Archivale

Urgicht

Regest: Barbara Breunin (Braun) hat ohne alle Pein und Marter bekannt:
1) Am nächsten Ostermontag seien es 12 Jahr, seit ihr Bruder Jacob mit seinem Weib nach Reutlingen gekommen sei. Seither habe sich zwischen den Geschwistern Zwietracht erhoben. Vater und Mutter haben ihrem Bruder Jacob 100 fl gegeben. Sie, Barbara, habe auch soviel bekommen wollen. Ihre Mutter habe erklärt, das können sie zur Zeit nicht, und sie auf die Erbschaft nach beider Eltern Tod verwiesen. Darauf habe sie, Barbara, den Eltern übel geflucht. Ihr Hauswirt (= Ehemann) habe sie getreten und geschlagen und gesagt: "Bist du denn ein Bankert (= uneheliches Kind)? Ich will auch 100 fl haben oder an seinem Leib einkommen (= mich schadlos halten)." Darauf sei sie ihm entronnen und habe die Hände gewunden (= gerungen) und gebeten, dass doch ein Mensch komme und davor sei (= verhüte), dass ihr Hauswirt und ihr Bruder auf dem Feld zusammentreffen. Da sei ein Bäuerlein in Bauernkleidern dagestanden, habe sich Hans N. genannt und zu ihr gesagt: "Was willst Du einem geben, der davor wäre?" Sie habe gesagt, sie wollte Leib und Seele geben. Darauf habe der Satan Hans N. geantwortet, sie solle sich ihm mit ihrer Seele ergeben, Gott und sein Wort verleugnen und versprechen, den Menschen und dem Vieh Schaden zu tun. Dann wolle er ihr aus allen Nöten helfen. Solches habe sie dem Teufel leider zugesagt. Nachdem sie aber seine Geißfüss gesehen, sei sie ganz übel erschrocken und ihr Versprechen habe sie gereut. Sie wäre gern abgestanden. Aber er habe ihrer nur gespottet, ihre Seele gehöre ihm.
2) Sie habe dem Seilmann (= Seiler?) Franz N., damals ihres Vaters Knecht, geboten, ein mit ihres Buhlen weissem Pulver besprengtes Kraut ihrem Vater in den Becher zu tun und zu trinken zu geben. Ihr Vater sei dann krank geworden, habe aber in Krankheit noch 5 Jahr gelebt.
3) Sie habe einen Stier für 6 fl beschädigt, dass er starb.
4) Sie habe ein ihr gehörendes Kalb angegriffen und getötet.
5) Unter dem Zwang ihres Buhlen habe sie ihrem Hauswirt sein Ross hinkend gemacht, welches er nachmals dem Hans Loffler von Ohmenhausen um 2 Scheffel Vesen verkaufte.
6) Auf einem Stöcklein, welches ihr Buhle ihr geboten, sei sie in Blesis Steig gefahren, habe dort gegessen, getrunken, getanzt, auch anderer Freuden gepflegt mit viel andern unbekannten Gespielen (= Genossen).
7) Sie habe eine ihr gehörende Kuh hinkend gemacht. Diese sei aber nicht gestorben.
8) Als vor Jahren das Weib des Hans Ostertauff, des Klingenschmieds, krank lag, habe er sie, Barbara, um eine Suppe für die Kranke gebeten. Die habe sie gekocht und auf einem Teller in einem Zinnlein (= Zinngeschirr) unbedeckt hinübergetragen. Als sie auf die Stiege kam, habe ihr Buhle Hans sie erwischt und ein weisses Pulver darein geworfen, um das Weib noch kränker zu machen.
9) Sie sei in Blesis Steig gefahren. Da sei Wind und Hagel gekommen, habe aber nicht besonders Schaden getan.
10) Sie habe ein Töchterlein der Anna Klain von Weil angeregt. Habe ein böses Geschwür bekommen, sei nicht gestorben.
11) Als eines Morgens die Rosse ausfuhren, habe sie dem Bastin Schleier ein Ross mit ihrem Stöcklein geschlagen, dass es hinkend wurde.
12) Wenn sie zu Zeiten ihren guten Gönnern nicht auf ihres Hans Anstiften Schaden zufügen wollte, habe sie sich an ihrem eigenen Leib angreifen und schädigen müssen, an den Brüsten, den Seiten, den Hüften, dem Geburtsort. Da sei ihr denn Meister Joachim Scherer zweimal zu Hilfe gekommen.
13) Sie hätte das Weib des Claus Göbel beschädigen sollen. Sie habe sich dessen geweigert. Da habe ihr Buhle Hans N. sie geschlagen. Daraus sei ein böses Geschwür erfolgt.
14) Sie hätte einmal Ursla Buckh angreifen sollen. Sie habe sich widersetzt. Da habe ihr Buhle Hans sie gar übel geschlagen, dass sie die Hände nicht mehr auf den Kopf legen konnte.
15) Das Töchterlein des Schultheissen von Sondelfingen sei in ihr Haus gekommen. Da habe ihr Buhle gewollt, sie solle es schlagen. Sie aber habe nicht gewollt. Er habe sie auf die Brust geschlagen. Davon sei ihr ein sehr böses Geschwür gewachsen. Das habe ihr der Pfarrherr von Eningen geheilt.
16) Sie habe sollen dem Weib des Henslin Hagen eine Kalbel schlagen. Sie sei über ihr eigenes Kalb geraten.
17) Sie habe der Burga Khürin ein Mädlein angegriffen, dass es krank wurde. Sei aber nicht gestorben.
18) Wenn ihr Mann Jacob nicht daheim war und über Nacht ausblieb, sei ihr Buhle zu ihr gekommen und habe Unkeuschheit mit ihr getrieben. Wenn sie sich geweigert, habe er sie geschlagen.
19) Ihr Buhle Hans N. habe ihr wiederholt eingeraunt, man werde falsche Kundschaft (= Zeugenaussagen) auf sie machen und sie gefänglich einziehen. Sie solle sich vor Schande bewahren und sich oben in ihrem Haus erhängen. Als er sie zweimal hinaufgebracht und sie selbst einen Strick um den Balken geworfen und an den Hals gebracht, habe sie an den verzweifelten Judas gedacht und sei so mit grossem Zittern und Zagen davon erledigt (= befreit) worden. Das gleiche sei ihr auch in ihrer eigenen Kammer an einem überzwerchen (= Quer-)Balken widerfahren, und sie sei ohne Zweifel durch Gottes Engel erlöst worden.
20) Um Pfingsten vor einem Jahr habe sie ihr Buhle Hans N. auf die Scheibe geführt. Dort habe sie allein mit ihm einen Reif machen helfen, wovon die Bäume versengt und die Bluscht (= Blüten) verderbt wurden und teilweise erfroren.
21) Sie sei einmal in das Haus des Mattheus Trumeter gekommen, welches dem Strelitz gehörte. Da sei ein Wiegen-Kindlein gestanden. Auf Geheiss ihres Buhlen habe sie das Kindlein angegriffen. Davon sei es bald krank geworden und letztlich gestorben.
22) Am Osterfest dieses Jahres sei sie mit ihrem Buhlen Hans N. auf die Scheibe gefahren. Da seien viele gesessen, aber sie habe nicht alle gekannt, zwei wohlbesetzte Tische voll. Dabei seien 8 ihrer Buhlen gewesen in Mannsgestalt. Die haben gegessen, getrunken und seien mit gutem Braten und Wein ganz fröhlich gewesen. Allein sie habe spülen müssen und sei zum Lohn von einem andern neben ihrem Buhlen sehr übel geschlagen worden, weil sie solang weggewesen. Schliesslich habe der Teufel Häfelein mit grauem Wasser aufgestellt. Die habe sie müssen umschütten. Daher sei Schnee und Kälte gekommen.
23) Sie habe in diesem Jahr 1/2 Rind unter der Metzig ausgehauen. Da habe das Weib des Ulrich Rindtschenckel den Färberlohn eines Tuchs von ihr verlangt. Sie sei daraufhin heimgegangen und habe auf einem Trog (= Truhe) das Geld gezählt. Da sei ihr Buhle Hans zu ihr getreten, habe in das Geld gegriffen und gesagt, sie solle das Weib bezahlen, und während sie ihr das Geld hinzähle, solle sie dem Weib in die Augen sehen. Dann werde ihr das Gesicht (= die Sehkraft) vergehen. Das habe sie so ausgeführt.
24) In der Erntezeit des jetzigen Jahrs sei sie mit ihrem Jacob auf das Feld gegangen, um die Früchte zu besehen, wann sie sie schneiden sollen. Als sie vor grossem Regen nicht in die Stadt kommen konnten, sei sie am Siechenhaus untergestanden. Da habe sie der Hausmeister Heinrich hinaufgerufen. Dessen Hausfrau Anna habe sie heftig krank liegend gefunden. Da habe sie der Teufel getrieben, die kranke Frau anzugreifen. Das habe sie getan ...(?).
25) Als sie gehört, dass die Lena Kriech, Weib des Barthlin Gertner, krank liege, habe sie derselben Fleisch gebracht. Als sie zur Stiege gekommen, sei ihr ein Stück Fleisch von der Mulde gefallen. Sie habe gesagt: "Hei wohl aufher (= herauf) in Teufels Namen!" Da sei der Teufel, ihr Buhle Hans N., bei ihr gestanden und habe gesagt: "Da bin ich," habe das Fleisch ihr wieder auf die Mulde gelegt, mit einem weissen Pulver besprengt. Solches habe sie, Barbara, der Lena besonders empfohlen zu essen. Diese Misshandlung (= Übeltat) sei ihr herzlich leid.
26) Während sie in diesem Gefängnis lag, habe sie dreimal am eisernen Ofengitter sich zu erwürgen, auch mit einem Messer sich zu erstechen versucht. Doch habe Gott das wunderbar verhütet. Sie bittet deshalb Gott und Menschen um Verzeihung ihrer Sünden.

Der Rat hat ihr zu verdienter Straf und jedermann zu abscheulichem (= abschreckendem) Exempel mit Urteil zu Recht erkannt, dass Barbara Braun dem Nachrichter übergeben, von ihm gebunden, hinaus zu dem Hochgericht geführt, mit dem Feuer vom Leben zum Tod gerichtet und ihr Leib zu Pulver und Asche verbrannt werden soll - nach kaiserlichem und des heiligen Reichs Recht.

Archivaliensignatur
A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7736
Umfang
5 S.
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.
Sonstige Erschließungsangaben
Genetisches Stadium: Or.

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 23 Hexenprozesse
Bestand
A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)

Laufzeit
(15)65 November 29

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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  • Archivale

Entstanden

  • (15)65 November 29

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