Archivale

Urgicht

Regest: Simon Menenwitz von Neuenstatt im Land Meissen, der Mordbrenner, in der Grafschaft Zollern in Haft, hat auf peinliche und gütliche Frag und Anziehen (= strecken bei der Folterung) folgendes bekannt:
1) Vor Magdeburg sei er im Regiment des Obersts Bastion von Walwitz Junge ein es Edelmanns aus Eyfland, Hans Hospert, gewesen. Dem habe er etwa 12 fl, 10 Ellen Tuch und einen Landsknechtsdegen gestohlen und sei damit weggezogen.
2) Als der Kurfürst Herzog Moritz nach Ungarn gezogen, sei er zu Prag in Böhmen unter dem Hauptmann Christoph Dierich von Innsbruck gelegen. Etliche Knechte, die auch vor Magdeburg gewesen, hätten ihn gekannt. Als er ihrer gewahr geworden, sei er auf ihr Verwarnen ohne Urlaub und Passwort hinweggeschollen (= verschwunden).
3) Da er hierauf unter kein aufrecht Fähnlein mehr ziehen durfte, sei er überall auf der Gart (= bettelnd) bei den Bauern hin- und hergezogen und wo er hingekommen sei, habe er einen Rock, Juppe, Hose, Wams, Hemden, Hüte, Degen, Schuhe und andere Kleider gestohlen und verkauft.
4) Als er nach Frankreich gezogen sei im Regiment des Grafen Wilhalm von Fürstenberg und man die Knechte beurlaubt (= entlassen) habe, hätten sie selbfünft, darunter einer vom Adel, zusammengeschworen, sie wollen miteinander ziehen und was ihnen aufstosse (= begegne), alles ermorden und nehmen, was sie hätten.
5) Als sie gleich darnach in ein Dorf kamen, hätten sie einem Bauern auf dem Feld 4 Ross hinweggeritten und jedes um 2 Kronen verkauft, das Geld in gemeiner Bursch (= in gemeinsamer Kasse) verschlemmt.
6) Als er und seine Gesellen auf Brüssel zuzogen, sei ihnen unweit von einem Dorf in der Nähe eines Waldes ein Bauersmann begegnet. Den hätten sie angegriffen und umgebracht und etwa 30 fl bei ihm gefunden, ihn in den Wald hineingeschleift und mit Reisig und Laub bedeckt.
7) Als sie auf Bergen zogen, sei ihnen ungefähr 1 Meile Wegs von Bergen eine Frau begegnet. Der hätten sie das Säcklein abgeschnitten, darin 2 oder 3 Kronen gefunden, ihr die genommen und sie hinziehen lassen.
8) Er sei in das Dorf Walddorf in der Pfalz nahe am Rhein vor eines Pfarrers Haus gekommen und habe ihn um einen Zehrpfennig angesprochen, damit er weiterkomme. Da habe ihm der Pfarrer übel zugeredet, dass er so umherziehe. Darauf habe er dem Pfarrer die Scheuer verbrannt. Bald darauf sei er verhaftet worden und zu Heidelberg ungefähr 5 Wochen gefangen gelegen, peinlich gefragt, zum zweitenmal aufgezogen worden und, als man nichts von ihm bringen (= aus ihm herausbringen) konnte auf eine Urfehde ledig herausgekommen.
9) Gleich darnach sei er dem Odenwald zugelendet (= zugeländet, zugesteuert), auf der Gart (= bettelnd) umhergezogen und habe auf der Weid unweit von einem Dorf am hellen Tag ein Ross gestohlen, hinweggeritten und verkauft.
10) Wie man vor Theura gelegen, habe ihm Hans von Schönberg, ein Edelmann zu Neusorgen, 2 Meilen von Kelmitz gelegen, ziemlich viel Geld und einen Klepper übergeben, um ihn heimzuführen. Er aber habe weder das Geld noch den Klepper heimgebracht, sondern entführt, den Klepper verkauft, das Geld vertan.
11) Ungefähr vor 6 Jahren sei er mit Caspar von Hall aus dem Land Sachsen, Hans von Leipzig, Hans von Mülhausen aus dem Land Thüringen und Hans von Schletz aus dem Voidland (Voigtland) in einem Dorf, darin ein Edelmann sass, N. von Braittenbach, unweit von Weissenfels in Meissen gelegen, zusammen geraten. Sie hätten beschlossen, wen sie antreffen, alles zu ermorden und zu nehmen, was sie bei ihnen finden. So seien sie auf den Thüringer Wald gezogen, hätten darin eine Hütte gemacht, sich etwa 14 Tage darin aufgehalten und 4 Personen, Bauern und Handwerksgesellen ermordet und genommen, was diese bei sich hatten.
12) Hans von Grienenwald und Jörg von Braunschweig seien etwa vor 3 Jahren mit ihm eine Zeitlang auf der Gart gezogen. Als sie bei Neuenstadt auf dem Schwarzwald auf einen einzigen (= einzelnen) Hof kamen, sei niemand als eine Frau und ein Bub daheim gewesen, das übrige Gesinde in der Kirche. Sie hätten die Frau angeredet, sie solle ihnen nach ihrem Gefallen geben. Die Frau sei etwas unwirsch gewesen und hätte ihnen übel zugeredet, was sie umherziehen. Dem Buben in der Scheuer habe sie zugerufen, er solle dem Dorf zulaufen und den Meister holen. Das habe der Bub getan. Einer seiner Gesellen sei dem Buben nachgeeilt und habe ihn, ehe er zum Dorf kam, ermordet. Die Frau hätte das Haus versperrt. Sie lehnten eine Leiter an, stiegen in das Haus, nahmen, was sie im Haus fanden, hieben der Frau beide Hände ab, zogen davon und verkauften solches den Juden.
13) Wie er und seine 2 Gesellen nach solcher Tat ins Land Hessen zogen, hätten sie den Bauern viel Unrat zugefügt, seien in die Häuser und Kammern eingebrochen, hätten genommen, was sie fanden, und es verkauft.
14) Darauf seien sie nach Braunschweig, in die Mark, nach Pommern und Polen gewandert, ungefähr eine Meile Wegs von Spanna in der Mark gelegen, worin ihnen ein Bauer begegnete, den sie erschossen, in ein Gehölz schleiften und mit Reisig und Laub zudeckten. Sie hätten etwa einen dikken Pfennig bei ihm gefunden.
15) Er und seine Gesellen hätten im Land Braunschweig das Dorf Langen-Gittich verbrannt und seien davongezogen.
16) In einem Dorf ungefähr 3 Meilen Wegs von Berlin hätten sie gartiert und daselbst ein Haus verbrannt.
17) In Böhmen hätten sie eine Frau beraubt und ungefähr 3 fl böhmische Groschen bei gefunden.
18) In Hessen nicht weit von Marenberg seien sie in ein Dorf gekommen, einem Bauern in das Haus eingebrochen und hätten genommen, was sie fanden.
19) In Schlesien unweit von Liegnitz seien sie in eine einzechte (= einsame) Mühle gekommen, hätten den Müller, die Frau und einen Buben ermordet, genommen, was darin lag, und es den Juden verkauft.
20) Ungefähr vor 1 Jahr seien ihrer etwa 30 in einem Dorf ungefähr 3 Meilen Wegs hinter Strassburg zusammengekommen, einem grossen Dorf mit 2 Wirtshäusern. Caspar von Litzen, ungefähr 7 Meilen Wegs von Münster gelegen, ein starker Knecht, hätte einen schwarzen breiten Bart, schwarze Hosen und Wams, klein zerhauen (= zerschnitten), ein schwarzes Röcklein und einen langen schwarzen Mantel darüber, einen schwarzen Hut und eine goldene Schnur darüber, reite auf einem braunen Klepper und den Zug (= Zügel?) mit gelbem Futter verprempt (= verbrämt) und mit Leder besetzt. Der habe einen nach dem andern zu sich hinausgenommen und fürgehalten (= erklärt), er sei von einem niederländischen Herrn aus dem Stift Polpor in Westfalen ausgeschickt. Ob sie Geld nähmen und in Deutschland in Orten, wo man lautterisch (= lutherisch) sei - doch mit Ausnahme der Lande und Städte der kaiserlichen Majestät - brennen wollten. Als sie es bewilligten, habe er ihnen, je nachdem der Mann war, 3 Kronen oder 12 oder 6 oder 4 auf die Hand gegeben und sei mit ihnen einig geworden, wohin sich jeder in Deutschland verfügen und brennen sollte. Ihr Wahrzeichen sollte sein ein Kreuz mit Haken und halbes Feuereisen (= Stahl zum Feuerschlagen) darin, mit viel Tüpfeln, die das Pulver bedeuten, und jeder ein rotes burgundisches Kreuz hinten auf dem Rücken im Wams. Er hätte ihnen ihre Kamen, daran sie einander kennen, aus einem Kartenspiel gemacht. Am letztvergangenen St. Gallen-Tag sollten sie zu Baden in der Schweiz wieder bei ihm sein und jeder anzeigen, was er verbrannt und ausgerichtet hätte. Er wolle ihnen dann mehr Geld und weiter Bescheid geben.
Darauf hätten sie sich alle verteilt. Er sei selbdritt 2 oder 3 Tage gezogen. Sie hätten sich dem Rhein zugewandt. Der eine seiner Gesellen heisse Caspar von Tantzgen. Hatte ein weisses Kleid, Hosen und Wams, klein zerschnitten, ein falbes (= blassgelbes) Bärtlein, ein lang Rapier an der Seite, einen Knebel (= Holz?)-Spiess und einen schwarzen Hut auf.
Der andere heisse Henslin von Ach. Hatte ein grün Paar Hosen und ein schwarz barchtetin (= aus Barchent) Wams, klein zerschnitten, einen schwarzen breiten Bart und einen grünen Hut auf. Trug einen knechtischen (= Landsknechts-)Degen an der Seite.
Sonst seien noch zwei ausser dieser Gesellschaft, ziehen im Land umher. Deren Namen seien ihm unbekannt. Allein ihm dünke, der eine heisse Jerg und sei im Breisgau daheim. Hewatte ein graues Mäntelein an, weisse, unzerschnittene Hosen, eine munken (= schadhafte) Nase, als ob's ihm die Franzosen (= die Franzosenkrankheit, Syphilis) verderbt hätten. Der andere ein weiss Röcklein und graue Hosen. Ziehen beide miteinander, trägt jeder einen Stecken mit einem langen Eisen Stefts (= Eisenspitze) beschlagen, sonst keine andere Waffe. Jeder habe eine Pritsche und Schelle daran, sie treiben damit Gaukelspiel wie die Gaukler und Lotterbuben. Er wisse nicht, wie die andern, die das Geld mit ihm empfangen haben, hiessen. Er, Simon, sei in dem erwähnten Kartenspiel Schellenunter-Männlein genannt worden.
Als nun er, Jerg von Tantzgen und Henslin von Ach 2 oder 3 Tage miteinander gezogen und es habe nichts gebrannt, Dann habe er sich von ihnen getan, sei ins Land Hessen gekommen, habe im Dorf Bettenhausen 5 Meilen von Cassel einem Bauern eine Scheuer verbrannt, sei dann ins Land Thüringen gezogen, habe im Dorf Kuckershausen Feuer gelegt, sei davongezogen, wisse nicht, ob es angegangen sei. Dann habe er sich heraus ins Land getan und habe gebettelt.
An St. Stephans Tag sei er nach Bisingen in der Grafschaft Zollern gekommen und über Nacht bei einem Bauern gelegen, habe aber gemeint, der Flekken sei würtenbergisch. Morgens an St. Johanns Tag, wie der Bauer und die Frau zur Kirche gegangen, sei nur ein kleines Mädlein daheim geblieben. Er wollte sich eine Suppe auf dem Herd machen, ergriff einen Brand, ging damit in die Scheuer hinaus, legte den Brand an das Heu und Stroh, ging zum Dorf hinaus, kam nach Stetten und wurde dort gefangen genommen ...
Diese Artikel hat er am Donnerstag nach dem Neuen-Jahrs-Tag (15)56 ohne alles peinliche Fragen ohne jede Einrede freiwillig bekannt im Beisein nachgenannter unverleumdeter (= unbescholtener) Personen, lauter Bürger zu Hechingen, zu besonderer Kundschaft (= Zeugenaussage) herzuberufen, nämlich Jorg Schwartz, Schneider, Hans Walch, Friedrich Sailer, Lorenz Aichgasser, Alexius Eckhenweiler, Conrad Knobel und Hans Wullin (?). Weil er alle diese Artikel verjachziget (= bejaht) hatte, ist den genannten Zeugen bei ihren Eiden Stillschweigen auferlegt worden bis zu richtlicher (= gerichtlicher) Eröffnung ...

Dorsal-/Marginalvermerke: Auf der letzten Seite: Auf Mittwoch nach Trium Regum (15)56 ist dieser Simon zu Hechingen in der Grafschaft Zollern gerichtet, hinausgeschleift, gerädert und verbrannt worden.

Archivaliensignatur
A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. 7451
Umfang
7 1/2 S.
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26) >> Bd. 21 Urgichten
Bestand
A 2 e (Urfehden u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26)

Laufzeit
(15)55 Dezember 30

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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Entstanden

  • (15)55 Dezember 30

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