Karten und Pläne

o. T. [Darstellung des Deckengemäldes und der vier Wandaufrisse im frühklassizistischen Stil, wahrscheinlich des Arbeitszimmers von Karl Eugen Herzog von Württemberg im Neuen Schloss in Stuttgart]

Darstellung in hervorragender Qualität aus der Zeit des frühen Klassizismus; Abbildungen des Deckengemäldes und der vier Wandaufrisse eines Raumes, wahrscheinlich des Arbeitszimmers von Karl Eugen Herzog von Württemberg im Neuen Schloss in Stuttgart. Auf den Wandaufrissen sind die römischen Kardinaltugenden und die christlichen Tugenden in Form von allegorischen Darstellungen zu sehen. Ausgeführt sind jedoch nur drei der insgesamt sieben Tugenden. Auf dem Deckengemälde in der Mitte ist die Abbildung einer weiblichen Figur erkennbar, die eine Fackel in der rechten Hand hält. Neben ihr befindet sich ein Putto, der ein Gefäß hält. Das Gemälde ist von einem starken Hell-Dunkel-Kontrast geprägt. Die weibliche Figur symbolisiert wahrscheinlich die Aufklärung, welche die Finsternis bzw. das Unwissen vertreibt. Um das Deckengemälde sind Verzierungen im frühklassizistischen Stil und Putten angebracht. Auf der rechten Seite sieht man zwei Medaillons, auf der linken Seite dagegen Malereien mit Blumengirlanden und Putten. Mit diesen Darstellungen werden zwei verschiedene Alternativen für die Gestaltung der Umrandung des Deckengemäldes visualisiert. Um die Decke gruppieren sich vier Wandaufrisse, auf denen wahrscheinlich Skulpturengruppen dargestellt sind, die jeweils auf Podesten stehen. Dabei handelt es sich um allegorische Abbildungen der Tugenden. Auf dem unteren Wandaufriss ist die christliche Tugend der Caritas (Liebe), erkennbar an den Kindern, zu sehen. Ihr gegenüber ist am oberen Bildrand die Justitia (Gerechtigkeit) mit der Waage angebracht. Eine der beiden Putten neben der Justitia trägt das Schwert, ebenfalls ein Attribut der Justitia. Auf der rechten Seite erkennt man die Fortitudo (Taperkeit) mit den Attributen Rüstung, Löwe und Säule. Auf der linken Seite ist ein Trumeauxspiegel über einem Konsoltisch zwischen zwei Fenstern erkennbar. Der Trumeauxspiegel und der Konsoltisch mit den beiden seitlichen Putten sind stilistisch eher in den Zeitraum 1700 bis 1710 einzuordnen. Möglicherweise wurde für die Einrichtung des Raumes älteres, bereits vorhandenes Mobiliar verwendet. Pilaster mit dorischen Kapitellen beseiten die oben erwähnten Skulpturengruppen und die Türen neben den Skulpturengruppen. Oberhalb der und an den Podesten unter den Skulpturengruppen sowie an dem linken Wandaufriss links und rechts von dem Konsoltisch finden sich die für den Klassizismus typischen Festons (Blumengirlanden). Die Raumecke rechts unten ist diagonal abgeschrägt. Wahrscheinlich sollte an dieser Stelle der Ofen angebracht werden, weswegen die Ornamente an dieser Stelle auch ausgespart sind. Aufgrund der drei Türen und der abgeschrägten Diagonale mit dem Ofen kann der Raum in der Enfilade des Neuen Schlosses identifiziert werden. Auf dem unter der Signatur WLM 1953/390-395 verwahrten Grundriss des Neuen Schlosses von R.F.H. Fischer ist ein Raum eingezeichnet, zu dem die Gestaltung des vorliegenden Raumes passt. Es handelt sich dabei um das Arbeitszimmer von Karl Eugen Herzog von Württemberg. Dieser Raum weist in der Enfilade zwei Türen und eine weitere Türe auf, die in einen Raum hinter dem Arbeitszimmer führt. Auch die abgeschrägte Diagonale mit dem Ofen und nicht zuletzt das Bildprogramm, welches die Herrschertugenden symbolisieren soll, weisen auf diesen Raum hin. Der Herzog regierte sozusagen mit Hilfe der dargestellten Tugenden und unter dem Deckengemälde der Aufklärung als aufgeklärter Herrscher in seinem Arbeitszimmer. Der vorliegende Plan R.F.H. Fischers sollte dem Bauherrn Karl Eugen Herzog von Württemberg eine Vorstellung von der Ausgestaltung seines Arbeitszimmers geben. Um die Räumlichkeit noch besser visualisieren zu können, hat Fischer an den vier Ecken diagonal zur Darstellung des Deckengemäldes Falze angebracht, so dass das Blatt dergestalt gefaltet werden konnte, dass die Abbildung des Deckengemäldes in der Mitte war und die vier Wandaufrisse seitlich angebracht waren. Mit dieser Form der Faltung wurde der plastische Eindruck bzw. Raumeindruck des Planes noch verstärkt. Auch die vorhin bereits erwähnten Alternativen für die Ausgestaltung der Decken sprechen dafür, dass das vorliegende Exemplar dem Herzog zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Künstler: o. V. [sehr wahrscheinlich Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer]. Der Plan enthält keinerlei Hinweise auf den Künstler. Die Ausführung der Zeichnung ist von sehr hoher Qualität, so dass nur ein enger Kreis von Künstlern als Urheber des Blattes in Betracht kommt. Auffallend ist, dass der Zeichner gute Kenntnisse und Fertigkeiten auf den Gebieten der Architektur, Malerei und Bildhauerkunst besaß, denn alle drei Künste sind in der Zeichnung vertreten: Die Architektur wird durch die Umrahmung des Deckengemäldes und die Wandaufrisse präsentiert, die Malerei durch das Deckengemälde und die Bildhauerkunst durch die Wiedergabe der Skulpturen oder Reliefs an den Wänden, welche die Tugenden darstellen. Ein bedeutender einheimischer Künstler in Württemberg, der um 1760 bis 1770 in allen drei Künsten ausgebildet wurde, war der in Stuttgart geborene Architekt Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer, der die Malerei bei Nicolas Guibal, die Architektur bei Philippe de La Guêpière und die Bildhauerkunst bei Johann Christian Wilhelm Beyer erlernt hatte. Der signierte Entwurf R.F.H. Fischers für die Dekoration der Nordwand des Rittersaales im Alten Schloss Stuttgart aus dem Jahre 1775, der in der Staatsgalerie Stuttgart unter der Inventar-Nummer C 6060 zu finden ist, weist große Ähnlichkeiten in der Darstellung mit dem vorliegenden Plan auf. Zudem war Fischer als Architekt für den Bau des Neuen Schlosses in Stuttgart verantwortlich. Daher gilt es als sehr wahrscheinlich, dass Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer auch die vorliegende Zeichnung anfertigte.
Zur Datierung:
Die Zeichnung muss in den 1770er Jahren entstanden sein.
Originalmaßstab und moderner Maßstab: Linearmaßstab ohne Beschriftung (links oben)
Ausführung: Feder in Grau auf Bleistift, teilweise laviert
Literatur:
Der Plan ist bisher unbekannt gewesen und wurde daher auch nicht in der Literatur erwähnt.

Archivaliensignatur
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 2/43 Bü 92
Umfang
1 Blatt
Maße
48,5 x 62,5 (Höhe x Breite); Trägerformat: 50 x 65 cm (Höhe x Breite)
Sonstige Erschließungsangaben
Schaden: leichte Verunreinigungen und Schimmelbefall

Ausführung: Federzeichnung

Entstehungsstufe: Entwurf oder Konzept

Originalmaßstab: siehe oben

Maßstab: siehe oben

Blattzahl: 1

Kontext
Unterlagen der Familie Beisbarth mit den Nachlässen des Architekten und Denkmalpflegers Carl Friedrich Beisbarth sen. (1808-1878) und des Architekten Carl Friedrich Beisbarth jun. (1848-1903) >> 5. Zeichnungen, Entwürfe, Drucke, Aquarelle und Ölgemälde von anderen Architekten und Künstlern >> 5.1 Entwürfe von de La Guêpière und R. F. H. Fischer zum Neuen Schloss in Stuttgart >> 5.1.2 Darstellung des Deckengemäldes und der vier Wandaufrisse von Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer zu einem Raum im Neuen Schloss
Bestand
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 2/43 Unterlagen der Familie Beisbarth mit den Nachlässen des Architekten und Denkmalpflegers Carl Friedrich Beisbarth sen. (1808-1878) und des Architekten Carl Friedrich Beisbarth jun. (1848-1903)

Indexbegriff Ort
Stuttgart S; Neues Schloss

Urheber
Autor/Fotograf: siehe oben

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
20.01.2023, 16:48 MEZ

Objekttyp


  • Karten und Pläne

Beteiligte


  • Autor/Fotograf: siehe oben

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