Bestand
Stift Lübbecke / Akten (Bestand)
Verfassung und Verwaltung
1527-1810 (38); Präbenden und Präbendare 1713-1809 (86);
Amtsträger des Kapitels 1582-1824 (33); Mast-, Hude- und
Holzrechte 1601-1799 (12); Grundbesitz und Bewirtschaftung
1295-1831 (78); Kapitalien und Schulden 1409-1808 (10);
Immobilien und Bausachen 1544-1805 (28); Prozesse 1295-1803
(80); Aufhebung des Stifts 1589-1828 (11); Sonstiges 1500-1550
(1).
Bestandsgeschichte:
Kollegiatstift St. Andreas, 1274 in Ahlden/Aller gegründet; 1280
nach Neustadt am Rübenberge, 1295 nach Lübbecke verlegt; 1810
aufgehoben.
Form und Inhalt:
Stiftsgeschichte
Das Kollegiatstift St. Andreas zu
Lübbecke wurde 1274 in Ahlden an der Aller gegründet, 1280 nach
Neustadt am Rübenberge und 1295 aus Sicherheitsgründen nach
Lübbecke in die dortige St. Andreaskirche verlegt. Es wurde
zunächst als Johannes Baptist-Stift gegründet, deswegen zeigt
das Siegel das Haupt Johannes des Täufers. Nach der Reformation
war das Stift simultan, d.h. ab 1. Januar 1624 gab es fünf
evangelische und einen katholischen Kanoniker bzw.
Pfründeninhaber. Das St.-Andreas-Stift war kein adeliges Stift,
obwohl ein großer Teil der Mitglieder adeliger Herkunft war. Bei
der Gründung waren sechs Kanoniker vorgesehen. Die Kanoniker
wählten frei aus ihrer Mitte den Dekan, der vom Bischof in
Minden und später vom brandenburgisch-preußischen Landesherrn
(nach 1648) bestätigt werden mußte. Diese waren auch die
Kollatoren der Kanonikats- und einiger Vikarspräbenden. Andere
Vikarien waren von adeligen Familien der Umgebung gestiftet
worden und wurden von ihnen besetzt.
Die vier
residierenden Kanoniker bewohnten anfangs jeweils ihre eigene
Kurie. Das Vermögen an Grund und Boden war in sechs Teilen
aufgeteilt worden, in die Kanonikats- bzw. Dekanatspräbenden mit
unterschiedlicher Größe. Jeder Pfründeninhaber bewirtschaftete
seine Präbende selber oder verpachtete das Land. Außerdem hatte
jeder der vier residierenden Kapitulare Anteil an den
gemeinsamen Einkünften, die vom Kellner verwaltet wurden. 1349
wurden die Präbenden um zwei, um die Expektanz- oder
Minorpräbenden vermehrt. Wenn eine Majorpräbende vakant wurde,
konnten Inhaber der Minorpräbende aufrücken. Hierbei gab es aber
wieder auch Ausnahmen. Die Minorpräbenden wurden 1658 mit der
Neuordnung der Kanonikate, verursacht durch die Abtrennung von
einem Viertel (der sogenannten Quarta) der Präbenden an den
neuen Oberherrn Brandenburg-Preußen, abgeschafft. So blieben
vier ganze und eine halbe Präbende übrig. Letztere wurde jetzt
Minorpräbende genannt. Nach der Reformation verblieb eine
Präbende katholisch. Nach 1689, mit Aufhebung der
Residenzpflicht, übernahm ein weltlicher Kämmerer die Verwaltung
aller Güter. Ab 1701 wurden alle Einkünfte des Stifts gemeinsam
berechnet und an alle Mitglieder gleichmäßig in Geld verteilt.
Haupteinnahmequellen des Stifts waren die Kanonikatländereien,
die Meierhöfe, die meierstättischen Ländereien, die Gärten und
die zinspflichtigen Häuser in Lübbecke.
Neben den
sechs Kanonikern gab es noch zwei Kapläne, von denen die
Seelsorgeaufgaben erfüllt wurden. Eine der Kaplaneien wurde
später zur ”Vikarie Unserer Lieben Frau“, die der evangelische
Stiftsprediger seit 1555 inne hatte. Bis 1500 waren neun
Vikarien gegründet worden, die mit Fortfall religiöser Aufgaben
nach der Reformation anderen Zwecken gewidmet wurden. Drei von
ihnen blieben unter rein weltlichen Gesichtspunkten bestehen.
Vor der Reformation hatten dem Stift noch 19 Mitglieder
angehört. Als das Stift am 1. Dezember 1810 durch die Regierung
des Königreichs Westphalen in Kassel aufgehoben wurde, hatte es
nur noch 12 Mitglieder. Die vier residenten Kanoniker hatten
auch Ämter: Es gab es den Dekan (er vertrat das Kapitel nach
außen und leitete seine Verwaltung), den Senior (u.a. vertrat er
den Dekan), den Subsenior (er vertrat den Senior) und den
Kellner. Letzterer war für die gesamte Wirtschaftsführung
zuständig. Nach Anstellung des Kämmerers hatte er immer noch
diesen zu beaufsichtigen. Weiterhin hatte das Stift an privaten
Beamten folgende Personen angestellt: Seit 1596 einen weltlichen
Syndikus (u.a. zuständig für die rechtliche Belange und der
Protokollführung bei dem Generalkapitel) und seit 1689 den schon
genannten Kämmerer. Daneben waren noch ein Küster (seit 1707:
Küster und Lehrer) und ein Förster (Holzaufseher) vorhanden.
Auch hatte das Stift seit dem 14. Jahrhundert eine Schule zu
unterhalten, die durch die protestantische Schulreform von 1588
in das Schulwesen der Stadt eingegliedert wurde.
Bestandsgeschichte
Die Akten und
Urkunden sind nicht vollständig erhalten, denn schon in der
Reformationszeit sind dem Stiftsarchiv große Verluste
entstanden. So sollen Lübbecker Bürger, nach Bericht des Dekans
Barckhausen im Jahre 1632 körbeweise Archivalien aus der Kirche
getragen und verbrannt haben. Dann sind 1632 ein großer Teil der
Materialien von einer durch den Osnabrücker Bischof Franz
Wilhelm von Wartenberg einges-etzten Kommission, die die
Verfassung und Gründung des Stifts und der Vikarien untersuchen
sollte, nach Osnabrück fortgeschafft und nicht wieder
zurückgebracht worden. Der weitere Verbleib ist nicht mehr
nachvollziehbar. Auch nach der Aufhebung des Stifts 1810 sind
Teile des Archivs verloren gegangen.
Über der
Sakristei der Kirche in Lübbecke gab es eine Kapitelstube, in
der das Archiv unterg-ebracht war. Später gelangte es in die
Dekanatskurie. Der Stiftssenior war für die Ordnung und Sammlung
der Archivalien zuständig und hatte darüber der
Kapitelversammlung Bericht zu erstatten. Ab 1596 war der neu
eingeführte Syndikus dafür zuständig, wobei der Senior die
Aufsicht behielt. Letzterer verwahrte auch das
Kapitelsiegel.
Die Archivbestände befinden sich heute
in den Staatsarchiven Münster und Detmold. Einige weitere sind
im Archiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Lübbecke 2 Blasheim
aufgehoben. Die Akten des Altkreises Lübbecke bis zum 31. März
1946 (Akten des Kreisausschusses) sind im Kommunalarchiv Minden.
Der Bestand ”Stadt Lübbecke” lagert heute wieder in der Stadt
Lübbecke. Unter den hier verzeichneten Akten befinden sich fünf
Akten im Bestand Königreich Westfalen, zwei im Bestand Regierung
Minden-Ravensberg, zwei im Bestand Kaiserreich Frankreich und je
eine im Bestand Regierungskommission Minden, beim
Zivilgouvernement Münster und in der Altregistratur des
Staatsarchivs Münster.
Die Laufzeit der Akten beginnt
mit dem frühen 16. Jahrhundert und endet 1831; in den Akten sind
allerdings vereinzelte Stücke des Spätmittelalters (so die
Gründungsurkunde von 1295) in Abschrift vorhanden. Der
inhaltliche Schwerpunkt der Aktenüberlieferung spiegelt die
frühneuzeitliche Funktion des Stifts als Versorgungsinstitution
vor allem für verdiente Beamte und Militärs zunächst des
Fürstentums Minden, dann verstärkt ab dem 17. Jahrhundert der
brandenburgisch-preußischen Landesherren wider. Folglich sind
die Schwerpunkte in der Realisierung der Einnahmen aus den
nunmehr fast ausschließlich verpachteten Kanonikatsbesitzungen.
Vielfach geht es um einmalige oder regelmäßige Einnahmen wie
Weinkauf und Pachtzins, oder um den Verkauf oder Tausch von
Ländereien. Auseinandersetzungen um diese Fragen waren auch der
Hintergrund für die Mehrzahl der überlieferten Prozesse. Daneben
spielt die Rechnungslegung über Einnahmen und Ausgaben sowie die
Vergabe der Kanonikate und Vikarien, später zunehmend die von
Expektanzen und Ehrenmitgliedschaften eine große Rolle. Die
Wahrnehmung der Aufgaben in Lübbecke (Pfarr- und Schulsachen,
Instandhaltung von Stiftskirche und Stiftsgebäuden) tritt
demgegenüber bereits zurück; geistliche Belange fehlen fast
völlig.
Der Bestand der Akten des Kollegiatstifts St.
Andreas zu Lübbecke wurde 1892 erstmals verzeichnet. Er umfaßt
377 Akteneinheiten in 55 Archivkartons. Ein großer Teil des
Bestandes wurde um die Jahreswende 2004/2005 zunächst im Rahmen
der Rückstandsbearbeitung von Herrn Christoph-Bernard Ketteler
mit der Archivsoftware V.E.R.A. neu verzeichnet. Die
Verzeichnung der verbliebenen 110 Akten unternahm Herr Ulrich
Fischer im Frühsommer 2005. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch eine
Revision und Indizierung des Gesamtfindbuchs unternommen. Dabei
konnten die Ansetzungsformen für Orts- und Personennamen im
Findbuchtext nicht durchgehend normalisiert werden; der Index
hingegen enthält die normalisierten Formen, so daß die
Recherchemöglichkeit auf jeden Fall besteht. Der Bestand wurde
neu signiert, wobei eine Altsignaturenkonkordanz das Auffinden
der Aktenstücke auch mit der bisherigen Signatur
ermöglicht.
Zitierweise
StAMS
Stift Lübbecke, Akten Nr. xy
Währungen,
Maße und Gewichte
Anfangs waren die Münzsorten die im
Bistum Minden gebräuchlichen: Bremer Silbermark, Herforder und
Osnabrücker Mark. Ab 1389 verdrängte die Bielefelder Mark die
bisherigen Münzen, gefolgt vom Rheinischen Gulden. Dann kam der
Goldgulden auf, nach diesem die Silberwährung wieder mit dem
Joachimstaler und dann bis zum 19. Jahrhundert der
Reichstaler.
Im 19. Jahrhundert wurden die
preußischen Landmaße übernommen. Bis dahin war die Lübbecker
Scheffelsaat üblich. Zwei Lübbecker Scheffelsaat waren 1
preußischer Morgen, gleich 25 Ar oder 53,224 qm.
Bis
zur Aufhebung des Stifts wurde das Getreide gemessen nach dem
Scheffelmaß, das das Kapitel selbst besaß. 12 Scheffel (gleich
ein Lübbecker Molt) entsprachen 8 preußischen Scheffeln (=
4,39688 Hektoliter).
Worterklärungen
bedungen - bedingen,
ausmachen
Bek, Beke, Becke - Bach
Dekan -
Dechant, Vorsteher
Diek - Teich,
Kamp -
Feld
Kollation - Übertragung bzw. Verleihung von
Pfründen
Kollator - Verleiher einer Pfründe
Kanon - Abgabe
Kanoniker - Mitglied eines
Kapitels bzw. Kollegiatstifts, Stiftsherr
Kanonikat -
Amt oder Stelle eines Kanonikers, mit dem eine Pfründe
(Präbende) verbunden war
Kapitel - geistliche
Körperschaft an einer Dom- oder Kathedralkirche bzw. anderer
Kirchen
Kapitular - Mitglied eines Kapitels
Kollegiatstift, Kollegiatkapitel, Stiftskapitel -
Vereinigung von Weltgeistlichen (Kanonikern) an einer
Nichtkathedralkirche (Kollegiatkirche) welche die Verpflichtung
haben, Gottesdienst abzuhalten. Das Kollegium an einer
Kathedralkirche heißt Domkapitel
Masch - fruchtbare
Niederung, bzw. Wiesengrund
Mark - Grenzland
Praebende - Pfründe, Pröve, Benefizium
Quarta -
Viertel des geteilten Vermögens des Kollegiatstiftes
Resignation - Rücktritt von einer Praebende, einem
Amt
Statutengeld - Geldbetrag, den ein Neukanoniker
bei seiner Einführung zu zahlen hatte.
Stede, Stedte,
Stette, Stätte - Hof, Wohnstätte
Juli 2005Thomas Reich
- Reference number of holding
-
D 352
- Extent
-
378 Akten.; 377 Akten (45 Kartons), Findbuch D 352.
- Language of the material
-
German
- Context
-
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen (Archivtektonik) >> 1. Territorien des Alten Reiches bis 1802/03 einschließlich Kirchen, Stifter, Klöster, Städte u.ä. >> 1.4. Preußisches Westfalen (D) >> 1.4.2. Fürstentum Minden >> 1.4.2.2. Stifte und Klöster >> Stift Lübbecke
- Related materials
-
Maria Spahn, Das Kollegiatstift St. Andreas zu Lübbecke. Ein Beitrag zur Stadtgeschichte, Minden 1980; Maria Spahn, Lübbecke - Kollegiatstift St. Andreas, in: Westfälisches Klosterbuch, Bd. 1, Münster 1992, S. 546-550.
··Maria Spahn, Das Kollegiatstift St. Andreas zu Lübbecke. Ein Beitrag zur Stadtgeschichte, Minden 1980.
·Maria Spahn, Lübbecke - Kollegiatstift St. Andreas, in: Karl Hengst (Hg.), Westfälisches Klosterbuch, Bd. 2 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44), Münster 1992, S. 546-550; weitere Literaturangaben siehe dort.
- Date of creation of holding
-
(1295) 1435-1828
- Other object pages
- Delivered via
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
23.06.2025, 8:11 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Westfalen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- (1295) 1435-1828