Bestand

Gebrüder Krusius, Stahlwarenfabrik Mangenberg / Jowika, Stahlwarenfabrik Merscheid (Bestand)

Vorwort

Zum Bestand Fi 16 Krusius/Jowika

Der Bestand Fi 16 enthält die Überlieferung von zwei Solinger Stahlwarenunternehmen: der Firma Gebrüder Krusius, die 1886 am Mangenberg gegründet wurde und der Firma Jowika, die Helmut Eugen Weber seit 1935 in Merscheid aufbaute. Um 1967 erwarb Weber die Firma Krusius und gliederte sie in sein Herstellungs- und Verkaufsprogramm ein, ließ ihren Namen und die Registereintragungen aber weiter bestehen.
Wegen ihrer Firmengeschichte und der gemeinsamen Ablieferung der Bestände nach Webers Tod 1983 schien es sinnvoll, ein Sammelverzeichnis anzulegen. Es gliedert sich in drei Abschnitte:
Teil A Krusius umfasst den selbständigen Betrieb der Firma bis 1967; für
Teil B Jowika gilt das gleiche für die Jahre von 1935 bis 1967 und
Teil C Krusius/Jowika verzeichnet weitergeführte und verknüpfte Traditionen der beiden Firmen nach der Vereinigung. So finden sich in Teil C z.B. die Bemühungen Webers, renommierte Warenzeichen der Firma Krusius zu erhalten oder Krusius-Produkte in das Karton füllende Kalkulationssystem von Jowika einzufügen.

Die Firma Gebrüder Krusius in der Victoriastraße (heute Beethovenstraße) in Mangenberg-Wald wurde 1886 von August und Emil Krusius, Söhnen des Ohligser Scherenfeilers Karl Julius Krusius, ins Leben gerufen. Ihr jüngerer Bruder Ewald wanderte in die USA aus und richtete in New York ein Geschäft für Stahlwaren ein, das aus Solingen beliefert wurde. Nach der Familientradition stellte die Walder Firma zuerst Scheren her; in den 1890-er Jahren erweiterte sie ihre Produktion auf Rasiermesser und Manikürwaren. 1913 und 1918 begann die Herstellung von Taschen- und Tafelmessern. Die 1907 eingerichtete Gesenkschmiede lieferte die Ausgangsstücke für die verschiedenen Schneidwaren. 1913 beschäftigte die Firma 100 Arbeiter, 1922 waren es 1000, darunter 500 Heimarbeiter. Aus kleinen Anfängen war nach Solinger Maßstäben ein Großbetrieb geworden.
Seit dem Tod seines Bruders im Jahr 1905 führte Emil Krusius das Geschäft allein und übergab es 1913 seinem noch jungen, 23-jährigen Sohn Erwin, der die Firma bis 1956 leitete. 1920 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und Mitte der 20-er Jahre ein neuer großer Firmenblock auf dem Werksgelände errichtet.1
In der Weltwirtschaftskrise litt die Firma sehr. 1931 wurde die Aktiengesellschaft aufgelöst und bis 1935 liquidiert, 1932 wurden nur noch 18 fest beschäftigte Arbeiter und Angestellte gemeldet. In bescheidenerem Rahmen wurde das Unternehmen seit 1931 als Gebrüder Krusius, Inhaber Erwin Krusius, geführt.2
Langsam stieg die Zahl der Beschäftigten bis 1938 auf 80 an, sank im Lauf der Kriegsjahre aber wieder auf die Hälfte.
Erwin Krusius war ein Unternehmer, der seit der Übernahme der Firma die Rationalisierung der Solinger Produktionsweise auf seine Fahnen geschrieben hatte. Im 1. Weltkrieg führte er arbeitsteiliges Scherennageln in der Fabrik ein. Darüber kam es 1919 zu einem heftigen Konflikt mit der Heimarbeiterorganisation, die wegen der niedrigeren Löhne der Fabriknagler einen Einbruch in das traditionelle Lohnsystem nach Preisverzeichnissen befürchtete. Die britische Besatzung verbot einen Arbeitskampf, der die ganze Solinger Schneidwarenindustrie zu erfassen drohte, und in einem Kompromiss wurde das Lohnniveau der Heimarbeiter einigermaßen gesichert, aber Krusius blieb überzeugt, dass die herkömmliche Solinger Arbeitsweise durch fabrikgebundene Teilarbeit verändert werden müsste. 1937 bis 1939 kämpfte er einen zweiten ähnlichen Konflikt, diesmal um das arbeitsteilige Scherenschleifen, gegen die Deutsche Arbeitsfront mit Erfolg durch alle Instanzen bis zum Reichsarbeitsgericht durch.3

Da er keine engeren Bindungen an den Nationalsozialismus hatte, wurde Krusius 1945 Sprecher des Solinger Schneidwarenverbands. Die Geschäfte der Firma gingen seit Kriegsende besser und anfangs der 50-er Jahre recht gut; die Zahl der Beschäftigten stieg bis 1955 auf 170, aber schon vor Erwin Krusius Tod 1956 verschlechterten sich die Bilanzen, und die Arbeiterzahl war bis 1957 auf 100 gesunken. Nach einem Zwischenhoch zu Beginn der 60-er Jahre fiel sie bis 1967, dem Jahr der Übernahme durch die Firma Jowika, auf 60. Nach Erwin Krusius Tod wurde seine Frau Elfriede Inhaberin der Firma und leitete sie mit Hilfe verschiedener Geschäftsführer, bis das Unternehmen 1967 an Eugen Helmut Weber überging.

Eugen Weber und Eugenie Altenbach hatten als persönlich haftende Gesellschafter am 21.11.1935 die Firma Jowika Stahlwarenfabrik Eugen Weber und Altenbach KG. ins Handelsregister Ohligs eintragen lassen und für die Fabrikation schon im April die Räume der Zweigniederlassung der Krefelder Firma Johann und Wilhelm Kleinewefers (Jo - Wi - K) in der Kärtnerstraße 21 erworben. Kleinewefers Unternehmen hatte nur 7 Beschäftigte, aber Webers Pläne und Maschinenkäufe verlangten mehr Platz und Leute, so dass Werk II in der Kärntnerstraße 17 eingerichtet wurde. Die Zahl der Beschäftigten stieg bis 1940 auf etwa 50, in den Kriegsjahren noch darüber hinaus. 1940 erfolgte auch die Verlegung des Werks in die Merscheider Straße 154.4

Weber stellte eigene Waren, wahrscheinlich Messer, Scheren und wohl auch Rasierklingen her, wie die große Zahl der Klingenverpackerinnen in den Heimarbeiterbüchern der Firma vermuten lässt; genaue Unterlagen zur frühen Produktion fehlen. Es ist anzunehmen, dass er auch Produkte anderer Solinger Hersteller im Versand hatte; zumindest legen es die Formulierungen in den Verkaufskatalogen der Nachkriegszeit nah.
Von 1946 bis 1960 waren im Durchschnitt 70 Arbeiter und Angestellte bei Jowika beschäftigt, nach 1963 sank die Zahl bis 1967 auf 36. Was zum Kauf der Firma Krusius 1967 bewogen hat, ist den Akten nicht zu entnehmen. Allerdings hatte Krusius ein verhältnismäßig gut gehendes Bestecksortiment, das im Jowika-Angebot fehlte. Ob das von Bedeutung war, lässt sich nur vermuten. Nach dem Krusius-Kauf zog die Firmenleitung in die Gebäude in der Beethovenstraße.
1960 hatte sich Weber mit dem Bau einer Fabrik in Listowel bei Limerick in der Republik Irland auch an Auslandsproduktion gewagt. Nach einem Bericht der Rheinischen Post5
war er schon eine Weile auf der Suche nach einem Standort im Commonwealth-Bereich, aber erst die Vergünstigungen, die der irische Staat zur Industrieansiedlung gewährte, gaben wohl den entscheidenden Anstoß. Mit etwa 100 Arbeitern, die zum Teil in Solingen ausgebildet wurden, stellte das Werk in erster Linie Massenware her, die bei niedrigen Löhnen und staatlicher Exportförderung günstig ausgeführt werden konnte. (Die Fabrik wurde 1978 an eine amerikanische Firma - Imperial Schrader - verkauft.) Der Zeitungsartikel enthält noch den Hinweis, dass Weber nach dem 2. Weltkrieg ein Angebot aus Kanada hatte, unter Verlegung seines ganzen Inventars dort zu produzieren. Diesen Schritt hat er nicht unternommen.
Im Oktober 1983 starb Eugen Weber. Sein Tod bedeutete auch das Ende seiner beiden Firmen. Sie gingen in Konkurs.6

Der Bestand erlaubt über keine der beiden Firmen ein vollständiges Bild. Allerdings ist der Krusius-Teil umfangreicher und in mehreren Bereichen geschlossener und dadurch für Forschung vielleicht ergiebiger. So bietet er in Teil A (und fortgesetzt) C umfangreiches Material, den mühsamen Kampf um die Warenzeichen zu verfolgen. Eine einigermaßen kontinuierliche Reihe von Warenverkaufsbüchern zwischen 1925 und 1964 zeigt den Umfang des Geschäfts, und auch der Bilanzbereich ist zwischen 1939 und 1967 recht vollständig. Für die Angestellten der Belegschaft liegen die Gehaltsbücher seit 1922 vor, und gut ist der Arbeitskonflikt aus den Jahren 1937-1939 um die Teilarbeit dokumentiert.
Spärlich ist dagegen die Überlieferung bis 1922; auch die großen Probleme der Firma in der Weltwirtschaftskrise sind nur ansatzweise und mühsam (vor allem über den Schriftwechsel mit der Bank) zu erschließen. Leider bleibt auch der Weg in die Verbindung mit Jowika dunkel.
Beim kleineren Jowika-Teil liegt ein Schwerpunkt auf der umfangreichen Sammlung von Informationen, die Weber besonders in den 50-er Jahren über konkurrierende Firmen und über Produktentwicklungen im Stahlwarensektor betrieben hat. Solinger Firmen stehen im Mittelpunkt, das Interesse geht aber auch bis nach Amerika und Asien. Ein zweiter Schwerpunkt liegt bei der allerdings nicht leicht zu entschlüsselnden Produktkalkulation auf Karteikartenblättern. Obwohl es von Jowika ausgeht, ist dieses Kalkulationssystem im Teil C verzeichnet, weil es später auf Krusius-Produkte ausgedehnt wurde.
Der Jowika-Bestandsteil enthält bis auf einige Warenkataloge und eine recht hübsche, umfangreichere Sammlung von Rasierklingenverpackungen wenig über die Verkaufsabläufe; auch der buchhalterische Teil ist im Vergleich zum Krusius-Teil nicht sehr aussagekräftig.
Wie einige andere Firmenüberlieferungen gibt der Bestand Krusius/Jowika Teileinblicke in die Solinger Wirtschaftsgeschichte; Perfektion bietet er nicht.

Die Bestandserschließung erfolgte 2010 durch Hartmut Roehr.

1 Grundlage zu den Angaben bis 1922 ist die Firmengeschichte: Krusius - die Geschichte der Familie und Firma, Solingen 1922
2 Handelsregistereintragungen Fi 16 -1
3 dazu Fi 16 - 40-44
4 Gemeinschaftsbuch Jowika S. 51-71, Fi 16-231.
5 Arbeitstisch verlängert in: Rheinische Post, 26.8.1966
6 Solinger Tageblatt, 23.11.1983

Reference number of holding
Fi 16
Extent
Findbuch: 233 AE

Context
Stadtarchiv Solingen (Archivtektonik) >> Bestände nichtstädtischer Provenienz >> Firmenarchive

Date of creation of holding
[1910] 1935 - 1983

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Last update
06.03.2025, 6:28 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • [1910] 1935 - 1983

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