Archivale
Inquisition über Anna, Tochter des Christof Tochtermann, Hausfrau des Jerg Weiss
Regest: Anwesend die Herren Commissare
1. Zeuge: Johann Jacob Fetzer, Küfer, sagt aus, er sei 28 oder höchstens 29 Jahr alt. Vor 5 Jahren habe er dem Jerg Weiss Küferarbeit schaffen helfen und zwar im Haus des Weiss und in andern Häusern herum. Da sei ihm der Weiss ein wenig schuldig geblieben, welche Schuld bis auf den Frühling abgestanden sei. Da sei des Zeugen Hausfrau zu der Weissin gegangen und habe Branntwein für 1/2 Batzen begehrt, welchen die Weissin ihr auch gegeben, jedoch den 1/2 Batzen nicht angenommen, sondern nur sauer in die Sach gesehen habe. Als des Zeugen Frau den Branntwein heimgebracht, habe sie denselben 8 oder höchstens 14 Tag lang in dem Trog (= Kasten, Truhe) gut zugedeckt stehen lassen, bis der Karfreitag kam. Da sei die Hausfrau des Bantlen mit in der Stube des Zeugen gewesen und sie haben den Branntwein miteinander hervorgelangt. Jedoch habe seine Frau vorher davon getrunken gehabt, und es sei nicht mehr viel darin gewesen. Der Branntwein habe ganz gebrochen (= in Gärung?), weiss und trüb ausgesehen wie Milch. Als noch ein wenig in dem Gläsle gehangen, habe seine Frau ihm dasselbe hinuntergebracht, da er arbeitete, und gesagt, er solle doch dieses widerwärtige und erbärmliche Getränk kosten. Zeuge habe nur ein Maulvoll davon genommen und selbigen nicht hinabgelassen, weil er gleich verspürte, daß er nicht just (= richtig, gut) sei. Daher habe er ihn ausgespürzt (= ausgespuckt). Seine Frau habe sich gar übel befunden und am Ostertagsmorgen zu ihm gesagt, es sei ihr gar seltsam, solang (= seit) sie diesen Branntwein getrunken habe. Er habe darauf gesagt: "Du hast keine Stund mehr vor dir." Es könnte daher kommen, weil sie so nahe (wohl: dem Tode nahe) sei. In der Ostermontagsnacht um 9 Uhr sei es sie angekommen. Sie habe eine Arbeit (= Not) gehabt, welche bis zum Dienstag 9 Uhr nachts währte. Sie habe dann einen so erbärmlichen Tod genommen, daß es nicht auszusagen sei. Vorher sei seine Frau sehr geschwollen gewesen und so vom Ostertag bis an ihr End verblieben. Jedermann habe dafür gehalten, der Tod könne von dem Branntwein herkommen, welchen die Weissin hergab. Den Argwohn (= Verdacht) habe sie gar wohl gewußt und daher den Ackermann, den Zusprecher (= Leichenbesorger), als er aus des Zeugen Haus ging, selbst angeredet und gesagt, sie wolle einkehren, auf welches Einkehren eine ganze Stube voll Leut wartete. Sie sei aber nicht gekommen. Als der Körper zum Grab getragen worden war, haben nach dem Begräbnis der Mann Jerg Weiss, der Weissin beide Brüder, Christof Jung und Hans Jacob Tochtermann, ferner Hans Jerg Bihler den Zeugen in seinem Haus überfallen (= heimgesucht) und gefragt, ob denn sein Weib an dem Branntwein gestorben sei. Er habe geantwortet, ja, sie sei daran gestorben. Darauf seien sie zu dem Herrn Pfarrer Bantlen gegangen und haben ihm verwiesen (= einen Vorwurf gemacht), daß er wider die Weissin wegen des Branntweins predigte. Der aber habe sich verteidigt und seine Predigt zu Tüwingen zensieren (= prüfen) lassen. Wenn Zeuge etwas in Vermögen (hier = ?) gehabt hätte, hätte er es nicht liegen lassen, sondern würde gebührend geklagt haben. Das Weib des Ludwig Weinmann werde auch dergleichen Branntwein getrunken haben. Denn der habe den Zeugen angefrischt (= ermuntert), nur wacker zu trinken, er wolle auch das Seinige tun. - Er endet seine Aussag mit nassen Augen.
2. Zeuge: Michael Stal, Pfündner im Siechenhaus, sagt, er sei auf 58 Jahr alt und zu Dottingen bei Münsingen geboren. Er könne nicht sagen, wie Hans Jacob Fetzers Weib, seine Stieftochter gestorben sei. Als er zu ihr kam, habe sie nicht mehr reden können, sondern nur mit dem Finger über sich gedeutet, ihn auch mit vollen Augen angeschaut, als wollte sie ihn durchsehen (= durch ihn hindurchsehen?) ...
3. Zeuge: Metzger Ludwig Weinmann sagt, er sei 44 Jahr alt. Seine Frau habe vor 9 Jahren in ihrer Kammer verspürt, daß mann ihr ihr Kindbett-Kindle aus der Wiege nehmen wollte. Wie es dann in der Wiege aufgedeckt war, habe sie das arme Kind noch ergriffen und zu sich in das Bett gerissen. In derselben Nacht sei des Jerg Jauch Madlena auch bei seiner Frau gelegen. Als sie bei Nacht zwischen 11 und 12 Uhr aufstand, sei etwas an ihr aufgestiegen, was ganz lind war wie ein Pelz. Es sei ihr aber nichts geschehen. Ungefähr 3 oder 3 1/2 Jahr hernach haben des Zeugen Hausfrau und ein Soldat, der bei ihm im Quartier lag, Branntwein holen lassen, welchen sie gegessen haben, wovon sie aber nicht gleich krank wurden. Schließlich nach 3 Jahren sei sein Weib krank worden und befinde sich noch übel.
4. Zeuge: Johann Ackermann, Zusprecher (= Leichenbesorger), sagt, er sei 57 Jahr alt. Die Fetzerin habe er in ihrer Krankheit besucht und gesehen, wie sie geschwollen und groß schwangeren Leibs war. Woher die Geschwulst und der Zustand kam, habe niemand wissen können. Die Patientin aber habe gesagt, von dem Branntwein sei sie so zugerichtet. Bei diesem Weib sei ein solches Elend gewesen, daß er sein Leben lang dergleichen bei keinem Kranken gesehen habe. Als Zeuge nach dem Tod des Weibs zur Leiche sagte, sei der Mann der Weissin zu ihm auf der Gasse gekommen, habe ihn in sein, des Weiss, Haus gerufen und gesagt, man bezichtige sein Weib, der Fetzerin Branntwein gegeben zu haben, wovon sie gestorben sei. Er und sein Weib wollen am Abend in des Fetzers Haus kommen und sich verantworten. Das sei aber nicht geschehen. Es sei noch ein wenig von dem Branntwein übrig gewesen, welches man ihm gezeigt habe. Es habe ausgesehen wie Käswasser. Insgemein sei die Weissin in einem bösen Verdacht. Jedermann fürchte sich vor ihr. Das Weib des Jacob Gebel wisse auch von diesem Handel. Denn sie sei in der Stube gewesen.
5. Zeuge: Agatha, Hausfrau des Johann Bantlen, sagt, sie sei 26 Jahr alt. 4 Jahre vor vergangenen Ostern seien Hans Jacob Fetzer mit seinem Weib und die Zeugin in einem Haus wohnhaft gewesen. Als die Fetzerin groß schwanger war, habe sie ihr zugesprochen, sie solle sehen, daß für den Notfall ein Branntwein vorhanden sei. Die Weissin (muß heißen: Fetzerin) habe ihr gefolgt und in einem Gläslein für 1/2 Batzen bei der Hausfrau des Jerg Weiss geholt, welche den 1/2 Batzen nicht nahm und doch das Gläslein allerdings (= ganz) voll Branntwein gab. Den Branntwein habe die Fetzerin in ihre Truhe gesetzt und wohl verwahrt, wie denn der Branntwein mit einem Papierle verbunden (= zugebunden) war. Zeugin habe gesehen, wie die Fetzerin das Gläslein, ehe sie den Branntwein holte, ausschwenkte. Am heil. Karfreitag, da die Leut so sehr um den Branntwein laufen und ihn für das Rückenweh gebrauchen wollen, habe der Mann herauf zu seinem Weib gerufen, sie solle ihm einen Branntwein bringen. Das Weib habe den Branntwein genommen, welchen sie gekauft hatte, und davon ihrem Mann gebracht. Nachdem er ein Maulvoll genommen, habe er ihn nicht hinabtrinken können, sondern wieder ausgespürzt. Das Weib kam mit dem Branntwein zu der Zeugin und gab ihr davon zu kosten. Zeugin habe gesehen und geschmeckt, daß der Branntwein nicht just war, und daher gesagt, was das für ein Branntwein sein müsse. Gleichwohl (= Trotzdem) sei die Fetzerin damit zur Stube hinausgegangen, habe ihn ausgetrunken und gleich am Samstag empfunden, daß sie nicht recht im Leib sei. Sie sei geschwollen und aufgeloffen gewesen. Am Ostertag habe sie recht empfunden, daß es mit ihr übel stehe. Daher habe sie nach ihrem Mann getrachtet und gemeint, sie werde etwas das Kind zur Welt gebären müssen. Zwischen 9 und 10 Uhr kam der Mann der Fetzerin vor der Zeugin Kammer und bat, sie solle geschwind aufstehen. Denn sein Weib sei nicht recht. Als sie zu der Patientin kam und diese im Bett lag, habe sich die ganze Kammer zerschüttert (= erschüttert) vom Toben des kranken Weibs, welches hernach diesen Zustand 24 Stunden hatte, nichts redete und am andern Abend um 9 und 10 Uhr starb. Ehe der Zustand kam, habe sie gesagt, seit sie den Branntwein getrunken, habe sie keine gute Stund mehr. Als der Zusprecher beim Haus des Weiss vorübergegangen sei und zur Leich gesagt habe, habe die Weissin zu ihm gesagt, man wolle sie bezichtigen, die Fetzerin habe von ihrem Branntwein etwas bekommen, was aber nicht wahr sei. Sie wolle kommen und sich verantworten. Es sei aber hernach niemand gekommen und die 4 Männer, welche in des Fetzers Haus waren, haben vergeblich gewartet.
1660 Juli 19, Mittwoch
Anwesend die Herren Commissare.
Auf der Bürgerstube.
(6) Sebastian Tochtermann, Gerber, sagt, er sei ungefähr 41 Jahr alt, und die gefangene Weissin seine leibliche Schwester, sie seien Zwillinge. Vor 2 Jahren sei er krank gewesen, habe lange Zeit nicht schaffen können. Ob aber die Krankheit von ihr herkam, wisse er nicht. Er könne keinen Argwohn auf sie fassen. Denn sie seien in einem Jahr nicht beieinander gewesen. Er lasse sie zu Gutem und Bösem gehen (wohl: = er habe in Gutem und Bösem keine nähere Beziehung mit ihr).
(7) Anna, Hausfrau des genannten Bastle Tochtermann, sagt, sie sei 41 Jahr alt. Die gefangene Küferin habe sie zu Gutem und Bösem gehen lassen.
(8) Johann Keim, Segenschmied (= Sensenschmied), seines Alters im 48. Jahr, weiß von seiner Geschweien (= Schwägerin) nichts zu sagen. Sie sei ihm 3 1/2 Jahr nie ins Haus gekommen.
Auf besonderem eingesetztem Blatt:
(9) Johann Weiss weiß nicht, wie alt er ist. Sein Vater läßt sagen, er sei 14 Jahr alt. Der Bub weiß nicht, warum seine Mutter auf dem Diebsturm liege, auch nichts von dem Branntwein.
Ebenfalls auf besonderem Blatt:
(10) Jacob Weinmann: er habe nie etwas von der a(lten) Tochtermännin gesehen oder verspürt.
Wieder im laufenden Protokoll:
(11) Anna, Hausfrau des Lorenz Zendel: sie sei 68 Jahr alt. Die Gefangene sei ihre Söhnin (= Frau ihres Sohnes). Vor 16 Jahren nach dem Tod ihres Mannes sei ihre Söhnin zu ihr gekommen und habe die Mutter aus dem Essig (= Bodensatz des Essigfasses, zum Anmachen neuen Essigs verwendet) von ihr abgeholt. Nachher habe sie (die Anna Zendel) nie Ruh gehabt, sondern alle Zeit die ganze Nacht wachen müssen. Von Spinnen habe sie immer große Plag gehabt wie auch von großen dicken Atern (= Ottern, Schlangen) Die Gefangene habe etlichmal gefragt, wo es doch nur herkomme. Sie solle dergleichen Gedanken von sich tun und nicht an dergleichen Sachen glauben. Erst seit 4 Wochen, als man sagte, die Weissin werde verhaftet werden, habe die Zeugin Ruh und könne wieder schlafen. Die Gefangene habe nie ein gut Lob gehabt, auch damals, als sie noch ledig war ...
1660 Juli 20, Freitag
Auf dem untern Tor.
In Gegenwart der Herren Commissare.
(12 = 7) Die genannte Anna, Hausfrau des Sebastian Tochtermann, gesteht nicht, daß sie die Weissin mit einer Ofengabel aus dem Haus schlagen wollte. Hingegen gesteht sie, daß sie aus dem Mund des Schefferle (Schäferle?) von Eningen (darüber geschrieben: Hausen) nachgesagt, sie komme um alles, was sie habe. Solch Kreuz habe sie in ihrem Haus, wie die ganze Stadt gut wisse ... Ihre Schwieger habe ihrem Mann Bastle das Ding getan. Wenn sie es vorher zu ihm gesagt hätte, so hätte ihr Mann ihr ein Messer in die Seite gestochen. Dies hat der Golle aus der Tochtermännin Mund berichtet. Die Tochtermännin hat solches gestanden und weiter gesagt, Christof Tochtermann habe erst jetzt zu ihr gesagt, sie solle in des Teufels Namen aus seinem Haus gehen. Sie aber habe gesagt, sie wolle in Gottes Namen hinausgehen.
1660 Juli 21, Samstag
In Gegenwart der Herren Commissare.
(13) Hans Jerg Hess, Metzger, 34 Jahr alt, sagt, in dem 7. Jahr sei es, da sei Sebastian Tochtermann sehr krank gewesen und in seinen Hof hineingegangen. Den habe der Vater gefragt, was ihm sei und warum er so die Händ ob dem Kopf zusammenschlage. Da habe er geantwortet, wenn er schon einmal recht sei, so verderbe man ihn doch gleich wieder. Der Vater habe ihn um Gottes willen gebeten, er solle doch schweigen, und habe ihn darauf mit sich genommen, wie sie dann beide den Hof fürhin (= vorwärts, nach vorn) gingen. Weiter wisse er nichts, als was das gemeine Geschrei sei.
(14) Ludwig Locherer, Maurer, anno 1611 geboren, sagt, ungefähr vor 3 Wochen habe er einen Kübel bei der Gefangenen im Haus stehen gehabt. Als er ihn abholte, habe sie ihn zu ihr hinsitzen heißen und gefragt, was man Gutes in der Stadt sage, ob sie ihm nicht auch einmal Branntwein gegeben und ihm befohlen (= empfohlen) habe, denselben wohl zu verwahren, damit kein Unglück geschehe. Denn es sei ihr schon einmal misslungen (= habe sie Unglück gehabt) mit dem Branntwein. Ferner habe sie gefragt, ob man auch von ihr etwas sage. Darauf habe er gesagt, ja, sie solle in des Syndicus Haus beschickt (= bestellt) werden, weil die ganze Stadt davon voll sei. Sie aber habe gesagt, ihr Gewissen sei rein. Sie möchte wünschen, daß man ihr in das Herz sehen könnte. Dann würde man sehen, wie unschuldig dieses sei. Die ganze Stadt sei schon längst davon voll gewesen, daß ihr Lob nicht gut sei. Daher habe er zu ihr gesagt, warum sie sich nicht verantwortet habe, als das schwangere Weib mit ihrem Kind jämmerlich zugrunde ging. Sie habe darauf gesagt, ihr Hauswirt und andere Leut haben es nicht zugeben wollen, weil sie schwanger war.
1660 Juli 23, Montag
Anwesend die Herren Commissare.
(15) Sara, Witib des Hans Jacob Ditzinger, 71 Jahr alt, sagt, die Weissin sei ihr spinnenfeind. Doch wolle sie die Wahrheit sagen. Vor ungefähr 5 Jahren sei die Weissin mit ihrem Mann zu ihr gekommen und habe bitterlich geweint und zu dem Mann der Zeugin gesagt: "O! Gevatter, man sagt, ich habe dem Weib in dem Branntwein vergeben." Sie habe sich kläglich gestellt (= benommen) und gefragt, wie sie der Sache tun (= in der Sache machen) solle. Ihr sei geantwortet worden, sie solle hingehen und sich entschuldigen (= ihre Unschuld dartun), wenn sie ein gut Gewissen habe. Darauf sei die Weissin mit dem Mann der Zeugin zu dem Herrn Prediger gegangen und habe bei ihm wieder wie vorher lamentiert. Der Herr Prediger aber habe auch gesagt, wenn ihr Gewissen rein sei, solle sie sich entschuldigen oder aber warten, bis sie angeklagt werde. Die Weissin sei aber nicht hingegangen, sondern der Mann habe vorgegeben, weil sie groß schwanger sei, so lasse er sie nicht gern hingehen, sie könnte vielleicht um das Kind kommen. Zeugin habe gesagt: "Anna, ich wollte hingehen und das Weib in den Arm nehmen und Gott bitten, daß er ein Zeichen meiner Unschuld täte, wenn ich so verschrien wäre." Die Weissin sei aber nicht hingegangen.
1660 Juli 26, Donnerstag
Auf dem Bürgerhaus.
In Anwesenheit der Herren Commissare.
(16) Margretha, nachgelassene Tochter des Hans Schmid selig von Oferdingen, sagt sie sei über 30 Jahr alt, habe bisher in Diensten sich aufgehalten und die letzten 17 Wochen sei sie bei alt Christof Tochtermann gewesen. Sie und ihre Frau seien wegen einer Gelte (= Wassergefäß) uneins worden. Die Frau habe gesagt, sie müsse das Wasser in den Hof hineintragen und sollte sie darob zerspringen oder sollte sie der Teufel - Gott bewahr uns! - holen. Jämmerlich habe die Frau geflucht, wie das Weib des Jacob Nedele und das des Matthäus jung Geckeler gehört haben. Am Morgen sei kein Wasser mehr in der Gelte gewesen, weil sie ganz zerlechnet (= leck) war. Am vergangenen Sonntag vor 14 Tagen seien sie alle früh in der Kirche gewesen bis auf die alt Tochtermännin, die Hippen Grethe (Grethe Hipp) und den Schützen Nedele. Während der Kirch sei in dem hintern Stüble ein wunderliches Geschrei gehört worden. Niemand habe gewußt, ob es von Katzen oder Hunden oder von kleinen Kindern sei. Des Geckelers eib, die Hippen Greth habe gesagt, es sei gewesen, als wenn ein kleines Kind schreie. Dem Schützen habe die Hippen Greth geschrien (= gerufen), daß er es auch hören solle. Bis er aber kam, habe er nichts mehr gehört. Vor ungefähr 3 Wochen an einem Samstag zwischen 12 und 1 Uhr habe Zeugin etwas auf der Bühne gehört. Das habe an dem Laden gekratzt. Darauf sei es gefallen, als wenn ein Sack umfiele. Vorher sei es an der Tür gewesen, dann an die Läden gekommen, bis schließlich der Fall erfolgte. Der Zeugin sei so angst gewesen, daß sie im Bett jämmerlich schwitzte. Ihre Frau habe immer gefragt, was die Leut Gutes von ihr sagen. Die alte Tochtermännin fluche immer, daß es nicht auszusprechen sei. Wenn nur ein Enkel komme, so heiße es gleich: "Wo führt dich der Teufel her?" Vor ungefähr 4 Wochen seien die Vogts Greth, die Küferin und die Els, des Sattlers Weib, täglich zusammengeloffen, haben miteinander getisemet (= geflüstert) und die alt Tochtermännin habe gesagt, daß wieder jemand wegen Hexerei verhaftet sei. Gotts-Sakerment, man tue die Leut hinaus, die so seien! Sie wollte kein Werk (= unter keinen Umständen?) für sich selbst schwören. An den Sonntagen habe Zeugin von morgens bis abends nie in die Stube kommen dürfen. Der Hans Jacob Tochtermann sei, so lang das Geschrei währte, nie in das Haus gekommen, wie auch der Christof in etlicher Zeit auch nur einmal dagewesen sei. Jetzt im vergangenen Heuet (= Heuernte) habe Zeugin der Küfer-Anna auf der Schlatwiese helfen heuen. Am Nachmittag habe die Küfer-Ann gesagt, es dürste sie so sehr; wenn sie nur einen Trunk Wein hätte, so könnte sie gut wieder schaffen. Kurze Zeit hernach sei der größte Bub, Johannes Weiss, mit einer mäßigen (= 1 Maß haltenden) Flasche gekommen. Die habe die Küfer-Ann genommen und bloß das Maul genetzt. Sie seien beieinander an einem Heuschochen (= Heuhaufen) gesessen. Sobald die Küferin ein wenig getrunken hatte, sei sie aufgestanden, vorgebend, sie habe so einen Grimmen (= Bauchschmerz); könne nicht mehr schaffen. Sie sei hinter einen Hag (= Hecke) gelegen und eine Stund lang nicht mehr hervorgekommen. Der Zeugin sei dabei nichts Gutes eingefallen. Der Bub sei bisweilen zu ihr hingegangen. Was sie miteinander redeten, könne Zeugin nicht sagen. Allein sie wisse, daß die Küferin diesen Buben über alle Maßen liebe. Nachdem sie von dem Hag wieder hervorgekommen, sei sie frisch und gesund gewesen, habe gelacht und sich fröhlich erzeigt. Den übrigen Wein haben die Küferin, ihr Sohn und die Zeugin miteinander ausgetrunken. Wenn die Küferin den Morgensegen bete und ihre Kinder um sie herstehen, so lese sie denselben nicht laut, daß die Kinder mitbeten könnten, sondern nur leis daher, daß niemand wisse, was es sei. Der alte Tochtermann und sein Weib gehen alle Mittag nach dem Essen, der Mann bisweilen auch, wolle von dem Essen schlafen, und zwar jedes in sein eigen Bett. Das Weib stelle sich, als wenn sie ganz matt und Müd wäre, als hätte sie eine schwere Arbeit verrichtet. Sie dürfen etwa 1 Stund oder 2 so im Bett liegen, was der Zeugin sehr seltsam vorkomme. Sie habe mehr alte Leut, aber dergleichen nicht von ihnen gesehen. Ungefähr vor 4 Wochen an einem Samstag habe die alte Tochtermännin gesagt, der jetzige Syndicus sei auch einer der bösen Leut, weil er alles so wisse. Er könne gut von einer schwarzen Kuh weiße Milch bringen. Zeugin habe gesagt: "O! Behüt uns Gott! Saget das Ding nicht!" Die Tochtermännin habe darauf gebeten, sie solle es doch nicht sagen, sonst werde es ihr übel gehen. Von dem Johann Hess habe Zeugin die Leut sagen hören, er habe vorgegeben (= angegeben), die alte Tochtermännin sei auf seinem Ross gesessen, und er habe sie herabgeschlagen.
(17) Hans Jerg Hess ist nochmal wegen seines Pferds vernommen worden. Er hat berichtet, vor ungefähr 5 Jahren nach der Ernt sei sein 3-jähriger Brauner von der Weid heimgekommen. Den habe Zeuge in Gottes Namen angebunden und stehen lassen. Dann sei er ins Bett gegangen. In einer kleinen Weil sagte sein Weib: "Hör doch, was ist das?" Zeuge habe gleich gemerkt, daß dem Pferd etwas sei. Daher sei er aufgestanden und habe nach dem Pferd gesehen und gefunden, daß es schweißte, als wenn es durch die Echaz gezogen worden wäre. Dann sei er zu dem Schmied Michel Wendel gegangen. Der habe 2 Eier von dem Zeugen begehrt und darauf ihn aus dem Stall geschafft. Der Schmied sei allein drin geblieben. Was er mit dem Pferd machte, wisse Zeuge nicht. Allein er habe das Pferd 3mal um das Rathaus führen müssen. Da sei ihm wieder geholfen gewesen. Der Schmied habe gesagt, ein böser loher (= lauer) Wind sei das Pferd angegangen. Dem Schmied habe Zeuge beinahe einen Reichstaler für diesen einzigen Gang geben müssen.
(18) Johann Zeihelen, Beck, sagt, er sei 1595 geboren. Er könne nichts Unrechtes von der alten Tochtermännin sagen. Er habe etlichmal mit ihr gegessen und getrunken. Es sei ihm aber nichts Arges dabei widerfahren. So habe er auch von Ungestüm, welches sich erst neulich in der Nachbarschaft begeben haben solle, nicht im geringsten etwas gesehen oder gehört.
(19) Hieronymus Tochtermann, 47 Jahr alt, weiß von der Küferin und der Freundschaft (= Verwandtschaft) nichts Unrechtes zu sagen. Er habe auch keinen bösen Argwohn auf sie miteinander.
(20) Niclaus Schaal, Rotgerber, 44 Jahr alt, sagt, in der vergangenen Samstagnacht sei in seiner Nachbarschaft ein ... Geschrei und Getümmel gewesen. Es habe geschrien "O weh! O weh!" Zeuge habe gemeint, man schlage jemand. Eine 1/4 Stund lang habe es gewährt, bis es um 1/2 12 Uhr wieder anfing. Hernach sei es auf die Mauer dem untern Tor zu gefahren, als wenn des Teufels Heer ausführe. Seine Hausfrau, Ludwig Hummel, sein Weib, Ludwig Weinmann, Hans Helb und der Tochtermann des Matthäus Enslin haben's miteinander gehört. Vor einem Jahr sei ihm ein Pferd von 2 Jahren im Stall hinterlittig (= kränkelnd) worden, welches von sich geschlagen (= ?) und nicht mehr habe aufstehen können. Allein es sei nur im Stall so verfallen gewesen. Einer von Reicheneck habe zwar dafür halten wollen, daß es von bösen Leuten hergekommen sei. Ein Schweizer habe ihm aber wieder geholfen. Vor 2 Jahren sei ihm ein Roß und ein Saugfüllen gestorben. Er wisse nicht, woher es gekommen sei.
(21) Johann Helb, 32 Jahr alt, sagt, am vergangenen Samstag nachts um 11 Uhr habe etwas in seiner Nachbarschaft geschrien, bald wie ein Hund, bald wie eine Katz, auch wie ein Kind. Bisweilen habe es geschrien "O weh! O weh!" Das habe länger als 1/2 Stund gewährt. Schließlich sei es die Mauer hinauf gefahren, als wenn man mit einem Wagen von 5 oder 6 Pferden hinauf gefahren wäre. Auf die Küferin wisse er nichts Ungleiches (= Ungünstiges) zu sagen. Er habe oft Branntwein bei ihr getrunken. Es sei ihm aber nichts Böses widerfahren.
(22) Ludwig Weinmann bestätigt die Aussagen der Zeugen 20 und 21.
In aedibus Syndici (= Im Haus des Syndicus).
Anwesend die Herren Commissare.
(23) Ludwig Hummel, Rotgerber, 42 Jahr alt, kann über das Weib des Jerg Weiss nichts sagen. Am vergangenen Samstag habe er ein seltsam Geschrei gehört und gemeint, ein großer Hund schreie so. Es habe 2mal angefangen und ziemlich lang gewährt.
(24) Jerg schirm, Weber, 26 Jahr alt, sagt, er sei den Tochtermännischen nicht verwandt. Von der Weissin könne er nichts Unrechtes sagen. Wegen des nächtlichen Geschreis sagt er aus wie 20, 21, 22 und 23.
(25) Anna Maria Zanger, 66 Jahr alt, sagt ebenso aus.
1660 August 10, Freitag
Anwesend die Herren Commissare.
(26) Königunda, Hausfrau des Jerg Vischer von Betzingen, sagt, sie wisse nicht, wie alt sie sei, sie meine, etwa 50 Jahr. Ungefähr vor einem Jahr sei sie von Betzingen aus in die Stadt zum Gerbermühltörle hereingegangen. Hernach habe sie ins Haus der Weissin gewollt, welches aber verschlossen gewesen sei. Als sie anklopfte, sei die Weissin vor das Fenster gekommen, um zu sehen, wer anklopfte. Als sie eingelassen worden und in die Stube hinauf gekommen sei, sei die Weissin ob einem Teig, welchen sie knetete, gestanden, sei aber von dem Kneten weggegangen und habe der Zeugin ein Gläslein mit Branntwein, welcher ganz hell und klar aussah, geholt, die Zeugin auch. 4 oder 5mal ermahnt, sie solle trinken. Zeugin frage sonst dem Branntwein nicht viel nach, doch habe sie getrunken und 4mal angesetzt, jedoch diese 4mal nicht über 1/2 Löffel voll getrunken. Der große Bub habe sie auch gar sehr angetrieben zu trinken, fast mehr als die Mutter. Bei der Zeugin seien 2 Kinder der Weissin gestanden. Denen habe sie ein Bröckele Brot in den Wein getunkt und zu essen gegeben. Der große Bub habe aber sehr gewehrt und gesagt, sie haben schon Milch gegessen. Der Branntwein sei ungesund, wenn man vorher Milch gegessen habe. Die Zeugin habe darauf den Branntwein stehen lassen und sei davongegangen. Als sie noch auf der Stiege war, habe es angefangen ihr weh zu werden. Sie habe nach Betzingen gehen wollen, aber es nicht wagen können und niemand in der Stadt gern Ungelegenheit machen wollen. Sie sei dann doch ins Haus des Jacob Kurtz gegangen. Es sei niemand als die Magd dagewesen. Die habe ihr zugesprochen, sie solle einen Schub (= Mundvoll) Brühe oder zwei essen. Zeugin habe 2 Löffel genommen. Nachdem sie sich übergeben und sonst die Natur erleichtert habe, sei ihr besser geworden. Dann sei sie mit weinenden Augen ins Haus des Zunftmeisters Engel gegangen. Die Frau habe gesehen, daß sie langsam die Stiege hinaufkroch, und sie daher gefragt, warum sie so gemach daherschleiche. Die Englin habe geschwind einen Theriak gebracht, ihr etwas davon eingegeben und etwas in ihrem Schiebsack (= Tasche) mitgegeben. Das habe sie daheim eingenommen und sich darauf wohlbefunden. Als sie sich im Haus des Kurtz 4mal übergab, sei hernach nichts als pure Galle gekommen.
1660 Juli 18, Mittwoch
Auf dem untern Tor.
Anwesend die Herren Commissare.
Anna, Tochter des Christof Tochtermann und Hausfrau des Jerg Weiss, 40 Jahr alt, sagt, sie habe nichts in Branntwein getan. Daß sie nicht zu der Verstorbenen gegangen sei und sich entschuldigt habe, sei geschehen, weil sie groß schwanger war. Der Herr Prediger selig habe gesagt, es könnte etwa eine Spinne über den Branntwein gekommen sein. Ihr Mann sei dabei gestanden, als sie den Branntwein gab. Sie könne nicht sagen, ob sie ihrem Mann den Branntwein bezahlt habe oder nicht.
Konfrontation mit der Schäfferin.
Die Schäfferin sagt dem Weib des Weiss unter das Gesicht, sie sei mit draußen gewesen. Die Weissin leugnet's und wagt, die Schäfferin müsse ihrethalben in die Höll.
Die Schäfferin sagt, sie habe die Weissin nur einmal draußen gesehen.
Die Weissin sagt, aus Feindschaft werde dies auf sie ausgegeben. Denn sie habe kein Fleisch mehr bei ihr genommen.
Die Schäfferin sagt, das heil. Abendmahl solle sie nicht empfangen, wenn sie dies aus Neid (= Feindschaft, Haß) gesagt habe.
1660 Juli 20, Freitag
Auf dem untern Tor.
Anwesend die Herren Commissare.
Sie (die Weissin) habe ihr Leben lang nicht die Mutter (= Bodensatz des Essigfasses) aus einem Essig geholt. Sie habe allezeit selbst Essig gehabt. Sie meine im Haus ihrer Mutter, genannt Vogts-Anna, Essig geholt zu haben. Ihre Mutter sei werle (= wahrlich) ein ehrlich, christlich und redlich Weib. Sie habe ihr Leben lang nichts Unrechtes von ihr gehört. Der Murmel (= das Gerede) sei herumgegangen, sie habe der Weissin Branntwein gegeben, worin Gift gewesen sei.
Sie wisse gar nichts um Spinnen, habe auch von niemand eine Klage wegen Spinnen gehört. Es wisse auch niemand von Atern (= Ottern, Schlangen) etwas. Ihre Schwieger sei nicht gescheit. Allein es könne sein, daß sie zu ihrer Schwieger gesagt habe, sie solle nicht an die Sachen wegen der Atern und Spinnen glauben.
Sie habe gesagt, sie wolle der verstorbenen Weissin zur Leich kommen. Doch sei sie nicht gekommen, weil man gesagt habe, der Branntwein sei bei ihr geholt worden ...
Der Meister hat die Gefangene gebunden. Sie ist aufgezogen worden und hat immer geschrien, ihr Leben lang habe sie nichts Unrechtes getan. Branntwein habe sie recht, gut und christlich gegeben.
Nachdem sie ein klein Viertelstündle gehangen, hat sie gebeten, man solle sie herunterlassen. Sie wolle alles bekennen, was sie getan habe. Wenn sie ihr Leben lang dasitze, so könne sie nichts andres als ihre Unschuld sagen. Es könnte eine Spinne in den Branntwein gekommen sein.
Sie habe eine Spinne von der Wand genommen und in den Branntwein getan. Wie man den Branntwein holte, habe sie Gift von einer Spinne darein getan. Der Teufel habe ihr Gift gegeben, welches sie in den Branntwein getan habe. Vorher sei der Teufel zu ihr in ihr Haus gekommen. Auf der Stiege sei es vor Mitternacht geschehen. Der Teufel habe gefragt, wo ihr Mann sei. Sie habe gesagt, sie wisse es nicht.
Gott werde einen Engel herabschicken, der sagen werde, daß sie nichts getan habe. Sie wolle alles gestehen, obschon sie es nicht getan habe.
Die Knap-Ann sei nicht einen Kreuzer wert. Sie habe ihrem Bruder abgetragen (= gestohlen).
1660 Juli 21, Samstag und Juli 23, Montag
Auf dem untern Tor.
Anwesend die Herren Commissare.
Sie beteuert wieder ihre Unschuld.
1660 Juli 30, Montag
Auf dem Diebsturm.
Anwesend die Herren Commissare.
Die peinlich Verhaftete ist wieder in der Güte verhört worden. Sie sagt, wegen des Branntweins seien ihre Mutter und andere zusammengeloffen. Ihre Schwester, das Grethle, habe zu ihr gesagt, der Branntwein richte sich wieder (= komme wieder in Ordnung). Daß sie sich auf der Schlatwiese hinter den Hag gelegt, sei wahr. Allein sie habe so einen Grimmen (= Bauchweh) gehabt, worauf innerhalb 3 Tagen die Menses (= Menstruation) gefolgt seien. Vor 4 Wochen habe sie auch dergleichen gehabt, worauf ebenfalls die Menses gefolgt seien.
Der Zusprecher (= Leichenbesorger, Leichensager) sei nichts nutz. Er nehme von den Leuten etwas und tue, was man wolle. Erst vor 14 Tagen habe der Zusprecher mit einem ein Viertel Branntwein getrunken. Zeugin habe keinen Branntwein im Haus gehabt, sondern selbigen bei ihrem Bruder entlehnen müssen.
1660 August 10, Freitag
Anwesend die Herren Commissare.
Die Gefangene ist mit Jerg Vischers Weib konfrontiert worden.
Diese sagt der Gefangenen alles, was sie ausgesagt hat, getrost in das Gesicht. Die Gefangene sagt darauf, sie begehre Gnad, und gesteht alles, was in ihrem Haus wegen des Branntweins fürgeloffen ist.
Ihr Mütterle habe sie vor 4 Jahren alles gelehrt. Sie habe müssen Gift in den Branntwein tun, welches schwarz ausgesehen habe. Der ... müller-Anna habe sie Branntwein mit Gift gegeben. Ebenso auch der ...meisterin. Der Clsus Schaal habe ein braunes Füllen gehabt. Sie sei in den Stall hingegangen, habe das Füllen angerührt und gelähmt. Es sei hernach von einem fremden Mann kuriert worden. Dem Füllen habe sie eine Salbe auf den Rücken gestrichen, welche sie von ihrer Mutter empfangen habe, und dabei gesagt: "Werde lahm in des Teufels Namen!"
Sie habe nicht alles getan, was ihre Mutter ihr befohlen habe, Sie habe begehrt, sie solle ihre Kinder und andere Leut umbringen. Ihre Mutter habe der Madlena, dem Kind der Gefangenen, in einer Fleischsuppe vergeben. Sie habe hoch davor (d. h. um Unterlassung) gebeten. Aber die Mutter habe nicht von dem Beginnen abstehen wollen. - Auf dem Rand: negat mater (= die Mutter leugnet).
Sie habe etlichemal zu ihrer Mutter gesagt: "Ich bitte dich um des jüngsten Gerichts willen, mute mir nicht soviel zu! Du bist der Anfang der Sünde."
Der böse Feind sei vor 4 Jahren auf ihrer Stiege nachts um 8 Uhr in eines jungen Gesellen Gestalt zu ihr gekommen und habe gefragt, wo ihr Mann sei. Sie habe geantwortet, er sei nicht da. Er habe gesagt, er wolle ihr alles geben, was er habe. Darauf habe er sie beschlafen und dann gesagt, jetzt müsse sie sein sein (= ihm gehören). Das habe sie ihrer Mutter gesagt: "O Mutter, wie hast du mich verführt. Der Kerl sagt, ich müsse sein sein." Darauf antwortete die Mutter, jetzt sei sie, wie sie (die Mutter) auch sei.
Der böse Feind habe Jacoble geheißen und sie Anna genannt. Der heil. Dreifaltigkeit habe sie abgesagt und dem bösen Feind sich versprechen müssen. Denn er habe sie auf den Tod geschlagen. Das von dem bösen Feind empfangene schwarze Pulver habe sie im Heuet (= Heuernte) in die Echetz geworfen und ebenso die Salbe, als ein Geschrei auskam, man werde sie holen. Sie habe diese Sachen weggeworfen, damit man sie nicht bei ihr finden könne.
Auf das Rangelbergle seien sie, ihre Mutter und der böse Feind in einer Kutsche gefahren. Der böse Feind habe ihr viel Böses zugemutet und gesagt, wenn sie schon nicht selig werde, brauche sie sich nicht zu bekümmern, sie habe bei ihm gute Sach. Als sie auf der Schlackwiese von dem Heuschochen wegging, habe der böse Feind ihr hinter der Hecke Unzucht zugemutet. Er habe wie ein junger Gesell ausgesehen. Der Teufel habe sich vor der Magd unsicher (= unsichtbar?) gemacht. Der böse Feind habe ihr eine Ater (= Schlange) gegeben, welche sie ihrer Schwieger in die Küche getan habe. -Auf dem Rand: Dieser will nichts davon wissen. Daß er Branntwein getrunken, sei wahr, und ihm sei innerhalb 3 Tagen hernach nicht wohl gewesen.
Dem Kornmesser Johann Zeielen habe sie auch ein wenig von dem Pulver in Branntwein getan. Es habe aber niemand etwas geklagt. - Auf dem Rand: revociert's den 25. August.
Ihre Els, das Weib des Jacob Weinmann, der Sattler, der Christof, die Vogts-Greth seien immer so zusammengeloffen.
1660 August 11, Samstag
Anwesend die Herren Haller und Ehringer.
Sie wolle immer dasitzen, wenn ihr Bub sei wie sie. Ihr 8jähriges Maidle habe sie nicht ums Leben gebracht, ihre Mutter habe es getan.
Das Geld sei ihr ausgegangen. Sie habe bei verschiedenen Leuten entlehnen und die Steuer abrichten wollen. Weil ihr aber niemand etwas gab, sei der böse Feind auf ihrer Stiege gekommen und habe gefragt, warum sie so umhergeloffen sei. Sie habe ihre Not erzählt. Der böse Feind habe ihr zugesprochen, sie solle sein sein. Er wolle ihr genug Geld geben. Er habe ihr einen Stumpen (= Sack) gereicht. Nachher seien es aber nur Hafenscherben gewesen. Unterdessen habe der böse Feind mit ihr zu tun gehabt und sie sich ihm eigen gemacht.
Von ihrer Mutter habe sie zuerst, hernach von ihrem bösen Feind Pulver empfangen.
Was sie gestern gesagt, das sei die Wahrheit gewesen. Sie habe ihr Herz ausgeschüttet, wobei sie auch verbleibe.
Ihre Mutter habe ihrem Kind in der Suppe vergeben. Allein sie habe darum gewußt.
1660 August 13
Anwesend die Herren Commissare.
Die Gefangene ist an die Tortur geschlagen worden. Sie wurde keine 1/2 Viertelstund gepeinigt.
Sie habe alles gesagt. Sie sei nur 2mal draußen gewesen, habe nicht von ihren Kindern wegkommen können. Sie wolle sich das Leben 1000mal nehmen lassen, wenn sie ihr Kind verführt habe.
1660 August 15, Mittwoch
Anwesend die Herren Commissare.
Sie bestätigt in der Güte ihre Aussagen.
1660 August 22, Mittwoch
Auf dem obern Tor.
Anwesend die Herren Haller und Ehringer.
Die peinlich Gefangene ist nochmal gütlich angehört worden. Sie sagte, weiter könne sie nichts sagen, als was sie gesagt habe, und daß sie mit ihrer Mutter in der Kutsche gesessen sei. Von ihrer Elsa wisse sie nichts. Darauf könne sie leben und sterben.
Von keinem grünen Kraut wisse sie etwas. Sie habe im übrigen ihr Herz rein ausgeschüttet. Wenn sie von andern noch etwas wüßte, so wollte sie sie nicht schonen, wenn's ein König wäre.
1660 August 25, Samstag
Auf dem obern Tor.
Anwesend die Herren Laubenberger und Haller.
Sie bittet um Gottes Barmherzigkeit willen, man solle ihren Leib nicht verbrennen. Alles was sie am 11. August vom bösen Feind geredet habe, sei wahr. Der böse Feind sei zu ihr gekommen in Gestalt eines jungen Gesellen und habe gesagt, die Mutter habe etwas in die Suppe getan. Sie soll's ihrem Kind geben. Sie habe ungern daran gewollt. Der böse Feind aber habe sie schlagen wollen. Darauf habe sie dem Maidle etwas von der Suppe gegeben. Aber vorher habe sie das Obere weggetan und dem Maidle das Untere gegeben, welches nicht viel habe schaden können.
1660 August, 28, Dienstag
Die Gefangene gestand ihr Verbrechen nochmals gutwillig und sagte, sie wolle die Obrigkeit an jenem Tag selbst entschuldigen [durch die Aussage], daß sie über sie ein gerecht Urteil habe ergehen lassen. Sie solle auch nur getrost urteilen. Sie bitte nur um diese Gnad, daß sie nicht lebendig verbrannt werde, daß man auch sonst nicht ihren Leib in das Feuer werfe, damit ihren Kindern nichts vorgerückt (= vorgehalten) werden möge.
Sie berichtete ferner, als sie auf das Hexenstüble geführt worden sei, habe sie eine Zeitlang gute Ruh gehabt, bis schließlich morgens um 2 Uhr ein Vögelein vor die Fenster kam, sich auf die Außenseite setzte und etlichemal "weg, weg, weg!" schrie. Es sei auch am folgenden und am 3. Tag eine Stunde später gekommen und habe jedesmal so geschrien. Daraus habe sie nichts Gutes schließen können, habe aber doch gedacht, sie wolle ihrem Gott in Geduld stillhalten und auf ein selig Stündlein warten.
Dorsal-/Marginalvermerke: Zu S. 25 des Originals eingelegtes Blättchen: Am 10. April 1656 ist Anna, das Weib des Küfers Hans Jacob Fezer, begraben worden, welche einen so schweren Zustand gehabt und ein erbärmliches Leben geführt hat. Am 19. Juli 1656 ist dem Küfer Jerg Weiss ein Töchterlein getauft worden mit Namen Maria Madlena.
Auf der Rückseite des Blättchens Spur eines Siegelabdrucks. Vielleicht handelt sich's um Auszüge aus dem Toten- und dem Taufbuch der Kirche.
- Archivaliensignatur
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A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7809
- Umfang
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37 S.
- Formalbeschreibung
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Beschreibstoff: Pap.
- Sonstige Erschließungsangaben
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Genetisches Stadium: Or.
- Kontext
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 24 Hexenprozesse
- Bestand
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A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)
- Laufzeit
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1660 Juni 21, Freitag - 1660 August 28
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
20.03.2025, 11:14 MEZ
Datenpartner
Stadtarchiv Reutlingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- 1660 Juni 21, Freitag - 1660 August 28