Bestand
Heitersheim, Reichs- und Kreissachen (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Vergleiche die Einleitung zu Bestand 89.
I. Das Großpriorat
Heitersheim: ein Überblick zu seiner Geschichte: Die Anfänge der
Johanniter in Heitersheim datieren in das letzte Drittel des 13.
Jahrhunderts. 1272 kamen Fronhof und Kirchplatz von Heitersheim in
den Besitz des Ordens, 1276/97 das gesamte Dorf, einschließlich
aller Jurisdiktions-, vogtei- und Bannrechte. Die in den nächsten
Jahren forciert betriebene Erwerbspolitik ermöglichte es den
Johannitern, in Heitersheim eine Kommende zu errichten. 1335 findet
sie ihre erste Erwähnung in den Quellen. War das Ordenshaus
Heitersheim ursprünglich der Kommende Freiburg unterstellt, so
gewann es im Laufe des 15. Jahrhunderts derart an Bedeutung, dass
1505 der Großprior von Freiburg nach Heitersheim übersiedelte.
Fortan blieb Heitersheim ständiger Sitz des Großpriors, der 1548
wegen seiner Verdienste vor Algier von Kaiser Karl V. die
Reichsfürstenwürde erhielt. Als reichsständischer Fürst hatte der
Großprior zwischen den gefürsteten Pröpsten von Ellwangen und
Berchtesgarden seinen Sitz ; auf der Geistlichen Bank des
oberrheinischen Kreises. Trotz dieser reichsunmittelbaren Stellung
gelang es ihm jedoch nicht, auch für das Fürstentum Heitersheim die
Reichsstandschaft zu sichern. Bis zum Anfall an das Fürstentum
Baden im Jahre 1806 gehörte daher Heitersheim de facto zu den
vorderösterreichischen Landständen (1). Die Auseinandersetzungen
zwischen Heitersheim und Österreich finden auch ihren Niederschlag
im Bestand der Reichs- und Kreisakten.
II. Bestandsübersicht:
Ähnlich dem Hauptsitz des Deutschen Ordens in Mergentheim versuchte
das Großpriorat in Heitersheim ein zentrales Archiv für die unter
seiner Aufsicht stehenden Kommenden und Verwaltungssitze
aufzubauen. Nach den Ordensregeln, den Statuten, waren sämtliche
Häuser des Johanniterordens zur Abgabe ihrer wichtigsten l
Archivalien verpflichtet. (2) Es ist aber nicht mehr sicher i
erkennbar, inwieweit diese Bestimmung beachtet und befolgt wurde.
Ein Zeugnis dieser Abgabepflicht an das Zentralarchiv stellen
vermutlich die Archivinventare der schweizerischen, rheinischen und
münsterischen Ordenshäuser (Bestellnr. 412 und 452) dar. An der
Spitze des Heitersheimer Archivs stand zu Beginn des 19.
Jahrhunderts der Johanniterbeamte Riedmüller, der nach eigenem
Bekunden rund 40 Jahre über es gewacht, seine Bestände geordnet und
repertorisiert hatte.(3) Auch nach der Säkularisation des
Großpriorats und der Einverleibung des Fürstentums durch Baden
blieb das Archiv zunächst weiterhin unter seiner Obhut im Schloss
zu Heitersheim. Dem badischen Kammerpräsidenten hatte Riedmüller
zunächst nur ein Archivrepertorium von 80 Heften übergeben
müssen,(4) doch schon 1809 beklagte er, dass dieses
Hauptrepertorium nunmehr in Karlsruhe verschollen sei.(5) Auch
musste er auf Intervention der französischen Regierung 1807 die
gesamten Bestände der linksrheinisch gelegenen
Johanniterbesitzungen - Akten, Beraine, Rechnungen und Urkunden, in
"16 großen Verschlägen" verstaut - dem Domänendirektor des
Départements Haut-Rhin übergeben. (6) Als Riedmüller 1809 nach
Freiburg übersiedelte, entschloss sich die badische Regierung -
rund ein Jahr später und nach einigem Zögern -, die Archivalien in
das Freiburger Provinzialarchiv verbringen zu lassen. Zur
Erleichterung des Transports und aufgrund beschränkter
Platzkapazitäten wurden einzelne Akten ohne Rücksicht auf ihre
Provenienz bzw. Ordnung in ganz andere Kisten verpackt.(7) Bis 1828
wurden sodann Teile der in Freiburg verwahrten, nichtbadischen
Bestände an Preußen, Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt,
Kurhessen, die Stadt Frankfurt, die Niederlande und einige
schweizerische Kantone abgegeben. (8) Der ehemals zentrale Bestand
von Heitersheim war dadurch vollends zerstört. Neu hinzu kamen aber
aus dem Nachlass Riedmüllers 1851 - über mehrere Zwischenstationen
-drei Kisten mit Archivalien, darunter auch Aktenfaszikel der
Kommende Tobel(9) und anderer nichtbadischer Ordenshäuser, die dem
Bestand der Reichs- und Kreisakten beigefügt wurden. Hinzu kamen
1826 auf Verlangen des badischen Ministeriums für Finanzen
Schuldurkunden des Ordens bzw. eine Akte des Großpriors über
Kreditaufnahmen bei einem westfälischen Bankhaus (Bestellnr. :
411).(10)
III. Verzeichnungsarbeiten:
Mit Ausnahme der Akten über die Auseinandersetzungen mit der
vorderösterreichischen Regierung hatte Riedmüller alle Bestände
repertorisiert, darunter auch die für die Geschichte des
Fürstentums zentralen Reichs- und Kreisstagsakten. Doch sind seine
Verzeichnungsarbeiten, wie schon erwähnt, früh verloren gegangen.
In einzelnen Fällen sind in den Faszikeln noch von Riedmüller
erstellte Inhaltsverzeichnisse über den jeweiligen Akteninhalt zu
finden. Sie lassen erkennen, wie sorgfältig und genau der letzte
Heitersheimer Archivar gearbeitet hat. Im Generallandesarchiv wurde
der Bestand im 19. Jahrhundert auf die Selekte, in eine
Urkundenabteilung (21) und zwei Aktenabteilungen (Generalia: 89 und
Reichs- und Kreisakten: 90) verteilt, während die nur einzelne Orte
betreffenden Akten in den Bestand 229 eingegliedert wurden.
Vermutlich um 1909/10, zu Beginn seiner Tätigkeit als
Archivassessor und Hilfsreferent am Generallandesarchiv Karlsruhe,
verzeichnete Dr. Hermann Baier den Bestand 90 neu. Die
Titelaufnahme geschah recht summarisch. Im Laufe der Jahrzehnte
gingen zudem Teile des von Baier erstellten Zettelrepertoriums
wieder verloren. Bis zur endgültigen Verzeichnung wurde deshalb im
September 1987 unter Leitung des Staatsarchivreferendars Roland
Müller die fehlenden Zettel durch studentische Hilfskräfte ergänzt,
wobei die Titel von den Umschlägen übertragen wurden. Bei der
Neuverzeichnung galt es, den - aufgrund der Vorgeschichte wenig
verwunderlich - sehr unbefriedigenden Ordnungszustand zu bereinigen
und die Fremdprovenienzen zu separieren. Realisiert wurde nunmehr
die schon von Hermann Baier intendierte Gliederung des Bestandes in
Reichs- und Kreisakten. Daran wurden die in den Bestand 89 zur
Rubrik Landeshoheit (dort Bestellnr. 123-239) gehörigen Akten über
die Auseinandersetzungen mit es Vorderösterreich um die
Landstandschaft der Kommende Heitersheim angeschlossen. Es folgen
die Akten von nichtbadischen Kommenden, die nach den ursprünglichen
Plänen hätten regional verteilt werden sollen, z.T. aber erst nach
Ende der Abgaben 1827 ins Haus gelangten. Einziger "Irrläufer"
bleibt hier die Veranlagung zur Kopf- und Vermögenssteuer der
Einwohner von Hoppetenzell (Bestellnr. 219), der die Kommende
Überlingen betrifft. (11) Da bei vorangegangenen Überarbeitungen
Anschreiben und Beilagen in den Akten chronologisch umsortiert
worden waren, musste bei der Neuverzeichnung in vielen Fällen die
ursprüngliche innere Ordnung wiederhergestellt werden. Die zum Teil
recht umfangreichen Beilagen liegen nun, durch Umschläge zusätzlich
geschützt, hinter den Anschreiben. Trennung und Neubildung von
Faszikeln wurden durch Verweisblätter in den ursprünglichen Akten
kenntlich gemacht. Besonders der fehlende sachliche Zusammenhang
innerhalb einiger Faszikel der Kommende Tobel, die bei einer
früheren Verzeichnung aus Einzelakten zusammengefügt worden waren,
machte eine erneute Trennung erforderlich. Eine Pergamenturkunde
des Großmeisters wurde dem Bestand 20 unter der Nummer 2525 und ein
Urbar den Berainen (66A/443) zugeordnet. Die Serienakten wurden
chronologisch geordnet, die Gliederung der Sachakten lehnt sich an
das Brauer'sche Rubrikenschema an. Die Laufzeit des Bestandes
reicht vom späten 15. bis in das frühe 19. Jahrhundert. Der Bestand
umfasst insgesamt 518 Nummern und 8,56 lfd. m. Aufgrund ihres
schlechten Erhaltungszustandes mussten einige Faszikel vorläufig
gesperrt werden. Von Mai bis Aug. 1991 haben die
Staatsarchivreferendare Andreas Maisch, Dr. Ulrich Nieß und Udo
Schäfer den Bestand neu verzeichnet und mit Hilfe des EDV-Programms
MIDOSA abschließend das vorliegende Repertorium erstellt. Die
Betreuung und die Gesamtaufsicht lagen bei Archivrat Dr. Clemens
Rehm. Karlsruhe, den 10. Okt. 1991 Maisch, Dr. Nieß, Dr. Rehm,
Schäfer
IV. Anmerkungen: 1. an
Literatur vgl.: - Georg B. Hafkemeyer, Das Großpriorat Deutschland,
in: Adam Wienand (Hg.), Der Johanniter-Orden/Der Malteser-Orden,
Köln 1970, S. 334-343. - Heitersheim. Aus der Geschichte der Stadt
Heitersheim, hrsg. von der Stadt Heitersheim, Freiburg 1972. -
Walter Gerd Rödel, Das Großpriorat Deutschland des Johanniterordens
im Übergang vom Mittelalter zur Reformation, Köln 1966. 2. Bericht
über "Das Archiv des Johannitergroßpriorats Heitersheim" (o. J.,
ca. 1908); GLA 450/421. 3. Schreiben Riedmüllers vom 9. Okt. 1809
an die Großherzogliche Rentkammer; GLA 313/97. 4. Wie Anm. 2. 5.
Wie Anm. 3 . 6. Schreiben Riedmüllers vom 3. Dez. 1812 an das
Großherzogliche Direktorium des Dreisamkreises; GLA 313/97. 7. wie
Anm. 6 8. Bericht Baiers über das Archiv des Johanniterordens vom
21. Dez. 1907; GLA 450/421. 9. Wie Anm. 8. Die früher im
Provinzialarchiv Freiburg lagernden Akten und Urkunden der Kommende
Tobel wurden gemäß dem Vorschlag von Dr. Leichtlen an die Kantone
Thurgau und Zürich abgegeben; s. Schreiben vom 12. Juni 1827; GLA
313/97. 10. Zu den Vorgängen vgl. den Beschluss des
Finanzministeriums, Nr. 23438 vom 17. Dez. 1825; GLA 313/97. 11.
Der Hauptteil der Akten der Kommende St. Johann in Überlingen
befindet sich in Abt. 225, die Urkunden dagegen in Abt.
2.
- Bestandssignatur
-
Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, 90
- Umfang
-
518 Akten, 1 Karte
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Ältere Bestände (vornehmlich aus der Zeit des Alten Reichs) >> Akten >> Kleinere geistliche Territorien >> Heitersheim, Reichs- und Kreissachen
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Rainer Brüning/Gabriele Wüst (Bearb.), Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 6, Bestände des Alten Reiches, insbesondere Generalakten (71-228), Stuttgart 2006, S.171-172
- Bestandslaufzeit
-
1526-1807
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:03 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1526-1807