Textilarbeit

Besätze einer Tunika mit Josefszyklus

In der ägyptischen Textilkunst ist die Josefsgeschichte bis auf wenige Ausnahmen auf Besätzen abgebildet, mit denen Tuniken verziert wurden. Diese Besätze sind aus farbiger Wolle auf einer Leinenkette gewirkt und als Sets mit aufeinander abgestimmten Bildmotiven hergestellt worden. Inzwischen sind an die hundert solcher runden (orbiculi) und rechteckigen (tabulae oder manicae) Applikationen oder Längsstreifen (clavi) bekannt geworden. Das zugehörige Grundgewebe des Kleidungsstückes, auf dem sie einst aufgenäht waren, ist meist nicht erhalten. Umso bedeutsamer sind größere Fragmente wie das Vorder- bzw. Rückenteil dieser Tunika in Berlin, die anschaulich vermitteln, wie der Dekor ursprünglich angeordnet war. Die Orbiculi sind etwa in Kniehöhe angebracht. Weitere Orbiculi zierten wahrscheinlich auch die heute zerstörten Schulterpartien. Sie zeigen Szenen aus der Josefsgeschichte. Trotz der ausgefallenen Schussfäden ist zu erkennen, dass der große Traumzyklus dargestellt war. Jeweils neun Episoden aus der Geschichte werden beim linken Orbiculus gegen den Uhrzeigersinn, auf dem Pendant auf der rechten Seite spiegelbildlich im Uhrzeigersinn erzählt. Die beiden Lesefolgen werden durch umkehrbare Musterschablonen ermöglicht. Im Zentrum beider Besätze ist – eingefasst von einem hellen Band mit Blüten und Knospen – der schlafende Josef wiedergegeben, der von Sonne, Mond und Sternen (Gen 37, 9-11) und den Korngarben (Gen 37, 5-8) träumt. In der umlaufenden breiten Bildzone ist über den zentralen Medaillons der thronende Jakob zu sehen, der Josef zu seinen Brüdern schickt (Gen 37, 13-14). Es folgen der Fremde, der Josef den Weg nach Dothan weist (Gen 37, 15-17), der Brunnenwurf (Gen 37, 23-24), die Schlachtung des Ziegenbocks (Gen 37, 31) – hier nur angedeutet durch die bloße Wiedergabe des Tieres –, Josef und einer seiner Brüder mit dem blutgetränkten Gewand zwischen sich, der Verkauf Josefs an den Ismaeliter (Gen 37, 28), der trauernde Ruben (Gen 37, 29-30), die Reise nach Ägypten (Gen 37, 28) und der Weiterverkauf Josefs an Potiphar, den Beamten des ägyptischen Pharao (Gen 37, 36 und 39, 1). Die beiden Orbiculi sind außen von einer dreistreifigen Randborte eingefasst mit verzahnten Winkelmotiven in den schmalen äußeren Bahnen und einer Ranke aus Flügelpalmetten in der mittleren Bahn. Die Tunika, zu der die Besätze gehörten, ist unter Nr. 9110 inventarisiert. (Cäcilia Fluck, 2014)

Draufsicht | Fotograf*in: Antje Voigt / Rechtewahrnehmung: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin

Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International

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Standort
Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin
Sammlung
Museum für Byzantinische Kunst (MBK)
Inventarnummer
9109
Maße
Breite: 28,5 cm
Höhe: 22,6 cm
Material/Technik
Tunika: Leinen; Wirkerei: Wolle & Leinen;

Klassifikation
Textilie (Sachgruppe)
Besätze einer Tunika mit Josefszyklus (Sachgruppe)

Ereignis
Eigentumswechsel
(Beschreibung)
1905 aus der Sammlung Theodor Graf erworben
Ereignis
Fund
(wo)
unbekannt

Rechteinformation
Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
09.04.2025, 10:14 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Textilarbeit

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