Bestand

Stift Herrenberg (Bestand)


Inhalt und Bewertung
Weltliches Chorherrenstift 1439-1481, Brüder des gemeinsamen Lebens 1481-1516, wieder Chorherrenstift 1516-1534, dann Stiftsverwaltung bis 1806. Urkunden von 1284 und 1293 in: A 601 Nr. 74, 92 a; Urkunden bis 1500 in A 602.

1. Zur Geschichte des Stift Herrenberg: Am 3. Juli 1439 gründete Bischof Heinrich von Konstanz auf Wunsch der Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg in Herrenberg das weltliches Chorherrenstift St. Maria. Das Stift wurde mit einem Propst, acht Kanonikern (bis 1443 erhöhte sich die Anzahl auf zehn) und drei Kaplaneien für das Spital in Herrenberg und die Kapellen in Mühlhausen und Reistingen sowie mit allen im Bistum Konstanz üblichen Privilegien ausgestattet. Der Neugründung wurde 1439 das Stift Hildrizhausen, 1443 die Pfarrei Ostelsheim, 1451 die Pfarrei Mötzingen und die Kapelle Enzklösterle und 1457 die Pfarreien Hailfingen und Gärtringen inkorporiert. Auf Betreiben Graf Eberhards im Bart wurde das Chorherrenstift 1481 mit Genehmigung von Papst Sixtus IV. in ein Stift der Brüder vom gemeinsamen Leben>/i> umgewandelt, was jedoch auf Widerstand der Chorherren - nur einer trat dem Bruderstift bei - und der Herrenberger Bevölkerung stieß. So bestand in den ersten Jahren zunächst ein um eine Brüderzelle erweitertes Säkularstift fort. Problematisch gestaltete sich vor allem die Übertragung der Pfründe der Kanoniker auf das neue Bruderstift, da die Pfründeninhaber zu einer Resignation und Abfindung gleichwertiger Pensionen zunächst nicht bereit waren. 1483 beendete der Papst jedoch diese Parallelstruktur; die Kanoniker stimmten einer Abfindung zu. Die Brüder vom gemeinsamen Leben vollendeten die Stiftskirche St. Maria in einer zweiten Bauphase und hatten einen wesentlichen Anteil an ihrer Ausgestaltung. Seit dem Tod Eberhards im Bart 1496 fehlten den Brüdern vom gemeinsamen Leben ein wichtiger Unterstützer und auch in der Herrenberger Bevölkerung waren sie weiterhin unbeliebt. Außerdem wolle Herzog Ulrich durch die Umwandlung einen Teil der frei werdenden Pfründen zur Finanzierung seiner Hofkapelle nutzen. Im Juni 1516 kam Papst Leo X. dann der Bitte Herzog Ulrichs nach und ordnete die Auflösung des Brüderstifts an, welches ein Jahr später sodann wieder in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt wurde. Elf von sechzehn Brüdern traten dem Chorherrenstift bei, für das sechs Kanonikate und acht Vikariate eingerichtet wurden. Die mit der Rückeroberung Württembergs durch Herzog Ulrich 1534 einsetzende Reformation beendete jedoch die zweite Phase des Chorherrenstifts nach knapp 20 Jahren. 1534/35 wurde das Stift aufgelöst und eine neue kirchliche Verwaltungsstruktur geschaffen. Eine Stiftsverwaltung, die insbesondere für die Güter- und Einkommensverwaltung zuständig war, ersetzte das Chorherrenstift. Im Gegensatz zu den Klosterämtern, die für die vierzehn aufgelösten großen Mannsklöster eingerichtet wurden, hatten die Stiftsverwaltungen keinen Sitz im württembergischen Landtag. Die ehemaligen Priesterpfründen und Altarvermögen wurde in die Geistliche Verwaltung überführt. Die Stifts- und Geistliche Verwaltung waren neben Armenkasten und Spital weitere zentrale Einrichtungen, die administrative und finanzielle Aufgaben der Kirche wahrnahmen. Ab 1547 bildeten Herrenberg, Neuenbürg und Wildbad ein gemeinsames Dekanat, 1551 wurde Herrenberg eigenständig und zum Amtssitz eines Dekans (damals Spezialsuperintendent genannt). Zum Herrenberger Dekanat um 1500 gehörten neben der Stadt Herrenberg Affstätt, Bondorf, Gültstein, Haslach, Kayh, Kuppingen, Mönchberg, Mötzingen, Mühlhausen (abg.), Nebringen, Nufringen, Oberjesingen, Ober- und Unterjettingen, Öschelbronn, Reistingen (abg.) und Tailfingen.

2. Zur Geschichte und Verzeichnung des Bestandes: Die Kloster- und Stiftsarchive aus vorreformatorischer Zeit wurden teilweise mit Beginn der Reformation in Württemberg 1534, größtenteils aber zwischen 1614 und 1620 ins fürstliche Archiv in Stuttgart übernommen. Der Bestand zum Stift Herrenberg fand jedoch erst 1842 seinen Weg aus München ins königliche Staatsarchiv in Stuttgart. Vermutlich wurden die Dokumente nach der Besetzung Stuttgarts durch Ligatruppen im Gefolge der Schlacht von Nördlingen 1634 nach München abtransportiert. Mit einer Ausnahme stammen sämtliche Urkunden aus der Zeit vor 1634. In Vorbereitung der Herausgabe des Württembergischen Urkundenbuchs verabredeten Württemberg und Bayern 1833 einen umfassenden Urkundentausch, der 1842 durchgeführt wurde. Es sollten jene Urkunden zurückgegeben werden, die allein den anderen Staat betrafen. Darunter befanden sich vor allem solche, die während des Dreißigjährigen Krieges aus württembergischen Archiven nach Bayern mitgenommen wurden. Im Rahmen einer Beständebereinigung im Jahre 2006 wurde der Bestand durch drei weitere Urkunden aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv ergänzt (U 318a, U 340a, U 342a). Der Bestand umfasst 376 Urkunden und 12 Büschel (4,8 lfd.m). Grundlage der Verzeichnung war die Überarbeitung und Abschrift eines maschinenschriftlichen Zettelrepertoriums für Büschel 1-4 sowie eines handschriftlichen Findbuchs von L. Treffz von 1870 für die Büschel 5-44. Bei der Verzeichnung wurden Urkunden und Akten getrennt aufgenommen. Urkunden, die vor 1500 entstanden sind, wurden sowohl in den Bestand A 601 Württembergische Urkunden bis 1300 als auch zum überwiegenden Teil in den Bestand A 602 Württembergische Regesten überführt. Für diese Urkunden wurden teilweise Querverweise angelegt. Die Lagerbücher der Stiftsverwaltung sind im Bestand H 102 zu finden. Durch die Herauslösung der Urkunden aus den Büscheln wurden ganze Büschel aufgelöst, weshalb von ursprünglich 44 Büscheln nur noch 12 übriggeblieben sind, die jedoch nicht neu nummeriert wurden. Vor-, Familien- und Ortsnamen wurden weitestgehend modernisiert. Die Datierungen entsprechen dem julianischen Kalender, da der gregorianische Kalender in protestantischen Gebieten erst 1700 eingeführt wurde. Die Urkunden wurden chronologisch geordnet, da sich eine sachthematische kombiniert mit einer geographischen Ordnung aufgrund unvollständiger Ortsangaben in den Titelaufnahmen nicht anbot. Die Bearbeitung der Titelaufnahmen (in Scope) wurde von der Archivreferendarin Laura Nippel im November 2018 durchgeführt. Die Endredaktion übernahm Thomas Fritz. Hinweise auf korrespondierende Bestände: A 44 Urfehden A 206 Oberrat: Ältere Ämterakten A 213 Oberrat: Jüngere Ämterakten (Spezialakten) A 249 Rentkammer: Ämterakten A 282 Kirchenrat: Verschlossene Registratur A 284 Kirchenrat: Ämterregistratur A 298 Weltliche Leibeigenenbücher A 303 Geistliche Ämterrechnungen A 356 Herrenberg W A 356 L Herrenberg W A 357 Herrenberg G A 468 Geistliche Zins- und Haischbücher A 490 L Stiftsverwaltung Herrenberg A 602 Württembergische Regesten H 101 Weltliche Lagerbücher H 102 Geistliche Lagerbücher

Literatur: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Bd. 3, Stuttgart 1978. http://www.kloester-bw.de/?nr=11 (Abrufdatum 22.11.2018). Janssen, Roman/Müller-Baur, Harald (Hrsg.), Die Stiftskirche in Herrenberg 1293-1993, Herrenberg 1993 (= Herrenberger Historische Schriften 5). Janssen, Roman/Kresin, Joachim, Herrenberg - Schlaglichter. 1250-1900. Ausstellung anläßlich der 150-Jahrfeier der Kreissparkasse Böblingen in Herrenberg: 25. Juni - 29. August 1997, Herrenberg 1997. Janssen, Roman/Auge, Oliver (Hrsg.), Herrenberg Persönlichkeiten aus acht Jahrhunderten, Herrenberg 1999 (= Herrenberger Historische Schriften 6). Janssen, Roman, Mittelalter in Herrenberg, Ostfildern/Herrenberg 2008 (= Stadtgeschichte Herrenberg 1). Schaab, Meinrad, Kirchliche Gliederung um 1500, in: Historischer Atlas von Baden-Württemberg, Stuttgart 1972-1988; s. a. https://www.leo-bw.de/themen/historischer-atlas-von-baden-wurttemberg (Abrufdatum 22.11.2018). Schmolz, Traugott, Herrenberg - Chronik einer Stadt von den Anfängen bis zum Jahre 1975, 2. Aufl., Herrenberg 1989 (= Herrenberger Historische Schriften 1). Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Altwürttembergisches Archiv (A-Bestände), 2. erw. Aufl., bearb. v. Hans-Martin Maurer, Stephan Molitor u. Peter Rückert, Stuttgart 1999 (= Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 32).

Abkürzungsverzeichnis:
abg. Abgegangen
Bl. Blatt
Bü Büschel
fl. Gulden
Hlr. Heller
lb. Pfund
lfd. m laufende Meter
Schl. Schilling
St. Sankt
vgl. vergleiche
xr. Kreuzer

Bestandssignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 490
Umfang
376 Urkunden, 12 Büschel

Kontext
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Bezirksbehörden des Kirchenguts und der Universität >> Kloster- und Stiftsgutverwaltungen

Indexbegriff Ort
Herrenberg BB; Stift

Bestandslaufzeit
1473-1807

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 15:09 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1473-1807

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