Bestand
Fürstentum Minden, Landstände (Bestand)
Verfassung und landständische
Rechte (43); Steuern, Abgaben, Finanzen, Kriegsanleihen im
Siebenjährigen Krieg, Landeskreditdeputation 1759 (50); Justiz und
Polizei (10); Marken-, Forst- und Jagdwesen (16); Lehen (4);
landtagsfähige Güter (8); gutsherrliche Verhältnisse (20); Zehnt
(5); Landwirtschaft (3); Feuer- und Viehversicherung (5); Handel,
Gewerbe, Verkehr (12); Mühlen (7); Militärwesen (2); Indigenat (3);
Anfall des Fürstentums Minden an das Königreich Westphalen
(10).
Bestandsgeschichte: Seit dem
15. Jh. existierten drei Kurien (Domkapitel, Ritterschaft und
Prälaten, Städte), im 17. Jh. praktisch Beschränkung auf den
zweiten Stand. Mischbestand aus der Überlieferung der Kurien,
Kommissionsakten landständischer Beamter, Akten der Regierung
Minden und der Kriegs- und Domänenkammer Minden (formiert von
Haarland um 1840).
Form und Inhalt: Der
Westfälische Frieden brachte für das Stift Minden die
Säkularisation, den Verlust der Reichsunmittelbarkeit, den Anfall
an Brandenburg und eine Veränderung der Verfassung.
Bis 1648 galt das Domkapitel als "Erbherr" /
Inhaber der Landeshoheit des Fürstbistums, die es dem von ihm
gewählten Bischof übertrug. In allen wichtigen öffentlichen
Angelegenheiten war er an die Zustimmung der Domherren gebunden.
Die Beamten des Stifts waren nicht nur ihm, sondern auch dem
Kapitel durch Eid verpflichtet. Artikel 11 des Osnabrücker
Friedensvertrages sprach dem Domkapitel alle Befugnisse ab und
übertrug sie dem Kurfürsten von Brandenburg.
Nach Besitznahme des Landes und Huldigung durch die Stände
bestätigte / ergänzte Friedrich Wilhelm im Homagialrezeß vom 22.
Februar 1650 und im Reinebergischen Rezeß vom 1. Februar 1667 die
Rechte der Landstände: das Steuerbewilligungsrecht, das Recht zur
Mitwirkung bei Veranlagung, Erhebung und Abrechnung von Steuern
(u.a. durch Ernennung je eines Vertreters von Domkapitel und
Prälaten und Ritterschaft zum Landesdeputierten ), das
Versammlungsrecht, das Recht zur Begutachtung neu zu erlassender
Landesgesetze und das Indigenatsrecht für adelige
Beamtenstellen.
Zur Einschränkung dieser
Privilegien, dem sich im Lauf von 150 Jahren ändernden Verhältnis
zum Landesherrn, das im Quartstreit zwischen König Friedrich
Wilhelm I. und dem Domkapitel 1720ff. eskalierte, und dem Einfluß
der Stände auf Fortschritt oder Stagnation in der Verwaltung des
Fürstentums Minden siehe die landesgeschichtliche Literatur im
Anhang.
Die Stände des Fürstentums Minden
gliederten sich in drei üblichen Klassen: Domkapitel, Prälaten und
Ritterschaft und Städte.
Erster und
vornehmster Stand war das Domkapitel der Kathedralkirche Minden. Es
bestand aus 18 Mitgliedern. Entsprechend der Zusammensetzung im
Normalfall 1624 sollte es nach Möglichkeit aus 11 katholischen und
7 evangelischen Domherren bestehen. Sie wurden je zur Hälfte vom
Kapitel gewählt und dann vom Landesherrn bestätigt bzw. vom
Landesherrn ernannt. Letzterer vergab freiwerdende Stellen in
ungeraden, das Kapitel in geraden Monaten. Seit 1713 wechselten
sich König und Kapitel bei der Vergabe von Präbenden ab. Alle
Domherren mußten von Adel sein und 16 adelige Ahnen nachweisen. Die
kirchliche Leitung des Kapitels hatte der vom Landesherrn ernannte
katholische Dompropst, die politsche Leitung der vom Kapitel
gewählte und vom Landesherrn zu bestätigende evangelische
Domdechant. Er führte auch den Vorsitz auf den
Landtagsversammlungen. Das Domkapitel war gleichzeitig kirchliche
Behörde, Großgrundbesitzer und Landstand.
Die zweite Kurie setzte sich aus Prälaten und Rittern
zusammen. Erstere zählten nur 5 Mitglieder: den Abt des
Benediktinerklosters St. Mauritz und St. Simeon, Minden, die
Pröpste der adeligen evangelischen Damenstifte St. Marien, Minden,
und Levern, den evangelischen Komtur der Johanniterkommende
Wietersheim und den Amtmann des evangelischen Damenstifts
Quernheim. Zur Ritterschaft gehörten die Besitzer von ca. 25
landtagsfähigen Rittersitzen und 10 Burgmannshöfen in Lübbecke und
Petershagen, die nach Präsentation und Aufschwörung zum Landtag
zugelassen wurden. Die Städte bzw. Flecken Minden, Lübbecke,
Petershagen, Schlüsselburg und Hausberge bildeten den dritten
Stand. Im 18. Jahrhundert blieben sie den Landtagen meist fern. Die
Führung fiel in den seltenen Fällen geschlossenen Auftretens der
Stadt Minden zu.
Jedes Corps hatte das
Recht, für sich zu huldigen, zu beraten und zu beschließen. Das
Domkapitel versammelte sich naturgemäß im Kapitelshaus. Prälaten
und Ritterschaft kauften 1733 das von Ostensche Haus am Mindener
Markt und tagten seitdem im sogenannten Landständischen Haus. Beide
Kurien verfügten über je einen Syndikus, einen Sekretär und einen
Boten zur Erledigung der laufenden Geschäfte. Die Ausgaben wurden
von den Dispositionsgeldern bestritten, die von der Mindener
Obersteuerklasse überwiesen wurden. Eine gemeinsame ständische
Einrichtung fehlte ebenso wie eine Abgrenzung zwischen allgemeinen
und besonderen Angelegenheiten. Der Landtag trat in regelmäßig
unregelmäßgigen Zeitabständen zusammen, wurde aber auch bei
außerordentlichen Anlässen ausgeschrieben. Der Versammlungsablauf
folgte einem im Lauf der Jahre entwickelten "Zeremoniell". Eine
Geschäftsordnung wurde zwar 1691/92 beraten, scheint aber nicht
definitiv beschlossen worden sein. 1777 baten die Landstände den
König um die Genehmigung eines "engeren ständischen Ausschusses",
der monatlich tagen und in eiligen Fällen anstelle des Plenums
Beschlüsse fassen sollte. Das Generaldirektorium schlug dieses
Gesuch aber ab.
Obwohl die Verwaltung des
Fürstentums Minden 1719 mit der Grafschaft Ravensberg vereinigt
wurde, tagten die ständischen Einrichtungen weiterhin getrennt,
stimmten ihr Vorgehen aber von Fall zu Fall miteinander ab.
1806/1807, also schon unter französischer Besatzung tagten beide
Gremien gemeinsam. Der Bestand "Fürstentum Minden Landstände"
besteht zum überwiegenden Teil aus Archivalien des 18.
Jahrhunderts, die beim Domkapitel, bei Ritterschaft und Prälaten
oder beiden gemeinsam entstanden sind. Hinzu kommen
Kommissionsakten landständischer Beamter, Handakten einzelner
Landstände, aber auch Akten der Regierung Minden (-Ravensberg) und
der Kriegs- und Domänenkammer Minden, die landständische
Angelegenheiten betreffen. Die Provenienz ist jeweils
vermerkt.
Der Bestand wurde in dem Umfang
belassen, wie er von dem Archiv- und Regierungssekretär Heinrich
Johann Haarland in den 30er/40er Jahren des vorigen Jahrhunderts
formiert wurde. Die Unterlagen gelangten 1829 bei der Auflösung des
Archivdepots Minden in das Verwaltungsarchiv der Regierung Minden
und wurden im Oktober 1852 an das damalige Provinzialarchiv Münster
abgegeben. Eine Abschrift des von Haarland angefertigten
Verzeichnisses diente bis jetzt als Repertorium.
Münster, im August 1993.
Ursula Schnorbus
Das vorliegende Findbuch wurde im Februar 2007 von
Ina Knekties unter der Betreuung von Thomas Reich mit dem
Verzeichnungsprogramm VERA abgeschrieben.
- Reference number of holding
-
D 312
- Extent
-
203 Akten.; 202 Akten (57 Kartons), Findbuch D 312.
- Language of the material
-
German
- Context
-
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen (Archivtektonik) >> 1. Territorien des Alten Reiches bis 1802/03 einschließlich Kirchen, Stifter, Klöster, Städte u.ä. >> 1.4. Preußisches Westfalen (D) >> 1.4.2. Fürstentum Minden >> 1.4.2.1. Verwaltungsbehörden und Landstände, Domkapitel
- Related materials
-
Karl Spannagel, Minden-Ravensberg unter brandenburg-preußischer Herrschaft von 1648 bis 1719, Hannover 1894; Wolfgang Neugebauer, Die Stände in Magdeburg, Halberstadt und Minden im 17. und 18. Jahrhundert, in: Peter Baumgart (Hg.), Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen, Berlin 1983, S. 170-207; Hans Nordsiek, Das preußische Fürstentum Minden zur Zeit Friedrichs des Großen, Minden 1986; Wilfried Reininghaus (Bearb.), Territorialarchive von Minden, Ravensberg, Tecklenburg, Lingen und Herford (Das Staatsarchiv Münster und seine Bestände 5), Münster 2000; Johannes Burkardt, Minden und Ravensberg: Zwei nordwestfälische Territorien unter der Herrschaft des Großen Kurfürsten, in: Membra unius capitis. Studien zu Herrschaftsauffassung und Regierungspraxis in Kurbrandenburg (1640-1688), hg. v. Michael Kaiser u. Michael Rohrschneider (Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, N.F., Beiheft 7), Berlin 2005, S. 121-145.
Benutzte Archivalien:
Akten des Bestands "Fürstentum Minden Landstände", bes. Nr. 1, 2, 5, 29, 30, 194, 195
Dienstregistratur A 2 Nr. 1, 11
Alte Repertorien Nr. 114
- Date of creation of holding
-
1489-1810
- Other object pages
- Delivered via
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
23.06.2025, 8:11 AM CEST
Data provider
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Abteilung Westfalen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1489-1810