bestimmungen zur Rechtsstellung der Leibeigenen oder Nebenabreden, durch die Freigelassene auch über das formale Ende ihrer Unfreiheit hinaus in ihrer persönlichen Entfaltung behindert wurden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Wenn daher nachfolgend der Versuch unternommen wird, den Informationsgehalt der Weingartener Leibeigenschaftsbriefe etwas genauer vorzustellen, muss einschränkend vorausgeschickt werden, dass mit ihnen die Verhältnisse, Lebensumstände, rechtlichen Einschränkungen, Gängelungen und Schikanierungen der Eigenleute nur ausgesprochen bruchstückhaft zu rekonstruieren sind. Das liegt einmal daran, dass die Urkunden Pflichten, Lasten und rechtlichen Status der Leibeigenen in spröden, stereotypen Termini umschreiben, die nur wenige Rückschlüsse auf die spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Leibherrschaften zulassen, zum anderen daran, dass in diesen Dokumenten ein ganz wesentliches Element persönlicher Unfreiheit gar nicht thematisiert ist und auch gar nicht sein kann, nämlich dasjenige der leibherrlichen Boden- bzw. Güterleihe (3) mit all ihren lehen-, abgaben- und erbrechtlichen Implikationen. Die bei Verstößen gegen leibherrliche Gebote verhängten Sanktionen und Strafen kommen im Bestand lediglich in drei Urkunden zur Sprache (4), wer hierzu Genaueres erfahren möchte, bleibt auch künftig auf Prozessakten, Urteilsbücher, Gerichtsprotokolle, Urfehdensammlungen u. dgl. verwiesen. ANMERKUNGEN: (1) Die Urkunden handeln fast ausschließlich von Leibeigenen sowie von Personen, die sich in die Eigenschaft ergeben oder sich von ihr loskaufen. In seltenen Fällen ist aber auch von Leuten die Rede, die etwa einer Herrschaft oder dem Altar einer bestimmten Kirche lediglich zinspflichtig gewesen sind. Beispiele: U 2732, wo eine Zinserin der St. Veitskapelle ob Ravensburg erwähnt wird, von der aber gleichzeitig gesagt wird, dass dieselbe dem Altar "eigentümlich" gehört habe, und U 2912, in der es um eine "vogtzinserin" der Dompropstei Konstanz und der Herrschaft Waldburg geht. Bei Zinsern handelt es sich um eine Bevölkerungsgruppe, deren Herkunft nicht völlig geklärt ist und die hinsichtlich ihrer Rechtsstellung irgendwo zwischen Freien und Leibeigenen zu verorten ist. Vielfach wurden Zinser seit dem späteren 15. Jahrhundert von den oberschwäbischen Klöstern, insbesondere von Kempten, im Zuge herrschaftlicher Intensivierung und territorialstaatlicher Vereinheitlichungs- und Konzentrationsbemühungen mit teilweise brutalen Methoden in die Eigenschaft hinabgedrückt. Zu ihnen u.a. Blickle, HAB, Kempten, S. 75 ff. u. zuletzt: Ludi, "nit vom gotzhaws zuweichen", v.a. S. 70 ff. (2) Zum Güterbesitz Weingartens vgl. die Skizze von Dreher, Gütergeschichte, und (noch knapper) Reinhardt, Restauration, S. 122 ff. (3) Auf die herausragende Bedeutung der Güterleihekonditionen als einem der drei wichtigsten Elemente herrschaftlicher Territorialpolitik der oberschwäbischen Klöster (neben Leibeigenschaft und Rechtsordnung ) hat u.a. Hans-Martin Maurer, Territorialgewalt, S. 163 ff., aufmerksam gemacht. Einschlägig zur Weingartener Güterleihepraxis außerdem: Sabean, Landbesitz und Gesellschaft, S. 19 ff. und passim. Die Weingartener Urkunden zu diesem Thema (im Bestand B 522 des HStAS) werden zur Zeit ebenfalls regestiert. (4) Bei diesen Verstößen ging es stets um ungenossame Ehen, die unten beim Kapitel über Ergebungen mitbehandelt werden.
3.1 Loskäufe - Unentgeltliche Freilassungen - Verkäufe an Kloster Weingarten: Loskäufe Prinzipiell konnten sich Leibeigene jederzeit los- oder freikaufen, vorausgesetzt ihre Leibherren waren einverstanden und sie selbst imstande, die hierfür erforderliche Ablösesumme oder Gebühr aufzubringen. Im Bestand sind Loskäufe von 1363 bis 1806, also praktisch über seine gesamte Laufzeit hinweg, dokumentiert, wobei der Schwerpunkt auf dem Zeitraum von 1500 bis 1640 liegt. Im einzelnen entfallen auf das 14. Jahrhundert lediglich 2 (= 0,3 % von allen) und auf das 15. Jahrhundert immerhin 85 Loskäufe (= 13 %), das 16. Jahrhundert dominiert mit 366 Vorgängen (56 %). Im 17. Jahrhundert dürften Loskäufe etwa ebenso häufig gewesen sein, wenngleich wir hier wegen des abrupten Abbrechens der Überlieferung seit ca. 1640 auf Vermutungen angwiesen sind. Die im Zeitraum 1600 bis 1640 dokumentierten 177 Transaktionen (= 27 %) würden nämlich, linear auf das gesamte Jahrhundert hochgerechnet, nicht weniger als 442 Loskäufe ergeben. Selbst wenn man die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges in seine Überlegung einbezieht und berücksichtigt, dass aufgrund der erheblichen Entvölkerung des flachen Landes zahlreiche Grund- und Leibherren in der unmittelbaren Nachkriegszeit wenig Neigung gehabt haben dürften, ihre noch verbliebenen Eigenleute, die Produzenten ihrer landwirtschaftlichen Wertschöpfung, ziehen zu lassen, wird man dennoch schließen dürfen, dass die Zahl der Loskäufe des 17. Jahrhunderts insgesamt wahrscheinlich an diejenige des 16. heranreichte. Im 18. Jahrhundert, als die Leibeigenschaft zunehmend als diskriminierend, sozial diffamierend und letztlich unmoralisch empfunden wurde, aufgeklärte bürgerliche Kritiker und Publizisten zunehmend gegen sie polemisierten (1) und in einigen Territorien gar Überlegungen zu ihrer völligen Abschaffung angestellt wurden, dürfte das allgemeine Klima für Loskäufe gegen eine geringe Gebühr erst recht günstig gewesen sein, doch bleibt dies, zumindest auf der Grundlage der fragmentierten Weingartener Überlieferung, reine Spekulation. Wer sich loskaufen wollte, musste seinem Leibherrn eine Ablöse oder Entschädigung in Geld bezahlen, die Beträge werden bis weit in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein ganz ungeniert genannt. Danach erwähnen die Urkunden meist nur noch, dass der Aussteller zufriedengestellt worden sei, es ist von "abtrag" (= Entschädigung) und in der jüngeren Frühneuzeit zunehmend von "gebühr" oder "tax" die Rede, konkrete Ablösebeträge werden dann in der Regel nicht mehr angeführt. Generell wird man annehmen dürfen, dass die Höhe der zu entrichtenden Freikaufgebühr nach dem Besitz und dem wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsvermögen, wohl auch nach dem Alter der Eigenleute bemessen wurde, denkbar ist auch, dass der Preis in Einzelfällen Verhandlungssache war. So lassen sich jedenfalls Textpassagen deuten, in denen etwa die Geringfügigkeit der Manumissionstaxe ausdrücklich mit der großen Armut des Loskäufers begründet (2) oder auf eine solche vollkommen verzichtet wird (3). Im 14. und 15. Jahrhundert bewegen sich die Ablösen zwischen geringen (4) und ausgesprochen stattlichen Beträgen (5). Im 16. Jahrhundert kommen zwar immer noch hohe Ablösen vor (6), doch insgesamt sinken die Preise auf breiter Front ganz erheblich, obwohl doch dieses Jahrhundert als Zeitalter der "Preisrevolution" gilt, in dem erstmals angeblich allen Schichten der Gesellschaft die schleichende Geldentwertung drastisch bewusst geworden sein soll und die agrarisch wirtschaftenden Leibherren eigentlich allen Anlass gehabt hätten, von ihren davonziehenden Eigenleuten einen möglichst hohen Preis zu fordern. Soweit angegeben, bewegen sich jetzt die Manumissionstaxen meist im Bereich zwischen 2 fl und maximal 8 bis 10 fl. Bei der Preisgestaltung stellt übrigens das Bauernkriegsjahr 1525 keine Zäsur in dem Sinn dar, dass erst seitdem eine Tendenz zu moderateren Gebühren erkennbar wäre. Erwähnenswert bei der Gruppe der Loskäufe ist vielleicht noch, dass hier früher als bei den übrigen Geschäften mit Eigenleuten, etwa den Verkäufen an andere Leibherren, die Guldenwährung zum beinahe ausschließlichen Zahlungsmittel wird. Seit 1410 verschwinden die sonst auch weiterhin gebräuchlichen lokalen Heller und Pfennige aus diesen Transaktionen beinahe vollständig (7). Die meisten den Loskauf durch Eigenleute dokumentierenden Manumissionsbriefe sind ganz ähnlich strukturiert. Der Aussteller erwähnt eingangs den Sachverhalt, dass sich eine bestimmte Person am Tag, von dem die Urkunde datiert, von seiner Leibherrschaft "mit leib und gut" gelöst habe, quittiert den Empfang seiner Entschädigung, spricht den Empfänger sodann förmlich von der Eigenschaft mit allen ihr anhängenden oder "anklebenden" Pflichten, Lasten und Beschränkungen (8) frei, wobei er bei einer Empfängerin in der Regel auch deren bereits lebende Kinder (9) und selbstverständlich alle Kinder, die sie womöglich künftig gebären wird, einbezieht, versichert, dass er künftig gegen den Empfänger keinerlei Ansprüche oder Forderungen mehr geltend machen wird, und stellt fest, dass dieser ab sofort das Recht des freien Zuges und keinen "nachjagenden herrn" (10) oder "vogt" mehr hat, Schutz und Schirm, Bürgerrecht, vogteiliche Untertänigkeit oder auch erneut Leibeigenschaft annehmen kann, wo immer es ihm beliebt und ganz wie es ihm nützlich oder angemessen erscheint. Nachdem der Aussteller anschließend meist noch ein weiteres Mal bekräftigt hat, dass er mit vorliegender Manumissionsurkunde auch im Namen seiner Erben auf sein bisheriges Eigentum an Leib und Gut des Empfängers und alle daraus resultierenden Ansprüche, Rechte und Forderungen verzichtet, folgen oft mehr oder weniger detaillierte Passagen, die den Charakter von Verpflichtungserklärungen oder Reversen haben und aus denen hervorgeht, dass der Empfänger - jetzt nicht mehr zur leibuntertänigen "genossamy" des Ausstellers gehörend - mit seiner Freilassung auch gewisser Rechte verlustig gegangen ist, und für die Zukunft, auch namens seiner leiblichen Nachkommen und Erben, vermögens-, vor allem erbrechtliche Beschränkungen akzeptieren muss (11). In der Hauptsache geht es dabei um liegende Güter in der Herrschaft des Ausstellers. Sofern der Empfänger solche aktuell besaß oder solche künftig erblich oder auf anderem Weg erwerben sollte, musste er sich zumindest verpflichten, diese Güter ebenso hoch zu versteuern wie bisher bzw. wie deren (ebenfalls leibeigene) Vorbesitzer und sie ausschließlich an Eigenleute oder sonstige Untertanen des Ausstellers zu verkaufen oder zu versetzen (12). Wenn dem Empfänger dann gestattet wurde, mit Verkaufs- oder Verpfändungserlösen nach Belieben zu verfahren (13), durfte er sich durchaus glücklich schätzen. Denn oft mussten sich Freigelassene sehr viel drückendere Bedingungen gefallen lassen, die Bandbreite der Zumutungen reichte vom völligen Verzicht auf Erbansprüche gegen Hinterlassenschaften der Eigenleute des Ausstellers (14) bis zur glimpflicheren Abfindung mit "fahrnis" beim Erbanfall von liegenden Gütern in dessen Herrschaft (15). Viele Loskäufer mussten ihr Einverständnis zu Protokoll geben, dass ihnen zukünftig anfallende Liegenschaften in der Herrschaft des Ausstellers durch diesen selbst oder dessen Eigenleute in jedem Fall, doch zu einem billigen, landläufigen Preis gelöst werden (16). Die Truchsessen von Waldburg verwiesen hinsichtlich des Besitz- und Erbrechts der Loskäufer an Gütern in ihrer Herrschaft Wolfegg lediglich auf einen mit ihrer "landtschaft" geschlossenen einschlägigen Vertrag (17) oder auf bestehendes Gewohnheitsrecht (18). Ähnlich restriktive Klauseln drängten die Freiherren von Königsegg (19), die Vögte von Summerau (20),die Sürg von Sürgenstein (21) und viele weitere ihren Loskäufern auf. Darüber hinaus mussten Loskäufer häufig zusichern, dass sie bei künftigen gerichtlichen Klagen gegen ihre bisherigen Leibherren oder aber gegen deren Eigenleute auf jeden Fall deren ordentlichen Gerichtsstand berücksichtigen, d.h. dass sie dieselben nicht vor fremden Gerichten belangen und somit Gerichtshoheit und Gerichtsorganisation der Aussteller auch in Zukunft respektieren würden. Bestimmungen dieser Art wurden bereits in den fünfziger Jahren des 15. Jahrhunderts in die Manumissionsbriefe aufgenommen oder waren Gegenstand ergänzender Reverse (22), im 16. Jahrhundert sind sie Standard. Ebenso oft verpflichteten die Aussteller Loskäufer darauf, sich ihnen wieder zu eigen zu ergeben, sollten sie je die Absicht haben, sich erneut in ihrer Herrschaft niederzulassen (23). Als unmittelbare Auswirkung der seit dem beginnenden 17. Jahrhundert sich verschärfenden konfessionellen Spannungen im Reich ist eine in mehreren Manumissionsbriefen belegte Bestimmung zu werten, die man als Religions-, oder besser gesagt, als Konfessionsvorbehalt bezeichnen könnte. Im Weingartener Bestand taucht sie erstmals 1615 in einer durch Georg Frh. von Königsegg zu Aulendorf ausgestellten Urkunde auf, und besagt nicht weniger, als dass die sich loskaufende Person, eine Frau aus Ebenweiler, ihren soeben erworbenen Status der persönlichen Freiheit nur unter der Bedingung behalten wird, dass sie beim römisch-katholischen Glauben verbleibt, auch weiterhin dessen Gottesdienste und Zeremonien "gebraucht" sowie ihre Kinder dereinst in diesem und keinem anderen Glauben erziehen wird. Im Fall der Zuwiderhandlung soll die Manumission "cassiert, aufgehebt vnd genzlich ohncräftig" sein (24). Kloster Weißenau verpflichtete im Dezember 1617 eine Loskäuferin darauf, künftig Schutz und Schirm "vnd vnderschlauf" ausschließlich in solchen Herrschaften, Orten oder Städten anzunehmen, "wo die catholische religion [praktiziert wird], darinnen sie erborn vnd auferzogen" worden ist. Die Freigelassene musste geloben, bis zu ihrem seligen Ende bei ihrem Glauben zu verbleiben (25). Auch Heinrich Truchseß von Waldburg nötigte 1629 einer Loskäuferin die verbindliche Zusage ab, "bey der wahren catholischen, romanischen, apostolischen religion", zu verbleiben. Sollte sie je vom "wahren glauben" abfallen, war sie verpflichtet, unverzüglich in ihre Heimat zurückzukehren, wo "sie als dann wider vnser aigne sein vnd wie andere vnser hindergesessene underthanen gehalten werden" sollte (26). Solche Konfessionsvorbehalte sind aber nicht ausschließlich das Produkt der "heißen Phase" des Konfessionellen Zeitalters, sondern begegnen noch bis in die dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts (27). Unentgeltliche Freilassungen Bei den 49 Rechtsgeschäften dieser Gruppe tritt Kloster Weingarten nur in Ausnahmefällen als Aussteller (28) oder Empfänger (29) auf. Die weitaus meisten Empfänger dieser Manumissionsbriefe sind also irgendwann - möglicherweise geraume Zeit nach deren Ausstellung - aus wirtschaftlichen oder sonstigen Erwägungen der leibeigenen Genossenschaft des Gotteshauses freiwillig beigetreten. Wer aus Gnade, wegen seiner Armut oder sonstigen, oft nicht näher ausgeführten Gründen ohne finanzielle Gegenleistung aus der Leibeigenschaft entlassen wurde, musste sich häufig auf die gleichen Bedingungen einlassen wie diejenigen, die sich loskauften, also vor allem auf Beschränkung seines Erbrechts, Anerkennung des ordentlichen Gerichtsstandes seiner bisherigen Mit-Eigenleute und die Verpflichtung der neuerlichen Ergebung in die Leibherschaft des Ausstellers bei Rückkehr in die alte Heimat. Allerdings werden diese Beschränkungen der Rechte unentgeltlich freigelassener Personen in den Manumissionsbriefen erheblich seltener erwähnt und dann auch meist nicht so detailliert ausgeführt wie beiden Loskäufen. Einigen der sechs Personen, die freigelassen worden waren, um in den geistlichen Stand eintreten zu können, wurde darüber hinaus auferlegt, sich erneut der Leibherrschaft der Aussteller zu unterwerfen, sollten sie mit ihrem Wunsch nach Absolvierung einer theologischen Ausbildung oder nach Aufnahme in einen Orden scheitern (30). Im übrigen hatte die bei unentgeltlichen Manumissionen ausdrücklich betonte Gnade mitunter enge Grenzen. So entließ Johann Matthäus Humpis von Waltrams als Dompropst zu Konstanz Anna Restli zwar auf dringende Bitten ihres Ehemanns Michel Pfaff "aus Gnaden und durch Gottes Willen" ohne finanzielle Gegenleistung, behielt sich aber die Leibherrschaft über die vier Kinder des Paares ausdrücklich vor (31). Einige Empfänger dieser Urkundengruppe, die alle weingartische Eigenleute geheiratet hatten, sind überhaupt nur freigelassen worden, um sich unmittelbar anschließend Weingarten in die Eigenschaft zu ergeben (32), vermutlich hatten sie gegenüber ihren bisherigen Leibherren geltend gemacht, dass ihre Ehepartner Schwierigkeiten zu gewärtigen hätten, weil der Abt "Ausheiraten" nicht akzeptieren würde. Ein anderer unentgeltlich Freigelassener wollte ein Erbe im Gebiet des Klosters antreten, was ihm der Abt aber nur unter der Bedingung der Ergebung gestatten wollte (33). Johann Matthäus Schad von Mittelbiberach entließ 1527 als Dompropst von Konstanz seinen Eigenmann Kaspar Klöckler, den Landschreiber zu "Weingarten" (gemeint ist der unterhalb des Klosterbergs gelegene Amtsflecken Altdorf), wegen dessen vielfältigen, aber nicht näher ausgeführten Verdiensten aus seiner Leibherrschaft (34). Verkäufe an Kloster Weingarten Bei kaum einem Geschäft mit leibeigenen Leuten wird deren Eigenschaft als Handelsware so deutlich wie bei den insgesamt 108 im Bestand belegten Verkäufen. Auch wenn nach Aussage der vorliegenden Dokumente die Eigenleute in der Regel samt ihren bereits lebenden Kindern verkauft wurden, kam es doch immer wieder vor, dass Familien auseinander gerissen wurden. So bestand etwa Ulrich Werchmeister, alter Ammann von Wangen und Bürger zu Ravensburg, 1388 darauf, seinen Leibeigenen Hans den Aygner nur mit der Hälfte der Kinder, die dieser mit seiner Frau gezeugt hatte, an Kloster Weigarten zu verkaufen (35), und Kloster Petershausen nahm beim Verkauf von Margarethe der "Mulinen" zu Kernaten ausdrücklich deren schon lebende Kinder von dem Geschäft aus (36). Zu den Motiven der Verkäufer, unter denen die Brenner, von Möllenbronn, von Schachen, Schenken von Otterswang, Truchsessen von Waldburg, von Rickenbach, von Tobel, von Hohenfels, Grafen von Montfort, von Hornstein, von Ebersberg, von Königsegg, von Schellenberg, die Werchmeister, Wielin von Winnenden, Grafen von Werdenberg sowie die Klöster Baindt und Reichenau jeweils mehrfach vertreten sind, verlautet in den Urkunden natürlich nichts. Man wird aber sicher nicht fehlgehen, wenn man vermutet, dass zumindest in einigen Fällen "Objekte abgestoßen" werden sollten, die für eine hinreichende Kontrolle zu weit entlegen wohnten, und deren Rendite einzustreichen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden war, so etwa beim Verkauf einer zu Altdorf gesessenen Person durch Heinrich Truchseß von Diessenhofen (37), einer zu Inntobel gesessenen Leibeigenen durch Kloster Reichenau (38) oder einer in Ungerhaus wohnhaften Frau durch Kloster Allerheiligen in Schaffhausen (39). In den Urkunden wird meist ausdrücklich betont, dass sich die "Verkaufsobjekte" jeweils mit "Leib und Gut" sowie sämtlichen Nutzungen, Steuer-, Abgaben- und Arbeitspflichten verstehen. Zumindest bei den verkauften Eigenleuten, die in der Herrschaft der Verkäufer wohnten, ist kaum anzunehmen, dass beim "Gut" auch die von jenen bewirtschafteten Liegenschaften inbegriffen waren, über die sich die Leibherren nachAusweis der Loskaufbriefe ja stets Obereigentum und Verfügungsgewalt zu sichern wussten. Auch das insgesamt eher niedrige Preisniveau spricht in den meisten Fällen gegen eine gleichzeitige Mitveräußerung von Liegenschaften (40). Anders könnte es sich in den - seltenen - Fällen verhalten haben, in denen sehr stattliche Verkaufserlöse erzielt wurden. Hier ist durchaus möglich, dass an Weingarten zugleich mit den Eigenleuten die Güter veräußert wurden, die diese bewirtschafteten (41). Von welchen Interessen sich das Kloster als Erwerber im Einzelfall leiten ließ, kann nur vermutet werden. Es fällt immerhin auf, dass lediglich ein Teil derjenigen "Kaufobjekte", bei denen überhaupt ein Wohnort angegeben ist, zum Zeitpunkt ihrer Veräußerung an Weingarten in dessen unmittelbarer Umgebung oder gar in dessen Territorium und somit im Einflussbereich des Gotteshauses und seiner Amtleute wohnte (42). Bei etlichen Personen trifft dies aber ausdrücklich nicht zu (43), zahlreiche andere wiederum wohnten in den für Oberschwaben so typischen Weilern, Höfen und sonstigen Kleinstsiedlungen, die im 14./15. Jahrhundert meist nicht lokaliserbar sind und über deren territoriale Zugehörigkeit daher keine Aussage möglich ist. Falls Weingarten mit dem Kauf von Eigenleuten in relativ weit entfernten Wohnorten nicht zugleich deren Verpflichtung durchsetzen konnte, als Gesinde im Klosterbezirk zu arbeiten oder sich - mit welchen Arbeits- oder Dienstpflichten auch immer - in seinem Territorium niederzulassen (44), hätte das Gotteshaus gegenüber fremden Obrigkeiten sein mit Unwägbarkeiten und Kosten verbundenes Nachjagerecht ausüben müssen. Vielleicht handelt es sich bei den meisten im Bestand dokumentierten Käufen denn auch überwiegend um wirtschaftlich motivierte Geschäfte, mit denen dem durch Landflucht und Seuchenzüge seit Mitte des 14. Jahrhunderts verursachten Arbeitskräftemangel begegnet werden sollte (45), die aber seit Mitte des 15. Jahrhunderts durch wieder einsetzendes Bevölkerungswachstum unnötig wurden und auch nicht recht mit Weingartens Territorialisierungskonzepten und der um diese Zeit betriebenen Politik leibherrschaftlicher Intensivierung und rechtlicher Nivellierung der Untertanenschaft harmonierten. Jedenfalls fällt auf, dass Weingarten nur von 1338 bis 1458 eine aktive Kaufpolitik betrieb und diese dann zugunsten von Tauschgeschäften völlig einstellte. Doch um hinsichtlich der hierbei leitenden Interessen zu einer brauchbaren Hypothese zu kommen, müßte man vor allem die gleichzeitige "Gegenüberlieferung", also die Verkäufe Weingartens an die Herrschaftsträger der gesamten Region, kennen. ANMERKUNGEN: (1) Vgl. hierzu Troßbach, Südwestdeutsche Leibeigenschaft, S. 69 ff. (2) So in U 2837: Manumission durch Graf Hug von Montfort gegen 2 fl (1535). (3) U 2811: Eberhard von Weiler entlässt eine Leibeigene, "durch gottes willen" und wegen deren Armut ohne Entschädigung (1530); U 3451: Die Oberamtleute der Herrschaft Tettnang wollten 1704 der Anna Baumann zu Knellesberg wegen ihrer "vnvermögenheit ... die sonst gewonliche gebühr in gnaden nachgesehen" haben. (4) U 2387: 1 lb Konstanzer Pfennige (1363); U 2656: 2 fl rh (1485). (5) U 2492: 100 lb Ravensburger Währung (1436); U 2546: 50 fl rh (1454); U 2516: 30 fl rh (1472). (6) U 2740: 56 fl rh (1510); U 2749: 25 fl rh (1513); U 2876: 28 fl (1543). (7) Bei den Eigenleute-Verkäufen wird zwar auch schon 1418 erstmals ein Verkaufspreis in Gulden genannt (U 2468), doch dominieren hier noch bis 1450 die Preisangaben in Silberwährung und lokalen Ausprägungen (meist Heller, Konstanzer oder Ravensburger Pfennige). (8) Diese werden in den Manumissionsbriefen entweder mit den üblichen Ausdrücken bezeichnet oder (oft) nicht näher spezifiziert. Es handelt sich um Leibzins, Tod- bzw. Sterbfall und weitere aus der persönlichen Unfreiheit der Pflichtigen abgeleitete Abgaben, sodann Steuer, Rais, Botmäßigkeit, Frondienste ("robot"), Ortsgebundenheit bzw. Schollenpflichtigkeit, das Verbot der ungenossamen Eheschließung etc. Vgl. hierzu vor allem Th. Knapp, Gesammelte Beiträge, S. 389 ff. und passim sowie Derselbe, Neue Beiträge, S. 128 ff. und passim; siehe auch F. W. Henning, Art. Leibeigenschaft, in HRG 2, 1978, Sp. 1761-1772; Troßbach, Südwestdeutsche Leibeigenschaft, S 81 ff. und passim, sowie C. Ulbrich, Leibherrschaft am Oberrhein, vor allem S. 281 ff. und passim. (9) Es gibt aber auch Ausnahmen, in denen die bereits lebenden Kinder nicht in den Loskauf inbegriffen sind, und nur die künftigen Kinder der Empfängerin von den leibherrlichen Ansprüchen des Ausstellers freigesprochen werden, so etwa U 2641, laut der sich Graf Ulrich von Montfort das Eigentum an den beiden Söhnen seiner Freigelassenen Greth Näs zu Neukirch ausdrücklich vorbehält (1481). U 2948 belegt die offenbar unentgeltliche Freilassung der Katharina Aulbrecht zu Hasenweiler ohne ihre fünf Kinder aus fürstenbergischer Leibuntertänigkeit (1556). (10) Zum sog. Nachjagerecht siehe Ulbrich, Leibherrschaft am Oberrhein, S. 163-166. (11) Solche Reverse mussten natürlich auch die unentgeltlich Freigelassenen ausstellen. (12) So in U 2706, Graf Hug von Montfort für Waldburg Schmalholz zu Stolzenhofen (1499). Vgl. auch U 2669: Gf. Hug von Montfort für Hans Schatz auf dem Kelhof Weiler (1488). (13) Ebenda. Ähnlich großzügig verfuhren mitunter die Freiherren von Königsegg (etwa U 3388: nach Entrichtung des Abzuges kann mit Verkauferlösen nach Belieben verfahren werden, 1621). Die Herrschaft Bregenz forderte lediglich, dass Liegenschaften ausschließlich an österreichische Eigenleute im neuerworbenen Teil der Herrschaft verkauft werden durften. Die Preise sollten "billig" sein und von den örtlichen Gerichten festgesetzt werden. Verkaufserlöse und Mobilien durften ausgeführt werden, sobald die ordentliche Steuer und der Abzug entrichtet waren (U 3002 von 1564). Vergleichbar waren auch die einschlägigen Bestimmungen der Reichsstadt Lindau gegenüber Freigelassenen ihres Spitals (U 3211 von 1591). (14) U 2602 und 2603; Aussteller in beiden Fällen Graf Ulrich von Montfort (1469, 1470). (15) U 2682: Gf. Hug von Montfort für Agnes Nabholz (1490). (16) So in U 2967: Hans Ulrich von Schellenberg zu Kißlegg für Martin Miller zu Eberharz (1560). (17) U 2966: Heinrich Truchseß von Waldburg für Martha Höch zu Rötenbach (1560). (18) U 2987: Vormundschaft Truchseß von Waldburg für Margreth Hägger zu Langrain (1562). Hier ist davon die Rede, dass es mit Liegenschaften der Freigelassenen "nach der herrschaft Waldtpurg gebrauch gehalten werden" soll. (19) U 3350: Georg Frh. von Königsegg zu Aulendorf für Maria Lang zu Ebenweiler (1615). (20) U 3252: Hans Jakob Vogt von Summerau lässt den Freigelassenen Martin Fricker zu Straß reversieren, dass dieser, falls er künftig von den Vögten oder deren angehörigen Leuten herrührende liegende Güter erben oder auf anderem Weg erwerben sollte, dieselben nicht selbst besitzen oder innehaben darf, sondern sich vom Aussteller oder dessen Eigenleuten davon lösen lassen muss, "wie im gericht Braßperg vnd Leupolz gebreuchig ist" (1599). (21) U 3222: Adam Musch zu Gunzenweiler anerkennt gegenüber Hans Sürg von und zu Sürgenstein, dass er Liegenschaften, die ihm gegenwärtig gehören oder die ihm künftig anfallen, nicht innehaben und besitzen darf, sondern dass er "sich nach göttlichem, zümlichem, büllichen vnd landleuffigen dingen darvon lösen lassen" muss (1593). (22) U 2558: Greta Müller, freigelassen um Nonne werden zu können, reversiert entsprechend gegen Kloster Weingarten, ihre bisherige Leibherrschaft (1457); U 2606: Revers der Greta Schärlin zu Hard für Weingarten (1471); U 2621: Ulrich Siber, Bürger zu Lindau für Peter Ebnetz zu Aulwangen (1474). (23) Z. B. U 2832: Vormundschaft Truchseß von Waldburg für Anna Stärck, Zinserin der St. Veits- Kapelle ob Ravensburg (1532), oder U 2873: Dompropst zu Konstanz und truchsessische Vormünder für eine Person, die zugleich vogtzinserin der Dompropstei wie der Herrschaft Waldburg gewesen ist (1542), oder U 3247: Graf Joachim von Fürstenberg für Andreas Taub zu Anzenweiler (1598). Denkbar war auch eine andere Lösung, so in U 3258, wo die truchsessischen Vormünder von wieder zuziehenden ehemaligen Eigenleuten entweder erneute Leibeigenschaft oder aber eine (vermutl. finanzielle) Vergleichung mit ihnen fordern (1600). (24) U 3350 (1615). (25) U 3364 (1617). (26) U 3424 (1629). Den Urhebern solcher Bedingungen dürfte nicht bewusst gewesen sein, dass sie mit der Forderung nach Rückkehr der vom "wahren glauben" abgewichenen ehemaligen Eigenleute in ihre Heimat und deren neuerlicher Unterwerfung unter ihre Leibherrschaft genau genommen den "Cuius regio, eius et religio"-Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens ad absurdum führten. (27) U 3458: Kloster Löwenthal für Viktoria Sautter zu Windhag (1733). (28) So etwa in U 2526, durch die der Abt einen Eigenmann entließ, damit dieser in den geistlichen Stadt eintreten konnte (1449). (29) Etwa bei ergänzenden Reversen ehemaliger Eigenleute, so in U 2606 (1471). (30) So die Deutschordenskommende Altshausen 1574 gegenüber Margaretha Kolros aus Altshausen, die Nonne in der Zisterze Wonnental werden wollte (U 3104). (31) U 3081 (1572). (32) U 2495: Abt Eglolf Blarer von Wartensee zu St. Gallen erlaubt seinem Eigenmann Konrad Stor zu Pflegelberg, der seit kurzem mit einer weingartischen Leibeigenen verheiratet ist, sich an Weingarten zu ergeben, aber gleichzeitig auf seinen Gütern unterhalb der Veste Neuravensburg zu verbleiben (1441). Bei U 2498 und 2501 handelt es sich ebenfalls um Empfänger, die mit weingartischen Eigenleuten verheiratet waren, und denen ihre bisherigen Herrschaften gestatteten, dem Leibeigenenverband des Klosters beizutreten (1441, 1443). (33) U 2636 (1479). (34) U 2799. (35) U 2422. (36) U 2415 (1382). Weitere Beispiele in U 2395, 2396. (37) U 2457 (1413). (38) U 1447 (1405). (39) U 2560 (1458). (40) Die meisten Verkaufserlöse erreichten nicht annähernd das mittlere Niveau der Manumissionsgebühren bei Loskäufen, dies spricht gegen die Miteinbeziehung von liegenden Gütern in die Transaktionen. (41) Bei einigen wenigen Verkäufen sind allerdings auch recht hohe Erlöse belegt, so etwa bei demjenigen des Hans Schnider "zum Winkel" für den Ital Humpis, Bürger zu Ravensburg, 40 fl forderte (U 2556, 1457). Bei einem derart hohen Preis könnte Grundbesitz durchaus inbegriffen gewesen sein. Leider ist der genannte Wohnplatz "Zum Winkel" nicht sicher zu lokalisieren. (42) Beispielsweise als Bürger des landvogteilichen Amtsfleckens Altdorf, so in U 2559 (1458) oder in U 2480 (1427). (43) Etwa bei Else Görwer zu Radolfzell, die 1429 durch Kloster Reichenau an Weingarten verkauft wurde (U 2484). (44) Wovon aber in den Kaufbriefen kein Wort steht. Statt dessen wird allgemein der unbedingte Gehorsam der verkauften Personen gegenüber ihrem neuen Leibherrn betont, der natürlich unter Umständen auch den Zwang zum Zug in das Territorium des Gotteshauses inbegriffen haben kann. (45) Den ursächlichen Zusammenhang der spätmittelalterlichen Agrarkrise mit der Intensivierung der Leibherrschaft, verbunden mit Abgabensteigerung, Wegzugsbeschränkungen, dem Verbot ungenossamer Ehen etc., hat Claudia Ulbrich u.a. am Beispiel des Schwarzwaldklosters St. Blasien nachweisen können, vgl. S. 49-113; ihre Ergebnisse lassen sich aber sicher ohne größere Einschränkungen auf die oberschwäbische Klosterlandschaft übertragen.
3.2 Tauschgeschäfte - Schenkungen an Kloster Weingarten - Ergebungen: Tauschgeschäfte Bei den 155 Tauschhandlungen im Bestand, beurkundet zwischen 1351 und 1602, scheint der Zusammenhang mit territorialpolitischen Erwägungen der Beteiligten schon evidenter zu sein. Auch wenn einschränkend vorausgeschickt werden muss, dass in vielen Fällen keine Wohnorte der "Tauschobjekte" angegeben oder die Sitze nicht lokalisierbar und deshalb territorial auch nicht zuzuordnen sind, dass mitunter Herkunftsorte und Wohnorte verstorbener Eltern oder Ehegatten, aber keine aktuellen Wohnsitze der betroffenen Personen angegeben sind, und schließlich, dass für viele Ortschaften keine auch nur annähernd lückenlose Chronologie ihrer territorialen Zugehörigkeit vorliegt, mit deren Hilfe man jeweils territorialpolitische Motive der Erwerber plausibel machen könnte, wird man dennoch generell unterstellen dürfen, dass die Vertragspartner solcher Tauschgeschäfte in jedem Fall hofften, ihren Nutzen an leibeigenen Leuten insofern zu steigern, als sie damit näher, im Idealfall in der eigenen Herrschaft gesessene, ihrer Obrigkeit unterworfene und somit besser kontrollierbare und leichter abschöpfbare Personen einhandelten. Jedes in diesem Sinn erfolgreiche Tauschgeschäft war ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer rechtlich nivellierten, fiskalisch und wirtschaftlich optimal ausbeutbaren leibuntertänigen Bevölkerung. Im östlichen Teil des Herkunftsgebiets der Weingartener Leibeigenschaftsbriefe galt der "Allgäuische Gebrauch", nach dem die Gerichts-, Steuer- und Wehrhoheit unabhängig vom Wohnort des Leibeigenen stets dem Leibherrn zustand, nach Peter Blickle eines der Haupthindernisse auf dem Weg zur Territorialisierung (1). Inwieweit dieser Gebrauch auch im westlich angrenzenden Oberschwaben verbreitet war, bedarf wohl noch der Klärung. Die auch hier spätestens seit dem beginnenden 15. Jahrhundert forcierten Bemühungen geistlicher und weltlicher Territorien um Entflechtung der sich überkreuzenden leibherrlichen Ansprüche und Schaffung einer rechtlich einheitlichen leibeigenen Untertanenschaft weisen aber deutlich darauf hin, dass entsprechender Änderungsbedarf bestand, ob die regionale leibherrliche Praxis nun "allgäuisch" hieß oder nicht. "Allgäuischer Gebrauch" konnte im Extremfall darauf hinauslaufen, dass zahlreiche Einwohner eines Territoriums diesem entweder gar nicht oder nur teilweise, dafür aber möglicherweise einer Vielzahl auswärtiger Herrschaften gerichtsbar, dienst- oder abgabepflichtig waren. Die bis zur großen Agrardepression auch Leibeigenen generell gestattete Freizügigkeit hatte bewirkt, dass unter Umständen die Eigenleute einer einzigen Leibherrschaft weit verstreut waren. Unter den Instrumenten, mit denen die Leibherren solchen Verhältnissen entgegenzuwirken versuchten, waren - neben rigorosen Mobilitäts- und Heiratsbeschränkungen (2) - Tausch und Kauf/Verkauf die wichtigsten. Auch Kloster Weingarten verfolgte während des 14. und 15. Jahrhunderts eine entsprechende Politik, die im 16. Jahrhundert weitgehend zum Abschluss kam (3). Das hinter solchen Tauschgeschäften steckende Motiv der Vertragsparteien, nämlich über im eigenen Territorium bzw. der eigenen Gerichtsherrschaft gesessene Eigenleute auswärtiger Herrschaften leibherrliche Rechte zu erwerben und im Gegenzug in deren Territorium wohnende eigene Leibeigene "abzustoßen", kommt im Bestand schon frühzeitig deutlich zum Ausdruck, wenn etwa Propst Berchtold und der Konvent des Prämonstratenserklosters Steingaden in einem 1370 ausgestellten Tauschbrief schreiben, dass sie einige ihrer Eigenleute, die bisher dem Kloster Weingarten "gesessen" waren, mit solchen weingartischen Leibeigenen tauschen wollten, die bisher ihnen, den Ausstellern, "gesessen" waren (4). Schon 1360 begründeten Propst und Konvent des Klosters Langnau ein Tauschgeschäft mit Weingarten allgemein mit der Beförderung ihres Nutzens (5). Und 1529 schenkten die Vettern Kaspar und Hans Wilhelm von Laubenberg, beide Pfandherren der Herrschaft Hohenegg, "zu nachpurlicher willkomnis" dem Abt einen in Staig gesessenen Eigenmann und äußerten zugleich unverblümt die Erwartung, hierfür von Weingarten als Gegengabe einen Leibeigenen zu bekommen, "so her oben gesessen [ist] " (6). Ein Blick auf die zeitliche Streuung der Weingartener Tauschgeschäfte bestätigt das Bild einer zielgerichteten Politik. Von den insgesamt 155 Tauschbriefen entfallen 18 Stücke (= 11,6 %) auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, 68 Stücke (= 43,87 %) auf das 15. Jahrhundert, 67 Stücke (= 43,22 %) auf das 16. und nur noch 2 Stücke (= 1,3 %) auf das 17. Jahrhundert. Dass von den Tauschgeschäften des 15. Jahrhunderts nur 13 in die Zeit vor der Jahrhundertmitte und im 16. Jahrhunderts nur noch 6 in die Jahre nach 1550 fallen, macht den Befund noch deutlicher. Nach Aussage der Urkunden fiel die "Hochphase" der Tauschpolitik des Klosters also in den Zeitraum 1450 bis 1550, in dem allein 116 Geschäfte dieser Art (oder 74,8 % von allen) getätigt wurden. Es überrascht nicht, dass die meisten Geschäftspartner Weingartens bei diesen Tauschhandlungen unmittelbare Nachbarn des Gotteshauses und seines im Aufbau befindlichen "Staates" waren. An erster Stelle rangieren unangefochten die Truchsessen von Waldburg bzw. Grafen von Sonnenberg als Inhaber der Herrschaften Waldburg und Wolfegg mit 40 Tauschbriefen (= 25,8 % von allen), danach, mit einigem Abstand, die Grafen von Montfort als Inhaber der Herrschaften Tettnang und Bregenz und der Grafschaft Rothenfels mit 24 Stücken (= 15,5 %), gefolgt von Stift Waldsee mit 15 Stücken (= 9,7 %). Mit jeweils fünf bis sieben Tauschhandlungen waren die Grafen von Werdenberg und die Landgrafen von Fürstenberg als Inhaber der Grafschaft Heiligenberg, die Freiherren von Königsegg, Stadt und Spital Ravensburg sowie die Klöster Langnau, Salem und Weißenau vertreten. An drei bis fünf Tauschgeschäften waren Kloster Baindt, Fürststift Kempten, die Vögte von Summerau, die Sürg von Sürgenstein und die Deutschordenskommende Altshausen beteiligt. Über die vorstehend genannten Geschäftspartner wickelte Weingarten insgesamt 132 dieser Tauschaktionen oder 85,16 % von allen ab. Schenkungen an Kloster Weingarten Die insgesamt 27 einschlägigen Urkunden im Bestand, ausgestellt zwischen 1331 und 1529, liefern nur in der Minderzahl aller Fälle eine Begründung für die Schenkung. An erster Stelle rangiert der fromme Wunsch nach Beförderung des eigenen Seelenheils, den immerhin vier Aussteller zu erwähnen für angezeigt hielten. Bei ihnen handelt es sich ausschließlich um Angehörige niederadeliger Geschlechter: Anna von Flockenbach, Ulrich von Möllenbronn, das Ehepaar Walter von Hohenfels und Elsbeth geb. Schenk von Tanne sowie Friedrich von Lochen, die diese Art von Vorsorge für die Ewigkeit bis zum Jahr 1400 betrieben (7). Von ähnlichen Motiven ließen sich möglicherweise Konrad von Bolsenheim und Wernlin von Pforr leiten, wenn sie 1425 ihren Schenkungsbrief mit der Bemerkung einleiteten, dass sie ihre gemeinschaftliche Leibeigene Agnes Dornheim, wohnhaft in dem ihnen gehörenden Dorf Tunsel, durch Gottes und des Heiligen Blutes Willen Kloster Weingarten übergeben wollten (8). Fromme Beweggründe deuteten auch Jakob Truchseß von Waldburg und Wilhelm Wielin von Winnenden an, die dem Kloster je eine leibeigene Frau "vmb Gottes willen" übergaben, zugleich aber klarstellten, hierzu vor allem durch die Bitten ehrbarer Leute bewogen worden zu sein (9). An eine Art germanischrechtlicher Sühne- oder Schadenersatzleistung erinnert die Schenkung der Leibeigenen Mechthild Zudublin aus Leupolz samt Sohn und Tochter an Weingarten, die Johann Vogt von Summerau ausdrücklich als Wiedergutmachung ("ze buß") für die Tötung des klösterlichen Eigenmanns Seyfried Rusmayer durch Johann, seinen Sohn, verstanden wissen wollte (10). Nicht näher deuten lassen sich die Schenkungen der Äbte von Obermarchtal und Steingaden, die einleitend ausführten, den Nutzen Kloster Weingartens befördern zu wollen, ohne dies näher zu erläutern (11). In einem Fall ging eine Schenkung auf den Wunsch einer in Altdorf gesessenen Leibeigenen zurück, die die Bitte geäußert hatte, dem Kloster eigen sein zu dürfen, für diesen Wechsel der Leibherrschaft aber vermutlich nicht bezahlen konnte (12). Ergebungen Freiwillige Unterwerfung unter eine Leibherrschaft ist im Bestand nur in 63 Fällen und auch nur im Zeitraum von 1397 bis 1593 belegt. Während bei den frühen Ergebungen beinahe ausschließlich und insgesamt vierundzwanzigmal Kloster Weingarten als Empfänger genannt ist, dominieren bei denjenigen des 16. Jahrhunderts mit 35 empfangenen Reversen ebenso eindeutig die Junker Gremlich von Jungingen. Diese Ergebungsbriefe müssen mit der Erwerbung der Herrschaft Hasenweiler (1601) an Weingarten gekommen sein, wie es sich mit den restlichen vier Exemplaren verhält, muss offenbleiben. Ergebungen an das Gotteshaus sind - mit jeweils weiten zeitlichen Abständen (13) - im Zeitraum 1397 bis 1572, solche an die Gremlich und (nur in einem Fall) an deren Besitznachfolger Ferdinand Frh. von Grafeneck von 1519 bis 1593 belegt. Warum die Ergebungen an Weingarten schon 1572, diejenigen an die Herrschaft in Hasenweiler rund 20 Jahre später ebenfalls endgültig aufhören, ist unklar, an der gerade um die Wende zum 17. Jahrhundert sehr dichten Überlieferung der Weingartener Leibeigenschaftsbriefe kann es wohl nicht liegen. Die Texte der Unterwerfungsurkunden suggerieren, dass freie Personen mit ihren künftigen Leibherren als formal gleichberechtigte Partner einen Vertrag schließen. Aussteller der Briefe waren stets die sich ergebenden Personen, gefertigt und besiegelt wurden die Reverse entweder von Notaren, Amtleuten oder von sonstigen zur Beurkundung und Besiegelung befugten Personen, nicht selten von Adeligen der näheren Umgebung (14). Dass es ansonsten mit Vertragsfreiheit und Gleichberechtigung nicht weit her war, deuten weniger die stereotypen Formulierungen in den Passagen über die künftig geltenden Konditionen der Leibeigenschaft (15) an, als vielmehr die einleitenden Bemerkungen über den Grund der Ergebung und zusätzliche individuelle Bestimmungen über fällige Strafen bei Verletzung der mit der Ergebung übernommenen Pflichten. In vielen Fällen waren es wohl wirtschaftliche Überlegungen, die Freie veranlassten, sich einem Leibherrn eigen zu machen, auch wenn in den Reversen nur selten konkrete Gründe, etwa die angestrebte Übernahme und Bewirtschaftung eines Bauerngutes, genannt sind. Die den Junkern Gremlich von Jungingen ausgestellten Ergebungsbriefe benutzen durchgehend die Formulierung, dass sich die Aussteller wohlbedacht, freiwillig und ungezwungen sowie um ihres besseren Nutzens willen ergeben hätten (16). Mathis Mayer zu Eichen, der sich 1552 Kloster Weingarten ergab, formulierte, dass er diesen Schritt "vmb bessers seins nutz vnd fromen willen" getan habe (17). Die in einigen frühen Ergebungsbriefen vereinbarten außerordentlich hohen Konventionalstrafen sind ein Indiz dafür, dass es sich bei manchen Ausstellern um durchaus wohlhabende Leute gehandelt haben muss, die sich ohne die begründete Hoffnung auf zusätzliche wirtschaftliche Vorteile ihrer persönlichen Freiheit wohl kaum begeben hätten. So mussten etwa Cuntz Keller von Immenstaad und seine Ehefrau Elisabeth 1397 bei ihrer Ergebung dem Kloster geloben, im Fall der Verletzung der von ihnen beschworenen Pflichten 100 lb h Strafe zu zahlen (18), und Contz Fussinger zu Stadel, der sich 1420 dem Abt ergab, musste für den Fall von Pflichtverletzungen die exorbitante Strafe von nicht weniger als 400 lb h akzeptieren (19). Auch die Geldstrafe von 40 lb d, auf die sich 1405 Anna Funk vom Gotteshaus festlegen lassen musste (20), liegt immer noch weit über den damaligen durchschnittlichen Sätzen für Ver- oder Loskäufe. Alle drei eben genannten Personen mussten überdies dem Kloster Pfändungsrechte an ihren Vermögen in Höhe der vereinbarten Strafen einräumen und überdies zur Sicherheit jeweils mehrere Bürgen stellen. Nur in ganz wenigen Urkunden werden die wirtschaftlichen Motive der sich ergebenden Personen konkret benannt. So machten sich etwa Balthus Gropper zu Engishausen und dessen Ehefrau Ursula Heinle 1538 dem Abt zu Weingarten gemäß "gewonhait und hofsgerechtigkait", derzufolge Hofbesitzer Eigenleute sein mussten, eigen, nachdem sie Angehörigen der Familie Gropper eine Hälfte des dem Gotteshaus gehörenden Roggenhofes in Engishausen abgekauft hatten. Dabei hebt der Text des Ergebungsbriefes eigens hervor, dass vor Jahren Konrad Rogg, ein Vetter des Ausstellers, im Zusammenhang mit dem Besitz von Klostergütern "vngenossamy halber" bestraft worden war, was hier so zu verstehen ist, dass sich dieser Vetter in den Besitz von Weingartener Gütern gebracht hatte, ohne zuvor Mitglied der leibeigenen Genossenschaft des Gotteshauses geworden zu sein (21). Gropper und seine Frau wurden ausdrücklich leibuntertänig, um des Hofes fähig zu sein, ihn also rechtmäßig besitzen zu können. Schon vier Jahre zuvor hatte Gall Schlögel, der über seine Frau mit der Familie Rogg verschwägert war und ein Drittel des genannten Roggenhofes von Weingarten zu Lehen trug, in einem ausführlichen Revers unter anderem anerkennen müssen, dass der Hof verwirkt sei, wenn er sich künftig durch Eheschließung mit einer dem Kloster nicht leibeigenen Frau ungehorsam erzeigen würde (22). 1549 begab sich Cordula Keppeler, Groppers zweite Ehefrau, unverzüglich in die Eigenschaft Weingartens, nachdem der Abt auch sie mit dem Gut in Engishausen belehnt hatte (23). Der schon mehrfach erwähnte Ausdruck "vngenossamy" leitet zu den für die Leibeigenschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit wesentlichen Bestimmungen über die Heiratsbeschränkungen der Eigenleute über. In Oberschwaben wurden der Stand stets über die Mutter, die ausgegebenen Lehengüter aber über den Vater vererbt (24). Aus diesem Herkommen folgte, dass Kinder von Paaren mit verschiedenen Leibherren in ihren Wohnorten bzw. denjenigen ihrer Eltern unter Umständen auswärtigen Herren leibuntertänig geworden wären (25), was wiederum dazu geführt hätte, dass ihnen die Grundherren an den Wohnorten ihrer Eltern die Erbfähigkeit bestritten hätten. Diesem aus territorialpolitischem, fiskalischem und wirtschaftlichem Kalkül untragbaren Zustand sollten die seit dem späten Mittelalter von den südwestdeutschen Leibherrschaften allgemein durchgesetzten Verbote der Ausheirat oder auch ungenossamen Eheschließung ein Ende setzen (26). Der Bestand B 515 enthält mehrere - teilweise eindrucksvolle - Belege für diese von den Betroffenen wohl mit am drückendsten empfundene Einschränkung ihrer persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, obwohl das Verbot der Ausheirat in den Urkunden kaum jemals expressis verbis auftaucht (27). So unterwarf sich 1475 Agatha Schlegel aus Ravensburg, die Ehefrau des Konrad Seltenrich, genannt Butler, der sich als Eigenmann durch seine Eheschließung mit ihr des Ungehorsams gegen das Gotteshaus schuldig gemacht hatte, zu dessen Wiedergutmachung aus freiem Willen der Leibherrschaft des Abts und leistete Eid und Huldigung (28). 1548 ergab sich Elsbetha Negeler, Witwe des Hans Scherlin zu Hart, gemeinsam mit ihren noch ledigen ehelichen Söhnen dem Abt indem sie einräumte, dass sie zu diesem Schritt eigentlich schon vor Jahren anlässlich ihrer Heirat verpflichtet gewesen wäre, und die für dieses Fehlverhalten fällige Strafe nur dank der Fürsprache des Weingartener Amtmanns zu Tannheim abgewendet worden war, doch konnte sie immerhin eine Klausel in den Ergebungsbrief einrücken lassen, derzufolge ihr und ihren Söhnen jederzeit das Recht auf Loskauf um jeweils 10 fl rh zustand (29). Weniger glimpflich kam 1475 der weingartische Eigenmann Klaus Seltenbach zu Schlupfen davon, der sich ebenfalls unterstanden hatte, eine Frau zu heiraten, die dem Kloster nicht leibeigen und mithin eine "vngenossy" war. Er hatte gegen die vom Abt daraufhin angeordnete Räumung seines Lehenguts geklagt, wobei er nicht nur auf bereits verbüßte Haft, sondern auch auf die seinerseits angebotene Wiedergutmachung (die "vngenossy ... abtragen" zu wollen) verwies. Sein Argument, dass er durch Inhaftierung und Vertreibung von seinem Gut gleichsam mit "zwayen ruetten" geschlagen werde, wurde aber vom angerufenen Ammanngericht in Altdorf abgeschmettert, unter anderem mit dem Verweis auf den vom Kläger vor Jahren ausgestellten Lehenrevers, der ungenossame Eheschließungen ausdrücklich verboten hatte (30). Es kam aber auch vor, dass der Abt unter bestimmten Umständen eine ungenossame Eheschließung erlaubte. So 1444 im Fall des Freien Jos Lophain, genannt Kotterer, der dann allerdings nach seiner Heirat mit der Leibeigenen Ursula, Tochter eines Altdorfer Bürgers, umgehend reversieren musste, die aus dieser Verbindung hervorgehenden Kinder dem Kloster niemals entfremden, sie nicht zur Flucht oder zur Annahme fremden Schirms oder Bürgerrechts verleiten, sondern dieselben stets in ihrem absoluten Gehorsam gegen Abt und Konvent bestärken zu wollen, wobei er dem Kloster für den Fall der Verletzung dieser Pflicht unbeschränkten Zugriff auf sein gesamtes Vermögen einräumen mußte (31). ANMERKUNGEN: (1) Blickle, Leibherrschaft als Instrument der Territorialpolitik im Allgäu, am Beispiel der Klöster Kempten und Ottobeuren; Derselbe, HAB, Kempten, S. 73 ff.; vgl. auch Ludi, "nit vom Gotzhaws zu weichen", passim (ebenfalls am Beispiel Kemptens). (2) Beispielhaft hierfür Ulbrich, Leibeigenschaft am Oberrhein, S. 87 ff. u. 264 ff. Ergänzt wurden solche Maßnahmen in den oberschwäbischen Klosterterritorien durch die massenhafte Herabdrückung von Freien und Zinsern in die Leibeigenschaft. (3) So Maurer, Territorialgewalt, S. 168; Sabean, Landbesitz und Gesellschaft, S. 86 ff. (4) U 2401 (1370). Bei den steingadischen Eigenleuten wird kein Wohnort genannt, bei den weingartischen weder Wohnort noch Namen. (5) U 2375 (1360). (6) U 2806 (1529). (7) U 2328 (1331), U 2398 (1367), U 2406 (1374) und U 2437 (1400). (8) U 2479. (9) T. von Waldburg: U 2532 (1451); W. von Winnenden: U 2598 (1468). (10) U 2330 (1340). (11) U 2383 (1362) und U 2391 (1363). (12) U 2500 (1442). (13) Zwischen der vorletzten und der letzten Ergebung an Weigarten liegen mehr als 20 Jahre. (14) U 2444 (1404): Instrument eines Hofnotars in Konstanz über die Ergebung einer großen Gruppe von rund zwei Dutzend Personen an Kloster Weingarten; U 2605 (1470): Ergebung an Weingarten, Siegler: Caspar von Buchen, Landrichter in Schwaben; U 2626 (1475): Ergebung an Weingarten, Siegler: Heinrich von Schellenberg; U 2903 (1548): Ergebung an Weingarten, Siegler: Wilhelm Besserer, Stadtammann zu Memmingen. (15) Diese unterscheiden sich in nichts von denjenigen in anderen Leibeigenschaftsbriefen. Die sich unterwerfenden Personen verzichten auf Freizügigkeit (U 2566: "vnfluchtsam ze sin mit lib vnd gut", 1459), geloben Dienstbarkeit und absoluten Gehorsam, versprechen, bei keiner fremden Obrigkeit Schutz und Schirm zu suchen, und akzeptieren auch namens ihrer Kinder, der bereits lebenden wie auch der noch ungeborenen, alle Rechte, Ansprüche, Anwartschaften und Forderungen der künftigen Leibherren gegen ihren Leib und ihr Gut, sowohl zu ihren Lebzeiten, als auch nach ihrem Tod. Die in den Ergebungen an die Gremlich von Jungingen durchweg vorkommenden Formulierungen, dass die Gehorsamspflicht sich nur auf solche Ge- und Verbote der künftigen Leibherren erstrecken soll, die "billig" und "redlich" sind (so in U 3194, Barbara Hermann für Junker Wilhelm Gremlich, 1588) sind wohl als ethisch verbrämte Kosmetik zu werten. (16) Solche und andere gleichbleibende Formulierungen gingen aber sicher nicht auf die Aussteller, sondern eher auf die - mutmaßlich von den Gremlich beauftragten - Verfasser bzw. Ausfertiger und Siegler der Briefe zurück. Bei ihnen handelte es sich stets um den jeweils amtierenden Stadtschreiber von Ravensburg, einen kaiserlichen Notar daselbst oder den Vogt in dem ravensburgischen Flecken Zußdorf. (17) U 2926. (18) U 2432. Im vorliegenden Fall war es den Ausstellern dafür gestattet, in Altdorf, doch nirgendwo sonst, Bürgerrecht anzunehmen. (19) U 2473. (20) U 2446. (21) U 2852 (1538). Zum Ausschluss der Ungenossen von der Güterleihe vgl. auch Sabean, Landbesitz und Gesellschaft, S. 42 ff. (22) U 2836 (1534). (23) U 2913. (24) Sabean, Landbesitz und Gesellschaft, S. 90 ff. Die Vererbung des Leibeigenen-Status über die Mutter ist durch den gesamten Bestand der Weingartener Leibeigenschaftsbriefe klar belegt. (25) Sofern nicht spezielle Vereinbarungen, wie etwa diejenige der zwischen Leibherren öfters verabredeten Kinderteilung für klare Verhältnisse sorgten; vgl. hierzu unten. (26) Hierzu vor allem Müller, Entwicklung und Spätformen, S. 24 ff. und passim; Ulbrich, Leibherrschaft am Oberrhein, bes. S. 154 ff.; Knapp, Gesammelte Beiträge, S. 413 ff.; Knapp, Neue Beiträge, S. 128 ff. Speziell zu Weingarten vgl. Sabean, Landbesitz und Gesellschaft, S. 90 ff. Zu Württemberg neuerdings Keitel, Herrschaft, S. 194 ff. (27) Statt dessen ist meist allgemein von der Pflicht der Eigenleute zu absolutem Gehorsam die Rede. Ausformulierte Verbote ungenossamer Ehen waren wohl eher Bestandteile der jeweiligen Gerichts- oder Dorfordnungen oder aber der bäuerlichen Lehenbriefe. (28) U 2627. (29) U 2903. (30) U 2625. (31) U 2507.
3.3 Attestate/Entlassungen aus bürgerlichen Verbänden - Zusätzliche Vereinbarungen: Attestate/Entlassungen aus bürgerlichen Verbänden Diese beiden Urkundengruppen lassen sich aufgrund zahlreicher inhaltlicher Überschneidungen zusammenfassen, denn den Empfängern der ersten Gruppe war nur daran gelegen, von ihrer jetzigen oder vormaligen Obrigkeit ein Zeugnis ehelicher Geburt, der persönlichen Freiheit mit dem Recht auf Freizügigkeit oder eines einwandfreien Leumunds zu erhalten, alles Sachverhalte, die bei Entlassungen aus stadtbürgerlichen oder landsgemeindlichen Verbänden für gewöhnlich mitbestätigt wurden. Als Aussteller mehrerer Briefe treten jeweils die Reichsstadt Wangen für sich selbst wie auch als Pfandinhaberin der Grafschaft Eglofs, Landammann und Rat im Hinteren Bregenzer Wald, die Obleute der Freien auf Leutkircher Heide sowie das Landgericht bzw. die Landvogtei in Ober- und Niederschwaben auf. Bei den Empfängern der insgesamt 29 Urkunden handelt es sich mit zwei Ausnahmen (1) ausschließlich um Freie, die sich zu einem späteren Zeitpunkt Weingarten zu eigen ergeben haben müssen. Die Zeugnisse ehelicher und freier Geburt weisen mitunter die Abstammung bis zurück zu den Großeltern sowie deren örtliche Herkunft nach, wie im Fall des Jakob Bentelin, eines Bürgers zu Überlingen und gebürtig aus Baienfurt, der mütterlicherseits von einem aus Biberach nach Überlingen gezogenen Paar, einem Lateinschulmeister und dessen Ehefrau, abstammte (2). Zusätzliche Vereinbarungen Soweit es sich hier um Reverse leibeigener Personen oder ehemaliger Eigenleute handelt, gibt es auch in dieser 55 Exemplare starken Urkundengruppe zum Teil weitreichende inhaltliche Überschneidungen mit anderen Gruppen - vor allem mit den in Loskäufen und unentgeltlichen Ledigzählungen enthaltenen Bestimmungen zu Besitz oder Erwerb von Liegenschaften oder zur Anerkennung des Gerichtsstandes der ehemaligen Leibherren und ihrer Hintersassen. Bei diesen zusätzlichen Vereinbarungen dürfte es sich um nachträgliche Komplettierungen oder Präzisierungen früher ausgestellter Urkunden handeln, etwa wenn Margaretha Mößlin, genannt Bader, und ihre beiden Töchter 1549 Junker Hans Jakob Gremlich von Jungingen bestätigten, dass sie demselben, nachdem dieser sie vor Jahren von der Leibherrschaft der Reichsstadt Ravensburg losgekauft hatte, gelobt und versprochen hatten, ihm "in erlichen zimblichen vnd pillichen dingen" jederzeit gehorsam und zu Diensten zu sein, wofür ihnen dann allerdings jeweils eine angemessene Belohnung zu reichen war (3). Ebenso im Fall des Christoph Müller aus Grimmenstein und damals wohnhaft zu Augsburg, der 1522 gegen Kloster Weingarten, seine ehemalige Leibherrschaft, reversierte, im Fall von Forderungen gegen den Abt oder dessen Hintersassen und Eigenleute stets deren ordentlichen Gerichtsstand zu respektieren (4). Bei einzelnen in dieser Gruppe dokumentierten Rechtsgeschäften scheint es sich so verhalten zu haben, dass Eigenleute erst Jahre nach ihrem Eintritt in die Leibeigenschaft zur Anerkennung spezieller Verpflichtungen genötigt worden waren, für die bisher kein hinreichender urkundlicher Rechtstitel existiert hatte. So beurkundeten 1386 Heinz der Landoes zu Gambach, Eigenmann des Klosters Weingarten, dessen Bruder Hans und drei weitere namentlich genannte Personen ihr feierliches Versprechen, dass Heinzens sechs leibliche Kinder von jetzt an "unfluch[t]sam" sein würden, d.h. ohne ausdrückliche Erlaubnis des Abts das klösterliche Territorium nicht verlassen würden. Für den Fall von Zuwiderhandlungen sagten die Aussteller jeweils 10 lb h Buße oder Kompensation zu und bürgten mit ihrem Vermögen für deren Bezahlung (5). Ähnlich dürfte es sich auch bei Hans dem Müller verhalten haben, der 1383 als Eigenmann dem Abt zu Weingarten seinen feierlich beschworenen Verzicht auf Freizügigkeit verbriefen, für den Fall der Eidbrüchigkeit die enorme Strafe von 300 lb h akzeptieren, acht Bürgen stellen und dem Gotteshaus umfassende Pfändungsrechte gegen deren Vermögen einräumen musste (6). Auch bei Cuntz Marktauer d. J., Weingartener Eigenmann und noch ledig, der 1440 geloben musste, künftig bei Strafe von 20 fl rh nur eine Leibeigene des Gotteshauses zur Frau zu nehmen, scheint es der Leibherrschaft lediglich um eine Präzisierung oder Vervollständigung ihrer Rechte gegangen zu sein, für die sie bis dato über keinen schriftlichen Beleg verfügte (7). Manche ehemalige Weingartener Eigenleute reversierten noch geraume Zeit nach ihrer Lossprechung, dass dieselbe hinfällig sein würde, sollten sie sich jemals wieder in Altdorf, in der Landvogtei Schwaben oder im Gerichtsbezirk des Gotteshauses niederlassen, eine Bestimmung, die in ihre Manumissionsurkunde einzufügen offensichtlich versäumt worden war (8). 13 Reverse in dieser Gruppe (= 23,6 %) wurden von ehemaligen Eigenleuten ausgestellt, die zum Zweck der Erlangung der Priesterwürde oder des Eintritts in einen Orden von ihren Leibherren unentgeltlich lediggesprochen worden waren Die künftigen Priester, Mönche oder Nonnen sicherten hier ihren ehemaligen Leibherren die üblichen Beschränkungen ihres Erbrechts und des Rechts auf Liegenschaftsbesitz oder -erwerb in ihrem alten Heimatterritorium, die Anerkennung des ordentlichen Gerichtsstandes ihrer vormaligen Leibherren und deren Hintersassen sowie die neuerliche Unterwerfung unter ihre alte Leibherrschaft für den Fall zu, dass sie mit ihrer angestrebten geistlichen Karriere scheitern sollten (9). Weitere 14 Briefe dieser Gruppe (= 25,4 %), bei denen stets Weingarten Empfänger war, beinhalten Vereinbarungen, in denen andere Leibherren ihre Ansprüche auf die Kinder aus ungenossamen Ehen und auf die Hinterlassenschaften der Eigenleute mit dem Kloster teilten (10). Sie sind relativ früh entstanden, zwischen 1350 und 1427, in einem Zeitraum also, in dem Leibherrschaft von den entstehenden geistlichen und sonstigen Staaten Oberschwabens noch nicht in dem Maß als territorialpolitisches Vehikel eingesetzt wurde wie seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Während in der frühesten Urkunde dieser Untergruppe Swigger von Neidegg 1350 das Gotteshaus noch mit nur einem der Kinder, die aus der Ehe zwischen seiner Leibeigenen Itta und einem weingartischen Zinser möglicherweise entspringen würden, abspeisen konnte (11), anerkannten spätere Aussteller das Kloster als vollberechtigten Miteigentümer ("gemainder") der in solchen Ehen gezeugten Kinder (12). In einer Minderzahl der Fälle wurde auch das während der Ehe erworbene gemeinsame Vermögen der ungenossamen Eheleute in die Teilungsvereinbarung einbezogen (13). ANMERKUNGEN: (1) U 2992 (1562): Johann Jakob Frh. von Königsegg bestätigt einer vormaligen Leibeigenen, die vor Jahren durch seinen Vater an Kloster Weingarten vertauscht worden war, dass seinerzeit durch Nachlässigkeit versäumt worden sei, die Manumission durch Königsegg zu verbriefen; in U 3466 (1782) wird einem Empfänger attestiert, aus der weingartischen Leibeigenschaft ausgeschieden und statt dessen in diejenige der reichsunmittelbaren Herrschaft Waldburg eingetreten zu sein. (2) U 2906 (1548). (3) U 2916. (4) U 2778. (5) U 2418. (6) U 2417. Ein vergleichbarer Fall in U 2419 (1386), wo auf das unbefugte Verlassen des Klosterterritoriums eine Konventionalstrafe von 100 lb Konstanzer Pfennigen vereinbart wurde. Ebenfalls als Spezialrevers ist U 2597 anzusprechen, laut der 1468 ein Weingartener Eigenmann auf Freizügigkeit Verzicht leistete und bei einer Pön von stolzen 100 fl rh gelobte, ohne ausdrückliche Erlaubnis des Abts keinen anderen Schirm zu suchen und im Fall von Misshelligkeiten mit dem Kloster oder den Gotteshausleuten deren ordentlichen Gerichtsstand zu berücksichtigen. (7) U 2496. Wie oben bereits gesagt, enthieltendie für Weingarten oder die Gremlich ausgestellten Ergebungsbriefe keine ausdrückliche Anerkennung des Verbots der ungenossamen Ehe, ebenso wenig die Tausch-, Verkaufs-, Loskauf- und sonstigen Briefe. (8) So in U 2735 (1509) Wolfgang Schieck d. J., der vor einiger Zeit auf Fürsprache des Bischofs Heinrich von Lichtenau zu Augsburg lediggesprochen worden war. (9) Diese 13 Reverse vervollständigen also ebenfalls früher ausgestellte Urkunden, in denen versäumt worden war, die rechtlichen Beschränkungen der Losgesprochenen zu fixieren. Ansonsten könnten sie ebenso gut den sechs Lossprechungen künftiger Priester in der oben behandelten Gruppe der unentgeltlichen Manumissionen zugeordnet werden, von denen sie sich nur durch den unmittelbaren Ausstellungsanlass unterscheiden. (10) Zur Kinderteilung im alemannischen Raum vgl. Müller, Entwicklung und Spätformen, S. 43 ff. und bes. S. 51 ff. (11) U 2335. (12) So in U 2409 (1376); Aussteller: Hans Bruwe, Bürger zu Ravensburg. (13) Etwa in U 2440 (1402); Aussteller: Heinrich von Werdenstein.
Abkürzungen:
AA Ostalbkreis
abgeg. abgegangen
aufgeg. aufgegangen
BC Biberach
BL Zollernalbkreis
d Denar (Pfennig)
d. J. der Jüngere
DLG Dillingen a. d. Donau
Dr. Doktor
EI Eichstätt
EM Emmendingen
ES Esslingen
etc. et cetera
fl Florenus (Gulden)
Flurbez. Flurbezeichnung
FN Bodenseekreis
FR Breisgau-Hochschwarzwald
Frh. Freiherr
Fst. Fürstentum
Gde. Gemeinde
geb. geborene
GP Göppingen
GZ Günzburg
h Heller
HDH Heidenheim
IN Ingolstadt
KE Kempten
KEH Kelheim
KN Konstanz
Kt. Kanton
lb liber (Pfund)
LI Lindau
LL Landsberg am Lech
MM Memmingen
MN Unterallgäu
NU Neu-Ulm
o.g. oben genannt
OA Oberallgäu
OG Ortenaukreis
östl. östlich
rh rheinisch
RO Rosenheim
RT Reutlingen
RV Ravensburg
RW Rottweil
SIG Sigmaringen
SLF Saalfeld
ß/sh Schilling
St. Sankt
TBB Main-Tauber-Kreis
TÜ Tübingen
TUT Tuttlingen
U Urkunde
UL Alb-Donau-Kreis
VS Schwarzwald-Baar-Kreis
WT Waldshut
x Kreuzer
KFZ-Kennzeichen:
AA Ostalbkreis
BL Zollernalbkreis
BC Biberach
BL ZollernalbkreisDLG Dillingen a. d. Donau
EI Eichstätt
EM Emmendingen
ES Esslingen
FN Bodenseekreis
FR Breisgau-Hochschwarzwald
GP Göppingen
GZ Günzburg
HDH Heidenheim
IN Ingolstadt
KE Kempten
KEH Kelheim
KN Konstanz
LI Lindau
LL Landsberg am Lech
MM Memmingen
MN Unterallgäu
NU Neu-Ulm
OA Oberallgäu
OG Ortenaukreis
RO Rosenheim
RT Reutlingen
RV Ravensburg
RW Rottweil
SIG Sigmaringen
SLF Saalfeld
TBB Main-Tauber-Kreis
TÜ Tübingen
TUT Tuttlingen
UL Alb-Donau-Kreis
VS Schwarzwald-Baar-Kreis
WT Waldshut
x Kreuzer
Literatur:
Beschreibung des Oberamts Ravensburg. Hg. aus Auftrag der Regierung von Ober-Finanzrath von Memminger. Stuttgart und Tübingen 1836.
Blickle, Peter: Kempten (Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben 6). München 1968.
Blickle, Peter: Leibherrschaft als Instrument der Territorialpolitik im Allgäu. Grundlagen der Landeshoheit der Klöster Kempten und Ottobeuren. In: Wege und Forschungen zur Agrargeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Günther Franz, 1967. S. 51-66.
Dreher, Alfons: Zur Gütergeschichte des Klosters. In: Spahr, Gebhard (Hg.): Festschrift zur 900-Jahr-Feier 1056-1956, Weingarten 1956, S. 138-158.
Henning, F.W.: Artikel Leibeigenschaft. In: HRG 2, Berlin 1978, Sp. 1761-1772.
Keitel, Christian: Herrschaft über Land und Leute. Leibherrschaft und Territorialisierung in Württemberg 1246-1593 (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 28). Leinfelden-Echterdingen 2000.
Knapp, Theodor: Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes (= Neudruck der Ausgabe Tübingen 1902). Aalen 1964.
Knapp, Theodor: Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes (= Neudruck der Ausgabe Tübingen 1919). Aalen 1964.
Kretzschmar, Robert: Alte Archive - neue Herren. Säkularisation, Mediatisierung und die Folgen für die heutige Archivlandschaft. In: Rudolf, Hans Ulrich (Hg.): Alte Klöster Bd. 2, S. 1249-1262.
Ludi, Regula: "nit vom Gotzhaws zu weichen, weder mit leib noch mit gut". Die Beschwerden im Kemptener Leibeigenschaftsrodel. In: ZWLG 52 (1993), S. 67-90.
Maurer, Hans-Martin: Die Ausbildung der Territorialgewalt oberschwäbischer Klöster vom 14. bis zum 17. Jahrhundert. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 109 (1973), S. 151-195.
Müller, Walter: Entwicklung und Spätformen der Leibeigenschaft am Beispiel der Heiratsbeschränkungen. Die Ehegenoßsame im alemannisch-schweizerischen Raum (= Vorträge und Forschungen, Sonderband 14). Sigmaringen 1974.
Pietsch, Friedrich: Die Archivreisen des Geheimen Archivars Lotter. In: Neue Beiträge zur südwestdeutschen Landesgeschichte. Festschrift für Max Miller (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde B 21). Stuttgart 1962, S. 333-353.
Reinhardt, Rudolf: Restauration, Visitation, Inspiration. Die Reformbestrebungen in der Benediktinerabtei Weingarten von 1567 bis 1627 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B 11). Stuttgart 1960.
Rudolf, Hans Ulrich (Hg.): Alte Klöster - neue Herren. Die Säkularisation im deutschen Südwesten 1803 (= Katalog der Landesausstellung Baden-Württemberg in Bad Schussenried vom 12. April bis zum 5. Oktober 2003). 2 Bde., Ostfildern 2003.
Rudolf, Hans Ulrich: Aus den Niederlanden ins Oberland. Das Haus Oranien-Nassau und die Herrschaft Weingarten 1802-1806. In: Ders. (Hg.): Alte Klöster Bd. 1, S. 463-476.
Rudolf, Hans Ulrich: "Ich unterwerfe mich willig dem Schicksale....". Das Ende des Weingartener Klosterlebens 1802-1809. In: Ders. (Hg.): Alte Klöster Bd. 1, S. 477-492.
Sabean, David Warren: Landbesitz und Gesellschaft am Vorabend des Bauernkriegs. Eine Studie der sozialen Verhältnisse im südlichen Oberschwaben in den Jahren vor 1525 (= Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Band XXVI). Stuttgart 1972.
Seiler, Alois: Die Archive der einstigen Reichsklöster in Württemberg nach der Säkularisation. In: ZWLG 23 (1964), S. 321-344.
Troßbach, Werner: "Südwestdeutsche Leibeigenschaft" in der Frühen Neuzeit - eine Bagatelle? In: Strukturprobleme der Frühen Neuzeit (= Geschichte und Gesellschaft 7, 1), Hg. Von Helmut Berding u.a., Göttingen 1981, S. 69-90.
Ulbrich, Claudia: Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 58). Göttingen 1979.
- Reference number of holding
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 515 II
- Extent
-
ca. 1150 Urkunden (10,06 lfd. m)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Neuwürttembergische Herrschaften vor 1803/1806-1810 >> Bistümer, Stifte, Klöster und Pfarreien >> Augustinerkloster Kreuzlingen - Restituierte Klöster >> Weingarten, Benediktinerkloster
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
-
20.01.2023, 3:09 PM CET
Data provider
Landesarchiv Baden-Württemberg. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand