Arbeitspapier | Working paper

Wie viel "Finanzmarktkapitalismus" gibt es in Deutschland? Indikatoren der Kontroll-Finanzialisierung von 1990 bis heute

"Wem die Unternehmen gehören, wie und von wem die Unternehmensleitung beaufsichtigt wird und wie verschiedene Anspruchsgruppen auf die Unternehmenspolitik Einfluss nehmen können, stellt ein zentrales Element einer sozioökonomischen Formation dar. Seit den 1990er Jahren stellt die Finanzialisierung des Unternehmens bzw. die Herausbildung eines 'Finanzmarktkapitalismus', in dem börsennotierte Unternehmen in institutionellem Streubesitz dominieren, eine Tendenz des sozioökonomischen Wandels dar. Diese wird als Abkehr vom 'organisierten Kapitalismus' der Nachkriegsformation interpretiert, die womöglich mit Wachstums- und Innovationsschwäche und verschlechterten Teilhabechancen einhergeht. Wie auch immer diese Effekte und ihre Verursachung zu beurteilen sind, schon der Grad der Verbreitung der Finanzialisierung ist strittig. Das vorliegende Working Paper prüft daher an-hand zentraler Indikatoren der Kontroll-Finanzialisierung für den Zeitraum von 1990 bis zum aktuellen Rand, inwieweit sich die Finanzmarktkapitalismus-Konstellation überhaupt durchgesetzt hat. Die Entwicklung der Börsennotierung von Unternehmen ebenso wie die im inter-nationalen Vergleich schwach ausgeprägte Börsenkapitalisierung zeigt eine begrenzte und nicht fortschreitende Kontroll-Finanzialisierung an. Die sprichwörtliche Auflösung der Deutschland AG, visualisiert über die Kapitalverflechtungen innerhalb des Kreises der 100 größten Unternehmen Deutschlands, stellt ein wichtiges Desorganisationsphänomen dar, ist aber aus verschiedenen Gründen ein unzureichender und irreführender Indikator für die Finanzialisierung der Unternehmenslandschaft. Die Analyse der Eigentumsstrukturen börsen-notierter Unternehmen zeigt schließlich, dass die Konzentration des Eigentums im Zeitablauf zwar abnimmt, aber auch in 2014 58 Prozent der börsennotierten Unternehmen durch 'geduldiges Kapital' in Form eines Ankerinvestoren mit Sperrminorität gekennzeichnet sind, wobei Familien und Gründer eine wichtige Rolle spielen. In der Gesamtschau verschiedener Dimensionen der Finanzialisierung (strukturell, institutionell, kognitiv-kulturell) kann man für Deutschland in den 1990er Jahren einen Finanzialisierungsschub konstatieren, der aber eine begrenzte Reichweite hat und in seinen Wirkungen durch Gegenbewegungen und widersprüchliche Elemente modifiziert wird." (Autorenreferat)

Wie viel "Finanzmarktkapitalismus" gibt es in Deutschland? Indikatoren der Kontroll-Finanzialisierung von 1990 bis heute

Urheber*in: Faust, Michael; Thamm, Lukas

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Extent
Seite(n): 112
Language
Deutsch
Notes
Status: Veröffentlichungsversion

Bibliographic citation
soeb-Working-Paper (2015-5)

Subject
Wirtschaft
Volkswirtschaftslehre
Bundesrepublik Deutschland
Profit
sozioökonomische Entwicklung
Kapitalismus
Unternehmenspolitik
Aktionär
Finanzmarkt
Unternehmensführung
Aufsichtsrat
Unternehmen

Event
Geistige Schöpfung
(who)
Faust, Michael
Thamm, Lukas
Event
Veröffentlichung
(who)
Forschungsverbund sozioökonomische Berichterstattung
Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen e.V. (SOFI)
(where)
Deutschland, Göttingen
(when)
2015

URN
urn:nbn:de:0168-ssoar-49922-8
Rights
GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Bibliothek Köln
Last update
21.06.2024, 4:26 PM CEST

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  • Arbeitspapier

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  • Faust, Michael
  • Thamm, Lukas
  • Forschungsverbund sozioökonomische Berichterstattung
  • Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen e.V. (SOFI)

Time of origin

  • 2015

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