Bestand
Bischöfliche Manualakten 1821–1898 (Bestand)
1. Behördengeschichte
Das Jahr 1821 markierte für das Bistum Würzburg mit seiner Neuorganisation als bayerisches Landesbistum einen Neuanfang unter völlig neuen Bedingungen. Durch das Konkordat (1817) und die Zirkumskriptionsbulle (1818) waren für die katholische Kirche im Königreich Bayern dauerhafte äußere Strukturen geschaffen worden. Zur Reorganisation des Bistums brauchte es nach Ansicht des neuen Bischofs Adam Friedrich von Groß zu Trockau (amt. 1821–1840), der aufgrund seiner früheren Tätigkeiten in der Bamberger Hochstifts- bzw. Bistumsadministration als profilierter Verwaltungsfachmann galt, vor allem eine funktionierende Zentralverwaltung. Als erste Amtshandlung berief der Bischof noch im Dezember 1821 alle Domkapitulare zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen und legte die künftige Struktur der Diözesanverwaltung fest. Gemäß Artikel XII des Konkordats von 1817 hatte der Bischof das Recht, sein Bistum frei zu leiten und die einzelnen Verwaltungsstellen nach eigenem Ermessen zu besetzen. Er stand im 19. Jahrhundert als Präsident dem Bischöflichen Ordinariat vor. Sein Generalvikar, der den Titel Direktor führte, hatte die eigentliche Leitung und Führung der Amtsgeschäfte inne. Neben dem Bischöflichen Ordinariat existierte als selbständige Diözesanbehörde ein Ehegericht, auch Konsistorium genannt, das für alle Ehesachen im Bistum zuständig war. Ab 1872 leitete der Bischof die wöchentlichen Konsistoriumssitzungen selbst. Für die Finanzverwaltung der 1846 eröffneten diözesanen Emeritenanstalt etablierte sich unter unmittelbarer Aufsicht und Leitung des Ordinariats ein eigener Verwaltungsausschuss, der sich aus einem vom Bischof ernannten Vorstand sowie aus vier von den Mitgliedern der Anstalt gewählten Priestern zusammensetzte. 1882 kam ein solcher Ausschuss für die beiden Diözesanseminare, das Priesterseminar und das 1871 eröffnete Kilianeum, hinzu, dessen Vorstand sich aus dem Bischof und je zwei Mitgliedern des Domkapitels und des Diözesanklerus zusammensetzte. Der Bischof kann dabei als Dreh- und Angelpunkt für sämtliche Leitungs- und Verwaltungsorgane der Kurie angesehen werden. Ihm zur Verfügung stand eine persönliche Assistenzstelle, der Bischöfliche Sekretär.
Im Bistum Würzburg ging ab dem 10. Jahrhundert der Bischöfliche Stuhl als weitere Rechtsperson, d. h. als selbständig zu verwaltender Rechtsträger des bischöflichen Vermögens neben dem Kapital der Domkirchenstiftung, hervor. Mit dem Ende des Hochstifts Würzburg und der Säkularisation musste die vermögensrechtliche Ausstattung (Dotation) des Bischöflichen Stuhls durch das Konkordat von 1817 neu festgesetzt werden. Diese Güter und Rechte bildeten im 19. Jahrhundert den finanziellen Rückhalt für den bischöflichen Auftrag und seinen Lebensunterhalt. Wenn ein Bischof resignierte oder starb, hatte ein Kapitularvikar übergangsweise die bischöflichen Amtsgeschäfte der Diözese bis zur Ernennung und Einsetzung des neuen Bischofs zu leisten. Diese Neubesetzung des Bischöflichen Stuhls erfolgte im 19. Jahrhundert auf Vorschlag des Domkapitels und durch königliche Nomination.
Für den Überlieferungszeitraum 1821 bis 1898 waren folgende Bischöfe/Kapitularvikare im Amt:
• 1821–1840: Adam Friedrich Freiherr von Groß zu Trockau
• 1840–1870: Georg Anton von Stahl
• 1871–1875: Johann Valentin von Reißmann
• 1875–1879: Franz Xaver von Himmelstein, Kapitularvikar
• 1879–1897: Franz Joseph von Stein
2. Überlieferung
Allgemein handelt es sich bei der Bezeichnung „Bischöfliche Manualakten“ um die ehemals amtliche Registratur der Bischöfe. Die Bestandsbezeichnung weist zudem auf die spezielle Form der Überlieferung hin („acta manualia“ = Handakten), welche neben den eigenen Aufzeichnungen (v. a. Konzeptschreiben, Mitschriften) auch eine Ansammlung von Schriftstücken anderer Aktenbildner beinhaltet, die dem Bischof bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben dienten.
Infolge des Verlustes der weltlichen Herrschaftsansprüche verlagerten sich die Aufgaben der Bischöfe im 19. Jahrhundert vor allem auf geistliche, oberhirtliche und liturgische Schwerpunkte. Sie hatten für ihre Diözese die alleinige „potestas ordinis“ (Weihegewalt), die „potestas iurisdictionis“ (Gerichtsgewalt) und das „magisterium“ (Lehrgewalt) auszuüben. Zudem waren sie Mitglieder der Bayerischen und Fuldaer Bischofskonferenzen und nahmen regelmäßig an überdiözesanen Treffen und Sitzungen teil.
Der Bestand der „Bischöflichen Manualakten 1821–1898“ dokumentiert die Amtsführung der Würzburger Bischöfe des 19. Jahrhunderts vom Regierungsantritt von Bischof Groß zu Trockau im Jahr 1821 über Bischof Stahl (amt. 1840–1870) und Bischof Reißmann (amt. 1871–1875) bis zum Weggang von Bischof Stein 1897 in das Erzbistum München und Freising.
Die „Bischöflichen Manualakten 1821–1898“ umfassen insgesamt 278 Verzeichnungseinheiten im Umfang von 44 Archivkartons (6,6 lfd. Meter) mit einer Laufzeit von 1821 bis 1898, über die vereinzelt Unterlagen hinausgehen. Dies betrifft die Dokumente des Würzburger Provikars Dr. Dr. Joseph Fichtl (amt. 1813–1821) (Nr. 245–252) und Schriftgut von Bischof Groß zu Trockau (Nr. 238–244), das er noch in seiner Zeit als Bamberger Generalvikar (amt. 1812–1815) bzw. Apostolischer Vikar (amt. 1815–1821) angelegt hatte. Drei weitere Verzeichnungseinheiten berühren aus heutiger Sicht nur seine Privatansprüche vermögensrechtlicher Art (Bamberger Domkapitularswohnung und Pensionsbezüge; Würzburger Kurie Katzenwicker) (Nr. 242–244). Darüber hinaus beteiligte er sich schon vor der Besitzergreifung im Jahr 1821 regelmäßig an den Würzburger Amtsgeschäften (vgl. z. B. Nr. 16, 19, 28, 226, 227). Wesentlich älteres Schriftgut existiert beispielsweise in Form einer undatierten Zusammenstellung mehrerer päpstlicher Bullen von Urban VIII. bis Clemens X. aus dem 17. Jahrhundert (Nr. 108).
Unterlagen mit einer Laufzeit über das Jahr 1898 hinaus blieben ebenso in ihrem bisherigen thematischen Zusammenhang erhalten. Dazu gehören der Akt zur Bernhard Horn'schen Stiftung bis 1904 (Nr. 155) oder dem Raiffeisenverein bis 1910 (Nr. 219).
Der Bestand enthält für alle Bischöfe im Überlieferungszeitraum wesentliche Unterlagen. Dagegen finden sich kaum Dokumente für die Sedisvakanzzeit von 1875 bis 1879.
Inhaltlich gibt der Bestand einen tiefen Einblick in die Verhandlungen mit dem Staat zur Wiedererrichtung des Bistums Würzburg und seiner vermögensrechtlichen Ausstattung (Dotation), die in starkem Zusammenhang mit der Frage der Rechtsstellung des Bischöflichen Stuhls und des Domkapitels steht (Nr. 19–20, 28, 81, 223–236). Dabei entwickelten sich zum Teil langwierige Konflikte, die sich in der Überlieferung widerspiegeln (beispielsweise missfiel dem Staat die direkte Kommunikation zwischen Heiligem Stuhl und den Bischöfen, siehe Nr. 11–12, 16). Überdiözesan ist der Umgang mit den interkonfessionellen Ehen, den sogenannten Mischehen (Nr. 173–176, 178), die heute als konfessionsverbindende oder konfessionsverschiedene Ehen bezeichnet werden, ein gut dokumentierter Vorgang. Darüber hinaus sind auch normative Quellen zu Aufgaben und Struktur der bischöflichen Verwaltung enthalten (Nr. 36–42). Eine eindeutige Differenzierung zwischen diözesanen und überdiözesanen Tätigkeitsbereichen bzw. Vorgängen ist kaum möglich, da häufig ein Bezug zwischen beiden herrschte.
Während es sich bei den „Bischöflichen Manualakten 1821–1898“ um eine relativ geschlossene Überlieferung handelt, die wohl schon im frühen 20. Jahrhundert den Charakter einer Altregistratur bzw. eines bischöflichen Archivs angenommen hat, existierte zu Amtszeiten der Bischöfe Ferdinand von Schlör (amt. 1898–1920/24) mit der Administration durch Johann Jakob von Hauck (amt. 1920–1924) und Matthias Ehrenfried (amt. 1924–1948) wohl jeweils eine eigene Registratur. Teile davon, ganz überwiegend aus der Zeit Ehrenfrieds, wurden gemeinsam mit der Altregistratur rechtzeitig ausgelagert, während das übrige bischöfliche Schriftgut offenkundig der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 zum Opfer fiel.
3. Bestandsbearbeitung
Nach 1945 war die gesamte bischöfliche Überlieferung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Titel „Bischöfliche Manualakten“ in einem handschriftlichen Verzeichnis zusammengeführt worden. Erst 2011 wurde sie im Sinne des ursprünglichen Zustands im Diözesanarchiv neu formiert. Es erfolgte die Aufteilung in „Bischöfliche Manualakten 1821–1898“, „Bischöfliche Manualakten Ferdinand von Schlör“ und „Bischöfliche Manualakten Matthias Ehrenfried“. Die Ordnung und Verzeichnung der „Bischöflichen Manualakten 1821–1898“ orientierten sich an dem Verzeichnis, das nach dem Zweiten Weltkrieg in der Verwaltung des Bischöflichen Ordinariats Würzburg erstellt worden war. Die Gliederung wurde übernommen, sofern sie den tatsächlichen Inhalten entsprach. Andernfalls wurden sie erweitert oder verändert.
Die Titel wurden auf Basis der originalen Aktentitel den Inhalten entsprechend erweitert. Schwer verständliche Beschreibungen wurden dabei ergänzt, übermäßig lange gekürzt bzw. etliche Titel aufgrund fehlender Aktenumschläge neu gebildet. Dabei wurde die Schreibweise von mehrsprachigen, fachsprachlichen und historischen Begriffen an die heutige Orthographie angepasst. Soweit möglich, wurden einzelne Provenienzbildner bestimmt. Umfänge von Verzeichnungseinheiten sind dabei grundsätzlich – abhängig von der Archivalienart – in Folio angegeben. Eine darüber hinaus gehende Anzahl an losen, gehefteten oder gefalteten Dokumenten wurde entweder als Faszikel (mehrere Einzelblätter) oder, bei einer umfangreicheren Einheit, als Konvolut (Aktenpaket) bezeichnet. Prinzipiell erschließt sich die tatsächliche Materialmenge über die Rückenstärke (Aktendicke/-breite in Zentimeter) der Einheit. Zudem kann der Umfang – abhängig von der Bindungs-/Verpackungsart – in Band, Heft oder Mappe angegeben werden. Besondere Archivalienarten, etwa Urkunden, sind gesondert ausgewiesen. Wurden bei der Verzeichnung Angaben wie Datierung, Orte oder Personen von den Bearbeitern über inhaltliche Hinweise in den Akten oder über weiterführende Hilfsmittel und Literatur erschlossen, so sind diese mit eckigen Klammern [ ] gekennzeichnet. Dazu abweichende Daten älterer Anlagen (z. B. Abschriften) sind im Feld Datierung-Findbuch in runden Klammern ( ) angegeben, ohne dass sie bei der Kernlaufzeit miterfasst wurden. Neu angegliedert wurden Einheiten aus den „Domkapitelsakten“ (Nr. 245–270) und dem Pertinenzbestand „Erlöserschwestern“ (Nr. 271–278). Größere Zugänge zum Bestand sind nicht zu erwarten.
4. Benutzung
Der Bestand ist uneingeschränkt zugänglich.
5. Sachverwandte Bestände
- Sammlung Mandate und amtliche Rundschreiben
- Personen-, Orts- und Sachdokumentation
6. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Bischöfliche Manualakten 1821–1898, Nr. …
7. Literatur (in Auswahl)
- Erwin Gatz (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1983.
- Hermann Hemmerich/Hanns Hubert Hofmann, Unterfranken. Geschichte seiner Verwaltungsstrukturen seit dem Ende des Alten Reiches 1814–1980, Würzburg 1981.
- Hans-Michael Körner, Die Katholische Kirche, in: Von der Eingliederung in das Königreich Bayern bis zum beginnenden 21. Jahrhundert (Unterfränkische Geschichte, Bd. 5/2), Würzburg 2002, S. 13–52.
- Johannes Merz, Die Überlieferungssituation im Diözesanarchiv Würzburg zur Nachkriegszeit, in: Johannes Merz/Wolfgang Weiß (Hg.), Aufbrüche und Kontroversen. Das Bistum Würzburg 1945 -1963, Würzburg 2009, S. 115–128, hier: S. 117.
- Jürgen Schmiesing, Das Bistum Würzburg unter Franz-Joseph von Stein (1879–1898). Kirche Staat und ultramontane Bewegung im Konflikt (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. 72), Würzburg 2015.
- Thomas Wehner, Die Verwaltung des Bistums Würzburg und seiner Pfarreien im 19. und 20. Jahrhundert. Träger und Strukturen im Überblick, in: Wolfgang Altgeld/Johannes Merz/Wolfgang Weiß (Hg.), Josef Stangl 1907–1979, Bischof von Würzburg, Lebensstationen in Dokumenten, Würzburg 2007, S. 46–67.
- Thomas Wehner/Wolfgang Weiß, 1821 – Bruch, Beginn, Wandel. 200 Jahre neues Bistum Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter Bd. 84 (2021), Würzburg 2021, S. 13–125.
- Wolfgang Weiß/Klaus Wittstadt, Das Bistum Würzburg in den Herausforderungen des 19. und 20. Jahrhunderts (Das Bistum Würzburg. Leben und Auftrag einer Ortskirche im Wandel der Zeit, Bd. 5), Strasbourg 2002.
- Klaus Wittstadt, Die Würzburger Bischöfe 742–1979, Würzburg 1979.
Stand: Dezember 2021
- Reference number of holding
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Diözesanarchiv Würzburg, Bischöfliche Manualakten 1821–1898
- Context
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Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 03. Bistum Würzburg seit 1821 >> 03.01 Bischöfe, Weihbischöfe
- Date of creation of holding
-
1821–1898
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28.09.2023, 11:31 AM CEST
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1821–1898