Bestand
Domkapitel Münster / Akten (Bestand)
Kaiserliche, päpstliche und
bischöfliche Privilegien 1309-1784 (34); Kapitularstatuten
1510-1799 (12); Bischofswahlen 1450-1805 (26);
Wahlkapitulationen der Bischöfe 1426-1801 (36); Eidesleistung
der Bischöfe 1563-1763 (6); Koadjutorwahlen 1667-1780 (9);
Testamente und Fundationen der Bischöfe (1532)-1818 (39);
Sedisvakanz 1558-1809 (17); Erbkämmereramt 1605-1801 (18);
Archidiakonalsachen 1330-1791 (33); einzelne Archidiakonate
1354-1804 (444); Kollegiatstift Beckum 1267, 1574-1575 (2);
Stift Cappenberg 1195, 1260, 1613-1768 (29); Stift Langenhorst
1736 (19); Kloster Liesborn 1580-1707 (10); Kloster Marienfeld
1599-1775 (11); Kloster St. Aegidii, Münster 1612-1819 (15);
Stift Alter Dom, Münster 1527-1789 (5); Jesuitenkolleg Münster
1326, 1328, 1529-1801 (22); Stift St. Ludgeri, Münster 1801-1820
(1); Stift St. Martini, Münster 1810 (1); Stift St. Mauritz vor
Münster 1800 (1); Stift Überwasser, Münster 1340-1773 (44);
Stift Nottuln 1811 (2); Stift Varlar 1129-1266, 1565-1767 (26);
Gogerichte allgemein 1592-1810 (18); Gogericht Bakenfeld
1559-1809 (100); Gogericht zur Meest 1562-1801 (97); Gogericht
Senden 1521-1800 (86); Gogericht Telgte 1523-1802 (186);
Bedienstete des Domkapitels 1540-1810 (66); Münzwesen 1508-1802
(102); Archiv 1554-1802 (10); Dombibliothek 1588-1809 (69);
Einkünfte 1397-1818 (57); Eigenhörige 1509-1819 (110);
Sondercorpora des domkapitularischen Besitzes 1519-1811 (87);
Rechtsstreitigkeiten 1720-1811 (4); Protokolle 1575-1811 (175);
Dompropst, Dompropstei 1465-1821 (212); Domscholaster 1446,
1549-1811 (13); Domküster 1257, 1264, 1366, 1367, 1493,
1537-1816 (211); Vicedominus 1488, 1669-1804 (10); Domkantorei
1559-1796 (44); Domkellnerei 1620-1811 (257); Dombursar
1696-1811 (10); Präbendalsachen 1532-1832 (106); Präbendalsachen
anderer Domkapitel 1717-1773 (14); Präbendalsachen anderer
Stifte 1688-1811 (6); Kurien der Domherren 1510-1810 (45);
Testamente der Domherren 1534-1805 (192); Domvikare 1217-1811
(34); Vikarien in der Domkirche 1315-1812 (353); Kapelle b.
Mariae virginis in ambitu 1527-1811 (76); Kapelle S. Michaelis
auf dem Domhof 1321-1849 (40); Kirche S. Jacobi apostoli maioris
auf dem Domhof 1519-1641 (2); Kapelle S. Nicolai 1282-1811 (41);
Kapelle S. Margarethae virginis 1428-1810 (18); Vikarie SS.
Johannis Baptistae et Evangelistae im Hospital zu Münster 1701
(1); geistliche Ämter der Domvikare 1600-1787 (7);
Vikarienhäuser 1615-1801 (28); Testamente der Domvikare
1532-1804 (50); Testamente der Offizianten 1546, 1677-1811 (9);
andere Testamente 1596-1766 (11); Fürstbistum Münster:
auswärtige Angelegenheiten 1604-1766 (10), Reichssachen
1521-1801 (29), Kreissachen 1552-1801 (114), Landessachen
1554-1808 (5); Landtag 1451-1802 (23); Landstände 1466-1808
(387), Militär 1542-1809 (66), Hofkammer 1536-1829 (26), Polizei
1582-1747 (6), Bausachen 1630-1809 (10), Zoll und Brückengeld
(1570) 1652-1811 (12), Markensachen 1567-1755 (5), Jagd- und
Forstsachen 1447, 1592-1811 (38), Fischereisachen 1482,
1580-1787 (10), Ämter Ahaus 1521-1618 (3), Cloppenburg 1552-1782
(13), Dülmen 1572-1801 (25), Horstmar 1659-1811 (25), Meppen
1443, 1570-1739 (10), Rheine-Bevergern 1678-1802 28), Sassenberg
1611, 1685-1718 (2), Vechta 1676-1792 (6), Wolbeck 1566-1803
(33), Damme und Neuenkirchen 1545-1765 (20), Twistringen 1564,
1656 (2), Herrschaft Borculo 1550-1635 (16), Amt Bredevoort
1562, 1649, 1684 (3), Grafschaft Delmenhorst ca. 1550 (1),
Goldenstedt 1383, 1564-1734 (12), Harpstedt 1521-1652 (13), Amt
Wildeshausen 1429-1648 (4); Erbfürstentum Münster 1749,
1802-1811 (14); Franzosenzeit 1804-1811 (7); Grafschaft Bentheim
(1365-1400) 1680-1802 (29); Grafschaft Steinfurt 1384, 1395,
1536-1788 (82); Grafschaft Tecklenburg 1538-1784 (22);
Herrschaft Lingen 1547-1655 (22); Herrschaft Rheda 1245,
1550-1803 (7); Herrschaft Gemen 1577, 1667-1739 (14);
Ostfriesland 1495-1707 (9); Herrschaft Jever 1499 (1); Herzogtum
Kleve 1438, 1565-1712 (10); Herrschaft Werth und Middeldonck
1369, 1371, 1447, 1556-1767 (68); Haus Rauschenburg 1679-1784
(3).
Bestandsgeschichte:
Geistliche Korporation, bestehend aus der Gesamtheit der
Domherren (= Clerus primarius), mit dem Recht der Bischofswahl;
Landesherr während der Sedisvakanz und erster Landstand;
gegründet im ersten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts durch den hl.
Liudger; aufgehoben durch Dekret Napoleons vom 14. November 1811
mit Wirkung vom 2. Dezember 1811.
Form und Inhalt: Das
Domkapitel zu Münster
Nach seinem Sieg über die
Sachsen hatte der Frankenkönig Karl dem Friesen Liudger die
Missionierung Frieslands und des westlichen Sachsenlandes
übertragen. 792/93 errichtete Liudger ein "monasterium" in der
sächsischen Siedlung "Mimigernaevor" an der Aa, dessen Patron
der hl. Paulus wurde. 805 erfolgte die Weihe Liudgers zum
Bischof, und damit war der Grundstein gelegt für ein Bistum, das
sich im Laufe der Jahrhunderte zum größten geistlichen
Territorium im Alten Reich entwickelte. Bestehend aus dem
Niederstift und dem Oberstift, grenzte es im Norden an
Ostfriesland und Oldenburg, im Westen an die niederländischen
Provinzen Groningen, Drente, Overijssel und Gelderland, während
die Lippe im Süden die Grenze bildete. Die östliche Grenze
verlagerte sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedentlich zum
Nachteil Münsters. Zu den wichtigen östlichen Nachbarn gehörten
im 18. Jahrhundert das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, das
Fürstbistum Osnabrück sowie die preußischen Gebiete Grafschaft
Tecklenburg, Grafschaft Lingen und Grafschaft Ravensberg. Das
Niederstift umfaßte die Ämter Meppen oder Emsland, Cloppenburg
und Vechta, das Oberstift die Ämter Rheine- Bevergern, Wolbeck,
Ahaus, Horstmar, Bocholt, Lüdinghausen, Werne, Sassenberg und
Stromberg.
Auf das Gemeinwesen, das sich um das
Kloster an der Aa herausgebildet hatte, war bald der lateinische
Name "Monasterium" übergegangen, aus dem sich das niederdeutsche
"Mönster" bzw. das hochdeutsche "Münster" entwickelten und auch
zur Bezeichnung des Bistums dienten.
Das Domkapitel
in Münster, aus dem Konvent der ursprünglichen Mönchskirche
entstanden, gewann neben dem Bischof und Landesherrn zunehmend
an Einfluß. Ende des 10. Jahrhunderts setzte sich die
Gütertrennung zwischen Bischof und Domkapitel durch. Die von
Kaiser Heinrich II. geförderten und von Bischof Siegfried von
Walbeck vertretenen Reformtendenzen konnten auf die Dauer indes
nicht durchgesetzt werden. Das Ergebnis war eine zunehmende
Verweltlichung des Kapitels. Unter Bischof Hermann II. von
Katzenelnbogen wurden 1193 die Archidiakonate neu geordnet,
dadurch fand die Verselbständigung des Kapitels gegenüber dem
Bischof ihren Abschluß, so daß dieser fortan auf die Weiheund
die landesherrlichen Rechte beschränkt blieb. Allerdings wurden
letztere zunehmend durch die vom Domkapitel erstellten
Wahlkapitulationen eingeengt. Die Bischöfe zogen sich aus der
Kathedralkirche zurück und nahmen seit etwa 1275 ihre Residenz
ständig außerhalb der Stadt. Anfang des 14. Jahrhundert entstand
ein offener Machtkampf zwischen dem Domkapitel und dem Bischof
Otto von Rietberg wegen Unstimmigkeiten bezüglich des
Ernennungsrechts von Domherren und Beeinträchtigungen der
Archidiakonalgewalt. Das Domkapitel strengte einen Prozeß vor
dem erzbischöflichen Stuhl in Köln gegen den Bischof wegen
Eidbruches und Verschleuderung von Kirchengut an und erreichte
1306 die Amtsenthebung, die allerdings später durch den Papst
aufgehoben wurde.
Beim Kapitel selber nahm das
Versorgungsdenken zu, der Besitz von Präbenden und Einkünften
drängte dabei die Erfüllung der geistlichen Pflichten in den
Hintergrund, so daß sich der Chordienst der Domherren auf ein
Minimum reduzierte. In erster Linie befaßte sich das Domkapitel
mit der Vergabe der Präbenden und der Optionen der Sondergüter
sowie mit den Auseinandersetzungen mit dem Bischof. Somit
entwickelte sich das münsterische Domkapitel zu einem
Versorgungsinstitut für die nachgeborenen Söhne des
westfälischen und des rheinischen Adels.
Im 15.
Jahrhundert kam es im Fürstbistum Münster durch die sog.
Münstersche Stiftsfehde in den Jahren 1450 bis 1457 zu einem
ernsten Konflikt zwischen dem Landesherrn und dem Land, in den
auch das Domkapitel hineingezogen wurde. Ausgelöst wurde dieser
durch die Wahl Walrams von Moers zum Bischof, gegen den sich im
Land Widerstand formierte. Dessen Wortführerin war die Stadt
Münster, welche den Grafen Johann von Hoya als Stiftsverweser
einsetzte und beim Papst Klage gegen den beim Volke mißliebigen
Bischof führte. Hintergrund war die Rivalität zwischen den
gräflichen Häusern Moers und Hoya wegen des Einflusses in den
nordwestdeutschen Bistümern, wobei auch der Kölner Erzbischof
Dietrich von Moers seine Hand im Spiel hatte, der Westfalen der
Kölner Hegemonie unterwerfen wollte. Der Streit spaltete das
Domkapitel, was 1456 zu einer Doppelwahl führte. Erst durch das
Eingreifen des Papstes und die Providierung eines neutralen
Kandidaten konnte der Konflikt 1457 schließlich beigelegt
werden.
Die geistigen Strömungen des 15.
Jahrhunderts, die "Devotio moderna" und der Humanismus konnten
im Domkapitel Münster nur bedingt Fuß fassen, so daß eine
Gesundung des geistlichen Lebens nicht stattfand. Allerdings
gelang es dem Domherren Rudolf von Langen ( 1519), der als der
Hauptvertreter des Humanismus in der Stadt Münster gilt, die
reformbedürftige Domschule 1500 in ein humanistisches Gymnasium
umzuwandeln. Schon seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts
erhielt das protestantische Bekenntnis in Münster starken
Zulauf, und 1533 waren bereits sämtliche Pfarrkirchen der Stadt
protestantisch. Als 1534 die sektiererischen Täufer die Überhand
gewannen, wurde das Domkapitel aus der Stadt vertrieben und der
Dom verwüstet. Nach der Niederwerfung der Täuferherrschaft im
Jahre 1535 gewann die protestantische Glaubensrichtung im Adel
und damit im Domkapitel weiterhin an Einfluß. Auch der damalige
Fürstbischof Franz von Waldeck ( 1553) tendierte zur
protestantischen Lehre und plante, das Fürstbistum Münster zu
säkularisieren und in ein erbliches Fürstentum umzuwandeln,
scheiterte jedoch am Widerstand des Domkapitels. Nach dem Tode
Franz von Waldecks unternahmen dessen Nachfolger, Wilhelm von
Ketteler und Bernhard von Raesfeld, keine Schritte gegen den
Protestantismus und dankten 1557 bzw. 1568 ab. Im Adel und im
Domkapitel konnte insbesondere die calvinistische
Glaubensrichtung zahlreiche Anhänger gewinnen. 1575 gehörten
immerhin 16 Domherren dem protestantischen und nur 12 dem
katholischen Bekenntnis an. Diese Situation führte dazu, daß
nach dem Tode des Fürstbischofs Johann von Hoya ( 1574) die
Wahl eines Nachfolgers verhindert wurde. Allerdings fand die
alte katholische Lehre in dem Domdechanten Gottfried von
Raesfeld ( 1586) einen entschiedenen Verfechter, der eine
wichtige Rolle auch bei der Wahl des von den Jesuiten erzogenen
Herzogs Ernst von Bayern ( 1612) zum Bischof im Jahre 1585
spielte. Damit begann im Fürstbistum Münster die systematische
Bekämpfung des Protestantismus, an der die seit 1588 in Münster
niedergelassenen Jesuiten einen wesentlichen Anteil hatten.
Unter Fürstbischof Ferdinand von Bayern ( 1650) konnte die
Durchsetzung des katholischen Bekenntnisses im Fürstbistum
Münster bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts praktisch zum
Abschluß gebracht werden. Die verwandtschaftlichen Verbindungen
des Fürstbischofs Ferdinand zum bayerischen Herzogshaus
bewirkten dessen Beitritt Münsters zur Liga, wodurch das
Fürstbistum in den Dreißigjährigen Krieg hineingezogen
wurde.
Mit dem Domküster Christoph Bernhard von Galen
( 1678) wählte das Domkapitel 1650 bewußt einen Vertreter des
münsterländischen Adels und nicht den bayerischen Prinzen
Maximilian Heinrich, in der Hoffnung, so nicht in die
europäische Politik verwickelt zu werden. Freilich kam es zu
erheblichen Spannungen zwischen dem Fürstbischof und dem
Domkapitel, namentlich mit dem Domdechanten Bernhard von
Mallinckrodt ( 1664), da dieser sich weigerte, die Wahl
Christoph Bernhards zu bestätigen. Weiteren Konfliktstoff boten
die hochfliegenden politischen und militärischen Ziele des
Kirchenfürsten, welche die Ressourcen des Fürstbistums Münster
überforderten, doch gelang es dem Fürstbischof, das Domkapitel
bei den politischen Entscheidungen weitgehend
auszuschalten.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts
beschäftigte das Domkapitel ein langwieriger Rechtsstreit vor
dem Reichskammergericht wegen der Zulassung der aus dem
münsterischen Stadtpatriziat hervorgegangenen Erbmänner zum
Domkapitel. Urteile von 1685 und 1709 sprachen den Erbmännern
indes die Ritterbürtigkeit und damit die Zulassung zum Kapitel
zu. Ein gravierender Konflikt entstand im Domkapitel bei der
Bischofswahl des Jahres 1706. Kandidaten waren der von den
Niederlanden und Preußen unterstützte Paderborner Bischof Franz
Arnold von Wolff-Metternich und der vom Kaiser favorisierte
Osnabrücker Bischof Karl Joseph von Lothringen. Es kam zu einer
Doppelwahl, und erst das Eingreifen des Papstes zugunsten Franz
Arnolds löste das Problem.
Bei der Wahl des Jahres
1719 gelang es dem Hause Wittelsbach, wiederum einen bayerischen
Prinzen zum Bischof von Münster wählen zu lassen. Dabei hatten
großzügig geflossene Bestechungsgelder ihre Wirkung beim
Domkapitel nicht verfehlt. Freilich wirkte sich die
Regierungszeit Clemens Augusts von Bayern wegen dessen
schwankender politischer Haltung nachteilig für das Fürstbistum
Münster aus, das insbesondere während des Siebenjährigen Krieges
sehr zu leiden hatte. Schon damals hegten Preußen und
Großbritannien Pläne, u. a. das Fürstbistum Münster zu
säkularisieren und aufzuteilen. Als 1780 in Münster die Wahl
eines Koadjutors anstand, suchten Preußen und Österreich Einfluß
auf das Domkapitel zu nehmen und ihren Kandidaten durchzusetzen.
Gewählt wurde, dank der von Wien reichlich gezahlten
Bestechungsgelder, Erzherzog Maximilian Franz von Österreich,
jüngster Sohn der Kaiserin Maria Theresia. Er trat 1784 die
Nachfolge als Kurfürst und Erzbischof in Köln sowie als
Fürstbischof in Münster an. Da er in Bonn residierte, konnte mit
dem Generalvikar und Domkantor Franz von Fürstenberg, der vor
1780 als Geheimer Konferenzrat mit der Regierung des
Fürstbistums Münster betraut gewesen war, ein Mitglied des
Domkapitels Einfluß auf die Verhältnisse im Fürstbistum Münster
nehmen, insbesondere auf das Bildungs- und Schulwesen.
Nach dem Tode des Fürstbischofs Maximilian Franz im Jahre
1801 wählte das Domkapitel einen Nachfolger, der sein Amt indes
nicht antrat, da die Säkularisierung der geistlichen Staaten
beschlossene Sache war. Trotz des Protestes des Domkapitels
besetzten 1802 preußische Truppen das Fürstbistum Münster, das
1803 gemäß den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses
säkularisiert und aufgeteilt wurde. Die Hauptstadt Münster mit
dem östlichen Teil des sog. Oberstifts fiel an das Königreich
Preußen und bildete nun das Erbfürstentum Münster, während sich
mehrere kleinere Fürsten das restliche Territorium teilten.
Damit verlor das Domkapitel seine Rolle als Landstand und büßte
seine Vorrangstellung ein. Es blieb zunächst noch bestehen, doch
erfolgte seine Aufhebung wegen bestehender Spannungen mit der
neuen Obrigkeit durch Kabinettsordre des preußischen Königs vom
20. September 1806. Nach der Niederlage Preußens im Oktober 1806
wurde die Stadt Münster zusammen mit den preußischen Besitzungen
in Westfalen unter holländisch-französische Verwaltung gestellt
und die Aufhebung des Domkapitels am 4. November 1806 wieder
rückgängig gemacht. Seit 1808 gehörte das ehemalige
Erbfürstentum Münster zum Großherzogtum Berg, bis 1811 jener
Teil, der nördlich einer von Wesel über Münster und Minden bis
an die Ostsee verlaufenden Linie lag, zusammen mit der Stadt
Münster dem Kaiserreich Frankreich einverleibt wurde. Durch
kaiserliches Dekret vom 14. November 1811 erfolgte schließlich
die endgültige Auflösung des alten Domkapitels. An dessen Stelle
errichtete Napoleon am 24. August 1812 ein neues Kapitel nach
dem Vorbild der französischen Kathedralkapitel, zu dem nur
solche Mitglieder zugelassen waren, welche die Priesterweihe
empfangen und ihren Wohnsitz im Kaiserreich Frankreich hatten,
und erstmals waren nun auch Bürgerliche zum Domkapitel
zugelassen. Den ehemaligen Domdechanten Ferdinand August von
Spiegel zum Desenberg ernannte Napoleon am 14. April 1813 zum
Bischof von Münster, allerdings versagte der Papst die
Anerkennung. Zwar überdauerte das neue Domkapitel den
Zusammenbruch der französischen Fremdherrschaft im
Oktober/November 1813, doch erfolgte 1815 die Wiedereinsetzung
der überlebenden Mitglieder des alten Domkapitels in ihre
geistlichen Funktionen, und Ferdinand August von Spiegel zum
Desenberg war nun wieder Domdechant. Im Zuge der Neuorganisation
der kirchlichen Verhältnisse durch die päpstliche Bulle "De
salute animarum" im Jahre 1821 entstand 1823 ein neues
Domkapitel.
1. Verfassung des
Domkapitels
Die Verfassung des Domkapitels war durch
die mündlich tradierten Consuetudines und die schriftlichen
Statuten geregelt. Ursprünglich ist von einer Mitgliederzahl von
12 Domkapitularen auszugehen, um 1085 dürften es 16 gewesen
sein. Seit 1313 wird es 40 Domherren im Domkapitel gegeben
haben. Infolge der Stiftung der Galenschen Familienpräbende
durch Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen im Jahre 1662
erhöhte sich die Zahl auf 41. Seither bestand das Domkapitel zu
Münster aus 41 Präbenden, deren Besetzung normalerweise durch
das Domkapitel erfolgte, während die Galensche Familienpräbende
vom jeweiligen Besitzer des Erbkämmereramtes vergeben wurde. Die
Vergabe der Präbenden stand in den reservierten Monaten dem
Papst, in den übrigen dem Domkapitel zu, während der Kaiser das
"jus primarum precum" besaß. Voraussetzungen für die Verleihung
einer Präbende waren folgende Voraussetzungen:
Mindestalter von 14 Jahren, katholisches Bekenntnis, die
erste Tonsur, eheliche Geburt und 16 adelige Vorfahren, und zwar
jeweils acht von väterlicher und mütterlicher Seite. Die
adelige, ritterbürtige Abstammung war durch eine
Aufschwörungstafel unter Beweis zu stellen, für deren
Richtigkeit zwei adelige Bürgen einstanden. Die
Aufschwörungstafel hing sechs Wochen lang im Kapitelssaal aus,
um mögliche Einsprüche geltend machen zu können. Die Forderung
nach der rein deutschen Abstammung der Probanden indes ließ sich
letztlich, wie die Aufnahme des Grafen Wenzel Anton von
Kaunitz-Rietberg 1727 zeigte, nicht durchsetzen.
Waren die Voraussetzungen erfüllt und eine entsprechende
Gebühr entrichtet, konnte der Besitz der Präbende verlangt
werden, der aber noch nicht das Recht zum Kapitel
einräumte.
Für die Emanzipation waren ein
Mindestalter von 20 Jahren und ein zweijähriges akademisches
Studium an einer Universität in Frankreich oder Italien
vorgeschrieben. Wieder waren entsprechende Gebühren zu
entrichten, u. a. für das Kapitularkreuz. Auf die Emanzipation
folgte die sechswöchige strenge Residenz, d.h. der Emanzipierte
mußte auf der Domimmunität wohnen und übernachten und an allen
Kirchenstunden im Dom teilnehmen. Erst danach war er wirkliches
Mitglied des Domkapitels, gelangte jedoch erst nach Ablauf der
Karenzjahre in den vollen Genuß seiner Rechte.
2. Dignitäten
Das Domkapitel zu Münster wies
fünf Dignitäten auf, und zwar: Dompropst, Domdechant,
Domscholaster, Domküster und Vicedominus. Die ersten drei wurden
vom Domkapitel gewählt, während die beiden letztgenannten durch
den Bischof ernannt wurden.
Der Dompropst vertrat das
Domkapitel nach außen und verwaltete das Präbendalgut. Seine
Dignität galt ursprünglich als die erste und vornehmste. Seine
Wahl mußte durch den Papst bestätigt werden. Für die praktische
Verwaltung des Präbendalgutes bediente sich der Dompropst des
Domkellners, 1319 erstmals in Münster nachweisbar. Im 14.
Jahrhundert verlor der Dompropst indes die herausragende
Stellung im Domkapitel an den Domdechanten. Der Dompropst war
Archidiakon in dem rechts der Aa (cis aquas) gelegenen Teil der
Stadt Münster.
Der Domdechant, dessen Wahl durch den
Bischof zu bestätigen war, beaufsichtigte die Einhaltung der
Statuten und der Consuetudines sowie die gottesdienstliche
Ordnung. Außerdem übte er innerhalb des Kapitels die
Disziplinargewalt aus und besaß das Recht, Kapitelssitzungen
anzuberaumen. Er überwachte das gesamte Rechnungswesen, das
Archiv und die Bibliothek, außerdem die Domgeistlichkeit und den
Gottesdienst im Dom. Bei den landständischen Versammlungen
führte er den Vorsitz. Zudem war er Richter über die
Domhof-Immunität und Pfarrer von S. Jakobi, der Pfarrkirche für
den Domhofbezirk. Deren Verwaltung nahm indes ein Vizekurat als
Pfarrer wahr. Der Domdechant bekleidete außerdem das Amt des
Propstes im Kollegiatstift in Dülmen und war Archidiakon in
Bocholt und Dülmen.
Der Domscholaster besaß in
älterer Zeit die Aufsicht über die "canonici scholares", deren
Ausbildung er kontrollierte. Er leitete die Domschule und besaß
später die Schulaufsicht im gesamten Hochstift Münster. Seine
Wahl mußte ebenfalls durch den Bischof bestätigt werden. Als
sein Vertreter fungierte der Domkantor.
Der Domküster
(Thesaurar) wurde nicht durch das Domkapitel gewählt, sondern
durch den Bischof ernannt. Zu seinen Aufgaben gehörte die
Einführung der "canonici scholares" in den praktischen
Kirchendienst, die Erhaltung und Pflege der Domkirche und der
Domschatzkammer. Bei seinen Aufgaben unterstützten ihn zwei
Domherren, und zwar der "subcustos major" gen. "Großer Stab" und
der "subcustos minor" gen. "Kleiner Stab". Außerdem besaß der
Domküster die Jurisdiktion über die sog. Wachszinsigen.
Verbunden mit der Dignität des Domküsters war das Archidiakonat
in Albachten, Alverskirchen, Alstätte, Epe, Gronau, Heek, Leer,
Nienborg, Ottenstein, Rhede, Roxel, Vreden, Wessum und
Wüllen.
Der Vicedominus, der die unterste Dignität
bekleidete, nahm eine Mittlerstelle zwischen dem Domkapitel und
dem Bischof ein. Er war Archidiakon in Ascheberg, Bork,
Bösensell, Darup, Everswinkel. Handorf, Haltern, Hullern,
Hervest, Holsterhausen, Lembeck, Lippramsdorf, Nordkirchen,
Ostbevern, Rade, Rorup, Stromberg, Südkirchen, Telgte,
Westbevern und Wulfen.
3. Ämter
Neben den Dignitäten gab es noch drei sog. Ämter, jene des
Domkantors, des Domkellners und des Dombursars.
Der
Domkantor nahm die Überwachung des Chorgesanges wahr, ihm zur
Seite standen zwei Domvikare als "concentor" und als
"succentor", von denen der erstere die "schola" leitete. Der
Domkantor besaß das Recht, die 24 Präbenden der Choralen zu
besetzen. Verbunden mit dem Amt war der Archidiakonat über
Albersloh.
Der Domkellner verwaltete zunächst im
Auftrag des Dompropstes das Präbendalgut. Sein Amt gewann indes
im Laufe der Zeit an Bedeutung, insbesondere nach der
Entmachtung des Dompropstes im 14. Jahrhundert. Die Domkellnerei
besaß nahezu den Charakter einer modernen Verwaltungsbehörde,
verwaltete sie doch die Kornpächte der Eigenhörigen des
Domkapitels und führte die Dienstgelder-Rechnungen. Außerdem
verwaltete die Domkellnerei die Einkünfte der domkapitularischen
Güter Schöneflieth und Große Schonebeck. 1786 wurde die
bisherige Kornschreiberei (Granariatfonds) aufgehoben, an deren
Stelle die Domrentmeisterei trat.
Das Amt des
Dombursars entstand durch Stiftung in den Jahren 1261/72. Die
Domburse verwaltete die geldlichen Einnahmen des Domkapitels,
stellte quasi ein Bankinstitut des Domkapitels dar, das
Kapitalien auslieh und Güter und Renten ankaufte.
Der
Domsenior zählte weder zu den Dignitäten noch zu den Ämtern. Er
war Vertreter des Domdechanten, zudem Gerichtsstand über diesen
im Falle einer gerichtlichen Anklage.
4.
Domkapitularische Gerichtsbarkeit
Das Domkapitel
verfügte über eine eigene Gerichtsbarkeit, und zwar in der
Domimmunität und in den domkapitularischen Gogerichten.
4.1. Domimmunität
Die
Gerichtsbarkeit auf dem Domhof oder der Domimmunität stand dem
Domkapitel zu, und zwar nur in der ersten Instanz. Richter war
der Domdechant, der diese Aufgabe durch den Dom-Syndikus
wahrnehmen ließ. Auf der Domhof- Immunität befanden sich,
entlang der Begrenzungsmauer angeordnet, die Kurien der
Domherren.
4.2. Domkapitularische
Gerichte
Dem Domkapitel unterstanden das Gogericht
zur Meest, das Gogericht zum Bakenfeld, das Gogericht Senden,
das Gogericht Telgte und das Gericht Lüdinghausen. Das
Domkapitel übte in diesen Bezirken die Polizeigewalt, die Zivil-
und die Kriminalgerichtsbarkeit aus. Die Verwaltung der
Gogerichte erfolgte anfänglich durch Ministeriale, an deren
Stelle indes bald bürgerliche Beamte als Gografen traten, bei
denen es sich seit dem 16. Jahrhundert um studierte Juristen
handelte. Das Domkapitel verfügte über ein eigenes Gefängnis,
und zwar den Gefängnisturm Höllenburg vor Münster.
5. Rechte des Domkapitels
Das
Domkapitel besaß das ausschließliche Recht der Bischofswahl und
bestimmte damit auch den Landesherrn, der im Prinzip aus den
Reihen des Domkapitels zu wählen war. Wurde ein Auswärtiger
gewählt, so mußte dieser zunächst eine Dompräbende erwerben. Das
Domkapitel stellte zudem die von dem Erwählten zu beschwörende
Wahlkapitulation auf.
Während der Sedisvakanz, d.h.
in der Zeitspanne zwischen dem Tode eines Bischofs und dem
Amtsantritt des gewählten Nachfolgers, lag die Regierung des
Fürstbistums in der Hand des Domkapitels, dem während der Vakanz
die Domänen-Einkünfte zustanden.
Außerdem besaß das
Domkapitel umfangreiche Privilegien. Es war erster Landstand im
Fürstbistum Münster und hatte den Vorsitz auf den Landtagen. Die
Besetzung der obersten Landesstellen erfolgte aus seiner Mitte;
es hatte den Vorsitz bei der Wahl der Äbtissinnen der
Damenstifte und bei Wahl der Pröpste, Äbte und Äbtissinnen der
Klöster im Bereich des Bistums Münster. Die Besetzung der
Propsteien sämtlicher Kollegiatstifte erfolgte mit Mitgliedern
des Domkapitels. Zudem besaß das Kapitel das Recht, eigene
Kupfermünzen zu prägen.
6.
Domvikarien
Bedingt durch die zunehmende Reduzierung
des Chordienstes seitens der Domherren und das Anwachsen der
Altäre in der Domkirche, entwickelte sich die Institution der
Domvikarien. Die Domvikare übernahmen dabei die Verpflichtungen
der Domherren, und ihre Hauptaufgabe bestand im Lesen der Messe.
Die Domvikare, die in der Regel aus dem Bürgertum hervorgingen,
besaßen eigene Einkünfte aus den von ihnen betreuten
Altären.
7. Zur Geschichte des
domkapitularischen Archivs
Während des Mittelalters
wurde das Archiv des Domkapitels zu Münster in einem der Türme
der Kathedralkirche verwahrt, weil dort die größte Sicherheit
gewährleistet zu sein schien. Als bei der Belagerung des Jahres
1121 Stadt und Dom ein Opfer des Feuers wurden, scheint das
domkapitularische Archiv jedoch vollständig vernichtet worden zu
sein.
Bedingt durch praktische Erfordernisse entstand
um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein größeres Interesse an
einem geordneten Archiv des Domkapitels. Der Kölner Erzbischof
Walram von Jülich hatte nämlich die schlechte domkapitularische
Vermögensverwaltung beanstandet. Auch die Auseinandersetzungen
des Domkapitels mit den beiden Dompröpsten Christian und
Bernhard von Bentheim dürften dazu beigetragen haben, daß sich
das Kapitel darum bemühte, einen besseren Überblick über die
vorhandenen Rechtsunterlagen zu erlangen. Daher erhielten die
beiden Priester Heinrich von der Kemenaden und Nikolaus Bastun
1362 den Auftrag, das domkapitularische Archiv zu ordnen. Das
Ergebnis ihrer Arbeit ist das große Kopiar des Kapitels, der
"Liber distinctionum".
Zugang zum Archiv hatten nur
wenige Personen. So besaßen der Domdechant und der
Domscholaster, später auch der Domsenior je einen Schlüssel,
während die praktische Verwaltung in den Händen eines Vikars
gelegen haben dürfte. Allerdings ließ das Interesse am Archiv in
der Folgezeit wieder nach.
Inwieweit die
Zerstörungswut der Täufer, die am 24. Februar 1534 das
Kapitelshaus verwüsteten, das Archiv des Domkapitels in
Mitleidenschaft gezogen hat, ist mit Sicherheit nicht bekannt.
Doch scheinen - wie Wilhelm Kohl annimmt - die Verluste nicht
gar so groß gewesen zu sein, wie ursprünglich vermutet wurde. So
spricht einiges dafür, daß es dem Domkapitel gelungen war,
wichtige Unterlagen noch rechtzeitig in Sicherheit zu
bringen.
In der folgenden Zeit wurde dem
domkapitularischen Archiv nicht immer die erforderliche
Aufmerksamkeit gewidmet. Verschiedene Versuche, das nach wie vor
im Domturm verwahrte Archiv zu ordnen und zu inventarisieren,
kamen über Anfänge nicht hinaus. 1655 gab Fürstbischof Christoph
Bernhard von Galen dann den Anstoß zu einer Neuordnung des
Archivs. Der Konflikt zwischen dem Fürstbischof und der nach dem
Status einer freien Reichsstadt strebenden Stadt Münster ließ es
dem Domkapitel indes geraten erscheinen, 1656 sein Archiv aus
der Stadt nach der domkapitularischen Burg Schöneflieth bei
Greven in Sicherheit bringen zu lassen. 1659 wurde das Archiv
sogar noch in die mehr Sicherheit bietende Landesburg Bevergern
ausgelagert, schließlich nach der Niederwerfung der Stadt wieder
nach Münster zurückgebracht.
Obwohl bereits 1680 die
Dringlichkeit eines Neubaues für das domkapitularische Archiv
festgestellt worden war, dauerte es immerhin noch bis 1737, bis
dieser endlich - übrigens von Johann Conrad Schlaun - an der
Nordwand des Kapitelshauses errichtet werden konnte. 1739 war
die aus Schränken und Regalen bestehende Inneneinrichtung fertig
gestellt. Streit gab es wiederholt im 17. und 18. Jahrhundert
zwischen den Fürstbischöfen und dem Domkapitel, da dieses die
während der Sedisvakanzen angefallenen Akten bezüglich der
Regierung des Fürstbistums Münster zurückhielt.
Als
1795 die Besetzung Münsters durch die bereits bei Bentheim auf
deutschem Gebiet stehenden französischen Revolutionstruppen zu
befürchten stand, entschied sich das Domkapitel, sein Archiv
auszulagern und in Sicherheit zu bringen. Allerdings bekam die
Auslagerung dem Ordnungszustand des Archivs nicht sonderlich. Ob
es dabei Verluste gab, scheint nicht bekannt zu sein. Nach
seiner Rückkehr wurde es 1804 in einem der oberen Gewölbe der
Domkirche gelagert.
Nach der endgültigen Aufhebung
des Domkapitels zu Münster durch kaiserliches Dekret vom 14.
November 1811 wurde das Archiv von dem französischen
Domänendirektor Barrois beschlagnahmt und versiegelt. Die dann
mit der Inventarisierung des Archivs betrauten Kommissare Arnold
Philipp Heckmann und Théodore Watrigant waren indes wegen
mangelnder Voraussetzungen für diese Aufgabe nicht geeignet. Das
anfangs im Stadtgericht im Rathaus, später im ehemaligen
Jesuitenkolleg gelagerte Archiv wurde 1812 nur unzulänglich
aufgenommen.
Nachdem Münster 1815 an Preußen gelangt
war, wurde 1820 durch Kabinettsordre geregelt, welche
Archivalien dem wiederbegründeten Domkapitel zurückgegeben
werden, und welche in staatlichem Gewahrsam verbleiben sollten.
Der weitaus größere Teil des domkapitularischen Archivs blieb
dadurch in staatlichem Besitz und gelangte in das 1821 in
Münster eingerichtete Archivdepot, aus dem 1829 das für die
Provinz Westfalen zuständige preußische Staatsarchiv Münster
hervorgegangen ist.
Eine Neuverzeichnung des
Bestandes "Domkapitel Münster, Akten" war aus verschiedenen
Gründen dringend erforderlich. Das bisher vorliegende
handschriftliche Findbuch, gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch
von einem Registrator des Domkapitels erstellt und mit späteren
Nachträgen und Änderungen versehen, kann heutigen Ansprüchen
nicht mehr genügen. Oft sind die vergebenen Aktentitel überaus
unpräzise, mitunter wurde sogar nur der Betreff des ersten
Schriftstückes für die Bildung des Aktentitels benutzt, obwohl
der Aktenband wesentlich mehr an Informationen enthält. Außerdem
begegnet man solchen wenig aussagefähigen Titeln wie "Etliche
Papiere, so ohne sonderlichen Wert" oder "Ein Paket, worin
allerley Sachen, so unter Franz Arnold Bischof passirt".
Vorgänge, die nicht zusammengehören, sind willkürlich
zusammengefasst, Zusammengehöriges ist auseinander gerissen
worden. Ein mißlicher Umstand besteht ferner darin, daß in der
Vergangenheit Aktenbände dem Bestand entnommen worden waren, so
z.B. für die im 19. Jahrhundert geschaffene
"Handschriftensammlung" des Staatsarchivs, ohne daß dabei
konsequent nach einem erkennbaren logischen Konzept verfahren
wurde. Dieses führte zur Auseinanderreißung zusammengehöriger
Bände: d.h. der eine gelangte in die Handschriftensammlung,
während der andere im Bestand verblieb. Diese Entnahmen sind z.
T. schon von Wilhelm Kohl, z. T. von Unterzeichnetem rückgängig
gemacht worden, um einen möglichst kompletten Bestand
wiederherzustellen. Gleichwohl ist festzustellen, daß noch im
alten Findbuch verzeichnete Akten heute nicht mehr auffindbar
sind. Auf der anderen Seite wurden Aktenbände aus anderen
Beständen, z.B. aus "Fürstbistum Münster, Landesarchiv" -
keineswegs immer zwingend - dem Bestand "Domkapitel" zugeführt.
Ungünstig ist an sich auch die Tatsache, daß die Akten des
Domkapitels teils von den domkapitularischen Registratoren,
teils von den Archivaren des 19. Jahrhunderts in kleinere und
kleinste Teilbestände aufgesplittert worden sind. So war ein
Teilbestand "Domkapitel Münster, Akten, Neuere Registratur"
gebildet worden, der gleichwohl zu einem beachtlichen Anteil
Akten aus dem 17. und 18. Jahrhundert enthielt, die dem
Aktenbestand entnommen, aber nicht wieder zurückgelegt und daher
zu einem separaten Bestand zusammengefaßt worden waren. Daher
wurde der Teilbestand "Neuere Registratur" aufgelöst und dem
Bestand "Domkapitel" wieder einverleibt.
Aus
praktischen Gründen bleiben jedoch die übrigen Teilbestände
bestehen, und zwar:
Domkapitel Münster,
Produkte
Domdechanei
Domkellnerei
Domrentmeisterei
Domburse
Domprovision
Domfabrik
Domeleemosyne
Archidiakonate
Oblegien
Oboedienzen
Amt
Lüdinghausen
Amt Schöneflieth
Amt
Schonebeck
Die Urkunden des Domkapitels
Münster aus der Zeit von 1111 bis 1805 bilden gesonderte
Bestände. Hauptbestand und die Teilbestände umfassen zusammen
rd. 4.300 Urkunden (vgl. Die Bestände des Landesarchivs
Nordrhein-Westfalen Staatsarchiv Münster - Kurzübersicht.
Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes
Nordrhein-Westfalen. Reihe B: Archivführer und Kurzübersichten,
Heft 1. Erweiterte Neubearbeitung, 4. Auflage Münster 2004, S.
91 ff.)
Bei der Neuverzeichnung der Akten bot es sich
an, die überaus komplizierten, noch von den Registratoren des
18. Jahrhunderts vergebenen, mitunter aufgeblähten Signaturen zu
vereinfachen, die sich häufig aus einer Kombination aus
römischen und arabischen Ziffern sowie aus lateinischen Groß-
und Kleinbuchstaben, gelegentlich zusätzlich noch aus
griechischen Buchstaben, zusammensetzen. Bereits Wilhelm Kohl
hatte bei einer vorläufigen Bearbeitung des Bestandes in
Teilbereichen ansatzweise eine Vereinfachung der Signaturen
vorgenommen. Zudem ist eine durchlaufende Nummerierung des
Bestandes gerade auch im Hinblick auf die Anwendung der EDV ein
Desiderat gewesen. Eine Konkordanz ermöglicht ein problemloses
Auffinden der alten und entsprechenden neuen Signaturen.
Die Klassifizierung der verzeichneten Akten erfolgte nach
heutigen praktischen Gesichtspunkten, lehnte sich jedoch, wo es
möglich und sinnvoll erschien, an den Aufbau der alten
Findbücher an.
8. Verweise:
Die Handschriftensammlung des Staatsarchivs Münster (Msc.
VI) enthält Korrespondenzen des Domkapitels, die z. T. mit
anderen Provenienzen vermischt sind.
Archivalien des
Domkapitels Münster befinden sich auch in der archivischen
Sammlung des "Vereins für Geschichte und Altertumskunde
Westfalens - Abteilung Münster", die sich als Depositum im
Staatsarchiv befindet. Weitere Akten des alten Domkapitels
werden zudem in anderen Archiven, insbesondere im Bistumsarchiv
Münster, verwahrt.
Erhalten haben sich ferner 333
Aufschwörungstafeln münsterischer Domherren aus der Zeit von
1617 bis 1802 (vgl. Staatsarchiv Münster, Sammlung
"Aufschwörungstafeln" Nr. 2018 - 2331).
9. Zitation
Der Bestand ist wie folgt zu
bestellen und zu zitieren:
Domkapitel Münster - Akten
Nr. ....
Dr. Peter Veddeler, 2006
10. Literatur:
Max Braubach: Das
Domkapitel zu Münster und die Koadjutorwahl des Erzherzogs
Maximilian. In: Historische Aufsätze. Aloys Schultz zum 70.
Geburtstag. Düsseldorf 1927.
Max Geisberg (Bearb.):
Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen im Auftrag des
Provinzialverbandes herausgegeben von Wilhelm Rave
Provinzialkonservator. 41. Band, zweiter Teil: Die Stadt Münster
- Die Dom-Immunität, die Marktanlage. Münster 1933.
Max Geisberg (Bearb.): Bau- und Kunstdenkmäler von
Westfalen im Auftrag des Provinzialverbandes herausgegeben von
Wilhelm Rave Provinzialkonservator. 41. Band, fünfter Teil: Die
Stadt Münster - Der Dom. Münster 1937.
Max Geisberg:
Das Münsterische Domkapitel und seine Wappenkalender. In:
Westfälisches Familienarchiv (1920-1927), S. 71 ff.
Friedrich von Klocke: Domherren-Aufnahme beim alten
Münsterschen Domkapitel. Am Beispiel des Domherrn und späteren
Ministers Franz Freiherrn von Fürstenberg. In: Westfälisches
Adelsblatt, 4 (1927), S. 23 ff.
Wilhelm Kohl: Das
Domstift St. Paulus zu Münster (Germania Sacra -
Historischstatistische Beschreibung der Kirche des Alten
Reiches, Neue Folge 17,2: Die Bistümer der Kirchenprovinz Köln,
Das Bistum Münster 4, Bände 1-3). Berlin und New York 1982
ff.
Wilhelm Kohl: Münster - Domstift St. Paulus. In:
Westfälisches Klosterbuch - Lexikon der vor 1815 errichteten
Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung
(Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen
XLIV, Quellen und Forschungen zur Kirchen- und
Religionsgeschichte, Band 2, Teil 2). Münster 1994, S. 28
ff.
Wilhelm Kohl: Die Durchsetzung der
tridentinischen Reformen im Domkapitel zu Münster. In:
Reformatio Ecclesiae: Festgabe für Erwin Iserloh. Paderborn
1980, S. 729 ff.
Friedrich Keinemann: Das Domkapitel
zu Münster im 18. Jahrhundert. Verfassung, persönliche
Zusammensetzung, Parteiverhältnisse (Veröffentlichungen der
Historischen Kommission Westfalens 22, 11). Münster 1967.
Josef Müller: Das Domkapitel zu Münster zur Zeit der
Säkularisation. (Philosophische Dissertation Münster 1913).
Münster 1913.
C(lemens) von Olfers: Beiträge zur
Geschichte der Verfassung und Zerstückelung des Oberstifts
Münster, besonders in Beziehung auf Jurisdiktions-Verhältnisse.
Münster 1848.
Alois Schröer: Das Münsterer Domkapitel
im ausgehenden Mittelalter. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte
Westfalens (Monasterium. Festschrift zum siebenhundertjährigen
Weihegedächtnis des Paulus-Domes zu Münster). Münster
1966.
Alois Schröer (Hrsg.): Das Domkapitel zu
Münster 1823-1973. Aus Anlaß seines 150jährigen Bestehens seit
der Neuordnung durch die Bulle "De salute animarum" im Auftrag
des Domkapitels herausgegeben von Alois Schröer. (Westfalia
sacra.
Quellen und Forschungen zur Kirchengeschichte
Westfalens. Begründet und herausgegeben von Heinrich Börsting
und Alois Schöer, Band 5). Münster 1976.
- Bestandssignatur
-
B 101
- Umfang
-
5.209 Akten.; 5211 Akten (436 Kartons), Findbuch B 101, Bde. 1-3.
- Sprache der Unterlagen
-
German
- Kontext
-
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen (Archivtektonik) >> 1. Territorien des Alten Reiches bis 1802/03 einschließlich Kirchen, Stifter, Klöster, Städte u.ä. >> 1.2. Westfälische Fürstbistümer (B) >> 1.2.1. Fürstbistum Münster >> 1.2.1.2. Domkapitel >> Domkapitel Münster
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Wilhelm Kohl (Bearb.), Das Domstift St. Paulus zu Münster (Germania Sacra NF 17, 1-3, Bistum Münster, 4, 1-3), Berlin-New York 1982-1989; Friedrich Keinemann, Das Domkapitel zu Münster im 18. Jahrhundert, Münster 1967; Peter Löffler, Zur Geschichte des Domkapitelarchivs, in: Alois Schröer (Hg.), Das Domkapitel zu Münster 1823-1973, Münster 1976, S. 114-137; Peter Veddeler, Domkapitel Münster - Akten. Findbuch (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 5), Münster 2006.
- Bestandslaufzeit
-
(974-) 1129-1849
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23.06.2025, 08:11 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- (974-) 1129-1849