Bestand
Superintendent Dieter Munscheid (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Biografie Dieter Detmar Munscheid (an anderen Stellen oft auch als Dietrich Munscheid) wurde als Sohn des Staatsanwalts Dr. Wilhelm Peter Munscheid und Anna Sophie Klein am 18.03.1911 in Köln geboren. Nachdem Dieter Munscheid, aufgewachsen in Düsseldorf, die Schule 1929 mit bestandenem Abitur verließ, studierte er in den folgenden Jahren in München, Marburg, Zürich, Berlin und Bonn evangelische Theologie und Philosophie. Die erste theologische Prüfung legte er 1935 bei der BK in Barmen ab, wurde jedoch 1936 als Vikar (zusammen mit Erich Vowe) durch den Rheinischen Bruderrat von der Kandidatenliste der BK gestrichen. Die zweite theologische Prüfung legte Munscheid somit 1937 in Düsseldorf ab. Ordiniert wurde Dieter Munscheid am 17.10.1937 durch den Superintendenten Dr. Schmidt in der Lutherkirchengemeinde Oberhausen, in der Munscheid zuvor das Vikariat ableistete und auch bereits als Hilfsprediger tätig war. Von 1938 bis 1981 wirkte Munscheid als Gemeindepfarrer in Oberhausen und wurde im April 1954 zum ersten Superintendenten des neu gebildeten Kirchenkreises Oberhausen berufen. Dieses Amt versah er bis 1976. 1981 trat er schließlich auch als Gemeindepfarrer in den Ruhestand. Unterbrochen wurde Munscheids 46-jährige Amtszeit nur durch den Militärdienst, aus dem er nach viermonatigem Lazarettaufenthalt krankheitsbedingt im Jahre 1942 ausschied. Mit den Folgen der Lungentuberkulose hatte Munscheid sein Leben lang zu kämpfen. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Pfarrer und Superintendent der Kirchengemeinde Oberhausen war Dieter Munscheids kirchliches Engagement und auch sein Interesse an Politik und Zeitgeschehen groß. Seit 1957 war er stellvertretendes, von 1973 bis 1981 nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der EKiR und von 1961 bis 1979 war er Vorsitzender und Leiter des Ständigen Öffentlichkeitsausschusses. Auch seine Positionierung während des sog. Kirchenkampfes blieb nicht unkommentiert. Im Nachruf des Kirchlichen Amtsblattes der EKiR vom 27.01.1983 vermeldet Präses Gerhardt Brandt, Munscheid „ging[e] dabei jedoch einen eigenständigen, an persönlicher Schrifterkenntnis und unabhängiger Beurteilung der kirchenpolitischen Lage orientierten Weg.“ (Kirchliches Amtsblatt der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nr.1 vom 27.01.1983) Diese Charakterisierung des jungen Pfarrers stieß jedoch nicht bei allen Zeitgenossen auf Zuspruch. In einem persönlichen Brief an den Präses beschwerte sich beispielsweise Eberhard Bethge, seinerseits Anhänger einer radikaleren Strömung der BK, dass er sich selbst durch Brandts Worte in seiner Funktion und Leistung für die Kirche im Dritten Reich herabgewürdigt sah. Bethges Brief zeigt deutlich, dass selbst Jahrzehnte nach Beendigung des Kirchenkampfes dieses Thema die Kirchenmitglieder auf Amtsebene, aber auch in ihrer Persönlichkeit nachhaltig prägte. Mit „großer Entschiedenheit“ habe Dieter Munscheid stets „immer wieder an das politische Mandat der Kirche erinnert“ und „in seinem Reden und Tun […] die nahtlose Verbindung zwischen dem geistlichen Auftrag eines Dieners an Gott und am Nächsten und den gesellschaftsbezogenen Aufgaben eines evangelischen Pfarrers im 20. Jahrhundert verwirklicht.“ Mit seiner Ehefrau Marie Martha Magdalene Munscheid, geb. Rathmann war Dieter Munscheid 44 Jahre lang verheiratet und hatte fünf Kinder. Er verstarb am 23.12.1982 im Alter von 71 Jahren in Oberhausen. Bestandsgeschichte und -struktur Der Bestand kam in den 1980er Jahren ins Archiv der EKiR. Er konnte bei der Verzeichnung in zwei große Gruppen eingeteilt werden. Die vorgefundene, überwiegend chronologische Gliederung der Handakten wurde beibehalten und als chronologische Serie übernommen. Diese Großgruppe umfasst 17 Verzeichnungseinheiten und bildet die Klassifikationsgruppe 1. Der zweite Teil des Bestandes wies hingegen nur eine grobe Vorsortierung nach Sachthemen auf. Die zweite Großgruppe, die rein thematisch gegliedert wurde, umfasst 11 Verzeichnungseinheiten und bildet die Klassifikationsgruppe 2. Zahlreiche Hektographien wurden nach einem Dublettenabgleich weitestgehend aus dem Bestand entnommen und kassiert. Anschließend erfolgte eine Blatt- bzw. Stückzählung, die auf den Archivalien vermerkt wurde und somit der Nutzerorientierung innerhalb der Verzeichnungseinheit dient. Anschließend wurden die Dokumente von Metall befreit, sachgemäß in Archivmappen umgebettet und in Archivkartons eingelagert. Inhalt und Bedeutung Der ständige Öffentlichkeitsausschuss der EKiR beschäftigt sich mit zeitpolitischen Fragen und der Stellung von evangelischer Kirche und Christen zu diesen. In der Entstehungszeit des Nachlasses (1958-1978) waren es vor allem die deutsche Ostpolitik, die Innen- und Außenpolitik zu DDR-Zeiten, Rechtsextremismus, Vietnamkrieg, sowie Fragen des Heimats- und Strafrechts und zahlreiche weitere Themen, die den Ausschuss beschäftigten. Wenn es die aktuelle politische Lage erforderte, konnten zusätzlich spezielle Unterausschüsse gebildet werden. Während seiner Existenz wechselte der ÖA mehrfach den Namen, was zu einiger Verwirrung beim Nutzer führen kann. Bei der Gründung des Ausschusses im Jahre 1954 trug dieser den Namen „Ausschuss für öffentliche Fragen“. 1955 war der eingetragene Vorsitzende der Fabrikant Georg H. Schniewind, der bereits zwei Jahre später von Pfarrer Dr. Frick abgelöst wurde. Von 1961(1960) bis 1978(1979) war laut Gemeindeverzeichnis der EKiR Superintendent Dieter Munscheid Vorsitzender und Leiter des Ausschusses, der zu Beginn seiner Tätigkeit in „Ausschuss für Öffentliche Fragen, für Vertriebenen- und Flüchtlingsfragen“ umbenannt wurde. Munscheid spricht 1961 von einer „Zusammenlegung“ der Ausschüsse, allerdings ist mit Hilfe der Gemeindeverzeichnisse kein etwaiger „Ausschuss für Vertriebenen- und Flüchtlingsfragen“ der EKiR zu ermitteln. Im Jahre 1969 erfolgt eine weitere Namensänderung des Ausschusses, der nun kurz den Titel „Öffentlichkeitsausschuss“ erhielt. Auf Munscheid folgte 1981 Ministerialdirigent Barthold Witte als eingetragener Vorsitzender des Ausschusses, der seit 1996 als „Ausschuss für öffentliche Verantwortung“ tätig ist. Der Bestand gibt dem Nutzer in erster Linie Aufschluss über den Arbeitsalltag eines Ausschussvorsitzenden der EKiR in den späten 1950er bis 1970er Jahren. In ihm finden sich ausschließlich Munscheids Handakten in seiner Funktion als Vorsitzender des Öffentlichkeitsausschusses. Dokumente bezüglich seiner Arbeit als Superintendent und Pfarrer der Kirchengemeinde Oberhausen fehlen ebenso wie jegliches privates Schriftgut. Das Nachlassfragment dokumentiert somit hauptsächlich das Alltagsgeschäft des Superintendenten rund um den Ausschuss. Jede Verzeichnungseinheit enthält daher vor allem organisatorische und geschäftliche Dokumente, wie beispielsweise Sitzungsprotokolle, Einladungen, Tagungsvorbereitungen, Rechnungen und Arbeitsberichte. Kennzeichnend sind dabei zusätzlich Vorschläge, Beschlüsse und Anträge des Ausschusses und der Synoden, sowie meist kurze, den Ausschuss betreffende Korrespondenzen auf EKD, aber auch auf bundespolitischer Ebene. Einen besonderen Stellenwert erhalten schließlich die zahlreichen Verlautbarungen und Stellungnahmen des ÖA oder einzelner Mitglieder, darunter viele von Munscheid selbst, bezüglich aktueller politischer und kirchlicher Themen und Debatten. Der Nachlass Munscheids informiert den Nutzer nicht nur über die Arbeitsweise und Aufgaben eines kirchlichen Funktionärs in den bewegten 1960er und 1970er Jahren. Er zeigt vor allem die Netzwerke des Superintendenten als Einzelperson, stellvertretend aber auch für die evangelische Kirche als Institution auf. Darüber hinaus gibt der Nachlass einen Eindruck vom nicht zu unterschätzenden Arbeits- und Zeitaufwand eines Geistlichen und der Bürokratie der damaligen Zeit. Nicht zuletzt spiegelt der Bestand im Kleinen die innen- und außenpolitischen, aber auch innerkirchlichen Themen und Reformen der Jahre 1958 bis 1978 wider. Der Nachlass gewährt daher vor allem einen Einblick in die Probleme und die öffentlichen Debatten der Zeit, mit denen sich auch die evangelische Kirche auseinanderzusetzen hatte. Der Nachlass vermittelt dem Nutzer also ein Stück Zeitkolorit, lässt aber unter Vorbehalt auch Rückschlüsse über Munscheids politische und geistliche Haltung zu. Ergänzende Bestände Personalakte: 1OB 009, M 165; Öffentlichkeitsausschuss: 1OB 029; Handakten Johannes Schlingensiepen: 6HA 002, Nr. 82 und 98 Düsseldorf, den 16. September 2015. Anna Krakowski
- Bestandssignatur
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7NL 037
- Kontext
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23.06.2025, 08:11 MESZ
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