Bestand
Protokolle (Bestand)
Überlieferung: Protokolle als
klassische Schriftgutform kollegialer Verwaltungen entstanden in allen
Territorien, deren Archive in den Beständen des Generallandesarchivs
zusammenkamen. Trotzdem lassen sich zwei Überlieferungswege
unterscheiden: die Archivierung mit dem zentralen
Verwaltungsschriftgut der vereinnahmten Herrschaften, wie sie vor
allem zwischen 1802 (Säkularisation) und 1803/5 (Mediatisierung und
Ländertausch) in Gang kam, und die Archivierung im Rahmen der
Behördenablieferungen des 19. und 20. Jahrhunderts, unter denen vor
allem die Amtsgerichte mit ihren Vorgängerbehörden (Amtsrevisorate,
Ämter) zu nennen sind. Da die Mehrzahl der Protokolle gebunden sind,
wurden sie im Generallandesarchiv wie die anderen Bandbestände
(Rechnungen, Kopialbücher) gesondert aufgestellt und im System der
topografischen Rubriken in ein gemeinsames Ortsalphabet ohne
Provenienzbezug gepresst. Ein erstes Verzeichnis erschien bereits 1908
in Band 3 der Inventare des Großherzoglich-Badischen
General-Landesarchivs (S. 185-227). Es wurde vielfach fortgeschrieben,
von Manfred Krebs und Gerhard Kaller revidiert und zuletzt von Herwig
John einer gründlichen Korrektur unterzogen; sie ist weit gediehen und
muss noch zu Ende geführt werden. Die Übertragung in ein
online-Findmittel 2011 beruht auf dem derzeitigen
Kenntnisstand.
Inhalt: Entsprechend den beiden
Überlieferungswegen enthält der Bestand zwei Großgruppen: 1) Mehr oder
weniger geschlosssene Serien von Protokollen zentraler Behörden fast
aller oberrheinischen Herrschaften (eine Ausnahme bilden z.B. die
erhaltenen Protokolle der vorderösterreichischen Regierung und Kammer
in Freiburg, die in der Mehrzahl an Württemberg gefallen waren und im
Zug des Beständeaustauschs zwischen den baden-württembergischen
Staatsarchiven heute in Bestand GLA 79 P 12 vereinigt sind) und 2)
Protokolle aus der im 19. Jahrhundert sogenannten "Bürgerlichen
Rechtspflege" (Verträge, Testamente, Nachlässe, Schuldverschreibungen
usw.). Für diese letztere Gruppe waren die lokalen und regionalen
Ämter zuständig, in denen sich vor der Trennung von Justiz und
Verwaltung die alltägliche Amtsgewalt einer Herrschaft des Alten
Reiches konzentrierte: Die Protokolle reichen hier von der Behandlung
der Leibeigenen bis zur Waisenfürsorge, von der freiwilligen
Gerichtsbarkeit bis zu den vielfachen Sparten von Rüg-, Frevel- oder
Herrengericht, Verifikationen (Diebstahlverfolgung), Hexenprozessen
usw. Je nach Fortschritt der Verwaltung konnte dabei eine einzige
Protokollreihe alle Aufgaben des Geschäftsbereichs spiegeln oder
mehrere Serien in immer feineren Unterteilungen die Vielfalt
transparenter machen; bei der Darstellung im modernen Inventar kann
diese "Serienspaltung" etwas verwirren. Nicht immer ist die Gattung
"Protokoll" strikt eingehalten; es finden sich auch Kopialbücher
(Abschriftensammlungen, z.B. der Reichsritterschaft in der Ortenau)
bzw. ganze Serien, bei denen es sich eher um gebundene Akten als um
Protokolle handelt (z.B. Beschlüsse, Beilagen und Gesandtenberichte
von Sitzungen des Schwäbischen Kreises in Ulm aus dem Archiv der
Reichsstadt Offenburg). Zugleich ist der Weg einzelner Protokollbände
ins Generallandesarchiv nicht immer rekonstruierbar;
Kontraktenprotokolle der Reichsstadt Speyer aus dem 16. und 17.
Jahrhundert z.B. dürften mit der bischöflich-speyerischen
Überlieferung an Baden gelangt sein.
Ordnung: Anlässlich der
Umwandlung in ein online-Findmittel wurde bei Bestand 61 erstmals
versucht, die Provenienzen in ihrer ganzen Breite zu erfassen und mit
ihrer Rekonstruktion verdeckte Zusammenhänge wieder sichtbar zu
machen. Protokolle eines Amts zu Gerichtshandlungen in den einzelnen
Amtsorten z.B. waren durch das topografische Rubrikensystem, die
Verteilung der Bände nach Ortsalphabet, jeweils vollständig
auseinandergerissen worden. Aber auch Protokolle zentraler Behörden
wie des badischen Hofgerichts, das zeitweise seinen Sitz in Rastatt
hatte, fielen nach diesem System aus den großen Serien unter B
("Baden") heraus und waren unter R zu suchen. Die Provenienzen lassen
sich dabei keineswegs einfach feststellen. Bei zahlreichen Bänden,
wohl bei der Mehrzahl der Justizprotokolle, lässt sich nur noch der
betroffene Ort identifizieren. Viele Protokolle sind auch nur als
ungebundene Buchlagen oder als Kladden (Rapulare) überliefert, also
ohne Vorsatzblatt. Die Rückführung auf Provenienzen musste sich daher
vielfach auf die historische Amtszugehörigkeit eines Ortes
beschränken; da sie wechseln konnte und gerade in der Umbruchszeit des
frühen 19. Jahrhunderts besonders häufig wechselte, wurden die
Ämtergliederungen um 1800, am Ende des Alten Reiches, zu Grunde
gelegt. Hilfsmittel dafür waren außer dem Topographischen Wörterbuch
von Albert Krieger und der Landesbeschreibung Baden-Württemberg vor
allem Band 7 der "Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe" (1992),
in dem Reinhold Rupp mit der Überlieferung zu badischen Orten (Bestand
229) ja vor ähnlichen Problemen stand und dies mit
verwaltungsgeschichtlichen Verweisen und Übersichten vorbildlich
bewältigt hat. Das Ergebnis dieser völligen Rückführung der Protokolle
auf geprüfte oder vermutete Provenienzen hat sich im Ergebnis bewährt;
gerade in der Zusammenführung der Amtsorte beim Amt selbst lassen sich
die Besonderheiten in der Überlieferung des jeweiligen Amtsschriftguts
erkennen. Auch die Gesamtüberlieferung einer Herrschaft fügt sich erst
jetzt sinnvoll zusammen. Die alphabetische Suche nach einzelnen Orten
ist über die online-Recherche und den Ortsindex nach wie vor möglich.
Weniger überzeugend scheint diese Lösung für die im 19. Jahrhundert
fortgeführten Protokollserien; hier müsste eigentlich ein Schnitt bei
der jeweiligen Verwaltungszäsur angesetzt und die aufnehmende Behörde
im Großherzogtum Baden eigens genannt werden. Aber auch diese neuen
Ämter und dann Amtsrevisorate waren z.T. kurzlebig, sodaß sich
mehrfache Zeitschichten für eine zusammenhängende Serie ergeben hätten
- das konnte die Darstellung nur unnötig komplizieren. Die
Territorien- und Verwaltungsgliederung in der neuen Klassifikation
bezieht sich also teils konkret, teils virtuell auf ein "Normaljahr"
1800 und trifft damit nahezu alle Serien wenigstens an diesem Punkt.
Wo Serien erst bei den Nachfolgebehörden des Großherzogtums Baden
einsetzen bzw. die Vorüberlieferung fehlt, sind die alten Amtsorte in
eckige Klammern gesetzt. Generell ist unterschieden zwischen "Amt"
(Protokolle des Amts mit Bezug auf den ganzen Amtsbezirk) und
"Gemeinden" (Protokolle des Amts mit Bezug auf Einzelorte). Abgesehen
von einigen Städten (Reichsstädte, zufällig archivierte
Stadtratsprotokolle) handelt es sich in dieser Gruppe also durchweg um
Ämterschriftgut; kommunales Schriftgut gelangte in der Regel nicht ins
Generallandesarchiv, auch wenn die bisherigen Ortsrubriken dies
vielleicht glauben gemacht haben. Für die Protokollserien der
badischen Zentralbehörden hatten dagegen die Bearbeiter des Bestandes
bereits das Datum der Landesvereinigung von 1771 als Zäsur festgelegt;
der Übergang von 1803/1806, von der Markgrafschaft in den
großflächigen Rheinbundstaat blieb unberücksichtigt. Das entsprach
einerseits der Verwaltungswirklichkeit, die ja auch erst langsam und
in mehreren Schritten zu den Organisationsformen des 19. Jahrhunderts
fand, fasste andererseits Verwaltungen des Alten Reiches und des
souveränen Großherzogtums unter der Rubrik "Baden" weiträumig
zusammen. In der neuen Klassifikation wurde diese Gruppe zwar in sich
systematisiert, als Ganzes aber belassen. Zur Vereinfachung und
Vereinheitlichung ist die Bezeichnung "Protokolle" in den Rubriken
entfallen: Sie gilt für alle Gruppen, soweit es sich nicht um
bezeichnete andere Schriftgutarten handelt. Die - äußerst schwierige -
Konversion der unübersichtlichen älteren Findbuch-Vorlagen leistete
Herr Alfred Becher, die Auflösung der Sammeltitelaufnahmen vieler
Serien in Einzeltitel Frau Irmgard Stamm. Die Redaktion lag beim
Unterzeichneten, der auch die Indexierung der Ortsnamen für das
landeskundliche Informationssystem LEO übernahm. Dessen
Datenbank-Regeln ist im Findbuch-Ausdruck des Ortsregisters die
Dauer-Wiederholung des Wortes "Protokolle" geschuldet, was aber die
Benutzung nicht behindert. Der Bestand umfasst rund 16000 Nummern in
1056 lfd.m. Karlsruhe, im Juli 2011 Konrad Krimm
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 61
- Umfang
-
16.125 Bände (Nr. 1-15.654)
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Amtsbücher >> Protokolle
- Bestandslaufzeit
-
(1450-) 16. Jh. - Mitte 19. Jh. (-1951)
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- (1450-) 16. Jh. - Mitte 19. Jh. (-1951)