Bestand

Reichskammergericht (Bestand)

Vorwort: Durch den Reichstagsabschied zu Worms vom 7. August 1495 wurde die Errichtung eines ständigen Reichskammergerichts beschlossen, das anstelle des bisherigen kaiserlichen Kammergerichts treten sollte. Es wurde im gleichen Jahr von Kaiser Maximilian I. in Frankfurt eröffnet. Wenn es auch als oberstes Reichsgericht fungierte und wenn auch die Urteile im Namen des Kaisers gesprochen wurde, so blieb das Gericht doch eine Einrichtung der Reichsstände, denn sie besetzten die Stellen (bis auf die des Präsidenten), und sie waren es, die für den Unterhalt des Gerichts aufkamen. Die Anfangszeit des Gerichts ist durch häufigen Ortswechsel und durch zeitweilige Einstellung der Arbeit gekennzeichnet. In Frankfurt am Main tagte es 1495-1499, in Nürnberg 1501, in Regensburg 1503/04 und 1507/09, in Worms 1509-1513, in Speyer 1513/14, in Worms 1514-1519, in Nürnberg 1521-1524, in Eßlingen 1524-1527. Seitdem ließ es sich für mehr als 150 Jahre in Speyer nieder, von wo dann aber zur Zeit der Kriege Ludwigs XIV.1689 die Flucht vor den Franzosen zuerst nach Frankfurt, dann nach Wetzlar angetreten werden mußte. Dort blieb das Gericht bis 1806, bis zum Ende des alten Reiches. Der häufige Ortswechsel wirkte sich verständlicherweise negativ auf die Aktenführung aus (von Lübeck sind deshalb für die Zeit bis 1527 auch nur 14 Prozesse erhalten). Bei der Flucht vor den Franzosen wurden die abgeschlossenen Prozeßakten zurückgelassen und nur die Unterlagen der schwebenden Verfahren mitgenommen. Die Franzosen bemächtigten sich des Aktenbestandes und gaben ihn erst im Anschluss an den Frieden von Rijswijk 1697 und nur zum Teil zurück.

Die räumliche Zuständigkeit des Gerichts war für das Römische Reich deutscher Nation vorgesehen, allerdings nicht im einzelnen festgelegt. Belgien, die Niederlande und das Elsaß wurden zum Teil mit erfaßt. Die sachliche Zuständigkeit des Reichskammergerichts in der ersten Instanz galt für alle Zivilklagen (einschließlich Injurienklagen) gegen Inhaber der Reichsmittelbarkeit, außerdem für Klagen gegen jedermann wegen Landfriedensbruch. Im Mandatsprozeß konnte das Gericht ebenfalls angerufen werden, wenn es um eine einstweilige Verfügung (Mandat) ging. Dies schloß jedoch die Nachprüfung in einem folgenden ordentlichen Prozeß nicht aus. Sonst war das Reichskammergericht Berufungsgericht für Zivilklagen in zweiter oder auch in dritter Instanz gegen richterliche Entscheidung landesherrlicher Unter- und Obergerichte in Berücksichtigung der jeweiligen Appellationsprivilegien nur von einer bestimmten Streitsumme ab. Als Beschwerdegericht fungierte es in Fällen von Rechtsverschleppung und -verweigerung durch landesherrliche Gerichte.

Zwar war eine Umständlichkeit fast sprichtwörtlich, zudem gab es teilweise Konkurrenzprobleme mit dem (kaiserlichen) Reichshofrat, dennoch war es ein sowohl in der Rechtsfindung anerkanntes Gericht, als auch eine angesehene Ausbildungsstätte für anspruchvolle Rechtskandidaten. Es unterstand der Aufsicht des Kurfürsten von Mainz, des Reichskanzlers. Insgesamt sind wohl an die 100 000 Prozesse in den etwa 300 Jahren seines Bestehens geführt worden.

Nach der Auflösung des alten Reiches galt es, die noch schwebenden Verfahren an die nun neuerdings zuständigen Gerichte weiterzuleiten und den Bestand der abgeschlossen Akten sinnvoll zu verteilen. Zu diesem Zweck wurde 1808-1815 eine erste Verzeichnung aller in Wetzlar wiedervereinigten Akten vorgenommen, denn man hatte z.T. noch in Aschaffenburg verwahrt. 1818 hatte die Deutsche Bundesversammlung als Rechtsnachfolgerin des Kaisers und des Reichstages Preußen die treuhänderische Verwaltung des Archivs übertragen. 1821 war eine "Reichskammergerichts-Archiv-Commission" ins Lebengerufen worden, die ein Generalrepertorium anzulegen hatte, dessen Ordnung von Klägern und Berufsklägern ausgehen sollte. Die Arbeiten schritten nur langsam fort. Noch 1838 berichtete der Bremer Bürgermeister Smidt, der damals die Stimmführung für die drei Hansestädte beim Deutschen Bund innehatte, "daß durch Abforderung solcher Acten etwas mehr Raum gewonnen würde, um die im Jahr 1808 in Fässern von Speyer und Aschaffenburg nach Wetzlar transportieren alten Acten nur aufstellen zu können. Man habe sie zwar aus den Fässern herausgenommen, diese seyen jedoch eigentlich nur umgestürzt und alles auf einen Haufen geschüttet" worden. In Wetzlar scheine um diese Zeit noch "ziemlich viel Confusion zu herrschen", und man begreife nicht recht, " wie man sich ein vollständiges Verzeichniß soll verfertigen lassen können, wenn die Acten nur theilweise aufgestellt sind und zur completen Aufstellung kein Platz vorhanden ist".

Die von der Bundesversammlung 1845 beschlossene Verteilung der Archivalien an die deutschen Bundesstaaten gründete sich auf diese dann doch abgeschlossene Ordnung. Man dachte sich die Sache so, daß die einzelnen Regierungen Verzeichnisse der sie betreffenden Akten abfordern sollten und dann nach Auswahl die Akten übernehmen würden, wobei die Aushändigungs- und Transportgebühren zu entrichten waren. 1840 wurden die ersten fünf Kisten nach Lübeck transportiert. 1847 lagen wiederum Akten für Lübeck in Wetzlar bereit, nachdem anscheinend erst jetzt nach Entlassung des Hofrats Dietz die Sache ihren Fortgang genommen hatte. Die in Lübeck heute noch vorhandenen Aktenverzeichnisse wurden ab Buchstabe C (vorher Dietz u.a.) von dem Landgerichtsrat Larenz in Wetzlar während der Jahre 1847-1852 angefertigt und enthalten die alte Aktennummer, Namen des Klägers am RKG, Wohnort, Parteiverhältnis in erster Instanz, Namen des Beklagten am RKG, Wohnort, Parteirolle in erster Instanz, Gegenstand des Streites, Angabe des Gerichts in erster Instanz, Jahr der Einführung am RKG, Umfang der Akten. Aus dem September 1847 liegt eine Liste derjenigen Akten vor, die nach Bundesbeschluß vom 4. September 1845 bei einem Landgericht niederzulegen waren, d.h. anscheinend noch für den Geschäftsgebrauch benötigt wurden. Sie gelangten 1885 ins Archiv. Es folgen dann die Lübecker Empfangsbescheinigungen bis 1852. Damit scheinen alle für Lübeck vorgesehenen Akten auch abgerufen worden zu sein.- Das Problem der Akten des beiderstädtischen Amtes Bergedorf wurde in der Weise gelöst, daß bestimmte Prozeßsachen (Altengamme, Curslak) an die Freie und Hansestadt Hamburg abgeliefert wurden, während alle anderen in Lübeck blieben. Bis 1852 sind aus Wetzlar insgesamt ca. 71600 Akten verteilt worden, davon in Lübeck ca. 770 (zum Vergleich Preußen 23700, Bayern12400, Württemberg 5300, Hamburg 1339, Bremen 478).

Erst 1912 hat man die Reichskammergerichtsprozeßakten in Lübeck übersichtlicher verzeichnet, jedoch die oben erwähnten Wetzlarer Ablieferungsverzeichnisse in ihrem Aussagewert nicht überholt. 1948 wurde dem neuen Verzeichnis ein Sach- und Ortsindex beigegeben. 1977 stellte der Frankfurter Rechtshistoriker Bernhard Diestelkamp einen Plan zur Verzeichnung der Reichskammergerichtsakten vor,- da eine reale Zusammenführung aller Akten des Reichskammergerichts unmöglich ist - um wenigstens auf diese Weise eine Rekonstruktion des großen und wichtigen Bestandes zu ermöglichen, ber der einheitliche Verzeichnungsrichtlinien zugrunde liegen sollten. Zudem - und so ist es auch eingetroffen - erhoffte man sich eine große Ausbeute an rechtsgeschichtlichen, verfassungsgeschichtlichen, aber auch wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Erkenntnissen durch die genaue Erschließung der Akten.

Mit seiner nur notdürftigen Verzeichnung stand das Archiv der Hansestadt Lübeck allerdings nicht allein da. Erst 1957 begann das Staatsarchiv Koblenz mit der Veröffentlichung eines modernen Verzeichnisses seiner Reichskammergerichtsprozeßakten, es folgten Staatsarchive Münster, Wolfenbüttel, Stade, Oldenburg, Darmstadt. 80 % des einstigen Bestandes beziehen sich auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, und bisher scheint nur in Baden-Württemberg noch Zurückhaltung gegenüber der Teilnahme an dem Verzeichnungsprojekt zu herrschen. Als Nebeneffekt ergab sich z. T. auch bei der genauen Durchsicht der Akten die Entdeckung von Irrläufern und die Identifizierung von Bruchstücken, die an die zuständigen Archive weitergeleitet werden konnten. So wurden Lücken aufgefüllt, und so konnten Fehlentscheidungen revidiert werden, zu denen es vor etwa 150 Jahren in Wetzlar bei der willkürlichen Auseinanderreißung der Bestände oder durch falsche Namenslesung gekommen war.

In den Jahren 1982/83 arbeitete Hans-Konrad Stein im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, welche das Projekt finanziell trug, an der Erschließung des Lübecker Reichskammergerichtsbestandes, nachdem er zuvor die Arbeit an den Hamburger Akten abgeschlossen hatte. In den Jahren 1984/85 widmete er sich dann den Reichskammergerichtsprozeßakten im Landesarchiv Schleswig- Holstein. Es ist auch geplant, die Verzeichnisse der drei genannten Archive möglichst in nicht zu großen Abständen zu veröffentlichen, so daß sich auf diese Weise eine ideelle Rekonstruktion der Wirkung des Reichskammergerichts auch für den Norden Deutschlands ergibt. Über die Grundsätze der Verzeichnung und die Anlage der vielseitigen Indices wird H.-K. Stein im folgenden berichten.

Gehörten die Reichskammergerichtsakten bisher zu den wertvollsten Beständen des Archives der Hansestadt Lübeck, so hat sich diese 45 Jahre währende Situation letzthin geändert, da die 1942 einst kriegsbedingt ausgelagerten älteren Archivbestände im März und April 1987 größtenteils nach Lübeck zurückgekehrt sind. Auf diese Weise wird nach den notwendigen und langwierigen Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten an den zurückgekehrten Archivalien auch die wünschenswerte Integration des vorbildlich erschlossenen RKG- Bestandes in den gewachsenen Archivkörper möglich, so daß Information und Einsicht in größere historische Zusammenhänge grundlegend erweitert und verbessert werden können.

War es in Archiven bisher meistens üblich gewesen, die (noch dazu zahlenmäßig geringe) Benutzerschaft der Reichskammergerichtsakten zumeist unter den Genealogen zu suchen, so kann man für Lübeck zwar auch nur konstatieren, daß der Bestand nicht gerade meistbenutzten gehört hat, aber dennoch läßt sich sagen, daß gerade für rechts- und wirtschaftsgeschichtliche sowie topographische Fragen die Prozeßunterlagen nicht erst neuerdings häufiger Interesse fanden. Geht es darin doch z.B. in Ausführlichkeit um die Auseinandersetzung mit dem Hosteinern und den Lauenburgern um die Möllner Pfandschaft oder um die Streitigkeiten mit Mecklenburg um Dassower See, Pötenitzer Wiek und die Fischereirechte in der Lübecker Bucht; in den Reichsprozessen von 1890 und 1928 trug die Heranziehung der einschlägigen Reichskammergerichtsprozeßakten zu dem (für Lübeck) günstigen Ausgang der Verhandlungen entscheidend bei.

Die intensive Neuverzeichnung des Bestandes wird nun noch neue Einsichten ermöglichen, insbesondere im kaufmännischen und gewerblichen Bereich. So sind z.T. Kaufmannsbücher oder Kaufmannsabrechnungen und Aufzeichnungen über gewerbliche Zusammenhänge den Prozeßakten beigegeben, bzw. zu entnehmen. Der überregionale Bezug, der durch die Handelsverbindungen über die Ostsee oder auch nach England gegeben ist, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Der zeitliche Schwerpunkt der Akten fällt in das 16. Jahrhundert (über die Hälfte der Prozesse), ein Viertel dann in das 17. Jahthundert, ein Sechstel in das 18. Jahrhundert.

Hinzuweisen ist noch darauf, daß die Urteile nicht in den Prozeßakten zu finden sind; ihretwegen muß man auf den sog. "Untrennbaren Bestand", die ca. 10 % an Generalakten, Sitzungsakten usw. des Reichskammergerichtsaktenbestandes, verweisen, in dem sich auch die allerdings schwierig zu benutzenden Urteilsbücher ( seit 1573) befinden ( heute im Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt, Seckbächer Gasse 4-7, 6000 Frankfurt). Wie erwähnt, waren die Reichsstände für Finanzierung und Besetzung des Gerichtes zuständig, und so geben im Archiv der Hansestadt Lübeck die Interna, Camera Imperialis, des Alten Senatsarchivs Auskunft über die Beziehungen der Travestadt zum Reichskammergericht. Die Akten Altes Senatsarchivs, Deutscher Bund A 59,2, unterrichten über die Verteilungsverhandlungen nach 1806 ( hieraus auch das Zitat).

Es ist ein schöner Erfolg, daß durch die vorliegende eingehende Verzeichnung dieser wertvolle Bestand der Benutzung erst richtig zugänglich gemacht werden konnte, wenn natürlich auch die nur auf zwei Jahre bemessene Zeit für die Durchführung der Verzeichnungs- und Registerarbeiten der Intensität der Erschließung des einzelnen Schriftstückes Grenzen setzte.

Lübeck, im November 1987 Graßmann


LITERATUR:

Walther Latzke, Das Archiv des Reichskammergerichts, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 78 (1961), Seite 321-326.

Das Staatsarchiv Münster und seine Bestände: Gerichte des Alten Reiches, Teil I, Reichskammergericht A-K, bearb. v. Günter Aders und Helmut Richtering, Münster 1966, S. VII-XII.

Hans-Konrad Stein, Neuverzeichnung der Akten des Reichskammergerichts im Staatsarchiv Hamburg und Archiv der Hansestadt Lübeck, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 14 (1982), S. 30-34.

Bernhard Diestelkamp, Forschungen aus Akten des Reichskammergerichts, Köln / Wien 1984, S. VII-XIII. (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich, Band 14).

Sönke Lorenz, Das Reichskammergericht. Ein Überblick für den angehenden Benutzer von Reichskammergerichtsakten über Geschichte, Rechtsgang und Archiv des Reichsgerichts mit besonderer Berücksichtigung des südwestdeutschen Raumes, in: Zeitschrift für Würtembergische Landesgeschichte 43 (1984), S. 175-203.

Rudolf Smend, Das Reichskammergericht, Weimar 1911. (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches im Mittelalter und Neuzeit Band IV, H. 3).

Otto Koser, Repertorium der Akten des Reichskammergerichts, Untrennbarer Bestand, I (1933), u. II (1936).

Das Bundesarchiv und seine Bestände, 3. Aufl., Boppard / Rhein 1977, S. 3-5. (Schriften des Bundesarchivs 10).

W. Sellert, Prozeß des Reichskammergerichts, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 5. Bd. (25. Lieferung), Berlin 1985, Sp. 30-36.


Hinweise für die Benutzung der Reichskammergerichtsakten

Die Ordnung der Akten

Am Anfang der Akte liegt das Protokoll, in dem der zeitliche und formale Prozeßverlauf verzeichnet ist. Die weiteren Aktenstücke werden dann nach ihrer (meist auch im Protokoll angegebenen) Quadrangel- Nummer geordnet. Aktenstücke ohne Quadrangel werden hinter den Schriftstücken mit Quardrangel eingeordnet, hier dient die zeitliche Abfolge der Einreichung der Schriftstücke beim Gericht zur Ordnung der Aktenstücke.

Die häufig sehr umfangreichen Vorakten und die dazugehörigen "rationes decidendi" wurden aus technischen Gründen an den Schluß der Akte gelegt; nur sehr dünne Vorakten werden nach der Quadrangel-Nummer oder dem Einreichungs-Vermerk eingeordnet.

Der Inhalt der Akten wird durch die Titelaufnahme und die Indices erfaßt.

Die Titelaufnahmen wurden nach Grundsätzen durchgeführt, die durch für die Verzeichnung der Aktenbestände des Reichskammergerichts in den Archiven anderer Bundesländer Geltung haben.

Da diese Grundsätze zur besseren Erfassung des Lübecker Bestandes präzisiert, ergänzt und in einzelnen Bereichen modifiziert wurden, sollen sie jetzt in dieser für Lübecker RKG-Akten gültigen Form dargestellt werden:

Die Titelaufnahme gliedert sich nach den Ziffern 1 - 8:

1. Signaturen

Links ist die laufende Nummer als gültige Archivsignatur vermerkt, rechts die Signatur des in Wetzlar angefertigten, jetzt im Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt am Main, befindlichen Generalrepertoriums.

2.-3. Parteien

Unter Ziffer 2 wird der Kläger, bzw. der Antragsteller, und gegebenenfalls der Nebenkläger beim RKG angeführt, unter Ziffer 3 der Beklagte, bzw. der Antragsgegner, gegebenenfalls der Nebenbeklagte beim RKG. Bei den Parteien werden möglichst der Vorname, Nachname, Beruf, Titel und Wohnort angegeben, gegebenenfalls auch das Verhältnis zu anderen Personen oder Institutionen (als Vormund des ..., namens seiner Frau).

Bei Reichsständen und kirchlichen Instituten wird der Personenname nur dann erfaßt, wenn sie - wie z.B. die Grafen und Herzöge von Holstein - in sehr vielen Prozessen auftauchten und der Personenname eine sinnvolle Unterscheidung für den Benutzer der Akten darstellt. Das Prinzip, sämtliche Prozeßbeteiligte zu erfassen, konnte nicht immer durchgeführt werden. In einzelnen Fällen hätte eine Erfassung sämtlicher Erben als Prozeßbeteiligte mehrere Seiten erfüllt; hier wurde die Regelung getroffen, daß nur ein (eventuell "prominentes") Mitglied jeder beteiligten Familie verzeichnet wird. Bei länger andauernden Prozessen werden die Rechtsnachfolger von Parteien nur dann erfasst, wenn es für das Verständnis des Prozeßverlaufes unbedingt notwendig ist. In den Prozeßakten können also auch Dokumente über Verwandte und Nachkommen der verzeichneten Personen vorhanden sein. Bei den Vornamen wurde in orthographischer Hinsicht behutsam modernisiert, z.B. "Hannß" in "Hans", "Pawel" in "Paul". Ansonsten wird die Schreibweise aus den Akten entnommen.

Bei den Nachnamen wird bei heute noch bestehenden bekannten Familien die heutige Schreibweise gewählt. Es wurden auch einschlägige Standard-Werke herangezogen; so werden die Namen von Lübecker Ratsherren nach den Veröffentlichungen von Fehling verzeichnet. Ansonsten wird möglichst die Schreibweise nach den eigenhändig unterschriebenen Vollmachten für die Prokuratoren bestimmt. Um Varianten zu erfassen und Zweifelsfälle abzudecken, wird mit Klammer-Zusätzen gearbeitet . Dabei wurde die umfassende Personenpartei des Lübecker Archivs herangezogen. Latinisierte Namen werden nach Möglichkeit nicht übernommen; so wird der Name "Ludovicus Wedemanus" als "Ludwig Wedemann" erfaßt; bei größeren Abweichungen wird mit Klammerzusätzen gearbeitet, z.B. "Weiß" (Albus). Da das alte Wetzlarer Repertorium nach anderen Grundsätzen und häufig auch fehlerhaft erstellt worden ist, ergeben sich bei den Personen-Namen in mehreren Fällen recht große Differenzen; das ist bei der Benutzung der Urteilsbücher (in der Außenstelle Frankfurt am Main des Bundesarchives) zu berücksichtigen.

Die Ortsnamen werden in heutiger Schreibweise verzeichnet; interessante Varianten werden in Klammer-Zusätzen erfaßt. Eine nähere Identifizierung der Ortsnamen erfolgt nur dann, wenn Verwechslungsmöglichkeiten wie z.B. bei den Namen "Neustadt" vorliegen; dann wird mit Zusätzen wie "an der Elbe" oder "in Holstein" gearbeitet, um eine "unzeitgemäße" Kennzeichnung durch die Kreiszugehörigkeit zu vermeiden.

Die Partei-Eigenschaft in der Vorinstanz (bei mehreren Vorinstanzen: in der 1. Vorinstanz) wird durch Klammer-Zusätze (wie z.B. "Kl. vor dem Obergericht") angegeben. Wenn die Partei-Eigenschaft in der 1. Vorinstanz nicht eindeutig bestimmt werden kann, wird die nächste Instanz dazu benutzt.

4. Prokuratoren

Hier werden die Namen der im Reichskammergerichts-Prozeß tätigen Prokuratoren und der bei Revisions-Prozessen allein zugelassenen Notare verzeichnet. Die Prozeßvertreter werden unter Ziffer 2 und 3 angegebenen Prozeßparteien zugeordnet. Wenn mehrere Anwälte für verschiedene Angehörige einer Prozeßpartei tätig wurden, wird eine genauere Zuordnung nicht gegeben. Das Jahr der Bevollmächtigung des Prozeßvertreters wird nur angegeben, wenn eine Partei durch mehrere Prozeßvertreter nacheinander repräsentiert wurde; sonst fällt das Jahr der Bevollmächtigung fast immer mit dem Jahr des Prozeßbeginns beim RKG zusammen. Bei der Schreibweise der Namen wurden ergänzend die Veröffentlichungen von G. Groh über das Personal des Reichskammergerichtes herangezogen (in: Pfälzische Familien- und Wappenkunde 5 (1956), S. 101 ff. und in: Schriften zur Bevölkerungsgeschichte der pfälzischen Lande, Folge 5).

5. Streitgegenstand

Hier wird zunächst die Prozeßart in der lateinischen Formulierung des Protokolls, bzw. der Präsentationsvermerke angeführt; längere Zusätze, die sich mit der Beschreibung des Prozeßinhalts überschneiden, werden ausgelassen. Bei der "confirmatio" z.B. einer Schenkungs-Urkunde durch das RKG werden - zur Absetzung von den anderen Gerichtstätigkeiten - die Rubriken 2-4 nicht ausgefüllt, da es ja auch Prozeßparteien in diesem Fall nicht gab; Antragsteller und Anwalt werden bei der Prozeßbeschreibung erwähnt.

Um die Prozeßformen und den Prozeßverlauf weitgehender zu erfassen, werden noch in Klammer-Zusätzen Angaben gemacht wie "Klageerhebung im Armenrecht", "im Prozeßverlauf gescheiterter Antrag auf restitutio in integrum", "beendet durch außergerichtlichen Vergleich"; diese Hinweise erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Danach erfolgt eine möglichst genaue Beschreibung des Streitgegenstandes nach Sache, Ort, Personen und Zeit. Das bedeutet in der Regel eine Neuformulierung und Präzisierung gegenüber den Angaben des Wetzlarer Repertoriums. Rechtsgeschichtlich relevante Sachverhalte können gut erfaßt werden wie "Zuständigkeit des Reichskammergerichts und Fragen der Beweisführung in einem Streit um...", auch die Ergänzung: "Einrede des Beklagten, daß.." u.ä. gibt entsprechende Möglichkeiten.

6. Instanzen

Die Instanzen werden fortlaufend nummeriert und jeweils mit dem Anfangs- und Endjahr angeführt. Erfaßt werden nur verschiedene Gerichtsinstitutionen, nicht mehrere Verfahren bei einer Institution. Vom Reichskammergericht eingesetzte Kommissionen werden unter Ziffer 7 erfaßt, da hier besser nähere Angaben über Zweck und Personal der Kommission gemacht werden können; nur wenn von einem Spruch einer solchen Kommission an das Reichskammergericht appelliert wurde, wird die Kommission als Instanz angeführt. Bei den Vorinstanzen wird der Gerichtsort nur angegeben, wenn es sich nicht um Lübecker Gerichtsinstanzen handelt; die Kennzeichnung "Obergericht" bedeutet also immer "Lübecker Obergericht". Vorinstanzen, deren Akten nicht vorliegen, stehen in Klammern. Der Hinweis, daß Akten der Vorinstanz vorhanden sind, bedeutet, daß nicht nur z.B. das Urteil, sondern ausführliche Dokumente, z.B. Prozeßschriften, in der Akte sind. Wenn ein Prozeß bei einer Vorinstanz nach abgeschlossenem Reichskammergerichtsprozeß weiterverhandelt wurde, werden die entsprechenden Jahreszahlen in Klammern hinzugefügt. Das Reichskammergericht (RKG) war fast immer die letzte Instanz; nur in Ausnahmefällen war die Visitations-Deputation oder der Reichstag die höhere Instanz, an die sich die Parteien wenden konnte. Beim RKG werden das Einführungsjahr und das Endjahr nach dem Protokoll, danach - soweit abweichend - in Klammern Anfangs und Endjahr der Produkte genannt. Wenn nur Zeitangaben in Klammern gegeben werden, fehlt das Protokoll.

7. Darin-Vermerke

Hier werden die im Verfahren vorgebrachten Beweismittel erfaßt, z.B. Urkunden, Inventare und Rechnungen, Weistümer und andere Rechtsquellen, Genealogien, Karten/Pläne und Bilder. Auch die Rechtsgutachten von Juristen-Fakultäten und Schöppenstühlen werden verzeichnet, ebenso die Gutachten von Gerichten und prominenten Juristen. Vermerkt wird auch, wenn zahlreiche Zeugen über die strittige Sache aussagen; ein einzelnes Zeugenverhör wird - weil das sehr häufig vorkommt - nicht angeführt. Um die Extrajudiziale Tätigkeit des RKG besser erfassen zu können, werden hier auch z.B. die "Schreiben um Bericht" des RKG an die Vorinstanz erfaßt. Personennamen werden hier nur dann noch aufgenommen, wenn sie im Prozeß eine Rolle spielten oder zum Verständnis des Prozeßgegenstandes nötig sind; so werden z.B. frühere Besitzer eines Wechsels oder eines Hauses in der Regel nicht verzeichnet. Geldsummen z.B. bei Kaufverträgen werden nur dann vermerkt, wenn die Höhe des Geldbetrages im Prozeß eine Rolle spielte. Bei der Beschreibung des Prozeßgegenstandes und der vorgelegten Beweismittel werden die zeitgenössischen Begriffe möglichst übernommen. Weniger bekannte Begriffe werden in der Titelaufnahme schlagwortartig durch Klammer-Zusätze erklärt; falls eine ausführlichere Erklärung notwendig ist, wird sie in den Indices geliefert, um den Textzusammenhang in der Titelaufnahme nicht zu stören. Mehrere Dokumente werden stichwortartig zusammengefaßt, wenn das sachlich vertretbar erscheint ( z.B. "Geschäftsbriefe aus der Zeit 1710-1730"). Wenn das Original z.B. eines Testaments in den Akten vorhanden ist, wird das besonders vermerkt. Die Fundstelle in der Akte wird jeweils angeführt. Mehrfach vorhandene Dokumente werden nach der besten Überlieferung, bzw. bei gleichwertiger Überlieferung nach der zeitlich ersten Fundstelle verzeichnet. Bei "Parallelen" Prozessen, die unter der Ziffer 8 verzeichnet sind, werden vorgebrachte Beweismittel nur einmal erfaßt. Wenn in den Akten Dokumente, die im Lübecker Archiv vollständig erhalten sind, erscheinen, werden sie nur dann verzeichnet, wenn sie für den Prozeßverlauf von Bedeutung sind. Gedruckte Prozeßschriften werden in der Titelaufnahme nicht erfaßt. Dokumente, die in sehr vielen Prozessen - besonders aus verfahrungsrechtlichen Gründen - immer wieder auftauchen, wurden nicht verzeichnet. Das gilt z.B. für die Vollmachten für die Prokuratoren; auf ihnen sind in vielen Fällen Petschaften der Prozeßbeteiligten zu finden. Auch die bei der Kautionsleistung häufig beigebrachten Angaben über den Grundbesitz einer Person (mit hypothekarischen Belastungen; Steuer-Angaben etc.) konnten nicht erfaßt werden. Auch nicht die zahlreichen Boten-Lohnscheine, Abrechnungen der Kanzleien über die Vorakten und Entschuldigungs-Schreiben für Fristverzögerungen der Anwälte.

8. Hinweise

Hier wird der Umfang der Akte in Stapelhöhe angegeben, wenn er mehr als 1 cm beträgt. Falls die Akte unvollständig ist, wird das vermerkt. Verwiesen wird auf parallele Prozesse mit einem vergleichbaren Prozeßinhalt und demselben Kreis der Prozeßbeteiligten. Auch auf die Literatur wir hier hingewiesen.

Benutzte Abkürzungen

Bekl.: Beklagter, auch Supplikat, Impetrat u.a.
d.Ä.: der Ältere
d.J.: der Jüngere
Dr.: Doktor der Rechte
Dr. iur. can.: Dr. der Theologie
exhib.: exhibitum
Hamb. UB: Hamburgisches Urkundenbuch
Hans. UB: Hansisches Urkundenbuch
i. H..: in Holstein
jun.: junior
Kl.: Kläger, auch Supplikant, Impetrant u.a.
lect.: lectum
Lic.: Lizentiat der Rechte
Lüb. UB.: Lübeckisches Urkundenbuch
Mag.: Magister
Nebenbekl.: Nebenbeklagter
Nebenkl.: Nebenkläger
praes.: praesentatum
pro.: productum
Q.: Quadrangel
RHR.: Reichshofrat
RKG.: Reichskammergericht
sen.: senior
SHRU.: Schleswig-holsteinische Regesten und Urkunden

Bei den unter Ziffer 8 gegebenen Verweisen auf Zeitschriften-Aufsätze werden die gängigen Abkürzungen der Zeitschriften-Namen benutzt.


Weitere Hinweise zur Benutzung des Aktenbestandes in:
Peter Oestmann/Wilfreid Reininghaus: Die Akten des Reichskammergerichts. Schlüssel zur vormodernen Geschichte, Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 44, Düsseldorf 2012 (Signatur im AHL: 2013-0016-XIV)








Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben: Im Zuge der Reichsreform 1495 war es das von den Reichsständen ins Leben gerufene oberste Gericht im Reich neben dem 1497 vom Kaiser geschaffenen Reichshofrat (RHR), Vorläufer: Königliches Kammergericht. Die Reichsstände finanzierten das Gericht und besetzten die Assessorenstellen. Der Sitz des Gerichts wechselte besonders in der Anfangszeit öfter (1495-99 Frankfurt, dann aufgelöst; wieder errichtet 1500-02, dann aufgelöst; 1507-09 Regensburg, 1509-19 Worms, 1519 aufgelöst; 1521-24 Nürnberg, 1524-26 Esslingen, 1526-1689 Speyer, 1689-1806 Wetzlar). Rechtlich zuständig war das RKG bei Landfriedensbruch; im Mandatsprozess (einstweilige Verfügung), wobei das Verfahren wieder einem anderen Gericht zugewiesen wurde; in 1. Instanz für alle Zivilklagen gegen Reichsunmittelbare, als Revisionsinstanz (2. u.3.) in Zivilklagen landesherrlicher Unter- und Obergerichte, jedoch unter Wahrung der Appellationsprivilegien und -summen; bei Rechtsverweigerung und -verzögerung. Das RKG stand damit in Konkurrenz zum RHR.

Nach der Auflösung des Reichs wurden die Akten des Gerichts gemäß Beschluss des Bundestages treuhänderisch von Preußen in Wetzlar verwahrt und in einem Gesamtverzeichnis erfasst. Die alphabetische Ordnung nach Namen der Kläger ist bis heute Grundlage der Aktenverzeichnung. Die Aufteilung des Bestandes auf die einzelnen Mitglieder des Deutschen Bundes erfolgte nach dem Wohnsitz des Beklagten bzw. nach dem Sitz der Vorinstanz und führte zusätzlich zu Zerreißungen von Zusammenhängen. In den Jahren 1847-1852 erhielt Lübeck ca. 663 Akten, nach der Neuverzeichnung von H.K. Stein 1982/83 (vgl. Nr. 9) sind es über 770 Einheiten. Eine erste Verzeichnung in Lübeck fand 1912 statt, die 1948 durch Sach- und Ortsindex ergänzt wurde. Der ausgelagerte Bestand kehrte bereits 1946 vollständig zurück.

Bestandssignatur
03.02-1.3/1

Kontext
Archiv der Hansestadt Lübeck (Archivtektonik) >> 03 Behörden bis 1937 >> 03.02 Gerichte und Rechtspflege >> 03.02-1 Gerichte bis 1879 >> 03.02-1.3 Gerichte 3. Instanz

Bestandslaufzeit
1499-1806

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Letzte Aktualisierung
30.06.2025, 10:12 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1499-1806

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