Bestand
Kanzlei Rosenberg (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Alfred Rosenberg, der schon seit den Anfängen der
nationalsozialistischen Bewegung zu den engen Mitarbeitern Adolf
Hitlers zählte, vereinigte - vor allem seit 1929/30 - eine Fülle von
politischen Ämtern und Funktionen in seiner Hand. Um alle ihm
übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können, bediente sich Rosenberg
seit seiner Ernennung zum Chef des Außenpolitischen Amtes der NSDAP
(APA) im April 1933 eines Privatsekretariats unter Leitung von Thilo
von Trotha (geb. 12.04.1909, gest. 24.02.1938), der gleichzeitig für
die Abteilung Norden des APA verantwortlich war. Von Trothas zunächst
nur ehrenamtliche Tätigkeit für Rosenberg wurde im April 1934 durch
Verfügung des Reichsschatzmeisters in ein hauptamtliches reguläres
Angestelltenverhältnis bei Rosenberg als Reichsleiter der NSDAP
umgewandelt. Ihm oblag als Privatsekretär die Bearbeitung der gesamten
Korrespondenz, die Rosenberg persönlich als Chef des APA, aber auch
als Reichsführer des Kampfbundes für deutsche Kultur (KfdK) und als
Hauptschriftleiter des "Völkischen Beobachters" (VB) zu führen
hatte.
Im Januar 1934 wurde Rosenberg zum
Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen
und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP ernannt. Wohl
aufgrund dieser neuen Erweiterung seines Aufgabenbereiches verfügte
Rosenberg am 26. April 1934 die Umwandlung seines Privatsekretariats
in eine "Kanzlei Rosenberg". Sie stand auch weiterhin unter der
Leitung Thilo von Trothas, erhielt aber jetzt einen festumrissenen
Aufgabenkreis zugewiesen: Die Kanzlei Rosenberg war von nun an
zuständig für die gesamte von Rosenberg selbst geführte Korrespondenz
im Aufgabenkreis des APA, des KfdK und der sonstigen weltanschaulichen
Stellen sowie für die "NS-Monatshefte", den Terminkalender und die
Besuchsregelung des Reichsleiters. Zur Kanzlei gehörte ein eigenes
"Archiv", dessen Aufgabe es war, Informationsmaterial und
Zeitungsausschnitte über Rosenberg zu sammeln. Verwaltungsmäßig wurde
sie von der DBFU mit betreut.
Am 15. August
1937 ernannte Rosenberg den SA-Sturmbannführer Dr. Werner Koeppen
(geb. 26.09.1910) zu seinem Adjutanten. Koeppen übernahm nach dem Tode
von Trothas im Februar 1938 die Leitung der Kanzlei und behielt sie -
mit zeitweiligen Unterbrechungen durch den Wehrmachtsdienst - bis 1945
bei. Im August 1941 wurde er von Rosenberg zu seinem persönlichen
Referenten ernannt und war eine Zeitlang als Verbindungsoffizier im
Führerhauptquartier tätig. In der Leitung der Kanzlei vertrat ihn
während seiner Abwesenheit Amandus Langer, den Rosenberg 1941 zu
seinem Adjutanten ernannt hatte.
Lebensdaten
Alfred Rosenbergs
12.01.1893 in Reval
geboren
Studium der Architektur in Reval, dann
in Moskau
seit 1918 in Deutschland, 1923 als
Deutscher naturalisiert
1919
NSDAP-Mitglied
1921 mit Dietrich Eckart
Schriftleiter des "Völkischen Beobachters"
Februar 1923 Hauptschriftleiter des "Völkischen Beobachters",
seit 1938 auch Herausgeber
09.11.1923 Teilnahme
am Marsch zur Feldherrnhalle; während Hitlers Gefangenschaft mit der
Führung der "Bewegung" beauftragt
1929
Begründer des Kampfbundes für deutsche Kultur
1930 Mitglied des Reichstags und Vertreter der NSDAP beim
Auswärtigen Ausschuss des Reichstages
seit 1930
Herausgeber der "NS-Monatshefte"
01.04.1933
Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, Ernennung zum
Reichsleiter der NSDAP
24.01.1934 Beauftragter
des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und
weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP
29.01.1940 mit der Vorbereitung der "Hohen Schule" der NSDAP
beauftragt
05.07./17.09.1940 Leiter des
Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg für die besetzten
Ostgebiete
20.04.1941 Beauftragter für die
zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes
17.07.1941 Reichsminister für die besetzten
Ostgebiete
16.10.1946 in Nürnberg hingerichtet
(IMT-Urteil)
Abkürzungen
APA Außenpolitisches Amt der NSDAP
DAF
Deutsche Arbeitsfront
DBFU Der Beauftragte des
Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und
weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP
ERR Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
HJ
Hitlerjugend
IMT Internationales
Militärtribunal
KfdK Kampfbund für deutsche
Kultur
NS Nationalsozialistisch
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei
NSKG NS-Kulturgemeinde
OKW Oberkommando der Wehrmacht
PPK Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des
NS-Schrifttums
RMbO Reichsministerium für die
besetzten Ostgebiete
SA Sturmabteilungen
SD Sicherheitsdienst
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VB
Völkischer Beobachter
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Während der Kriegszeit blieb
Rosenberg mit fast allen seinen Dienststellen in Berlin. Trotz einiger
Verluste bei den schweren Bombenangriffen im November 1943 scheint der
größte Teil von den Akten der Kanzlei Rosenberg erhalten geblieben zu
sein. Das überlieferte Rosenberg-Schriftgut (aus dem staatlichen und
dem Parteibereich) wurde nach Kriegsende nach Nürnberg gebracht, um es
für die alliierten Prozesse gegen die Kriegsverbrecher auszuwerten.
Anfangs wurden die als Belegmaterial in Frage kommenden Schriftstücke
den Akten entnommen, später beließ man sie darin und begnügte sich mit
Fotokopien. Die verwendeten Originale dürften sich heute mit anderen
Prozessunterlagen in Washington befinden.
Das
in Nürnberg zusammengetragene Schriftgut wurde nach Abschluss der
Prozesse von verschiedenen ausländischen Institutionen für die Anlage
eigener Sammlungen ausgewertet. Hier ist vor allem das Centre de
Documentation Juive Contemporaine (CDJC) in Paris zu nennen, das heute
in der "Collection Rosenberg" eine Sammlung besitzt, die ca. 1.100
Schriftstücke (meist der Provenienz Kanzlei Rosenberg, aber auch
anderer Rosenberg-Dienststellen) vereinigt. Belegzettel für die vom
CDJC entnommenen Einzelschriftstücke stecken noch in den in das
Bundesarchiv gelangten Akten.
Weiteres
Schriftgut von Dienststellen Rosenbergs befindet sich im Nederlands
Instituut voor Oorlogsdokumentatie (NIOD), Amsterdam, und im
Yivo-Institute for Jewish Research in New York. Bücher und
Zeitschriften aus Dienststellen Rosenbergs sind im Hoover Institute
and Library und in der Library of Congress nachgewiesen.
Schriftgut aus Rosenberg-Dienststellen gelangte
ebenfalls in Archive der ehemaligen Sowjetunion. Ein umfangreicher
Bestand (v.a. der Provenienz ERR) wird heute im Tsentral`nyi
derzhavnyi arhiv vyshchykh orhaniv vlady ta upravlinnia Ukraïny
(TsDAVO Ukraïny) in Kiew verwahrt, weitere Akten (v.a. der Provenienz
Außenpolitisches Amt) im Rossiiskii gosudarstvennyi voennyi arkhiv
(RGVA) in Moskau.
Der größte Teil der in
Nürnberg zusammengetragenen Rosenberg-Akten wurde nach Alexandria/Va.
gebracht und dort zum Teil verfilmt. Im März 1963 gelangte dieser als
Record Group 1008/Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
bezeichnete Aktenkomplex im Zuge der Aktenrückführung aus den USA in
das Bundesarchiv, wo er im Herbst 1963 nach Provenienzen aufgeteilt
wurde. Die von dieser Aktenrückgabe auf die Provenienz "Kanzlei
Rosenberg" entfallenden Akten bilden den Hauptteil des vorliegenden
Bestandes.
Hinzugefügt wurden einige Bände, die
in das Nürnberger Staatsarchiv gelangt und 1955 an das Bundesarchiv
abgegeben worden waren, außerdem mehrere Bände aus verschiedenen
amerikanischen Aktenrückgaben. Weitere Ergänzungen erfolgten durch
jeweils einen Band aus dem Zentralen Staatsarchiv der DDR (62 Ka 2/1)
und aus dem sog. "NS-Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der
DDR" (ZA VI 6322).
Archivische
Bearbeitung
Das Schriftgut war überwiegend in
seinem ursprünglichen Registraturzusammenhang in das Bundesarchiv
gelangt. Einzelschriftstücke, aus ihrem Zusammenhang gelöste Vorgänge
sowie in Unordnung geratene Bände mussten neu geordnet werden. Die
Ordnung und Verzeichnung entsprach dem ursprünglichen
Registraturzusammenhang. Eine völlige Neuordnung des Bestandes nach
sachlichen Gesichtspunkten hätte zwar die Benutzung erleichtert,
schien aber in arbeitsökonomischer Hinsicht nicht gerechtfertigt.
Kassiert wurden nur Doppelstücke in den Manuskriptserien. Das
vorläufige Findbuch zum Bestand wurde von Frau Köhne im Jahr 1966
gefertigt.
Zitierweise
NS 8/.......
Inhaltliche Charakterisierung:
Durch die Sammlung von Manuskripten und Zeitungsausschnitten ergibt
sich ein recht umfassendes Bild der Persönlichkeit Rosenbergs von etwa
1930 bis 1945. Aufgrund der Zuständigkeit der Kanzlei für fast den
gesamten Dienstbereich Rosenbergs enthält der Bestand zudem
wesentliches Ergänzungsmaterial zur Tätigkeit der Rosenberg
unterstellten Dienststellen; lediglich der Dienstbereich des
Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete ist davon auszunehmen,
dessen Angelegenheiten Rosenberg vorwiegend durch sein Ministerbüro
bearbeiten ließ.
Die Ablage des Schriftgutes
erfolgte weitgehend in chronologischen Serien, allenfalls getrennt in
die Bereiche VB, KfdK und APA, später auch nach Korrespondenzpartnern.
Eine klare inhaltliche und zeitliche Abgrenzung der Serien
gegeneinander ist nicht erkennbar.
Erschließungszustand: Findbuch
(1966/2005), Online-Findbuch (2004).
Zitierweise: BArch NS
8/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch NS 8
- Umfang
-
301 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Einrichtungen der NSDAP >> Reichsleitung
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: NS 15 Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (Online-Findmittel)
NS 30 Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Online-Findmittel)
NS 43 Außenpolitisches Amt der NSDAP (APA) (Online-Findmittel)
Literatur: Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hrsg. von Heinz Boberach, München 1991/1995, Teil 1, S. 466-469.
Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner, Stuttgart 1970.
Ernst Pieper: Alfred Rosenberg: Hitlers Chefideologe, München 2005.
- Provenienz
-
Kanzlei Rosenberg, 1933-1945
- Bestandslaufzeit
-
1918-1945
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Zugangsbeschränkungen
-
Besondere Benutzungsbedingungen: Bundesarchivgesetz
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Kanzlei Rosenberg, 1933-1945
Entstanden
- 1918-1945