Hieb- und Stoßwaffe
Kindjal mit Scheide und Besteck, 1978.W.006a-d
Klinge mit beidseitig tiefen, versetzten Hohlbahnen. Die Schauseite mit russischer Inschrift in Goldkoftgari: „Golowin Evgenij Alexandrowitsch“. Golowin (1782 – 1858) war Infanterie-General, Generalgouverneur von Kaukasien, Georgien und Armenien sowie Oberbefehlshaber der transkaukasischen Armee. Griff Walrosselfenbein mit zwei Kupfernieten, die auf der Schauseite mit zwei großen blütenartigen Verzierungen aus Messing besetzt sind. Scheide Stahlblech und Leder über Holzkern. Auf der Schauseite reicher Dekor aus aufgelegtem Blattgold (Ranken, Blüten) und Inschriften: In der 1. Kartusche „Beistand von Allah und naher Sieg!“ (Sure 61,13) sowie islamische Datierung „…1254“ (1838/39). Auf der 2. und 4. Kartusche eine nicht lesbare Inschrift. In der 3. Kartusche Inschrift mit vielen Fehlstellen, wohl zu lesen als „Es gibt keinen Helden außer Ali, es gibt kein Schwert außer dem Zulfikar. „…1253“ (1837/38). Der Tragring mit Koftgari. Auf der Rückseite belederter Köcher mit Fächern für Messer und Pfriem. Beisteckmesser mit Griffschalen aus Walrosszahn und Horn, Stahlklinge mit kleinem Goldornament. Pfriem aus Stahl mit facettiertem Schliff am oberen Teil. Kaukasische Blankwaffen, die einer geschichtlich hervorgehobenen Person zugeordnet werden können, sind in öffentlichen Sammlungen wie auf dem Auktionsmarkt selten anzutreffen. Im Bestand des Deutschen Klingenmuseums bietet der Kindjal des Evgenij Alexandrowitsch Golowin solch eine Ausnahme (Kat.-Nr. 1). Die Kuratorin für alte Waffen am Historischen Museum Moskau, Dr. Emma G. Astvasaturian, schrieb dem Verfasser am 10. April 1984 zu diesem Dolch; ihr englischsprachiger Brief lautet gekürzt zusammengefasst: 1. Der Namenszug auf der Klinge weist einige Besonderheiten auf: Normalerweise müssten die Namensbestandteile in ihrer richtigen Reihenfolge „Evgenij Alexandrowitsch Golowin“ lauten; sie beginnen aber mit dem Nachnamen und der Kennzeichnung „der Erste“. Man pflegte die Nachnamen zu nummerieren, da Nachnamen kaum – und noch seltener Vornamen – in Dokumenten erwähnt wurden. Offensichtlich sollte zunächst nur „Golowin“ als Nachname tauschiert werden, dann aber entschied man sich für den vollen Namenszug. Der Vorname „Евгений“ klingt im Russischen unrichtig, er scheint näher dem deutschen „Eugen“. Auch der Vatersname „Alexandrowitsch“ (Александрович) ist auf der Klinge nicht korrekt „Александровичъ“ geschrieben. 2. Der Dolch wurde in Tiflis hergestellt, denn die Ornamentierung und ihre Herstellungsweise sind typisch für diese Stadt. Den Herstellernamen für die Tauschierung herauszufinden ist schwierig, da in den 1830er Jahren elf Meister allein im Kaukasus die Goldtauschierung beherrschten. Von den weiter unten aufgeführten kaukasischen Statthaltern sind laut Frau Astvasaturian ein Schwert von Paschkewitsch und ein Gewehr von Woronzof bekannt. 3. Eine Ahle trifft man bei kaukasischen Dolchen selten an. Meistens wird nur ein kleines Beimesser, seltener zwei verwendet. Golowin, im Rang eines Generalleutnants, wurde am 12.12.1837 32 zum Statthalter im Kaukasus ernannt, übte sein Kommando in Tiflis vom 21.3.1838 bis zu seiner Abberufung am 7.12.1842 aus. Zu den Kampfhandlungen 1838 bis 1842 gibt Clemens Sidorko eine knappe Übersicht. 1839 wurde Schamil mit seinen Kämpfern im Dorf Achulgo (in Dagestan) fast vollständig vernichtet, Schamil konnte jedoch mit wenigen Anhängern entkommen. Im Sommer 1842 scheiterte hingegen eine größere russische Expedition gegen Zentren Schamils in Bergtschetschenien unter Leitung des Generalleutnants Pavel Christoforowitsch Grabbe, bei der die Russen „60 Offiziere, 1700 Gemeine, ein Geschütz sowie nahezu den gesamten Tross verloren und die bis dahin spektakulärste russische Niederlage in den Kaukasuskriegen erlitten.“ Zu Golowin seien hier wenige ihn charakterisierende Bemerkungen seines Zeitgenossen Moritz Wagner beigefügt: „Die schroffen Manieren des neuen Oberbefehlshabers (gemeint ist A. J. Neidhardt, der Verf.) waren umso mehr ein Gegenstand des Ärgernisses, als sein Vorgänger Golowin durch Artigkeit und gefälliges Benehmen die Herzen zu gewinnen gewusst hatte.“ „Grabbe zeigte sich immer als ein Gegner des Defensivsystems, zu welchem der damalige Oberbefehlshaber der kaukasischen Armee, General Golowin in Tiflis, sich zu neigen schien…Seit Yermolof war kein russischer Oberbefehlshaber der Größe seiner Aufgabe ganz gewachsen. Paskewitsch war im Felde gegen die Perser und Türken glücklicher als in seinen Administrationsmaßnahmen; Rosen galt nur für einen gewandten Geschäftsmann. Golowin brachte den majestätischen Anstand und die diplomatische Ruhe der asiatischen Großen, auch den besten Willen, sonst aber keine sehr hervorragende Eigenschaft nach Transkaukasien mit.“ Moshe Gammer erwähnt, dass Golowin nach seiner Abberufung im Dezember 1842 eine Erholungszeit in Deutschland (!) gewährt wurde und er 1845 für drei Jahre als Gouverneur der baltischen Provinzen mit Sitz in Riga eingesetzt wurde.
- Location
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Deutsches Klingenmuseum Solingen DKM
- Inventory number
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1978.W.006a-d
- Measurements
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Gesamtlänge: 443 mm (Kindjal); Klingenlänge: 323 mm (Kindjal); Klingenbreite: 40 mm (Kindjal); Gesamtlänge: 365 mm (Scheide); Gesamtlänge: 214 mm (Messer); Gesamtlänge: 172 mm (Pfriem)
- Material/Technique
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Klinge: Stahl, Gold; Griff: Walrosselfenbein, Messing, Kupfer; Scheide: Holz, Stahlblech, Leder, Gold, Textil; Beisteckmesser: Walrosszahn, Horn, Gold; Pfriem: Stahl
- Inscription/Labeling
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„Golowin Evgenij Alexandrowitsch“ (Klinge, terzseitig)
In der 1. Kartusche „Beistand von Allah und naher Sieg!“ (Sure 61,13) sowie islamische Datierung „…1254“ (1838/39). Auf der 2. und 4. Kartusche eine nicht lesbare Inschrift. In der 3. Kartusche Inschrift mit vielen Fehlstellen, wohl zu lesen als „Es gibt keinen Helden außer Ali, es gibt kein Schwert außer dem Zulfikar. „…1253“ (1837/38). (Scheide, terzseitig)
- Event
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Herstellung
- (where)
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Asien, Kaukasus, Tiflis
- (when)
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1837 - 1839
- Sponsorship
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Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
- Last update
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22.04.2025, 9:59 AM CEST
Data provider
Deutsches Klingenmuseum Solingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Hieb- und Stoßwaffe
Time of origin
- 1837 - 1839