Malerei
Segnung
Nach der Geburt eines Sohnes wurde der seit zwei Jahren verheiratete Melzer im April 1917 vom Kriegsdienst befreit und zur Arbeit in einer böhmischen Röhrenfabrik verpflichtet. Viele Male zeichnete er Mutter und Kind und malte ein entsprechendes Motiv, das im Figurenaufbau Raffaels „Madonna mit den Nelken“ (1506–1508; National Gallery London) vergleichbar ist. Durch Lichtstrahlen, die traditionellerweise die Verkündigung symbolisieren, erzeugte Melzer das neue Motiv der „Segnung“. Neu war auch die Form: Inspiriert durch Kubismus, Orphismus, Rayonismus und Futurismus zerlegte Melzer die Komposition in kristalline Farbflächen. Den hohen Grad an Abstraktion steigerte er 1922 noch, indem er ein beidseitig bemaltes zweites Bild, das dieselben Figuren jeweils von vorn und hinten zeigte, in Lamellen zerschnitt und diese im rechten Winkel zur Bildfläche anbrachte. Er übernahm damit die im religiösen Bereich populäre Form der Prismen-, Riefel- und Harfenbilder. Unter Anknüpfung an die Tradition löste Melzer die avantgardistische Forderung nach gleichzeitiger Darstellung verschiedener Ansichten eines Bildgegenstandes ebenso ein wie das Ausgreifen der Bildfläche in den Raum und das Postulat der Bewegung. Erst wer am Bild vorbeigeht, wird nacheinander Vorderansicht, Profil und Rückseite der Darstellung sehen, fast wie im Film. Als experimentellstes Werk in Melzers Œuvre sorgte die als „Oelbild im Drei-Aufriß“ ausgewiesene Lamellenkonstruktion bei ihrer ersten Präsentation in der Abteilung der Novembergruppe auf der „Großen Berliner Kunstausstellung“ 1922 (im zugehörigen Katalog S. 63) zwar für Aufmerksamkeit, blieb aber unverkauft. | Dieter Scholz
- Material/Technik
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Öl auf Holz, mit Lamellen
- Maße
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Höhe x Breite: 136 x 103 cm (mit Rahmen)
- Standort
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Inventarnummer
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NG 38/66
- Rechteinformation
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Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
- Letzte Aktualisierung
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08.05.2023, 07:18 MESZ
Objekttyp
- Malerei
Entstanden
- 1917-1922