Bestand

Ulm, Reichsstadt: Herrschaftspflegamt (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Die hier vorliegenden Protokolle und Akten des Ulmer Herrschaftspflegamts, der für das große Landgebiet der Reichsstadt zuständigen obersten Behörde, gelangten zum großen Teil im Jahre 1834 an das Kameralamt Ulm, von wo sie im Jahre 1910 an das Staatsfilialarchiv Ludwigsburg weitergeleitet wurden. Nach ersten Verzeichnungsarbeiten durch K. O. Müller (um 1930) wurden 1954 spätere Zugänge von verschiedenen Nachfolgebehörden in den Bestand eingegliedert, der 1959 - nach Einarbeitung bisher unverzeichneter Reste - abschließend geordnet und überarbeitet wurde.

Inhalt und Bewertung
Die Protokolle zerfallen in drei Serien: 1) Amtsprotokolle der Herrschaftspflege; - 2) an das Herrschaftspflegamt ergangene Ratsentscheide (Abschriften aus den Ratsprotokollen); - 3) kombinierte Serie von Amtsprotokollen mit eingetragenen Ratsentscheiden (seit 1695).
Die Akten gliedern sich wie folgt: I. Allgemeine Verordnungen; - II. Angelegenheiten der einzelnen Ämter (Geislingen, Stötten, Böhringen, Bermaringen, Lonsee, Nellingen, Stubersheim, Süßen, Langenau, Weidenstetten, Wain); - III. Beziehungen zu benachbarten Herrschaften.

Aufbau und Stellung der Behörde: Das Herrschaftspflegamt war die oberste Behörde der Reichsstadt Ulm für ihr großes Landgebiet, die sogenannte Herrschaft. Die beiden Herrschaftspfleger, in der Regel jeweils die beiden alten Bürgermeister, entschieden den weitaus größten Teil der Verwaltungsangelegenheiten in der Herrschaft aus eigener Machtvollkommenheit. Die Beamten auf dem Land waren dem Herrschaftspflegamt unterstellt und wandten sich stets an dieses, nicht an das Bürgermeisteramt oder den Rat. Bei den Herrschaftspflegern lag die Entscheidung sämtlicher Zivilsachen und Polizeivergehen auf dem Lande; der Rat bildete hierbei lediglich die Berufungsinstanz. Bei wichtigeren Angelegenheiten berichtete das Herrschaftspflegamt jedoch dem Rat und erhielt dann seinerseits Weisungen. Die hervorragende Stellung des Herrschaftspflegamts ist daraus ersichtlich, daß es in der Rangfolge stets vor allen anderen Verwaltungsbehörden der Reichsstadt (Ämter, Schauen, Deputationen) genannt wurde und daß die beiden alten Bürgermeister, die regelmäßig als Herrschaftspfleger bestellt wurden, zu den ranghöchsten Personen zählten (über ihnen standen nur noch die beiden Ratsälteren). Das Herrschaftspflegamt besaß seine eigenen Räume auf dem Rathaus, die sogenannte Herrschaftsstube, auf der die Herrschaftspfleger ihre Sessionen abhielten. Sie hatten mehrere eigene Offizianten: Herrschaftsschreiber, Herrschaftsschreiberei-Adjunkt, Kassier, Substitut und Registrator (vgl. Staats- und Adresshandbuch des Schwäbischen Kreises 1799, S. 100 f.).

Zum Bestand: Die umfangreiche Tätigkeit des Herrschaftspflegamts spiegelt sich am deutlichsten in dessen Protokollen. Diese Protokolle, die bis zur Anlage des vorliegenden Repertoriums (offenbar schon seit reichsstädtischer Zeit) in einer Reihe durchgezählt worden waren, zerfallen in drei Serien: 1. die eigentlichen Amtsprotokolle der Herrschaftspflege 2. die an das Herrschaftspflegamt ergangenen Ratsentscheide 3. Amtsprotokolle, in die auch die eingegangenen Ratsentscheide eingetragen wurden. Die erste Serie enthält den gesamten Niederschlag der Arbeit auf der Herrschaftsstube. Bei der zweiten Serie handelt es sich um Abschriften der die Herrschaft betreffenden Ratsentscheide aus den Ratsprotokollen, die auf der Herrschaftsstube gefertigt wurden. Diese Bände wurden dort kurz "Ratsprotokolle" oder "Ratsprotokolle der Herren Herrschaftspfleger" genannt. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend und ungenau im Hinblick auf die Ratsprotokolle im heutigen Stadtarchiv Ulm, bei denen es sich um Niederschriften über sämtliche Sessionen und Entscheidungen des Ulmer Rats handelt, die sowohl die Stadt als auch das Land betreffen. Lediglich Auszüge bzw. Abschriften daraus liegen in der zweiten Serie vor (vgl. Kanzleiakten des Staatsarchivs Ludwigsburg Nr. 1246/1959). Die dritte Serie, die 1695 beginnt, ist eine verhältnismäßig spät einsetzende Kombination aus dem Kanzleibrauch der beiden ersten Serien. Die Ratsentscheide sind fortan jeweils nach den Niederschriften einer Amtssitzung eingetragen unter der Überschrift "R.B." (Ratsbescheid), "G.R.B." (Geheimer Ratsbescheid) oder "R.D." (Ratsdekret). Die hier vorliegenden Amtsprotokolle beginnen mit dem Jahr 1531. Ratsentscheide sind ab 1566 im Staatsarchiv Ludwigsburg vorhanden. Zwei Bände dieser Serie (von 1559-1567 und 1604-1607), die durch einen Zufall in Ulm zurückgeblieben waren, hat das Stadtarchiv Ulm entgegenkommenderweise dem Staatsarchiv Ludwigsburg als Dauerleihgabe überlassen; sie sind hiernach unter den Nummern 22a* und 26a* eingetragen und dürfen nur mit Zustimmung des Stadtarchivs Ulm aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg entfernt werden (vgl. Kanzleiakten des Staatsarchivs Ludwigsburg Nr. 1608/1959). Die Protokolle reichen, mit einigen Lücken, bis zum Jahre 1803 (einschließlich).

Überlieferung und Verzeichnung des Bestands: Die Protokolle, die 1834 an das Kameralamt Ulm gelangten, kamen 1910 von dort über die Archivdirektion in das Staatsarchiv Ludwigsburg (vgl. Kanzleiakten von 1910 Qu. 16). Regierungsrat Dr. K.O. Müller nahm sie um 1930 summarisch auf; im Sommer/Herbst 1959 wurden sie von der Unterzeichneten nach neuen Grundsätzen verzeichnet, in ihre ursprünglichen Serien gegliedert und mit neuen Nummern versehen. Die alten Bandnummern sind im Repertorium in der rechten Spalte aufgeführt. Von den Akten wurde ebenfalls um 1930 ein Teil von Dr. K.O. Müller verzeichnet. Weitere, später von verschiedenen Nachfolgebehörden eingekommene Akten nahm Dr. H. Schmolz 1954 auf. Einen noch ungeordneten Rest hat die Unterzeichnete 1958/1959 verzeichnet und den auf das Doppelte angewachsenen Aktenbestand neu gegliedert. Dabei wurden die älteren Titelaufnahmen den gegenwärtigen Grundsätzen angepaßt. Zur allgemeinen Behörden- und Verwaltungsgeschichte der Reichsstadt Ulm ist die Vorbemerkung zu Anfang der ulmischen Bestände zu vergleichen. Der Bestand B 209a umfaßt nunmehr 182 Bände in 22 lfd. m (zuzüglich 2 Bände = 22a* und 26a* als Leihgabe vom Stadtarchiv Ulm) und 81 Büschel Akten in 1,6 lfd. m. Bände und Akten sind getrennt durchgezählt worden (Bandnummern mit *). Ludwigsburg, November 1959 Heiderud Mehl

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, B 209 a
Extent
81 Büschel, 179 Bände (26,6 lfd. m)

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg (Archivtektonik) >> Neuwürttembergische Bestände vor 1803 bzw. vor 1806/10 >> Reichsstädte

Date of creation of holding
1510-1803

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Last update
18.04.2024, 10:40 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1510-1803

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