Bestand
ASA Externa, Gallica (Frankreich) (Bestand)
Erschließungszustand, Umfang: Findbuch (2009), Datenbank (2007)
5,3 lfm
Vorwort: Die außenpolitischen Akten über die Beziehungen Lübecks zu Frankreich beginnen mit einer Abschrift des Privilegs König Philipps IV. über die Befreiung der Lübecker Kaufleute vom Wegegeld von Bapaume bei ihrem Besuch der Champagner Messen im Jahr 1293 (hier Nr. 1). Es bildet auch ungefähr den zeitlichen Anfang der urkundlich erhaltenen Privilegien Lübecks in Frankreich überhaupt (Gallica-Urkunde Nr. 2). Die zeitlich nächsten im Bestand folgenden Stücke sind ebenfalls Privilegien-Abschriften (Privileg Karls VI. über Rechtshilfe für in Flandern geschädigte hansische Kaufleute, 1392, Gallica Urkunde 7), der Friedensvertrag Karls VII. mit den Hansestädten (urkundlich anderweitig nicht erhalten) von 1459, der Handels- und Schiffahrtsvertrag Ludwigs XI. von 1463/64, der den hansischen Kaufleuten die annähernde Gleichstellung mit den französischen Untertanen verschaffte (Gallica-Urkunde 9, 10, 10 a) und seine Bestätigung aus dem Jahr 1483 (Gallica-Urkunden Nr. 11, Akten Nr. 11). Auch die weit reichende Privilegierung für hansische Kaufleute im Herzogtum Bretagne, das während des Hundertjährigen Krieges eine relativ große Selbständigkeit erlangt hatte, liegt im Aktenbestand (Nr. 9), aber nicht in der Urkundenabteilung Gallica vor.
Obwohl sich Lübecker und hansische Kaufleute innerhalb Frankreichs in wichtigen Handelszentren wie Paris, La Rochelle oder auf der Ile d'Oléron niederlassen konnten und z.T. in Zeugnissen dort vor Ort nachweisbar sind, hat sich in Lübeck darüber keine detaillierte Korrespondenz erhalten. Regelungsbedarf, der schriftlich Niederschlag fand, liegt vor, wenn z.B. zwischen Flandern, wo die Kaufleute in Brügge ihre wichtigste Niederlassung unterhielten, und Frankreich politische Auseinandersetzungen stattfanden. Sie führten u.a. zu dem Privileg von 1293 (s.o.). Das Vertragswerk von 1463/64 zwischen Ludwig XI. von Frankreich und den Hansestädten zeigt den beginnenden französischen Zentralstaat mit hierarchisch aufgebautem Beamtenapparat. Die weitgehende Gleichstellung der hansischen Kaufleute mit französischen Untertanen ("tout ainsi que silz en estoient natifz", Hans. UB 9 Nr. 29) auch vor Gericht hinsichtlich Testierfährigkeit und Erbschaften ist wohl die Ursache dafür, daß sich private Rechtsstreitigkeiten im Lübecker Aktenmaterial kaum erhalten haben. Früheste Nachweise hierfür stammen aus dem Jahr 1697 (vgl. Nr. 367 ff.).
Die Überlieferung umfaßt im wesentlichen gemeinsame hansische Aktivitäten, im Verlauf der Neuzeit vor allem der drei Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg. Die Verhandlungen zum Erhalt von Privilegien führte im 15. Jahrhundert noch der Sekretär des Hansekontors in Brügge, später auch Lübecker Ratssekretäre bzw. wurden durch gemeinsame hansische Gesandtschaften ausgeführt. Eine Änderung erfuhr die Qualität der hansischen Rechte in Frankreich nach dem Westfälischen Frieden, da nun nicht mehr Bestätigungen der Privilegien im bisher herkömmlichen Sinn erfolgten, sondern zunehmend Handels- und Schiffahrtsverträge geschlossen wurden. Zunächst erreichten die Hansestädte ihren Einschluß in das zwischen Frankreich und den Generalstaaten der Niederlande geschlossene Seeabkommen (1650-1657, vgl. Nr. 34), bis sie schließlich eigene Handels- und Schiffahrtsverträge zum Abschluß bringen konnten (1655-1658, vgl. Nr. 38-40, bestätigt 1678 Nr. 49). Die Expansions- und Réunionspolitik der französischen Monarchie erforderte es, daß die Hansestädte sich auch in den Pyrenäenfrieden (1659/60, Nr. 42) und den Frieden von Rijswijk (1696, Nr. 51) einbeziehen ließen und ihre Neutralität im Spanischen Erbfolgekrieg gewahrt wissen wollten ((Nr. 53, 17803-1704). Ein erneuter Kommerz- und Seevertrag mit Frankreich folgte 1716 (Nr. 59-63). Nachdem Hamburg aus dem gemeinsamen Vertrag von 1716 ausgestiegen war, schloß es 1769 einen eigenen Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Frankreich (Nr. 69). Mit dem revolutionären Frankreich kam es danach aber 1795/96 erneut zum Abschluß eines Abkommens aller drei hansischen Schwesterstädte nach dem Vorbild des Vertrags von 1716 (Nr. 82), und auch mit Napoleon waren diesbezügliche Verhandlungen im Gange (Nr. 93 ff.), die jedoch durch die Okkupation der Hansestädte 1806 bzw. durch ihre Einverleibung in das französische Kaiserreich 1810/11 obsolet wurden (vgl. hierzu Findbuch 10: Lübecks französische Besatzungszeit). Nach der Befreiung vom napoleonischen Joch kam es zunächst 1837 mit Louis Philippe zu einem Abkommen aller drei Hansestädte (Hanseatica-Urkunde Nr. 9, vgl. hier Nr. 103 und 104), bis schließlich die Hansestädte 1865 ihrem letzten Vertragswerk mit Frankreich noch eine Literarische Konvention hinzufügen konnten, welche die Urheberrechte in Druckwerken regelte (Nr. 111 ff.).
Ständigen diplomatische Vertreter der Hansestädte am französischen Hof finden wir seit dem Abschluß des Westfälischen Friedens, der erste, namentlich bekannte Agent war Jordan Gersont (Nr. 135, 1650-1652). Sie standen seit 1789 im Rag von Residenten, mit der Ernennung von Vincent Rumpff im Jahr 1823 von Ministerresidenten. Die z.T. umfangreiche Korrespondenz mit diesen Vertretern bei Hof ist eine Fundgrube für zukünftige Forschungen. Unter den einzelnen Lübecker Konsulaten erscheint besonders dasjenige von Bordeaux (seit 1742, Nr. 241 ff.) am Umschlagplatz der dortigen Rotweine von erhöhter Bedeutung, da hier gleichzeitig seit 1817 ein Vizekonsulat eingerichtet wurde (Nr. 252 ff.). Daß sich der hanseatische Handel auch an der französischen Mittelmeerküste abspielte, wenn auch weitgehend erst seit dem 19. Jahrhundert, belegen die Konsulate von Sète und Montpellier sowie von Marseille bzw. der Provence, wobei die Bestallung des Tobias Zollikofer zum Konsul in Marseille im Jahr 1650 singulär geblieben ist (Nr. 263). Obwohl im Vertragswerk zwischen den Hansestädten und Ludwig XI. 1463/64 La Rochelle als der bedeutendste Hafenplatz an der französischen Atlantikküste erscheint, kam es dort nie zur Errichtung eines hansischen oder Lübecker Konsulates. Diese finden sich - mit Ausnahme von Bordeaux - entlang der normannischen und bretonischen Küste bis nach Nantes. Bemerkenswert ist allerdings, daß die Hansestädte versuchten, auf den beiden im Indischen Ozean gelegenen Inseln Mauritius (1715-1810 frz., danach brit. Kolonie) und Réunion (seit 1652 frz. Strafkolonie, 1810-1814 brit., danach zurück an Fr.) Konsulate einzurichten, was für ihre aktive Beteiligung am Handel mit den dort produzierten Genußmitteln Tee, Kaffee, Tabak sowie Zuckerrohr sprechen dürfte (Nr. 298, 1799-1800), sowie das Bestehen eines Konsulates in der algerischen Hafenstadt Oran (1841-1867, Nr. 299). Die französische Gesandtschaft bei den Hansestädten, aktenmäßig nachweisbar seit 1698, befand sich nicht in Lübeck, sondern in Hamburg, wo auch der Sitz des Niedersächsischen Reichskreises war (Nr. 301 ff.). Ein französisches Vizekonsulat bzw. eine Agentur in Lübeck ist erst 1786 bzw. 1797 errichtet worden, bestand aber bis 1870 (Nr. 347-365).
Die sonst bei den außenpolitischen Akten recht umfangreichen Nachrichten über private Rechtshilfeersuchen, oft nach den Städten im Ausland gegliedert, sind in vorliegendem Teilbestand relativ unbedeutend (s.o.). Dafür befinden sich hier einige Akten über Kongresse und Ausstellungen (auch Weltausstellungen) (Nr. 390-399, 1791-1868), für welche vor allem für die Zeit nach der Reichsgründung von 1870/71 im Archiv der Hansestadt Lübeck das Alte Senatsarchiv Interna unter dem Betreff "Altertum, Kunst und Wissenchaft, Konvolut 3) heranzuziehen ist. Die Abteilung der Ceremonialia (Glückwunsch- und Kondolenzschreiben seit 1701) beschließt den Teilbestand der Gallica-Akten.
Die Akten sind nach der Rückführung des kriegsbedingt ausgelagerten älteren Archivmaterials nahezu vollständig wieder im Archiv der Hansestadt Lübeck verfügbar. Nach dem Aktenrepertorium von Dreyer erscheint nur die Abteilung der Privilegien nicht vollständig. Wenn die dortigen Nummern 1 und 4-10 nicht vorhanden sind, so liegt dies vermutlich daran, daß die ursprünglich dort verzeichneten Stücke sich heute in der Urkundenabteilung der Gallica befinden.
Dez. 2007-12-17 Simon
- Bestandssignatur
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01.1-03.08
- Kontext
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Archiv der Hansestadt Lübeck (Archivtektonik) >> 01 Regierung und Volksvertretung bis 1937 >> 01.1 Altes Senatsarchiv (ASA)
- Bestandslaufzeit
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1293-1870
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
30.06.2025, 10:12 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1293-1870