Bestand

Geistliche Lagerbücher: Kloster Adelberg (Bestand)

1. Zu Geschichte und Funktion des Klosteramts Adelberg und seiner Lagerbücher: Die Geschichte des Klosters und des späteren württembergischen Klosteramts Adelberg einschließlich der Entwicklung von der Vogtei zur landesherrlichen Übernahme im Einzelnen ist schon im Vorwort des Bestands A 469 I ¿ III, (Kloster Adelberg , Akten, Amtsbücher und Urkunden) dargestellt. Hier, zur Verzeichnung der zugehörigen Lagerbücher, wie im württembergischen Bereich die amtlich erstellten, systematischen Zusammenstellungen über die Besitzungen, Rechte und Einkünfte einer Herrschaft oder auch einer Verwaltungseinheit heißen, ist natürlich zunächst auf die auch dort schon behandelte Besitzausstattung und deren Verwaltung einzugehen. Bis 1455 bleibt es dabei, dass wir ausschließlich aufgrund einzelner Urkunden ein erstes Bild gewinnen können, mit welchen Einzelbesitzungen, Rechten und Einkünften das Kloster Adelberg nacheinander im Laufe der Zeit ausgestattet wurde. Die erste Bestandsaufnahme für die damalige Ausstattung ist für das Jahr 1455 verbürgt, also für die Zeit nach der Loslösung Adelbergs aus der Paternität von Roggenburg. Allerdings ist diese Bestandsaufnahme nur abschriftlich überliefert (Bände 1 und 2 der hier verzeichneten Lagerbücher). Von ihr ausgehend werden die weiteren Entwicklungen systematisch erfasst. Zunächst, bis 1528 noch in Eigenverantwortlichkeit des Klosters. Soweit ein Renovator angegeben, wurden diese Bände nach 1496 bis 1528 alle erstellt von Georg Wernlin , geb. in Esslingen, Schulmeister zu Adelberg , Öffentlicher Notar, Skribent und Amtmann des Klosters Adelberg. Die Abschrift des zugrundegelegten Bandes von 1455, für den kein Renovator bekannt ist, besorgten, wie alle Bände, die ab 1537 entstanden, württembergische Amtsleute. In der Zeit um 1595 war auch der kaiserliche Notar Johannes Wilhelm Engelhardt damit befasst. Die letzten entsprechenden Zusammenstellungen wurden noch einige Zeit nach der Einverleibung des Kircheguts in das Staatskammergut von den danach zuständigen Kameralämtern verfasst bzw. auszugsweise weiterverarbeitet, um eben diese Vermögensverwaltung übernehmen zu können. Von der Mitte des 15. bis fast zur Mitte des 19. Jahrhunderts definierten also die in diesen Bänden aufgezeichneten Rechtsbeziehungen grundlegende Bedingungen, unter denen sich die Lebensverhältnisse der betroffenen Untertanen, Bürger, Bauern entwickeln konnten. Parallel dazu ist aber auch der Handlungsspielraum der staatlichen Verwaltung und deren Konsequenzen auf das wechselseitige Verhältnis mit dokumentiert. Der für die Überlieferungsgeschichte entscheidende Einschnitt war die nach 1537 durchgeführte Reformation und die damit zwangsläufig verbundene endgültige Aufhebung der Klöster einschließlich ihrer eigenen Herrschaftsrechte, soweit sie trotz der Praxis der Vogteiausübung de jure noch Bestand hatten. V. a. unter Herzog Christoph wurde die Organisation gestaltet, die von da an bis 1806 Bestand hatte; mit Ausnahme kleinerer lokaler Verschiebungen bzw. zeitgemäßer Anpassungen von Zuständigkeiten wie im Fall etwa der Unterbezirke (¿Pflegen" des Gesamtverwaltungsbezirks Adelberg) Esslingen ¿ Weilheim. Absolut grundlegend wichtig war, dass das Vermögen der vorreformatorischen Kirche vom staatlichen Vermögen getrennt blieb. Das so entstandene gesamte "Kirchengut" wurde unter Verantwortung des württembergischen Kirchenrats von württembergischen Beamten verwaltet. Es diente ausschließlich der Versorgung und Erhaltung der Kirche und zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Es konnte also nicht beliebig für sonstige landesherrliche Projekte herangezogen werden.

Die so entstandene Gesamtverwaltung für das Kirchengut gliederte sich notwendiger weise in einzelne Bezirke, die in der Regel den ehemals selbständigen kirchlichen Einheiten entsprachen, so auch im vorliegenden Fall H 102 / 1, Kloster Adelberg. Wiederum gemäß den praktischen Gegebenheiten - wie etwa entfernt liegende größere Außenbesitzungen - war allerdings auch dieser Bezirk neben der Bezirksverwaltung selbst weiter untergliedert in die Pflegen (also Unterbezirke) Esslingen, Göppingen, Waiblingen, Weilheim. Die ebenfalls gesonderte Verwaltung der Rechte aus den Forsten des ehemaligen Klosters Adelberg umfasste wiederum den gesamten Bezirk. In diesen Verwaltungsstellen entstanden unter zentraler Leitung des Kirchenrats die ¿Geistlichen Lagerbücher der Kirchengutsverwaltung" für das Klosteramt Adelberg.

2. Zur Geschichte und Ordnung des Bestands: Die vor Entstehung des württembergischen Klosteramts entstandenen Unterlagen sind, soweit in den Anfängen darauf zurückgegriffen konnte (und musste), wie in den andern Fällen der Geistlichen Lagerbücher (Bestände H 102/1 ¿ H 102/85) mit erfasst. Sie sind nicht nur Voraussetzung für die Entstehung , sondern bleiben großenteils rechtsgültige Bezugsquelle für viele Regelungen über Jahrhunderte hinweg (vgl. etwa die große Zahl von Abschriften mittelalterlicher, also vorreformatorischer Urkunden in Lagerbüchern des 18. Jahrhunderts bzw. die Urkundenabschriften im Anhang, Verweisziffern U 1 ¿ U 269). Entsprechend dem Verwaltungsaufbau waren in der Regel ab 1537 drei Ausfertigungen für die geistlichen Lagerbücher entstanden: Eine für das Archiv (vgl. altwürttembergisches Archivmembrum ¿geistliche Lagerbücher", eine Ausfertigung für den Kirchenrat und eine Exemplar für die lokale Verwaltung. Die demnach theoretisch zu erwartenden 3 Serien für drei Provenienzen blieben allerdings über die Jahrhunderte als solche eher eine idealtypische Vorstellung als Realität. Der Widerspruch zwischen dem territorialstaatlichen Prinzip innewohnenden Tendenz zu einer nach geschlossenen Bezirken organisierten flächendeckend zuständigen Verwaltung und dem überlieferten Streubesitz, historische Zäsuren wie der 30-jährige Krieg, die Landesneuorganisation nach 1806, die natürlich endgültig der Durchsetzung der Bezirksverwaltung nach einheitlichen Bezirken anstrebte, ließen die Quellen zu wirtschaftlichen Grundlagen von Herrschaftsausübung, den Kosten oder dem Gewinn von neu erworbenen Gebieten, die hinzukamen und nach möglichst geschlossenen Bezirken umzuorganisieren waren, nicht unangetastet. Als besonders gravierend kam hinzu die auch in diesem Zusammenhang stehende Aufhebung einer eigenen Kirchengutsverwaltung bzw. die Vereinigung von Kirchen und Staatskammergut. Jedenfalls gehörten schon zum Archivmembrum ¿Geistliche Lagerbücher" so wie es 1806 idealtypischerweise abgeschlossen hätte sein können, de facto Doppelstücke aus andern Serien, die eben nicht für das ¿Archiv" ausgefertigt gewesen waren. Nicht einmal der am wenigsten von Umschichtungen betroffene ehemalige Bestand A 461 war demnach geeignet, eine provenienzgerechte Überlieferungsbildung zu gewährleisten. Aus diesem Grund war die Entscheidung, alle Bände nach den lokalen Zuständigkeiten bzw. den von den Verwaltungsmaßnahmen betroffenen Orten zu ordnen der einzige Ausweg, wenn möglichst alle Lagerbücher in ein Ordnungsschema gebracht werden sollten, in das auch wirklich alle Bände, unabhängig davon, woher sie nun kamen und in welcher der Nachfolgeverwaltungen (Endprovenienz) sie gerade lagen, integriert werden konnten. Die so entstandene, von F. Pietsch initiierte Ordnung bildet trotz aller Annäherung an pertinenzgemäße Ordnungsvorstellungen die ursprüngliche Provenienz (hier: "Kloster Adelberg") in ihrer Weiterentwicklung mit ab. Damit bleiben die weiteren Entwicklungen erkennbar, selbst da, wo der vorarchivische Zustand der Registraturablieferungen diese Sicht sehr schwer macht. Die seit Pietsch sehr gut dokumentierte Bestandsgeschichte, v.a. auch die Maßnahmen, die notwendig waren, um all die verstreuten Bände zusammenführen, zeigen, welch verschiedenartige Splitterbestände zwischenzeitlich entstanden waren und wie wenig diese noch irgendeinem Registratur- oder Provenienzprinzip entsprochen hatten.

Das altwürttembergische Archivmembrum der ¿Geistlichen Lagerbücher ist schon dargestellt worden ( Vorsignatur A 461). Als weitere Fundstelle war die seit 1908 begründete ¿Dublettenreihe" ( Vorsignatur H 6) durchzusehen; sie war in Ludwigsburg untergebracht. Ebenso war dort zuletzt die Lagerbuchreihe des ehemaligen Finanzarchivs verwahrt gewesen (Ebenfalls Vorsignatur H 6) sowie die Lagerbücher bzw. Beilagerbücher, die mit den Unterlagen der Kameralämter an das Staatsarchiv Ludwigsburg gelangt waren. Nicht unerwähnt soll auch die ¿Sonderreihe" des Staatsarchivs Ludwigsburg bleiben, mit der dankenswerterweise versucht wurde, die Lücken in der Überlieferung der Lagerbuchüberlieferung des Hauptstaatsarchivs zu schließen, ebenso die Durcharbeitung der Aktenbestände und Amtsbuchserien, die weitere Lagerbuchexemplare zum Vorschein brachte. Die Integration aller auf ¿das Klosteramt Adelberg" bezogenen Lagerbücher, v.a. die Zusammenführung der aus Ludwigsburg eingekommen Bände mit den in Stuttgart verwahrten zum jetzigen Bestand H 102/1, führte nach 1977 im wesentlichen Herbert Natale durch, der auch die jetzt gültigen Signaturen vergab.

3. Zur Verzeichnung: In den Jahren 1956 bis 1973 ließen Friedrich Pietsch und Gregor Richter die umfangreiche Beständegruppe der Geistlichen Lagerbücher der Kirchengutsverwaltung (H102/1 ¿ H 102/ 85) durch zahlreiche Mitarbeiter neu verzeichnen. Die so entstandenen Titelaufnahmen (meist handschriftliche DIN A 4 ¿ Blätter) wurden zuletzt bei der Neusignierung von Herbert Natale durchgesehen, in Mappen nach Einzelbeständen zusammengefasst; hier z. B. H 102/1, Band 1 ¿ Band 156 und mit Übersichten je Bestand versehen, in denen die Band Nr., die Entsehungszeit, die Entstehungsstufe des Bandes sowie die zuletzt geltende archivische Vorsignatur erfasst waren. Die Menge der so entstandenen Findmittel in Mappen mit Einzelzetteln umfasst derzeit über 0,8 Regalmeter. Verschiedenartige Anweisungen zur Lagerbuchverzeichnung sowie die große Zahl an beteiligten Mitarbeitern (oft ohne Archivausbildung) ergaben ein recht vielfältiges Nebeneinander weniger ausführlicher oder akribischer, mit Lese- und Verständnisfehlern behafteter manchmal aber auch den Erfordernissen durchaus genügender Verzeichnungseinheiten. Schon 1974 war man sich allgemein darüber einig, dass eine zu ausführliche Weiterbearbeitung jede Möglichkeit nehmen würde, die enorme investierte Arbeit zum Abschluss zu bringen. Die daraufhin formulierten Richtlinien zur Kurzverzeichnung von Lagerbüchern wurden in der Folge mit weiteren Kürzungen versehen und mit der Ausarbeitung moderner Findmittel von Peter Rückert sowie Barbara Hoen begonnen. Neue Möglichkeiten z.B. der Indizierung und formalisierter Erfassungssysteme in Scope legten es nahe, für die weitere Bearbeitung ein entsprechendes formalisiertes System zu entwickeln. Die entsprechenden daraus resultierenden Eingabemöglichkeiten wurden für den vorliegenden Band umgesetzt. Dies allerdings auch unter Berücksichtigung der Vorgabe, dass Datenfelder, die nicht zum Pflichtprogramm gehören, auch weggelassen werden können, wenn der Arbeitsaufwand und die Bedeutung der Vorlage es angemessen erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall wurde dabei so verfahren, dass die auf den Verzeichnungszetteln gegebenen Daten, soweit sie als korrekt zu klassifizieren waren, übernommen wurden, einzelne Fehler korrigiert wurden und Einzeltitel, wo nötig der Verzeichnungstiefe für diesen Bestand A 102/21 nach Möglichkeit angepasst wurde. Dies ist unter dem Gesichtspunkt, dass Adelberg nach Bebenhausen, Maulbronn und Hirsau die viertgrößte Finanzstärke der württembergischen Klöster aufweist und am Anfang der Beständegruppe steht, sicher zu rechtfertigen, auch wenn etwas aufwendiger als es in der Folge für die weiteren Bearbeitungen möglich sein wird. Immerhin kann an einem solchen paradigmatischen Beispiel für ähnliche oder gleichartige weitere Bestände auf den Inhalt und den Aussagewert der übrigen Quellen geschlossen werden. Auch der aktuelle Anlass der Verzeichnung, erstmals für ein altwürttembergisches Kloster eine vollständige Erschließung abzuschließen, verweist auf die dem vorliegenden Band zugewiesene Bedeutung als exemplarische Ausarbeitung. Stuttgart, im Juni 2006 Dr. Franz Moegle-Hofacker

Reference number of holding
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 102/1
Extent
156 Bände

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Selekte >> Altwürttembergische Lagerbücher >> Hauptreihen des Kammer- und Kirchenguts >> Geistliche Lagerbücher der Kirchengutsverwaltung (gesamt)

Date of creation of holding
1455-1821

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Rights
Last update
20.01.2023, 3:09 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1455-1821

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