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Inquisition über Margaretha, Witib des Hans Rieppert selig, gewesenen Bürgers und Weingärtners, das Fürkäufler-Grethle
Regest: Urteil:
Die jetzt vorgeführte arme Sünderin Margretha, Witib des Hans Rieppert, gewesenen Bürgers und Weingärtners, geborne Pfulb, gebürtig von Pfäffingen adelig Gültlingischer Herrschaft, ist wegen bezichtigter Hexerei vor kurzem eingezogen (= verhaftet) worden. Sie hat sowohl in gütlicher Aussage als auch schwerer Frag und peinlicher Urgicht öffentlich folgendes gestanden:
1) Vor ungefähr 28 Jahren und zur Zeit, als die Piccolominischen Soldaten hier im Quartier lagen, besonders aber der Profos in des Ludin Gall Haus und ein Leutnant in des alt Stoffel Tochtermann Haus logierten, sei sie verführt worden, daß sie sich dem bösen Geist ergeben habe. Das sei folgendermaßen zugegangen. Sie hatte damals ein Halsnuster (= Halskette), welches sich gut auf 16 Dukaten belief, verloren und meinte, es bei dem Profosen gelassen zu haben. Deswegen habe sie sich in seinem Quartier erkundigt, es aber dort nicht angetroffen, sondern sei in das Haus des Stoffel Tochtermann gewiesen worden. Dann habe sie es auch wieder bekommen, aber mit Hilf des bösen Geists, welcher in der Küche des genannten Hauses zu ihr kam in Gestalt eines jungen Mannes und ein gelbes Kleid anhatte. Darauf gingen sie in das hintere Stüblein. Dabei waren die beiden hingerichteten Malefikanten, das Weib des alt Stoffel Tochtermann und ihre Tochter Anna. Da wurde sie dann von ihrem bösen Geist, welcher sich Christoffel nannte, zuerst beschlafen, hernach getauft und Anna Gretha genannt. In der Tauf habe sie Gott verleugnet, der heil. Dreifaltigkeit abgesagt und dem bösen Geist sich ergeben. Dieser habe ihr damals ein schwärzliches oder gräuliches Pulver und eine gelbe Salbe zugestellt. Mit dem Pulver habe sie verschiedentlich Schaden getan, mit der Salbe aber den Stecken, worauf sie ausfuhr, geschmiert und was sie noch davon übrig hatte, vor ihrer Verhaftung in den Bach geworfen.
2) Nach der Taufe habe ihr Buhle Christoffel ihr auch Blut ausgelassen von dem 2. Zehen am rechten Fuß, es behalten und sie daselbst gezeichnet.
3) Sie sei zwar ausgefahren, aber nicht mehr als 4 oder 5mal draußen gewesen. Der Platz wo solche heut zusammenkamen, sei auf der Scheibe. Es seien nicht sehr viel draußen gewesen. Sie haben Wein getrunken. Woher sie ihn aber brachten, wisse sie nicht. Ferner habe sie Pfeifer gehört. Die, die draußen waren, haben Wachslichtlein oder Holdermark in Röhrlein in den Händen gehabt und damit geleuchtet. Sie habe einmal ein Digelin (= einen kleinen Tiegel) halten müssen. Sonst habe sie draußen nichts gegolten. Erst seit es mit dem Buben des Hans Jerg Helbling offenbar wurde, sei sie einmal auf den Abend in sein Haus gekommen und habe ihn abholen helfen. Da seien in dem hintern Stüble viel Leut gewesen. Besonders sei sie neben anderen am Freitag 24. Februar am Mattheistag ausgefahren und habe der Hexenzusammenkunft beigewohnt.
4) Sie habe dem Stadtknecht Hans Hairenmann ein Geißle geschlagen mit einem Stecken, den sie ungefähr (= zufällig) auf der Gasse aufgehoben hatte, und dabei gesagt: "Stirb in Teufels Namen!" Davon habe es schließlich sterben müssen. Der Vaihlen-Hans habe ihr vorher so schandlich getan (= sie geschimpft), und sie haben so eine Freud mit dem Geißle gehabt.
5) Dem Kind ihrer Tochter, des Babelins, habe sie von ihrem Pulver auf das Breilein getan, wovon es lang siechte und schließlich sterben mußte.
6) Ihrem Sohn, dem Jacoble, habe sie ebenfalls von dem Pulver auf 2 Knöpfle (= Knödel) getan, als er ihr vorher Äpfel gebrochen (= gepflückt) hatte und mit ihr zu Nacht aß. Er habe sie allein aufgegessen und am 5. Tag hernach sterben müssen.
7) Als sie einmal im Haus ihres Sohns Jacob tranken, habe sie seinem Kind, einem Knäblein, in rotem Wein vergeben, Sie habe gelbes Mehl gehabt, welches sie von ihrem Geist empfangen und auf sein Geheiß darein getan habe.
8) Ihrem Mann Johannes, nachdem er von ihrem Tochtermann mit einem Krug an den Kopf geschlagen worden, habe sie gleichfalls vergeben. Denn sie habe ihm Pulver, das sie von ihrem Geist empfangen hatte, auf einen gebrannten Brei getan, wovon er morgens um 9 Uhr aß, 5 Tag hernach krank wurde und ihrem Sohn Jacoble in den Armen starb.
9) Dem Buben des Glasers Johannes Kurtz selig habe sie auch Pulver auf die Knöpfle (= Knödel) getan. Der habe davon gegessen und sei hinterlättig (= kränklich) worden. Sie habe ihm aber wieder geholfen und Wein aus ihrem Keller zu trinken gebracht, wovon er gesund worden sei.
10) In desselben Mutter, des Anna Bärbelins, Haus sei sie oft gekommen. Denn zwischen beiden Häusern sei eine Wand und ein Loch darin, wodurch sie in ihre Kammer kam. Dazu habe ihr der böse Geist geholfen, der sie immer vorher zu einem Hund oder zu einer Katze gemacht habe, daß sie zu dem Loch habe aus- und einschliefen (= schlüpfen) können. Es habe aber nicht lang gewährt.
11) Dem jungen Schmidt-Hans (Hans Schmidt) habe sie einmal eine Suppe in sein Haus hinübergebracht und darauf auch dieses Pulver getan, weil es ihr Geist haben wollte. Er habe davon gegessen und dann verlahmen (= lahm werden) müssen.
Weil das abscheuliche Laster der Zauberei und Hexerei eine überaus schwere Sünd und Greuel vor Gottes Augen ist, wodurch der Mensch von seinem Schöpfer und Erlöser abweicht, Gottes unaussprechliche Güte und Barmherzigkeit, die er zeit seines Lebens empfangen hat, mit höchstem Undank nicht erkennt und auf die Seite setzt, der hochgebenedeiten heil. Dreifaltigkeit schändlich absagt und dem verfluchten Geist und Feind Gottes und des menschlichen Geschlechts, dem leidigen Teufel, mit Leib und Seel sich zu eigen ergibt und mit seiner Hilf Menschen und Vieh Schaden zuzufügen sucht, daher ist dieses grausame Laster in der heil. Schrift sowie in den gemeinen kaiserlichen Rechten ernstlich verboten und besonders in der Peinlichen Halsgerichtsordnung mit der äußersten Todesstraf angesehen worden. Darnach haben Bürgermeister und Rat dieser Reichsstadt Reutlingen nach eingenommener (= festgestellter) wahrer Beschaffenheit der Sache und wiederholtem Geständnis dieser Margretha Rieppert, obwohl sie nach ihren Mordtaten hätte mit glühenden Zangen gerissen oder gar lebendig verbrannt werden sollen, doch auf Fürbitten ihrer Kinder und der ganzen Verwandtschaft die Milde der Strenge vorgezogen und beschlossen, daß sie in Hände und Bande des Scharfrichters geliefert, von ihm auf die gewöhnliche Richtstatt geführt, daselbst, ihr zu wohlverdienter Straf, andern aber zum abscheulichen Exempel, mit dem Schwert vom Leben zum Tod gerichtet und dann ihr toter Körper zu Asche verbrannt werden soll.
- Reference number
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A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7832
- Extent
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32 S.
- Formal description
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Beschreibstoff: Pap.
- Further information
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Bemerkungen: Es fehlen die besonders wichtigen 2 ersten Seiten mit den Interrogatoria, den Fragepunkten. Die folgenden Seiten sind zum Teil sehr stark beschädigt. Verhältnismäßig gut zu lesen sind die Seiten 27-32 mit dem Urteil.
Vgl. dazu auch Gayler: Histor. Denkwürdigkeiten II S. 136 f.
Genetisches Stadium: Or.
- Context
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 24 Hexenprozesse
- Holding
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A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)
- Date of creation
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1665 Februar - 1665 April
- Other object pages
- Last update
-
20.03.2025, 11:14 AM CET
Data provider
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Object type
- Archivale
Time of origin
- 1665 Februar - 1665 April