Malerei

Barbierszene

Auf einer Bodenerhebung vor hoher Mauer stutzt ein Barbier im hellen Sonnenlicht einem Mann die Haare. Seitlich hinter ihnen nimmt ein Kumpan des Barbiers den Kunden aus: Der wird also sprichwörtlich über den Löffel barbiert . Beutelschneider wie dieser finden sich häufig in Gemeinschaft mit Barbieren, Chirurgen und Quacksalbern. Auf der rechten Seite des Bildes, in den Mittelgrund gerückt und halb im Schatten des Mauervorsprungs, hantieren zwei Männer mit langen Stäben. Möglicherweise fertigen sie Spinnrocken an (Kat. Köln 1991, Nr. 4.2). - Stechow hielt das Gemälde bei der Erwerbung für ein frühes Werk des Jan Both, worin ihm S. J. Gudlaugsson beipflichtete (beide briefl.). Doch erscheinen genrehafte Motive wie hier in den Gemälden Jans meist als untergeordnete Staffage, eingebettet in landschaftliche Szenerie (vgl. J. D. Burke, Jan Both, Paintings, Drawings, and Prints. New York/London 1976, Abb. passim). Joachim von Sandrarts Bericht, Andries habe die Figurenstaffage in Jans Landschaften ausgeführt - was die ungewöhnlich großen Figuren in einer dem Jan zugeschriebenen Umgebung erklären könnte - ist zudem zweifelhaft (Sandrart 1675 ed. Peltzer, S. 185; vgl. Waddingham S. 15). Dagegen fügt sich das Göttinger Bild, wie Waddingham bemerkte, stilistisch und motivisch in die Reihe von Andries römischen Werken der Zeit von etwa 1636 bis 1641, die sich überwiegend der Darstellung des römischen Volkslebens widmen (Waddingham, Tf. 24, 30, 32, 33). Briganti datiert das Bild an das Ende von Andries' Schaffen. In seiner Themenwahl beeinflußte ihn besonders der niederländische Maler Pieter van Laer, gen. Bamboccio, der Themen dieser Art in Italien erfolgreich ausführte. Die Geläufigkeit des vorliegenden Motivs im Kreis der 'Bamboccianten' beweist auch eine vermutlich in denselben Jahren entstandene Barbierszene des Jan Miel im Louvre (Inv. Nr. 1448; Kat. 1979, S. 90 m. Abb.). - Schnackenburg (1992, S. 153) nennt das Göttinger Bild eine Kopie nach Andries Both und schreibt die Ausführung Thomas Wyck zu. Eine Vorzeichnung zu unserer Komposition wird in der Graphischen Sammlung Albertina aufbewahrt (Inv. Nr. 9238; Bleigriffel, 64 x 92 mm). Sie zeigt die Szene ohne die äußere linke Figur und ist im Bildausschnitt knapper gefaßt als das Gemälde. Eine weitere, gemalte Version, der ebenfalls die linke Gestalt fehlt, war vor einigen Jahren als Andries Both bei Julius Böhler, München (Kupfer, 17 x 21 cm, monogr. Vgl. T. J. Kren, Jan Miel. A Flemish Painter in Rome. Ann Arbor/London 1982, Bd. 1, S. 82, Bd. 3, Abb. 19). Eine um die beiden Figuren im Hintergrund reduzierte Fassung mit verändertem stillebenhaftem Arrangement rechts vorn wurde am 7. Juli 1993 als Nr. 254 bei Sotheby's in London versteigert ( Wiederholung von geringerer Hand : Rolf Kultzen briefl. 1996). -

Fotograf*in: Katharina Anna Haase / Rechtewahrnehmung: Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität

Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International

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Standort
Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
Inventarnummer
GG 011
Maße
Höhe: 34,5 cm (ohne Rahmen)
Breite: 43,5 cm
Material/Technik
Leinwand; Ölmalerei

Verwandtes Objekt und Literatur
Veröffentlicht in: K. Weick-Joch, Kulturtransfer im Rom des 17. Jahrhunderts: die Malerei der Bamboccianti, Weimar 2015, S. 77, Anm. 294 (mit einer farbigen Abbildung der Göttinger Version)
Literatur in Zusammenhang: Niederländische Gemälde und Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen. Ausstellung Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund 1984, S. 8.
Literatur in Zusammenhang: Bernhard Schnackenburg, Die Anfänge von Thomas Adriaensz. Wyck (um 1620-1677) als Zeichner und Maler, in: Oud Holland 106/1992, S. 143 ff.
Literatur in Zusammenhang: Giuliano Briganti/Ludovica Trezzani/Laura Laureati, I Bamboccianti. Pittore delle vita quotidiana a Roma nel Seicento. Rom 1982, S. 200, Abb. 6.19.
Literatur in Zusammenhang: M.R. Waddingham, Andries and Jan Both in France and Italy, in: Paragone 15/1964, Nr. 171, S. 24, Tf. 34.
Literatur in Zusammenhang: I Bamboccianti. Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock, hrsg. v. D. A. Levine/E. Mai. Ausstellung Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1991, Nr. 4.2.
Literatur in Zusammenhang: Kunstsammlung der Universität Göttingen. Die niederländischen Gemälde, mit einem Verzeichnis der Bilder anderer Schulen. Bearbeitet von Gerd Unverfehrt. Göttingen: Kunstsammlung der Universität 1987, Nr.11.

Klassifikation
painting (Oberbegriffsdatei)
Bezug (was)
soziale Schichtung, soziale Gruppen
Frisur

Ereignis
Entstehung
(wer)
(wann)
1612 - 1642 (Lebensdaten des Künstlers)

Letzte Aktualisierung
24.04.2025, 12:58 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Malerei

Beteiligte

Entstanden

  • 1612 - 1642 (Lebensdaten des Künstlers)

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