Bestand
Reichskammergericht (Bestand)
Einleitung: Die Wertheimer Reichskammergerichtsakten wurden im Oktober 1996 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart vom dortigen Bearbeiter des Projekts Reichskammergericht neu verzeichnet. Es handelte sich um 18 Faszikel mit einer Stapelhöhe von insgesamt 30 cm. Die Akten - sämtlich Wetzlarer Provenienz - waren 1861 vom Großherzoglich Hessischen Oberappellationsgericht in Darmstadt an das Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg abgegeben worden. In Wertheim wurden 17 der abgegebenen Akten im Jahr 1865 von dem fürstlichen Registrator Hottenroth an den Bestand 9 des so genannten Alten Archivs, der löwensteinische Kammergerichts- und Reichshofratssachen enthält, mit fortlaufender Nummerierung angegliedert (Nr. 220-236). Eine Akte in Sachen Johann Haas und Kons. von Vielbrunn ./. Kondominat Breuberg wurde in die Neue Registratur der Domänenkanzlei übernommen (Registraturnr. 3662) und ist von dort in Bestand Lit. B des so genannten Neuen Archivs (Signatur: StAWt-R Lit. B Nr. 4457) gelangt. In Zuge der Neuverzeichnung sind sämtliche Akten wieder in einem Provenienzbestand zusammengeführt worden (Bestand StAWt-R J 10). Dabei wurde die Reihenfolge gegenüber der ursprünglichen Anordnung in Bestand Rep. 9 verändert. Waren dort zunächst die löwensteinischen Aktiv- und danach die Passivprozesse verzeichnet (Nr. 220-229, 230-236) worden, so entspricht die Anordnung in dem neuen Bestand der Ordnung der Wetzlarer Generalausteilung. Im vorliegenden Inventar (künftig: Inv.) erscheinen die Akten also nach Klägernamen in alphabetischer Reihenfolge. Zwei Nummern des alten Wertheimer Repertoriums wurden bei der Inventaraufnahme aufgeteilt (Inv. Nr. 6/7, 18/19). Rep. 9 Nr. 220 (Wetzlar L 2713, Inv. Nr. 6/7) enthielt zwei schon in älterer Zeit miteinander vermengte Prozessakten, während in Nr. 234 (Inv. Nr. 18/19) zwei mit unterschiedlichen Wetzlarer Nummern versehene Akten (W 648, 1483), vermutlich wegen ihres geringen Umfangs, zusammen verpackt und signiert worden waren. Die innere Ordnung der Akten war mit Ausnahme des gehefteten Stücks Nr. 2 (vormals Lit. B Nr. 4457) durchgehend gestört, so dass die im Protokoll festgelegte Quadrangel-Reihenfolge erst hergestellt werden musste. Nicht unerheblichen Aufwand erforderte dies bei Nr. 6/7 wegen Teilung und unzulänglichem Protokoll, Nr. 16 wegen fehlender Quadrangulierung und zahlreichen Beilagenreihen sowie bei Nr. 5, wo mehrere nicht quadrangulierte Stücke mit so genannten "roten Nummern" eingefügt werden mussten. Hier wie in anderen Einzelfällen wurde nachquadranguliert, das heißt es wurden die richtigen Quadrangel-Nummern anhand des Protokolls und Präsentatum-Vermerks ermittelt. Sie wurden danach mit Bleistift auf der Rückseite des entsprechenden Schriftstücks vermerkt sowie im Protokoll abgestrichen. Vereinzelt waren auch Umlegungen innerhalb des Bestands nötig, die nach dem Vorbild der Verzeichnung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart nicht vermerkt wurden. Auszusondernde oder abgabeverdächtige Akten und Schriftstücke fanden sich nicht, doch ist aus Protokoll und Schriftsätzen in vier Fällen Verdacht auf frühere Entnahmen (Urkunden) gegeben. Die betreffenden Stücke konnten bislang allerdings nicht ermittelt werden. Von den 20 Prozessakten des Inventars betreffen jeweils acht das löwenstein-erbachsche Kondominat Breuberg im Odenwald sowie die Herrschaft Habitzheim bei Dieburg, die mit Scharfeneck zu den Besitzungen des im 17. Jahrhundert erloschenen wolfgangischen oder Scharfenecker Zweigs des Hauses Löwenstein gehört hatten. Das Gesamthaus und die älteren Grafen sind vertreten durch die Prozesse Graf Ludwigs I. von Löwenstein mit der Reichsstadt Worms und einzelnen Bürgern kurz nach 1500 (Nr. 6/7). Es handelt sich zugleich um die ältesten Akten des Wertheimer Inventars. Sie sind von geschichtlichem und rechtshistorischem Interesse wegen des Zusammenhangs mit der Acht gegen die Stadt Worms (Streit mit dem Bischof) sowie wegen der prozessualen und verfassungsrechtlichen Fragen, die für derartige Fälle aus der Frühzeit des Reichskammergerichts typisch sind. Die Grafschaft Wertheim betrifft ein Streit um den Mainzischen Stapel in Miltenberg (Nr. 11). Die Akte ist von Bedeutung für die Geschichte der Wertheimer Schiffer und für die Mainschifffahrt insgesamt. Das Gebiet des heutigen Bundeslands Baden-Württemberg wird im Übrigen nur noch von einem Fall berührt, der Klage des Johann Ludwig von Löwenstein, ehemals württembergischer Hofmeister in Gochsheim, gegen die Reichsstadt Wimpfen wegen unerlaubten Arrests. Es handelt sich um einen Irrläufer, da dieser von Löwenstein nicht zum gräflichen/fürstlichen Haus, sondern zu der gleichnamigen niederhessischen Adelsfamilie gehört (Nr. 16). Unter den Akten betreffend die Herrschaft Breuberg überwiegen Hoheitsstreitigkeiten mit Hessen und dem hessischen Amt Lichtenberg, um das breubergische Dorf Wersau mit Bierbach. Zwei Prozesse aus der Mitte des 16. Jahrhunderts behandeln das Besteuerungs- und Schatzungsrecht (Nr. 8/9), drei aus dem 17. Jahrhundert die versuchte Ausdehnung der hessischen Zehntgerichtsbarkeit (Nr. 12-14). Inventar Nr. 15 betrifft die Zehntstreitigkeit mit der den Herren von Kronberg verpfändeten kurmainzischen Besitzung Wörth. Ferner sind vorhanden zwei Kondominationsstreitigkeiten mit Erbach, so über die Jagdgerechtigkeit im 17. Jahrhundert (Nr. 15) und eine Vermessungsangelegenheit um 1800 (Nr. 2). Die Habitzheimer Sachen betreffen neben dem dortigen Schloss die Gemeinden Spachbrücken, Zeilhard und Groß-Zimmern. Je zwei Prozesse wurden mit Kurmainz und den Herren von Haxthausen zu Georgenhausen geführt. Streitig war mit Mainz die Erhebung der Türkensteuer in Groß-Zimmern (Nr. 17) und das Weiderecht der mainzischen Klein-Zimmerner in den benachbarten löwensteinischen Orten (Nr. 10). Gegen die von Haxthausen war anhängig ein Streit um das Besteuerungsrecht in Markung Zeilhard und die Triebgerechtigkeit der Schäferei Dilshofen (Nr. 3/4). Mit den Herren von Wallbrunn wurde um Frondienste für Schloss Habitzheim gestritten (Nr. 18). In einer Erbstreitigkeit derer von Rodenhausen wurden die Inhaber der Herrschaft wegen Rechtsverweigerung belangt (Nr. 19). In den Bereich des wolfgangischen oder scharfeneckschen Zweigs fallen ferner zwei Schuldklagen aus dem 16. Jahrhundert (Nr. 5 und 20). Nr. 20 ist von Interesse wegen Einblicks in die Hofhaltung des Reichskammergerichts Graf Friedrich von Löwenstein. Instanzprozesse sind nur in einem Fall vorhanden (Nr. 7); die übrigen Akten betreffen Citations- und Mandatsprozesse. Der Wertheimer Bestand an Reichskammergerichtsakten stellt archivgeschichtlich in gewisser Weise ein Kuriosum dar. Dass seitens des Großherzogtums Hessen Akten an das Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg ausgefolgt wurden, obwohl diese hessische Gebietsteile betrafen, ist allein darauf zurückzuführen, dass man der Überlieferung des Reichskammergerichts in Hessen generell nur geringe Beachtung geschenkt hat und aus diesem Grund bereit war, den Standesherren im Großherzogtum die sie betreffenden Prozessakten zu überlassen. Von dem Angebot haben außer den Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg offenbar nur die Grafen von Solms-Laubach Gebrauch gemacht. Von dem in Darmstadt verbliebenen Rest der Akten ist der allergrößte Teil kassiert worden. Die nach Wertheim gelangten Akten, die gemäß den Aufteilungsprinzipien des 19. Jahrhunderts heute eigentlich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt zu erwarten wären, entgingen dieser Kassation. Sie stellen insgesamt allerdings nur einen Bruchteil der Reichskammergerichtsprozesse dar, an denen die Grafen und Fürsten von Löwenstein-Wertheim beteiligt waren. Soweit diese Beklagte waren, ist die Masse der Überlieferung heute im Generallandesarchiv Karlsruhe zu suchen; im Falle der katholischen Linie, die zeitweise in Kleinheubach residierte, sind einige Akten auch ins Bayerische Hauptstaatsarchiv München gelangt.
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim, R-J 10
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Wertheim (Archivtektonik) >> Rosenbergisches Archiv >> Provenienzbestände >> Reichskammergericht
- Indexbegriff Sache
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Reichskammergericht
- Bestandslaufzeit
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1503-1805
- Weitere Objektseiten
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- Rechteinformation
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- Letzte Aktualisierung
-
25.03.2024, 13:33 MEZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1503-1805