Akten

Schreiben von Paul Hans Hugo Stallmann und seiner Ehefrau Luise (Lilly) geb. Meier aus Minden an seinen Bruder Oswald Stallmann

Enthält u.a.: Paul: am gestrigen Sonntag Kaffeetrinken mit Lene und Martha: "Dann haben Lene, Jochen u. ich uns auf den Weg gemacht, und einen kleinen Spaziergang durch Dankersen unternommen. […] Wir wollten nämlich nach Dankersen nach dem Glaser Piepenbrink. Du weißt doch, daß Liesbeth uns allen ein Bild von Otto geschenkt hatte; und die wollten wir zum Einrahmen bringen. […] so ist man doch froh, wenn die Sonne uns bald den nahenden Frühling bringt; zumal der Kohlenbestand im Keller immer mehr abnimmt. […] Wie wird sich im Frühling alles gestalten. Ich glaube ein fruchtbares Ringen wird beginnen. Dann werden sie dem Russen wieder voll und ganz die Stirne bieten, und so Gott es will recht bald niedergerungen haben. Im fernen Osten haben die Japaner manchen Sieg über die Feinde erringen können. Der Fall Singapur hat doch gezeigt, das [!] der Feind im fernen Osten die Herrschaft verloren hat. Wir wollen dankbar sein für jeden Sieg, den Gott uns schenkt.", 16. Febr. 1942; Paul: "Hier in Minden wird jetzt auch die Raucherkarte eingeführt. Wie dann der Betrieb sich entwickelt, muß erst einmal abgewartet werden. Willy wird jetzt schon ganz fimmelich; ich glaube dann findet er überhaupt nicht mehr durch. […] In Rußland scheint es allmäh[l]ich auch los zu gehen. Wann wird dort der Koloß am Boden li[e]gen. Man sehnt doch den Frieden herbei. Was müssen die Truppen an der Front doch alles leisten. Unglaubliche Leistungen werden doch vollbracht.", 23. Febr. 1942; Paul: "Hier bei uns auf der Bodenschätzung ist auch großes Rätselraten. Unsere Dienststelle wird auch für die Dauer des Krieges vorerst eingeschränkt, und dann stillgelegt. Was mit uns wird, weiß man noch nicht. Auf die Straße wird man uns zwar nicht setzen, doch wird man von hier fortkommen. Man spricht viel von Münster zum Hauptvermessungsamt. Auch wird geredet, daß die Wehrpflichtigen zum Militär kommen sollen. So muß man abwarten, was wird. Die kommende Zeit wird noch manchen im grauen Rock wiederfinden.", 27. März 1942; Paul: "Die Natur steht so ganz in Blütenpracht. Es ist jetzt wunderbar. Jetzt wird auch bald der Krieg im Osten mit seiner ganzen Wucht wieder beginnen. Hier in Minden werden auch wieder tüchtig Leute eingezogen. Wann wird der Feind die Waffen strecken? Willy hat jetzt auch wieder einen Garten. Ist nun immer wieder am Ackern. Unser Jochen liegt jetzt den ganzen Tag auf der Straße. Sieht immer aus wie ein Neger. Hat immer Hunger wie ein Wolf.", 20. Mai 1942; Paul: "Der Tommy ist in den letzten Tagen wieder tüchtig in Osnabrück gewesen. Hoffentlich wird ihm auch diese Schandtat einmal vergolten werden. Der Landungsversuch an der franz. Küste ist ihm ja teuer zu stehen gekommen.", 20. Aug. 1942; Paul: "Liesbeth ist gestern auch nach Schnathorst gefahren. Sie will sich dort ein pa[a]r Wochen niederlassen, um vor Alarm sicher zu sein. Ja das ewige Einfliegen macht die Leute, wo sie immer ihre Last abladen, doch zuletzt ganz nervös. Wollen hoffen, daß wir in dieser Hinsicht doch verschont bleiben. Wir in Minden wollen gar nicht klagen. Wir dürfen doch in Ruhe, wenn auch Alarm gegeben wird, die Nächte bis jetzt noch verleben. Hoffentlich bleibt es so.", 16. Sept. 1942; Paul: "In einer Nacht der vorigen Woche haben nächtliche Saufbrüder Willi seinen Zigarettenapparat demuliert [!]. Die große Scheibe total kaputt. Ich habe ihn gestern nachmittag [!] abmontiert und ins Zimmer hinter den Laden transportiert. Es hat ja keinen Zweck, daß er dort steht, zumal er ja doch nur verrottet.", 20. Sept. 1942; Paul: "Deine Karte vom 5. Oktober kam gestern in unsern Besitz. Die Anmarschwege werden doch jetzt länger, und die Post dauert länger. Man kann sich garnicht [!] vorstellen, daß ein Land, das doch einen Platz unter Kulturvölkern beansprucht, derartige Verhältnisse besitzt. Daran kann [man] schon den Tiefstand aller menschlichen Kultur Rußlands ermessen. Es muß doch schlimm dort zugehen, und man sieht doch, wie berechtigt unsere Nationalhymne ist: "Deutschland über alles". Da wird Deutschland viel arbeit [!] haben, in diesem Lande die Kultur einigermaßen hoch zu bringen. Wie Du ja auch schreibst, ist der Hunger bei der Bevölkerung groß. Ja, es ist ein Jammer, wenn man solch ein Elend sieht. Da wollen wir doch dankbar sein, für alles was wir hier noch besitzen dürfen. […] Das Jahr 1942 neigt sich nun auch bald seinem Ende zu. So geht ein Jahr nach dem andern hin, und noch immer wütet der Völkerbrand. Wann mögen die Friedensglocken erschallen? Doch das liegt in des Höchsten Hand, und wir wollen getrost warten, bis Seine Stunde schlägt.", 21. Okt. 1942; gemeinsamer Brief von Paul, Liesbeth und Lene Stallmann, 2. Nov. 1942; Paul: "Heute morgen [!] hat der Führer ja die Erklärung an das franz. Volk abgegeben. Hoffentlich wird, wie der Führer sagt, dieses ein weiterer Schritt zum Frieden sein. Mögen unsere Waffen auch weiterhin gesegnet sein, zum Wohle Europas und der ganzen Welt. […] Gestern war Willy Kottkamp hier. Er war zum Wehrbezirkskom[mando]. Wollte einmal horchen, wie es mit seiner Einziehung wäre. Hätte sich ja vor einigen Monaten kriegsfreiwillig gemeldet. Endgültigen Bescheid hat er nicht bekommen.", 11. Nov. 1942; Paul: "Unser Jochen freut sich schon auf Weihnachten. Er fragt immer wieviele [!] Sonntage es noch wären bis der Weihnachtsmann käme. Man kann den Kindern ja nichts kaufen. Na, etwas wird es ja wohl noch geben. Wenn nicht, dann muß es auch so gehen. Dann müssen die alten Sachen wieder aufgefrischt werden.", 12. Nov. 1942; Paul: "Nächsten Sonntag ist nun Totensonntag. Mit den Kränzen ist es hier ganz schlimm. Auch die scheinen knapp zu sein. Es wird ja wohl für jedes Grab noch ein Kranz zu haben sein. […] Augenblicklich scheint man wieder allerhand zu gebrauchen. Sie ziehen ein, mustern aus u. nach. Es werden wohl viel Soldaten gebraucht. Wo das noch hinführt. Man sollte doch meinen die Leute wären balde alle. Wollen hoffen u. wünschen, daß bald Friede ist. Dann wird doch dieses Leid doch [!] ein Ende nehmen. Der Krieg hat doch schon manche Wunde geschlagen.", 17. Nov. 1942; Paul: "Auch die Zulassungsmarken sind gut übergekommen. Wir werden alles nach bestem Können erledigen, damit Du Deine warmen Wintersachen recht bald in Deinen Besitz bekommst. Es wird ja jetzt auch merklich kalt. Bei Euch dort werden die Grade noch ein bischen [!] mehr herunter geklettert sein. Hoffentlich bekommen wir nicht solchen Winter wie voriges Jahr; denn dahin steht einem garnicht der Sinn. Dieses Jahr werden die Kohlen auch nicht so reichlich sein. Es heißt also sich einschränken. Wenn wir es man so behalten, dann wollen wir ja zufrieden sein. Zu Weihnachten gibt es ja allerhand an Zuwendungen. Sogar Bohnenkaffee!! Auch etwas Fleisch u. etwas Mehl u. Zucker. Du siehst also, die Aussichten sind da. Mit den Geschenken wird es ja auch man dünne werden. Man kann ja auch garnichts [!] bekommen. Na ja, das tut ja auch nicht unbedingt nötig. Wenn wir blos [!] für unsern Jochen etwas bekommen, dann wollen wir ja ganz gern verzichten. Die Kinder freuen sich doch so auf Weihnachten. Es wird schon alles gut werden.", 20. Nov. 1942; Paul: "Wie Du schreibst wartete bei Deiner Rückkehr ein Haufen Post. Nun hat sich doch alles eingestellt, was die letzten Wochen auf sich warten ließ. Da hattest Du ja allerhand zu tun, um alle die Briefe und Karten zu lesen. […] Hoffen wir, daß bald der ersehnte Friede kommen wird, und wir alle wieder zusammen Weihnachten feiern können. Das wäre doch das schönste Weihnachtsfest: Aber augenblicklich ziehen sie wieder allerhand ein, auch die Nachmusterungen sind im vollen Gange. Danach zu urteilen ist der Frieden noch nicht in greifbarer Nähe. Doch wir wollen getrost warten, einmal werden sich die Waffen noch senken, und aller Streit ein Ende haben.", 3. Dez. 1942; Paul über das Weihnachtsfest: "Ja lieber Oswald, Du hast recht, wer sich so recht mit den Kindern freuen kann, der hat Freude genug. Ja das Kinderparadies ist wirklich schön. Es heißt nicht umsonst: "O selig, o selig, ein Kind noch zu sein." Der graue Alltag des Lebens, besonders jetzt im Kriege, ist wirklich dazu angetan, die Freude einem zu rauben. Wenn man dann sich so recht mit den Kleinen sich [!] freuen kann, ist es einem, als ob man um mehr als 30 Jahre zurückversetzt wird. Erinnerungen aus der Kindheit tauchen auf. Manche Stunden, die dem Gedäch[t]nis bald entschwunden waren, werden wieder wach. Doch nun zurück zur Wirklichkeit.", 16. Dez. 1942; Paul: Dank für Weihnachtsgeschenke von Oswald (Bücher für Paul, Geld für Jochen), Weihnachtsfeierlichkeiten ("Wir halten die alte Tradition aufrecht. Es ist doch schön, wenn man die Feste so im ganzen Fam[ilien]Kreise verbringt."), Jochen hat einen "Zoo" und ein Auto bekommen, 25. Dez. 1942

Archivaliensignatur
Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann, Nr. 15

Kontext
Nachlass Oswald Stallmann
Bestand
Stadt Minden WN 27 Nachlass Oswald Stallmann Nachlass Oswald Stallmann

Laufzeit
1942

Weitere Objektseiten
Geliefert über
Letzte Aktualisierung
24.06.2025, 13:41 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Kommunalarchiv Minden - Archiv der Stadt Minden und des Kreises Minden-Lübbecke. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Sachakte

Entstanden

  • 1942

Ähnliche Objekte (12)