Archivale
Urgicht samt Urteil
Regest: Conrad Klett, ein Maurer von Dusslingen, etliche Jahre her aber Bürger zu Gomaringen unter der Jurisdiction des Rats, ist wegen Diebstählen in der Zehentscheuer und den eigenen Scheuern etlicher Privatpersonen verhaftet und in die Verwahrung des Rats eingeliefert worden. Klett hat folgende Diebstähle gutwillig ohne Tortur bekannt und wiederholt beiachzet (= bejaht).
1) Dass er ferndiges (= vorigen) Jahrs, ehe man in der Zehentscheuer anfing zu dreschen, ungefähr die Woche vor dem Tübinger Markt, sich in die Zehentscheuer gemacht, das Tor in der Nacht durch seine erfundenen Mittel mit Hinter-sich-Stossung der Riegel geöffnet und zu 2 verschiedenen Malen etwa 20 Haber-Garben entwendet und in seiner eigenen Scheuer ausgedroschen und die Früchte zu gelegener Zeit verkauft habe.
2) Nach dem Tübinger Markt, sobald das Dreschen angefangen habe, habe er den Kornbarn (= die Kornscheuer) auch angegriffen und von dieser Zeit des Dreschens an bis Weihnachten etliche Wochen einen, 2, ja auch 3 Angriffe getan, eine Unzahl Garben, die er selbst nicht anzugeben weiss, entwendet und das solang fortgesetzt, bis er in seiner eigenen Scheuer nichts mehr anzulegen und zu dreschen hatte, alsdann erst mit dem Wegtragen nachgelassen. Aber bei Auszählung der ausgedroschenen Garben hat man gefunden, dass ferndigen Jahrs (= im vorigen Jahr) allein an Korn etwa 220 Garben ermangelt (= gefehlt) haben.
3) Ebenfalls im vorigen Jahr habe er aus der Zehentscheuer ungefähr 4 Simri Vesen in einem Sack entwendet, welche er dem Schafhirten neben 1 Simri Gerste, das er von seinen eigenen Garben gedroschen - die Vesen um 1 1/2 fl, die Gerste um 8 Batzen - käuflich zugestellt habe.
4) Was die im vergangenen Jahr aus den abgetragenen Korn- und Habergarben gedroschenen Früchte anlangt, habe er im vergangenen Jahr der Beckhin 8 Scheffel Vesen unter dem Schein verkauft, als wenn er, Klett, darauf geliehen habe und sie ihm an einer Schuld eingegangen seien, wie er auch noch verschiedenen Personen etliche Scheffel Vesen und Haber käuflich zugestellt und im vorigen Jahr über 5 Scheffel Haber auf den Kasten gebracht habe, da er doch für sich nicht weiter als 13 Garben geschnitten habe.
Aus diesem im vorigen Jahr begangenen Diebstahl erfolgte, dass bestellte und beeidigte Zehentknechte und die Scheurenmeister und Drescher (?) in merklichen Verdacht gerieten, ihnen zum Teil wegen dieses Abtrags ein grober Verweis erfolgte, andere aber ganz aus dem Dienst beurlaubt wurden, auch in merklichem Argwohn stecken blieben, bis der endlich bekannte Diebstahl jetzt geoffenbart wurde.
5) Nachdem im heurigen Jahr die Früchte wieder in die Scheuern gebracht waren, ist ihm zwar an dem einen Tor der Zugang durch Änderung von Schloss und Riegel vermacht (= versperrt) worden. Aber er hat jüngst bei Einführung der letzten Habergarben in der vorderen Tenne gegen das Schloss seinen Vorteil ersehen und sich am Sonntag vor 14 Tagen nachts zwischen 12 und 1 Uhr darein gemacht, die Scheuer geöffnet, Korngarben herabgeworfen und heimgetragen, so dass er erst bei der 7. Tragende (= Tragete, Traglast), wobei er immer 3 Garben mitnahm, angetascht (= erwischt) und was er da anfange, gefragt und festgenommen wurde.
6) Er habe auch im heurigen Jahr seinem Nachbarn, dem Martin Gebelin, aus seiner Scheuer nachts zu 2 Malen 8 Korngarben entwendet und als er, Klett, mit der einen Tragete fiel, so dass viel Vesen unterwegs blieb, hat er dem Wanner nachts eine Gäns herausgelassen, damit sie die abgestossenen Vesen aufklauben und er desto weniger beargwöhnt würde.
7) Auch im heurigen Jahr hater aus des Lutz-Hansels Scheuer 3 verschiedene Trageten, aus der Scheuer des Hans Praun 2, aus der des Hummel Hans 3 Gerben entwendet, mit etlichen seiner Garben ausgedroschen, davon vor wenig Wochen 9 Simri Kernen, hernach wieder 7 Simri Kernen gen ...(?) zu feilem Kauf geführt und ...(?). Das müsse er, Klett, auch bekennen, dass ihn keine Not dazu getrieben. Denn er habe heuer für sich selber soviel eingeschnitten, dass er auf 1 1/2 Jahr zu essen gehabt, wie der Augenschein in seiner Scheuer zu erkennen gibt.
8) Er sei auch vor kurzem in des Hun (?) Martin Scheuer nachts gegangen in der Absicht, auch daselbst Garben zu holen. Als er aber die ausgedroschenen und gesäuberten Früchte auf dem Boden fand, habe er die Rechnung gemacht, es könnte gespürt werden. So habe er es bleiben lassen.
9) Im vorigen Jahr habe er dem Bäder von seinem Wagen bei Nacht 2 Paar Ketten genommen und 3 Wochen unter Reisig aufbewahrt. Als er aber deswegen in starken Verdacht geriet, habe er sie nachts wieder vor die Tür geworfen.
Hierauf hat der Rat der Reichsstadt Reutlingen mit Urteil zu Recht erkannt, dass Conrad Klett dem Nachrichter in die Hände gegeben, von ihm gebunden zum Metmannstor hinaus zum gewöhnlichen Hochgericht geführt, sein Leib der Erde entfremdet und mit dem Strang vom Leben zum Tod gerichtet, der Leib der Luft befohlen werden solle ihm zu wohlverdienter Straf, anderen zum abscheulichen Exempel. Alles nach der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaisers Karl V. und des heiligen römischen Reichs.
Auf Fürbitten der Freunde (= Verwandten) Kletts und anderer Nachbarn wurde die Gnade dem strengen Recht vorgezogen und das Urteil dahin gemildert, dass Klett zum unteren Tor hinaus geführt und mit dem Schwert vom Leben zum Tod gerichtet, sein Leib der Erde befohlen werden solle.
- Reference number
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A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. A 2 e (Urfehden u.a.) Nr. 7592
- Extent
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6 1/2 S.
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Genetisches Stadium: Or.
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26) >> Bd. 22 Urgichten
- Holding
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A 2 e (Urfehden u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 19, 21-22, 26)
- Date of creation
-
1612 November 6
- Other object pages
- Last update
-
20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
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Object type
- Archivale
Time of origin
- 1612 November 6