Akten
Schreiben von Paul Hans Hugo Stallmann und seiner Ehefrau Luise (Lilly) geb. Meier aus Minden an seinen Bruder Oswald Stallmann
Enthält u.a.: Paul: "Deine Sachen sind noch rechtzeitig zum Fest angekommen […]. Daß auch Ihr dort zum Weihnachtsfest so bedacht seid, freut mich von ganzem Herzen. Auch bei uns hat es noch für jeden etwas abgeworfen, und man kann zusammenfassend sagen: es war alles sehr schön. Auch der Verlauf der Weihnachtstage war schön. Wir waren abwechselnd bei uns und bei Martha u. Lene. Am Sylvester waren wir wieder bei uns. So nahm das alte Jahr Abschied, und das Jahr 1943 erstand aus dem Schoße der Zeit. […] Nun hoffen wir, daß das Jahr 1943 uns den langersehnten Frieden bringen wird. Doch was auch kommen mag, wir wollen vertrauensvoll in die Zukunft sehen, und mutig voran schreiten. […] Hier ist augenblicklich schöner, weißer Winter. Unser Jochen ist fleißig am rodeln [!]. Nur zu seinem Leidwesen fehlt ihm der Schlitten, und ist nun von der Gnade der Spielgefährten abhängig, wenn sie ihn einmal mit auf den Schlitten nehmen.", 7. Jan. 1943; Paul: "Allerdings hat er sich vor erst von Frau Müller, unter uns, den Schlitten geliehen.", 12. Jan. 1943; Paul: "Hier in Minden scheint man nun mit der Heimatflak doch Ernst machen zu wollen. Alle jüngeren und älteren Jahrgänge sollen dazu herangezogen werden. Die Heimat muß sich selbst schützen. Dein eines Buch "Er schritt an meiner Seite" habe ich ausgelesen. Es war sehr schön. In diesem Buch wird so recht die Kameradschaft der Front geschildert. Hast Du einmal hineingesehen in das Buch. Mir hat es sehr gefallen. Am kommenden Sonntag hat unser Jochen seinen großen Tag. Da wird er 6 Jahre. Er schwärmt schon, wieviel er einladen will. Auch bekommt er dann etwas mehr Fleisch u. Fett. Wir haben es wohl einmal erwähnt. Aber du kannst Dir ja denken, nun heißt es immer: Ich bekomme mehr Fett als ihr, ätsch!", 14. Jan. 1943; "In den letzten Tagen haben wir wieder mehrere Male Fliegeralarm gehabt. Sie hatten uns die letzte Zeit doch etwas verschon[t] mit ihren Besuchen. Jetzt scheinen sie wieder nachholen zu wollen, was sie versäumt haben. Doch wir wollen bei uns noch ja zufrieden sein, wenn es mit den Alarmen bzw. Angriffen nicht schlimmer wird. In Essen sollen sie in den letzten Tagen wieder allerhand gehaust haben. Auch Berlin ist in den letzten Tagen mit ihren Besuchen beehrt worden. Auch da hat es Tote gegeben.", 18. Jan. 1942; Paul: "Sonnabend u. Sonntag hat Willy Straßensammlung machen müssen. Am kommenden Sonnabend den 30. Januar ist ja wohl Sonntag [!]. Es soll ja auch geflaggt werden bei der 10jährigen Wiederkehr der Machtübernahme durch den Führer. […] Von Karl Kottkamp aus Schnathorst haben Onkel u. Tante immer noch nichts gehört. Er wird wohl kaum mehr zu den Lebenden gezählt werden können. Es ist doch schwer für Onkel u. Tante. Wenn sie nun Gewißheit hätten, dann wäre es vielleicht etwas besser. Wann wird nun dieser Krieg sein Ende finden?", 25. Jan. 1943; Paul: "Lieber Oswald, wir wünschen Dir zu Deinem Geburtstag alles Gute und Schöne. Möge Dir der treue Gott auch fernerhin beistehen in Deinem kommenden Lebensjahre. Hoffentlich kannst Du Deinen nächsten Geburtstag im Frieden und in der Heimat feiern. In Gedanken werden wir am14. Februar bei Dir sein, und wenn es sein kann, bei Kaffee und Kuchen diesen Tag begehen.", 29. Jan. 1943; Paul: "Nun ist ja der Heldenkampf in Stalingrad auch beendet. Nach einem heldenhaften Verteidigen der Trümmer von Stalingrad mußten die Kämpfer zuletzt doch, gezwungen durch die Knappheit an Munition u. Lebensmittel der zahlenmäßigen Überlegenheit der Bolschewisten die ehrenvolle Vernichtung über sich ergehen lassen. Man steht noch ganz erschüttert, und trauert mit den Angehörigen um diese Helden, die ihr Leben für Deutschland, u. darüber hinaus für Europa, in die Schanze schlugen. Wann wird dieses Ringen sein Ende finden? Die Welt sehnt, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die Befriedung der Welt herbei. Doch wir müssen warten, bis die Stunde schlägt.", 4. Febr. 1943; Paul: "Am letzten Sonntag haben wir Deinen Geburtstag bei Kaffee und Kuchen gefeiert, und haben Deiner gedacht. Wir waren gemütlich zusammen. Hast Du an Deinem Geburtstag auch etwas würdig diesen Tag begehen können? Oder bot sich nicht Gelegenheit und Zeit dazu? […] Gestern war ich auch zur militärischen Untersuchen [!] für die Heimatflag [!]. Wir bekamen den Gestellungsbefehl gleich mit. Am 27. 2. müssen wir nachmittags 1530 in der Simionskaserne [!] sein. Es war keine direkte Untersuchung. Jeder mußte seinen Musterungsbescheid abgeben. Bei mir fragte der Oberstabsarzt warum ich beschränkt tauglich geschrieben sei. Ich sagte wegen Herzleiden. Dann mußte ich den Oberkörper frei machen. Es wurde Blutdruck gemessen u. d. Herz untersucht. Da meinte der Arzt für schwere Flag [!] könnte ich wohl nicht in Frage kommen. Er meinte dann für leichten Innendienst u. leichten Außendienst. Im allgemeinen wurde niemand untersucht. Nur wer ein ernstliches Leiden hatte. Tauglich wird jeder sein. Nun müssen wir erst einmal abwarten, wie die Sache weiter läuft. Es ist ja alles geholt bis zu 60 Jahre. Der totale Kriegseinsatz wird wohl manche Umwälzung geben.", 16. Febr. 1943; Paul: "Gestern hat unsere Martha vom Gaswerk auch wieder ein Schreiben bekommen, daß sie im Jahre 1942 mehr Gas verbraucht hätte, als im Jahre 1941. Sie sollte angeben, woher der erhöhte Gasverbrauch käme. Ob die Herren wohl glauben, daß man das Gas aus lauter Langeweile verbrennen würde. Wo wir sonst für eine Mangel gearbeitet haben, da müssen die Mädel jetzt für 3 Mangeln arbeiten. Die Mangel auf der Grille, sowie die Mangel in Dankersen ist geschlossen. Es ist schon richtig, daß Kohlen gespart werden sollen, doch nicht am verkehrten Platz. Wo heute alle Frauen mit eingesetzt werden sollen, da wird doch die Mangel noch mehr in Anspruch genommen als sonst. Na ja, es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht ist. Morgen nachmittag [!] muß ich zur Simionskaserne zur Heimatflag [!]. Was nun morgen gemacht wird, müssen wir erst einmal abwarten.", 26. Febr. 1943; Paul: "Am letzten Sonnabend waren wir zur Heimatflag [!]. Wir sind an die verschiedenen Geschütze verteilt, und werden nun ausgebildet, nach dem Dienst. […] Es werden im Frühjahr noch viel gebraucht im Osten; dann werden wohl noch viel eingezogen.", 4. März 1943; Paul: "Du fragst was aus Willy's Geschäft bzw. aus ihm selber würde. Noch ist alles im Werden, und man weiß noch nicht wer zumachen muß. Ich hörte Hagemeyer würde arg verkleinert. Es wird wohl in den nächsten Tagen sich entscheiden. Es ist bei allen noch ein Raten.", 16. März 1943; Paul: "Heute ist Anna ihr Geburtstag. Gestern war unser Martha zum Friedhof, und hat die Gräber in Ordnung gebracht. Sie hat Stiefmütterchen gepflanzt. Das ist ja immer wohl der erste Blumenschmuck, den man den Gräbern gibt. Es ist ja auch eine Not, man kann ja auch bald keine Blume bekommen. Doch wir haben bis jetzt ja immer noch etwas für die Gräber bekommen, und es wird auch wohl weiter etwas geben. […] Mit unserer Heimatflak ist es noch nicht so weit. Am 10. April geht es los. Auch den sogenannten Grenzschutz bilden sie jetzt aus. […] Ja es werden viel Leute gebraucht, und demzufolge auch viel gezogen.", sowie Dank für drei Büchsen Fleisch, 23. März 1943; Paul: "Mit unserer Heimatflak ist es noch nicht so weit. Am 10. April müssen wir wieder hin. Und dann wird es sich wohl weiter entscheiden. Auch mit dem Fraueneinsatz wird es jetzt immer intensiver. Vielleicht muß Lilly auch noch hin. Es hieß bei einem nichtschulpflichtigen Kind würden die Frauen nicht eingesetzt. Doch hörte Lilly gestern, daß da noch eine Klausel bei sei, nämlich, Stichtag 31 März. Also wo das Kind bis zum 31 März 6 Jahre alt wird, müssen sich die Frauen auch noch melden. Ich meine da sollte man sagen, wo die Kinder noch nicht in der Schule sind. Na wir müssen einmal sehen was wird. Es ist ja nicht schön, wenn der Junge so ganz ohne Aufsicht auf der Straße herum läuft. […] Gustav Klopp ist jetzt auf dem Truppenübungsplatz. Er wird ausgebildet. Ist also nicht mehr bei den Landesschützen. Alles zum endgültigen Einsatz. Na hoffen wir auf den baldigen Endsieg unserer Truppen, und den damit verbundenen Frieden.", 26. März 1943; Paul: "Morgen ist nun der Tag der Wehrmacht. Auch Minden ist darauf gerüstet. Es wird allerhand gemacht. Auch kann man aus der Gulaschkanone essen. Wir wollen uns morgen mittag [!] auch zur Feldküche begeben. Das ist ja was für unsern Jochen. […] Hier in Minden zieht man augenblicklich wieder tüchtig ein. Alle Jahrgänge bis 1901 holt man. Es wird doch manches durch den Fraueneinsatz frei.", 3. Apr. 1943
- Archivaliensignatur
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 16
- Kontext
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Nachlass Oswald Stallmann
- Bestand
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Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann
- Laufzeit
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1943
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Letzte Aktualisierung
-
24.06.2025, 13:44 MESZ
Datenpartner
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Sachakte
Entstanden
- 1943