Bestand

E Rep. 200-25 Nachlass Johannes Stumm (Bestand)

Vorwort: Achtung: letzte vergebene lfd. Nr. 878, Angabe 890 AEs ergibt sich durch Strichnummern a, b, c etc.
noch korrigieren/prüfen!

1. Biographie
Johannes Stumm wurde am 27. März 1897 in Berlin als Sohn eines Polizeibeamten geboren. Nach dem Besuch der 83. Gemeindeschule absolvierte er die Luisenstädtische Oberrealschule bis zur Reifeprüfung und schrieb sich 1915 als Student der Rechte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein. Wegen des Krieges konnte er seine rechts- und staatswissenschaftlichen Studien erst 1925 an der Friedrich-Alexanders-Universität in Erlangen mit der Promotion zum Doktor der Staatswissenschaften (rerum politicarum) beenden.
Im Sommer 1915 war Stumm zum Heeresdienst eingezogen worden und geriet am 23. Oktober 1917 als Unteroffizier in französische Gefangenschaft, aus der er erst im Januar 1920 entlassen wurde.
Am 1. April 1920 begann Stumm als Anwärter seine Laufbahn in der Berliner Polizeiverwaltung. Nach anderthalb Jahren zum Kriminalkommissar ernannt, wurde er 1922 zur politischen Polizei versetzt. Dort wirkte er u.a. bei der Aufklärung der Morde an den Reichsministern Matthias Erzberger und Walther Rathenau sowie 1923 an der Niederschlagung des Buchrucker-Putsches mit. 1930 zum Kriminalpolizeirat befördert, war Stumm führend an der Bekämpfung rechtsradikaler Vereinigungen, vor allem der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, beteiligt. Für mehrere Monate leitete er in den Jahren 1929 und 1930 unter dem Minister Karl Severing die Nachrichtenstelle des Reichsinnenministeriums.
Wegen seiner antifaschistischen Betätigung und wegen seiner Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei, der er seit 1925 angehörte, wurde Stumm im August 1932 von der Regierung Papen-Bracht zum Polizeiamt Lichtenberg strafversetzt. Gleich nach der Machtübernahme der Nazis wurde er am 18. Februar 1933 seines Amtes enthoben und noch im gleichen Jahr gemäß § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Staastsdienst entlassen.
Nach der Entlassung war Johannes Stumm zunächst als Lebensversicherungsagent und danach als Vertreter der jüdischen Firma Rieß & Osenberg tätig. Nachdem die Firma 1934 in nationalsozialistische Hände überging, arbeitete Stumm selbständig als Steuersachverständiger und trat im März 1935 bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Treuhand-Aktiengesellschaft, ein. Dort machte er schnell Karriere. 1938 wurde er zum Prokuristen und 1942 zum Direktor und damit zum Leiter der Steuerabteilung befördert.
Im August 1939 war Stumm zum Militärdienst bei der Kraftfahrkolonne eingezogen worden. Seiner Firma gelang es jedoch, ihn im November vom Militärdienst freistellen zu lassen.
Unmittelbar nach der Kapitulation trat er am 5. Mai 1945 wieder in den Polizeidienst ein und übernahm, von der sowjetischen Besatzungsmacht bestätigt, die Leitung des Polizeireviers 72 im Prenzlauer Berg. Nach kurzer Zeit wurde er wegen seiner umfangreichen Kenntnisse, die er sich während seiner Tätigkeit als hoher Polizeibeamter in der Weimarer Republik erworben hatte, als Chef der Präsidialabteilung in die Zentrale berufen und war in dieser Position maßgeblich an der Neuorganisation der Polizeiverwaltung beteiligt. Am 1. August 1945 wurde Stumm zum Polizeipräsidialdirektor ernannt und amtierte in dieser Stellung als Vertreter des Polizeipräsidenten. Trotz dieser Tätigkeit scheiterte seine formelle Ernennung zum Polizeivizepräsidenten am Einspruch der Sowjets.
Auf Veranlassung der Sozialdemokratischen Partei wurde Johannes Stumm am 16. Januar 1947 von der Berliner Stadtverordnetenversammlung zum Stadtrat gewählt. Da jedoch die Einrichtung des für ihn vorgesehenen Amtes zur Sicherung der Demokratie am Widerspruch der Alliierten Kommandantur scheiterte, verzichtete er auf die Ausübung des Mandats.
Früh erkannte Stumm, welchen politischen Kurs der von den Sowjets eingesetzte Polizeipräsident, Paul Markgraf, und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands steuerten. Sein kämpferisches Auftreten als überzeugter Demokrat gegenüber den Kommunisten in der Polizeiverwaltung und seine konsequente Abneigung gegenüber ihren totalitären Zielen verschafften ihm die Feindschaft der Sowjets. Als Bürgermeister Ferdinand Friedensburg Paul Markgraf am 26.Juli 1948 wegen verfassungswidriger Maßnahmen und fortgesetzter Weigerung,Weisungen des Magistrats auszuführen, vom Amt suspendierte und Stumm kommissarisch mit der Ausübung der Amtsgeschäfte des Polizeipräsidenten betraute, befahl der sowjetische Stadtkommandant Stumms fristlose Entlassung.
Da die westlichen Stadtkommandanten die Amtsenthebung des Polizeipräsidenten billigten und sich der Entlassung von Stumm widersetzten, Markgraf jedoch von den Sowjets gestützt seinen Rücktritt verweigerte, war die Spaltung der Polizeiverwaltung nicht mehr zu verhindern. Am 28. Juli 1948 ließ Stumm mehrere Abteilungen der Polizeiverwaltung von der Elsässer Straße im sowjetischen Sektor in die Friesenstraße 16 in den amerikanischen Sektor verlegen. Zahlreiche Polizeibedienstete folgten diesem Schritt.
Unter größtem persönlichen Einsatz gelang es Stumm, in wenigen Wochen die Polizei zu einer disziplinierten und leistungsfähigen Organisation aufzubauen und in der Notzeit der Blockade Ruhe und Ordnung in den Westsektoren aufrechtzuerhalten.
Seine Amtszeit war in den folgenden anderthalb Jahrzehnten mehrfach durch Anfeindungen und Skandale beeinträchtigt. In zahlreichen Verleumdungsprozessen mußte er sich gegen Vorwürfe der Ämterpatronage und Korruption zur Wehr setzen. Einen Höhepunkt erreichten diese Vorwürfe, als sein Freund und Vertrauter, der Margarinefabrikant Karl Oberjat, 1956 von der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin wegen Schwarzhandelsgeschäften zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und 110.000 Mark Geldstrafe verurteilt wurde. Die ihm bereits 1954 vom Regierenden Bürgermeister Walter Schreiber nahegelegte Beantragung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst lehnte Stumm jedoch ab.
Am 27. März 1962 wurde Johannes Stumm ehrenvoll in den Ruhestand verabschiedet.
Als Pensionär nahm er weiterhin lebhaften Anteil an allen Polizei- und Reitsportangelegenheiten. Am 24. Dezember 1978 ist Johannes Stumm in Berlin gestorben. Am 8. Januar 1979 wurde er auf dem Kirchhof der Luisenstadt I Am Südstern bestattet.

2. Bestandsbeschreibung
Der Nachlaß enthält leider nur einige wenige Unterlagen aus Stumms beruflicher Tätigkeit während der Weimarer Republik und des Dritten Reiches. Sehr gut ist dagegen die Periode nach dem Kriege bis zu seiner Pensionierung dokumentiert. Besonders hervorzuheben sind die Materialien über die Spaltung der Polizeiverwaltung und ihrer Neuorganisation in den Westsektoren. Einen weiteren Schwerpunkt des Nachlasses bilden die umfangreichen Unterlagen über die Abwehr der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und Verdächtigungen. Der Nachlaß enthält auch Korrespondenz mit den Alliierten.
Am Rande sei noch vermerkt, daß Stumm in mehr als hundert Bänden Fotos, Glückwünsche und Anerkennungsschreiben aus seiner Amtszeit gesammelt hat. Die Porträtfotos der alliierten Stadtkommandanten mit Widmungen und Autographen sowie die Alben der jährlichen großen Polizeischauen mit Fotos von Vertretern der Berliner Politik aber auch das Album über die Konferenz der 4 Außenminister von Frankreich, England, den USA und der UdSSR vom 25.01.-18.02.1954 in Berlin sind noch besonders hervorzuheben.

Der Nachlaß gliedert sich in folgende Gruppen, die je nach Umfang der verschiedenen Unterlagen in Untergruppen geteilt wurden:
01. Person, Familie, Vermögen
02. Organisationen, Parteien, Vereine
03. Berufliche Tätigkeit vor 1945
04. Berufliche Tätigkeit nach 1945
05. Pensionär
06. Polizeigeschichte
07. Korrespondenz
08. Zeitungen und Zeitschriften
09. Fotos
10. Fachliteratur
11. Zeitungsausschnittsammlung
12. Sammlungsgegenstände

Der Nachlass wurde dem Landesarchiv Berlin im Frühjahr 1979 von Barbara Venske-Stumm als Schenkung übergeben.

Enthält:
Biografisches Material.- Aufzeichnungen aus Stumms Tätigkeit als hoher Kriminalbeamter in der Berliner Polizeiverwaltung (1920-1923), als Polizeipräsidialdirektor (1945-1948) und als Polizeipräsident.- Korrespondenz.- Fotos.

Erschlossen: 890 [AE] 21,00 [lfm]

Laufzeit:
1897 - 1997

Benutzung:
Findbuch, Datenbank

Verweise:
-> LAB A Pr. Br. Rep. 030 Polizeipräsidium Berlin
-> LAB B Rep. 020 Der Polizeipräsident in Berlin
-> LAB C Rep. 303-09 Der Polizeipräsident in Berlin

Literatur:
-> Berliner Polizei. Von 1945 bis zur Gegenwart, hrsg. von der Hinckeldey-Stiftung. Mit einer Einführung von Laurenz Demps, Berlin 1999.


Jürgen Wetzel, Winfried Schultze (2016)

Reference number of holding
E Rep. 200-25

Context
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> E Nachlässe und personengeschichtliche Sammlungen >> E 1 Nachlässe und Personenfonds

Other object pages
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rights
Für nähere Informationen zu Nutzungs- und Verwertungsrechten kontaktieren Sie bitte info@landesarchiv.berlin.de.
Last update
28.02.2025, 2:13 PM CET

Data provider

This object is provided by:
Landesarchiv Berlin. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Bestand

Other Objects (12)