Bestand

Familienarchiv Alberti-Reinhardt-Widenmann (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
1. Der Bestand
Der von den Angehörigen der drei Familien Alberti, Reinhardt und Widenmann angefallene Nachlass wurde über mehrere Generationen weitergegeben und zu einem vielgestaltigen Ganzen aus zahlreichen individuellen Nachlässen vermehrt. Er enthält neben Fotographien und ca. 600 Briefen kunstvolle Blumen-Zeichnungen von Luise und Marie Widenmann, militärische Karten Walther Reinhardts, Kochrezepte ebenso wie ein Rezept zur Herstellung von Tinte sowie nicht zuletzt eine Reihe von Stammtafeln, namentlich in den Büscheln 1, 88, 120, 124, 140. Sein ältestes Stück ist eine Familienchronik des 17. Jahrhunderts von der Familie Crafft-Vischer, der Luise Auguste Vischer, die Urgroßmutter Louise Pfeilstickers, Pauline Widenmanns und Emilie Reinhardts, entstammte. Bereits im 19. Jahrhundert wurde der bis dahin gesammelte Familiennachlass nach Pertinenzen in Form von Mappen zu einzelnen Familienmitgliedern vorsortiert. Diese Einheiten wurden beibehalten.
In seinem heutigen Umfang wurde der Bestand von dem familiengeschichtlich interessierten Architekten Ulrich Reinhardt (1907-1998) zusammengetragen, der darüber hinaus auch Zeitungsartikel über Familienmitglieder sammelte und eigene Archivrecherchen anstellte. Einen Einblick in seine Arbeit erlauben insbesondere die Büschel 121 und 124. Als Kern des Bestandes hatte Ulrich Reinhardt das Familienarchiv seines Onkels, des Archivrats Otto von Alberti, übernommen. Hinzu kam nach dem Tod Clara Widenmanns, der Tochter Gustav Widenmanns (1812-1876) und Nichte von Ulrich Widenmanns Urgroßvaters Wilhelm, ein Koffer voller Briefe, den die übrige Verwandtschaft dem ahnenforschenden Großneffen der deutschen Schrift der Briefe wegen gern überließ.
Ulrich Reinhardt ordnete den nun deutlich angewachsenen Bestand ein weiteres Mal nach Pertinenzen mit dem Ziel, ihn für eine Familiengeschichtsschreibung in Form von "Charakterbildern" auszuwerten. Sehr bald stieß er jedoch, wie er in seinen in Büschel 83 überlieferten Aufzeichnungen selbst bekundet, auf das Problem, Unterlagen nicht eindeutig zuordnen zu können. Einerseits erwiesen sie sich sowohl in Bezug auf ihre Autorin oder ihren Autor als auch in Bezug auf ihre Adressaten und dritte Familienmitglieder als aufschlussreich, andererseits sind sie zuweilen von mehreren Familienmitgliedern gemeinsam verfasst, an mehrere gerichtet, überhaupt nicht oder nur mit Relationsbegriffen wie "Deine Mutter" oder "Euer Sohn" gezeichnet. Eine vollständige Ordnung des Bestands nahm Ulrich Reinhardt deshalb nicht vor, sondern er beließ ihn teilweise auch in unsystematischen Sammlungen und überlegte, zu einer jahresweisen Familiendarstellung überzugehen. Als Vorarbeit hierzu erschloss er sich die ihm vorliegenden Briefe, nummerierte sie teilweise und fasste sie inhaltlich zusammen, wobei er auf seine Nummerierung Bezug nahm. Daneben schrieb er sich "Lesehilfen" in die Originale und verfasste bereits verschiedene Passagen seiner geplanten Familiengeschichte. Zu deren Abschluss kam es jedoch nicht mehr. Neun Jahre nach seinem Tod übergaben seine Witwe, Ingeborg Reinhardt und seine Tochter Ilse Rottmann den Familiennachlass dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, das ihn seither unter der Signatur Q 3/60 verwahrt.
Inhalt und Bewertung
2. Die Familien Alberti - Reinhardt - Widenmann
Die drei Familien Alberti, Reinhardt und Widenmann gehörten der württembergischen Ehrbarkeit an und waren durch die Ehen der Emilie Widenmann (1836-1923) mit August Reinhardt (1827-1907) sowie durch die Ehe von deren Sohn, dem Divisionsarzt Dr. Wilhelm Reinhardt (1862-1917), mit Emma von Alberti (1869-1943) miteinander verschwägert. Familiäre Verbindungen bestanden aber auch mit weiteren, bekannten Familien der Ehrbarkeit wie etwa den Familien Hauff, Pfeilsticker und Varnbühler.
Angehörige der drei Familien kamen in Württemberg immer wieder zu gesellschaftlich herausgehobener Bedeutung, wobei insbesondere die Offizierslaufbahn ein vielfach eingeschlagener Weg war. Das gilt beispielsweise für den in den Adelsstand erhobenen Oberst und schließlich Kommandanten von Ellwangen und Arolsen, Franz Carl (von) Alberti (1742-1820), dessen Sohn, den Oberstleutnant Ludwig Eberhard von Alberti (1797-1867), den erwähnten Arzt im Generalsrang Dr. Wilhelm Reinhardt oder dessen Bruder, den General Walther Reinhardt (1872-1930).
Auch in anderen Berufen gelangten Angehörige der drei Familien vielfach in höhere Ränge. Unter ihnen sind etwa der Bürgermeister von Wildungen (Waldeck) Otto Alberti (1650-1729), der Arolser Oberkammerrat Johann Christoph Alberti (1698-1770), der Bergrat Dr. Friedrich August von Alberti (1795-1878), der Forstrat Wilhelm Widenmann (1798-1844) oder der publizistisch theologisierende Arzt und Homöopath Dr. Gustav Widenmann zu nennen, der von seiner Schwester Jeanette Widenmann (1809-1898) zutiefst verehrt auch der Nukleus ihrer Familienerinnerungen geworden ist. Eine - zumindest unter Historikern - andauernde Bekanntheit erlangte Emma von Albertis Vater, der Archivrat Otto von Alberti (1834-1904), der mit seinem zweibändigen "Württembergischen Adels- und Wappenbuch" ein bis heute gebräuchliches Standardwerk vorlegte.
War beruflicher Erfolg und sozialer Rang ein sich kontinuierlich wiederholendes, zentrales Moment der Einzelbiographien in den drei Familien, so fehlte mit Eduard Widenmann (1801-1854), dem Bruder Wilhelm, Jeanette und Gustav Widenmanns, auch nicht das enfant terrible in der Familie. Nach seiner Schulbildung in Schönthal und Maulbronn war er in das Evangelische Stift in Tübingen aufgenommen worden und 1819 der Burschenschaft Germania beigetreten. Wie viele junge Leute sympathisierte der begabte Student mit dem Nationalstaatsgedanken und den Ideen der Französischen Revolution. Er kam mehrfach in Arrest und wurde schließlich aus dem Stift verwiesen, zog für einige Jahre ins niederländische Exil, wurde aber nach seiner Rückkehr auch dem an seinen auswärtigen Erfahrungen interessierten König vorgestellt. 1826 wurde er mit einer Arbeit über "Die nordamerikanische Revolution und ihre Folgen" promoviert.
Sind die Korrespondenzen zwischen Vätern und Söhnen der drei Familien nicht nur von biographischem, sondern auch von sozialgeschichtlichem Interesse, so sind es diejenigen der weiblichen Familienmitglieder nicht minder. Zu einem guten Teil pflegten sie das familiäre Netzwerk und unterhielten teils innige Freundschaften miteinander - wie etwa die unverheiratete Pauline Widenmann mit der Schwägerin ihrer Schwester Emilie, Julie Reinhardt.
Soweit es möglich war, wurden die von Ulrich Reinhardt gebildeten Pertinenz-Einheiten aufgelöst und, namentlich bei den Briefschaften, zu Provenienzen zusammengefasst. Da seine unmittelbar auf einzelne Archivalien bezogenen und ihnen beigelegten Aufzeichnungen allerdings ihrerseits einen Teil der Familiengeschichte bilden, wurde hierbei behutsam vorgegangen und die von ihm gebildete Ordnung teilweise beibehalten. Den Bestand verzeichneten und klassifizierten 2009 die Archivreferendare Eva Rödel, Andreas Neuburger, Mathias Kunz und Michael Habersack unter Anleitung von Dr. Regina Keyler und Dr. Peter Bohl.
Stuttgart, im November 2009
Michael Habersack

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 3/60
Umfang
145 Bü

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Nachlässe, Verbands- und Familienarchive >> Verbands- und Familienarchive
Verwandte Bestände und Literatur
Faber, Ferdinand Friedrich, Die Württembergischen Familien-Stiftungen, Stuttgart 1852.
Königliches Kriegsministerium (Hg.), Militärisches Handbuch des Königreichs Württemberg. Nach dem Stande vom 6. Mai 1913, Stuttgart 1913.
Mulligan, William, The creation of the modern German Army: General Walther Reinhardt and the Weimar Republic 1914-1930 (Monographs in German history; 12), Oxford/New York 2005.
Pfeilsticker, Walther (Bearb.), Neues Württembergisches Dienerbuch, Bd. 1, Stuttgart 1957.
Weber, Walter, Art. Johann Friedrich Wilhelm Widenmann, in: Der Teckbote Nr. 288 vom 12.12.1964, S. 11 [enthalten in Bü 123].

Bestandslaufzeit

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Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

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