Archivale
Ratsdekret
Regest: Der Kaiser hat den Reichsstädten eine besondere Huld und Gnade dadurch erzeigt, dass er befohlen hat, die Aufhebung des französischen Albinagialrechts (= Heimfallrechts) zur Beförderung des wechselseitigen Commercii bei dem König von Frankreich für sämtliche Reichsstädte zu suchen, und deswegen an die Directorialstadt Regenspurg unterm 14. Dezember 1767 die benötigte Verordnung hat ergehen lassen.
Dieses Albinagialrecht besteht hauptsächlich darin, dass der königl.-französ. Fiscus die ganze Hinterlassenschaft aller Fremden, welche sich in Frankreich, aus was für einer Ursache es immer sein möchte, aufgehalten haben und daselbst gestorben sind, als dem Fiscus anheimgefallene Güter einzuziehen berechtigt ist, ohne dass es einem solchen Fremden erlaubt wäre, über sein eigenes Vermögen einen letzten Willen zu errichten.
Die hinterbliebenen nächsten Anverwandten und rechtmässigen Erben eines in Frankreich verstorbenen Fremden mussten also das Vermögen, das ihnen ordentlicher Weise zugefallen wäre, dem Fiscus überlassen.
Schon i. J. 1770 glückte es durch kaiserl. Unterstützung der Directorialstadt Regenspurg, dass von der Krone Frankreich das Albinagialrecht gegen sie aufgehoben wurde unter der Bedingung, dass sie die franz. Untertanen, die sich bei ihr aufhalten, auf gleiche Weise behandeln würde. Nun ist endlich i. J. 1774 den sämtlichen übrigen Reichsstädten gleichmässige Befreiung unter dem jetzigen König zugestanden worden, wie denn auch die sogenannten Lettres patentes oder offenen Briefe darüber ausgefertigt wurden. Darin ist jedoch das Abzugs- oder Nachsteuerrecht wechselseitig vorbehalten und die königl. Verordnungen, nach welchen kein franz. Untertan ohne des Königs Erlaubnis wegziehen darf, besonders salviert (= gesichert) worden.
Die genaue Beobachtung der wechselseitigen Aufhebung des Albinagialrechts ist von Regenspurg im Namen aller Reichsstädte an Frankreich versichert worden.
Weiter wird bekannt gemacht:
1) Die Bürger, welche Streit im Feld haben, sollen es der Stadtschreiberei anzeigen.
2) Jedermann soll bei zu befahrender Strafe rechten Steg und Weg gebrauchen, jeder auf den Übertreter Achtung geben und solchen gegen Erhebung des Drittels der Strafe anzeigen.
3) Alle Güter ohne Ausnahme, welche von der Fremde hieher gebracht und geführt werden, sollen bei Straf 1 fl vor das Waaghaus geliefert werden.
4) Bei Überhandnahme des Lasters der Hurerei sollen alle Manns- und Weibspersonen, die sich in puncto scortationis (= Unzucht) doppelt vergehen, auch mit doppelter Straf belegt und dergleichen 3faches Vergehen gar mit der Stadtverweisung angesehen werden.
5) Wenn Bürger fremde Gesellen und Mägde halten, welche sich dieses Laster zuschulden kommen lassen, und ohne bezahlte Strafe ausweichen, so sollen die Meister, insofern sie solchen Leuten geflissentlich forthelfen, die Strafe zu erlegen schuldig sein.
6) Wenn ein Feuerlärm auf dem Land entsteht und der in die 1. und 2. Wahl (= Aufgebot) gehörige Bürger nicht gleichbald auf dem gewöhnlichen Platz erscheinen würde, so soll der Zunftmeister einen andern um den Lohn annehmen, den hernach derjenige, der aus Mutwillen nicht gegangen ist, bezahlen und noch dazu 1 fl Straf erlegen soll. Überhaupt wird jeder Bürger bei seinen Pflichten erinnert, bei dergleichen Fällen sich nicht nachlässig zu zeigen. Der zuerst auf den gewöhnlichen Platz kommende Feuerreiter soll 1 Simri, der zweite 1/2 Simri und die übrigen alle, jeder für sein Pferd, 1 Vierling Haber erhalten.
7) Bei 10 Reichstaler Strafe wird ernstlich verboten, Schriften auf den Zunftstuben an den Zunfttagen einzugeben und verlesen zu lassen, desgleichen auch alles Raisonnieren sowohl zur Wahlzeit als anderer Zeit hier und auf dem Land, da solches ohnehin wider die bürgerlichen Pflichten läuft.
8) Bei den einreissenden Felddiebereien wird verordnet, dass, wer junge Bäume, Weinstöcke oder anderes entwenden und seinem Nächsten Schaden und Nachteil verursachen würde, auf Betreten exemplarisch an Geld gestraft oder gar der Stadt verwiesen werden soll, wie auch alle übrigen Excesse, die Ruinierung der Stecken und Hinwegnahme der Baumstotzen mit der grössten Strenge behandelt werden soll.
9) Jeder Bürger wird bei unfehlbarer Strafe erinnert, auf jedesmaliges Vorbieten bei den Pflegschaften, Steuersatz und Steuer-Einbringereien willig zu erscheinen und die alten Zins- und andere Ausstände und Schuldigkeiten noch in diesem Jahr zu bezahlen.
Decretum in senatu 22. Mai 1775.
Bürgermeister und Rat der Stadt Reuttlingen
- Archivaliensignatur
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A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 2606
- Umfang
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8 S. Text
- Sonstige Erschließungsangaben
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Bemerkungen: Ratsprotokolle vom 1. Juni 1674 an nicht mehr vorhanden
- Kontext
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 8 Zünfte Allgemeines
- Bestand
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A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)
- Laufzeit
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1775 März 22
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
20.03.2025, 11:14 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- 1775 März 22