Bestand
E Rep. 061-02 Nachlass Familie Bernhardi (Bestand)
Vorwort: 1. Biographie und Bestandsgeschichte
Johann Christian August Ferdinand Bernhardi wurde am 24. Juni 1769 als einzigstes Kind des Justitiars Johann Christian Bernhardi (1738 – 1815) und seiner Frau Johanna Eleonore Hilke, Tochter eines Magdeburger Arztes, in Berlin geboren. Er besuchte das Joachimsthalsche Gymnasium. Danach begann er in Halle das Studium der Theologie und wirkte später für kurze Zeit als Prediger an der Berliner Gertrauden- und Spittelkirche. Da diese Arbeit ihn nicht befriedigte begann er 1791 als Schulamtskandidat eine neue berufliche Laufbahn am Friedrichs-Werderschen Gymnasium. Hier lernte er u. a. Ludwig Tieck, Friedrich Schlegel und Friedrich Schleiermacher kennen. August Ferdinand Bernhardi gehörte mit seinen Freunden zum Kreis der Frühromantiker. So trafen sie sich oft, um Vorträge zu hören und sich auszutauschen. Angeregt durch diese schöpferische Atmosphäre arbeitete er, neben seinen eigenen Versuchen schriftstellerischer Tätigkeit, an zahlreichen Projekten, wie z. B. am „Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmacks“ und am „Kronos. Ein Archiv der Zeit“. Gemeinsam mit Ludwig Tieck gab er die „Bambocciaden“, eine Sammlung satirischer Erzählungen und Dramen, heraus.
Im Jahre 1799 heiratete er Sophie Tieck. Sie hatten drei Söhne: Johann Wilhelm, Ludwig und Felix Theodor. Neben den literarischen Aktivitäten beschäftigte er sich mit sprachphilosophischen Themen. So schrieb er die „Sprachlehre“ (1801) und die „Anfangsgründe der Sprachwissenschaft“ (1803). Da die Ehe mit Sophie Tieck nicht glücklich verlief, wurde sie 1807 geschieden. Sein Verhältnis zur Familie Tieck und zu Schlegel, der mit Sophie eine Liebesverhältnis begonnen hatte, wurde dadurch stark getrübt. Seine beiden Söhne Johann Wilhelm und Felix Theodor konnte er erst 1808 und 1819 wieder sehen.
Seit 1807 war August Ferdinand Bernhardi stellvertretender Direktor am Friedrichs-Werderschen Gymnasium und begann, Vorschläge zur Neugestaltung der Anstalt an den Magistrat zu richten. Er erteilte selbst Rechenunterricht, um die Methoden Pestalozzis zu erproben und legte großen Wert auf den muttersprachlichen Unterricht. 1808 wurde er zum Direktor des Friedrichs-Werderschen Gymnasiums gewählt. Seine Aktionen und wissenschaftliche Betätigung genossen wachsendes Ansehen und wirkten sich aus. So stiegen die Schülerzahlen von 1808 bis 1812 von 97 auf 460 Schüler an.
Am 16. Februar 1812 wurde er zum Professor ernannt und wirkte seitdem als Privatdozent an der Berliner Universität. Zu seinen Themen gehörten bis 1813 philosophische Grammatik und ab 1816 Sprachlehre, Pädagogik, Ästhetik und alte Dramatik.
Während der Befreiungskriege stand Ferdinand Bernhardi 1813 als Hauptmann an der Spitze einer Kompanie des Landsturms.
In dieser beruflich sehr erfolgreichen Phase lernte er die Schwester seines Freundes und Kollegen am Friedrichs-Werderschen Gymnasium, Probst August Ferdinand Ribbek, Wilhelmine Ribbek, kennen und lieben.1818 verlobten sie sich, allerdings wurde durch seine Erkrankung die Heirat aufgeschoben.
In Anerkennung seiner Fähigkeiten wurde August Ferdinand Bernhardi, ohne eigene Bewerbung, im Januar 1820 an das Königliche Friedrichs-Wilhelm Gymnasium als Direktor berufen.
Außerhalb seines Berufes engagierte er sich auch in verschiedenen politischen und wissenschaftlichen Vereinigungen. So war er seit 1810 Mitglied in der „Gesellschaft der Gesetzlosen“, seit 1811 in der von Achim von Arnim begründeten „Christlich-deutschen Tischgesellschaft“ und seit 1815 engagierte er sich in der „Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache“.
Er starb in der Nacht vom 1. zum 2. Juni 1820 in Berlin. Am 4. Juni 1820 wurde er auf dem Werderschen Friedhof vor dem Oranienburger Tore beerdigt.
Dieses vielseitige Lebenswerk wird im Familiennachlass durch zahlreiche Dokumente belegt, obwohl Bernhardis schriftlicher Nachlass auf dessen Wunsch hin nach seinem Tode verbrannt wurde.
Johann Wilhelm Bernhardi wurde als ältester Sohn am 15. Juli 1800 in Berlin geboren. Nach der Scheidung seiner Eltern wurde er dem Vater zugesprochen und siedelte 1809 von München nach Berlin über. Er war als Journalist, Theaterkritiker, Dramaturg und Shakespeareforscher tätig. So veröffentlichte er u.a. einen Beitrag "Friedrich Wilhelm der Große, Churfürst von Brandenburg und erster souveräner Herzog von Preußen : ein Denkmal zur zweiten Säkularfeier seiner Thronbesteigung " (1840), das "Allgemeine deutsche Lieder-Lexikon oder vollständige Sammlung aller bekannten deutschen Lieder und Volksgesänge in alphabetischer Reihenfolge" (1844) und übersetzte "John Milton - Politische Hauptschriften", welche in den Jahren 1874 bis 1879 erschienen. Wilhelm Bernhardi verstarb am 24. August 1879 in Berlin.
Ludwig Bernhardi wurde als zweiter Sohn von August und Sophie Bernhardi am 9. Juli 1801 in Berlin geboren. Er verstarb bereits im Februar 1802.
Felix Theodor von Bernhardi wurde am 6. Februar 1803 als dritter Sohn in Berlin geboren. Seine Mutter trennte sich von seinem Vater und lebte von 1805 bis 1812 in Rom, Wien und München. Sie heiratete 1810 in zweiter Ehe den livländischen Gutsbesitzer Karl Gregor von Knorring. Von 1812 bis 1820 lebte Theodor Bernhardi auf dessen Gut Arrikül in Estland. Die Adoption durch seinen Stiefvater scheiterte. 1820 verstarb sein leiblicher Vater August Ferdinand Bernhardi. Die Mutter Sophie von Knorring kehrte daraufhin mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Theodor Bernhardi studierte dann von 1820 bis 1823 in Heidelberg. 1824 hielt er sich in Paris auf und war dann auf Anraten der Familie sieben Jahre in Mailand tätig. Seit 1834 war er, nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin bei seinem Onkel Friedrich Tieck, in Petersburg. Er trat in den russischen Staatsdienst ein und lernte viele Politiker und Wissenschaftler, wie z. B. den russischen Admiral und Weltumsegler Adam Johann von Krusenstern, kennen. 1846 heiratete er dessen Tochter Charlotte von Krusenstern. Am 22. September 1849 wurde ihr Sohn Friedrich Adam Julius in Petersburg geboren. Nach dem Tod der Schwiegereltern kehrte Theodor Bernhardi mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Er erwarb in Schlesien das Gut Kunnersdorf und widmete sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Diese historischen Werke, wie z. B. die Geschichte Rußlands und der europäischen Politik 1814–1831 (3 Bde, 1863-1877) machten deutsche Politiker und Diplomaten auf ihn aufmerksam, so daß er nach einer Mission für Herzog Friedrich von Augustenburg in England 1863/1864 im Jahre 1866 als Vertrauensmann für Otto von Bismarck im italienischen Hauptquartier und dann bis 1871 als Diplomat in Italien und Spanien tätig war. 1873 erhielt er das Adelsdiplom. Er starb am 12. Februar 1887 in Kunnersdorf bei Hirschberg (Schlesien).
Anna Bernhardi, die Enkelin von Theodor von Bernhardi, widmete August Ferdinand Bernhardi private Forschungen, bei denen sie zahlreiche Dokumente recherchierte.
Helene Bernhardi, die Tochter von Anna Bernhardi, verkaufte am 20. Juni 1952 dem Stadtarchiv Berlin den Familiennachlaß für 450,00 Mark.
2. Bestandsbeschreibung
Der Bestand besteht aus persönlichen Dokumenten der Familienmitglieder. So sind Korrespondenzen von August Ferdinand Bernhardi u. a. zu Sophie Tieck (1775–1833) und Ludwig Tieck (1773–1853), Friedrich Schlegel (1772–1829) und August Wilhelm Schlegel (1767–1845) sowie zu Friedrich Freiherr de la Motte Fouqué (1777–1843) vorhanden. Neben den Briefen an Wilhelm Bernhardi sind sowohl Tagebuchaufzeichnungen und Manuskripte von Theodor von Bernhardi als auch Briefe an Theodor von Bernhardi überliefert.
Korrespondenzen von Anna Bernhardi u. a. zu Clara Schumann (1819–1896), Walter Leistikow (1865–1908) und Fritz von Uhde (1848–1911) und eine Autografensammlung runden den Bestand ab.
Der Bestand besteht aus 18 Akten (0,15 lfm). Seine Laufzeit reicht von 1805 bis 1933. Einige Dokumente sind aus den Jahren 1776 und 1952. Die Dokumente wurden mit der Software Augias-Archiv verzeichnet und sind über die Findmittel Datenbank und Findbuch zugänglich.
Der Bestand ist wie folgt zu zitieren: Landesarchiv Berlin, E Rep. 061-02, Nr. ...
3. Korrespondierende Bestände
LAB - A Rep. 020-02 Büro für höhere Schulen, Akten zum Friedrichs-Werderschen Gymnasium
LAB - A Rep. 020-09 Köllnisches Gymnasium
Bundesarchiv Berlin - Nachlass Theodor von Bernhardi
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz – Nachlass Wilhelm Bernhardi
4. Literatur
Krisenjahre der Frühromantik – Briefe aus dem Schlegelkreis. Hrsg. von Josef Körner, Bern und München 1958
Günzel, Klaus: König der Frühromantik : das Leben des Dichters Ludwig Tieck in Briefen, Selbstzeugnissen und Berichten, Berlin 1981
Hermsdorf, Klaus: Literarisches leben in Berlin : Aufklärer und Romantiker, Berlin 1987
Schroll, Heike: August Ferdinand Bernhardi : Schriftsteller, Sprachphilosoph und Pädagoge in Berlin, In: Berliner Geschichte, Heft 11(1990), S.94-99
Berlin, Januar 2006 Kerstin Bötticher
- Bestandssignatur
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E Rep. 061-02
- Kontext
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28.02.2025, 14:13 MEZ
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Objekttyp
- Bestand