Bestand
Württembergisches Gebirgs-Regiment Nr. 1 (Bestand)
1. Geschichte der Einheit: Gebirgstruppen wurden in der württembergischen Armee wie in den anderen Teilstreitkräften des Deutschen Reiches erst nach Beginn des Ersten Weltkrieges aufgestellt. Abgesehen von zwei kleineren Einheiten, der Gebirgs-Artillerie-Abteilung Nr. 4 und der Gebirgs-Maschinengewehr-Abteilung Nr. 250, waren die württembergischen Gebirgstruppen während des gesamten Krieges in einer Einheit zusammengefasst, die jedoch im Laufe der Zeit von einer Kompanie bis zum Regiment ausgebaut wurde. Ursprungseinheit dieser Gebirgsformation war die am 05. Dezember 1914 in Baienfurt bei Weingarten aufgestellte Württembergische Schneeschuh-Kompanie Nr. 1. Gemeinsam mit dem ebenfalls neu aufgestellten Bayerischen Schneeschuh-Bataillon wurde die neue Spezialeinheit seit dem 28. Januar 1915 zur Sicherung der Gipfelgruppe um den Großen Belchen in den Vogesen eingesetzt. Nach der Umbenennung in Württembergische Gebirgs-Kompanie Nr. 1 (01. Mai 1915) erfolgte im Herbst 1915 der Ausbau auf Bataillonsstärke. Die von der Front zurückgerufene Kompanie wurde als Stammmannschaft auf sechs Kompanien aufgeteilt, die dann mit Rekruten aufgefüllt wurden. Die Ausbildung erfolgte in Münsingen und am Arlberg. Erster Einsatzort des seit dem 02. Oktober 1915 bestehenden Württembergischen Gebirgs-Bataillons Nr. 1 war seit Jahresanfang 1916 erneut die Vogesenfront, wo die Einheit zehn Monate verblieb. Im weiteren Kriegsverlauf kam das Gebirgs-Bataillon bei Offensiven an verschiedenen Fronten zum Einsatz, unter anderem bei zwei Feldzügen gegen Rumänien im Winter 1916/17 und Sommer 1917. In Italien war es an entscheidender Stelle am Durchbruch in der 12. Isonzoschlacht (Oktober/November 1917) beteiligt. Seit dem Februar 1918 war das Bataillon wieder an der Westfront eingesetzt. Am 03. Mai 1918 wurde die Einheit zum Württembergischen Gebirgs-Regiment Nr. 1 aufgewertet. Aufgrund der schwierigen Nachschub- und Ersatzlage erreichte sie allerdings nie reguläre Regimentsstärke. Nach dem Waffenstillstand erfolgte ab dem 14. November 1918 die Räumung der Stellungen an der Maas und der Rückmarsch nach Isny und Leutkirch. Dort wurde das Regiment zwischen dem 22. Dezember 1918 und dem 28. Februar 1919 demobilisiert. Eine Übersicht über die Einsatzorte bietet der folgende Gefechtskalender (1): 05.12.1914-24.01.1915 Aufstellung und Ausbildung in Baienfurt und Riezlern (Kleinwalsertal) 27.01.1915-29.09.1915 Vogesen 01.10.1915-27.12.1915 Neuaufstellung und Ausbildung in Münsingen und Arlberg 01.01.1916-21.10.1916 Vogesen 27.10.1916-25.01.1917 Rumänien: Transsylvanische Alpen, Walachei, Bukarest 15.02.1917-29.07.1917 Vogesen 06.08.1917-10.09.1917 Rumänien: Schlacht am Oytoz 11.09.1917-18.09.1917 Serbien 01.10.1917-17.02.1918 Italien: 12. Isonzoschlacht, Friaul und Veneto 26.02.1918-14.05.1918 Vogesen, Oberelsass 16.05.1918-18.08.1918 Frankreich (Chemin des Dames, Marne und Champagne) 28.08.1918-02.09.1918 Mazedonien 03.09.1918-11.11.1918 Frankreich (Vogesen, Maas) 14.11.1918-22.12.1918 Rückmarsch in die Heimat 23.12.1918-28.02.1919 Demobilisierung Es lag in der Natur einer in zunehmendem Maße renommierten Spezialformation, dass sie an vielen Fronten zum Einsatz kam. Die Zuordnung der Einheit zu Divisionen und Armeeverbänden änderte sich deshalb im Laufe des Krieges nicht weniger als 88 mal. Auf eine Auflistung wird an dieser Stelle verzichtet (2). Die Württembergische Ersatz-Schneeschuh-Kompanie wurde am 15. Januar 1915 in Baienfurt aufgestellt und zehn Tage später aus Übungszwecken nach Sonthofen verlegt. Nach der Abgabe von zwei Zügen ins Feld erfolgte am 12. Februar 1915 die Verlegung der restlichen Kompanie nach Münsingen. Zum 01. Mai 1915 wurde die Kompanie in Württembergische Ersatz-Gebirgs-Kompanie Nr. 1 umbenannt. Sie wurde Anfang Juli 1915 nach Isny und von dort weiter nach Freudenstadt verlegt, wo am 05. Oktober 1915 das Württembergische Ersatz-Gebirgs-Bataillon aufgestellt wurde. Von Freudenstadt wurden der Stab, die 1. Ersatz-Kompanie (20. Dezember 1916) und die Genesenen-Kompanie (01. März 1916) nach Isny verlegt. Die 2. Ersatz-Kompanie, der Ersatz-Gebirgs-Maschinengewehr-Zug (05. Januar 1916) und die 3. Ersatz-Kompanie (01. Januar 1917) gingen nach Leutkirch. Am 11. August 1917 wurde der dem Ersatz-Bataillon angegliederte Ersatz-Gebirgs-Maschinengewehr-Zug zur 5. Ersatz-Maschinengewehr-Kompanie in Isny versetzt. Die Tragtier-Ersatz-Eskadron, die zuvor in Ludwigsburg stationiert war, wurde im Verlauf des Monats März nach Rimpach bei Isny verlegt. Am 28. Februar 1919 wurde das Ersatz-Bataillon aufgelöst. Literatur: Hebert, Günther: Das Alpenkorps. Aufbau, Organisation und Einsatz einer Gebirgstruppe im Ersten Weltkrieg (Wehrwissenschaftliche Forschungen; Abt. Militärgeschichtliche Studien; 33), Boppard 1988. Lenk, Joachim, Von der Schneeschuhkompanie zum Panzerbataillon. Herzog-Albrecht-Kaserne Münsinger Soldatenleben 1915 bis 2004, Münsingen 2004. Moser, Otto von: Die Württemberger im Weltkriege. Ein Geschichts-, Erinnerungs- und Volksbuch, Stuttgart 1927. Sproesser, Theodor (Bearb.): Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen (Die württembergischen Regimenter im Weltkrieg 1914-1918; 49), Stuttgart 1933.
2. Bestandsgeschichte: Der Bestand M 130 enthält Unterlagen, die im Zeitraum 1914-1919 beim Württembergischen Gebirgs-Regiment bzw. seinen Vorgängerformationen entstanden sind. Inhaltlich geben sie einerseits Auskunft über die Kampfhandlungen, wofür insbesondere die Kriegstagebücher und ihre Anlagen aussagekräftig sind. Andererseits finden sich Unterlagen zur Verwaltung der Einheit, die über Versorgung, Besoldung und Personalangelegenheiten informieren. Bei der Benutzung des Bestandes ist zu beachten, dass sich auch in anderen Archivbeständen umfangreiche Unterlagen zum Württembergischen Gebirgs-Regiment und seinen Vorgängerformationen befinden. Dies liegt in der Überlieferungsgeschichte begründet: Einen mehrstufigen Überlieferungsweg nahmen insbesondere die Kriegstagebücher und ihre Anlagen, die Kriegsakten. Diese waren gemäß den "Bestimmungen über die Führung und Behandlung der Kriegstagebücher und Kriegsakten" (siehe M 130, Bü 12) nach Beendigung größerer Operationsabschnitte an den Stellvertretenden Generalstab in Berlin einzusenden. Dort wurden sie geprüft und eine oder mehrere Zweitschriften angefertigt, die zunächst in Berlin verblieben. Die im Feld angefertigten Originale wurden danach dem Württembergischen Kriegsministerium zur Verfügung gestellt. Nach Auflösung des Württembergischen Kriegsarchivs gelangten sie in die Reichsarchivszweigstelle Stuttgart (seit 1937: Heeresarchiv Stuttgart), wo sie in einem Selektbestand "Kriegstagebücher von Infanterieformationen" zusammengefasst wurden. In diesem heute als M 411 firmierenden Bestand findet sich deshalb eine umfangreiche Primärüberlieferung zum Württembergischen Gebirgs-Regiment (M 411, Bunde 247-259, Bände 1901-1994a). Diese ist zum Teil ausführlicher als die Überlieferung in M 130, enthält etwa Kriegsakten der einzelnen Kompanien des Gebirgs-Bataillons bzw. Gebirgs-Regiments, die in M 130 fehlen. Als jedoch 1938 auch die inzwischen vom Heeresarchiv Potsdam betreuten Berliner Zweitschriften der Kriegstagebücher und Kriegsakten an das Heeresarchiv Stuttgart abgegeben wurden, entschloss man sich dort, diese nicht dem Selektbestand M 411, sondern dem Bestand des jeweiligen Truppenteils, hier M 130, anzugliedern. Der Bestand M 130 besteht also zum einen aus genuinen Unterlagen des Württembergischen Gebirgs-Regiments, die direkt von der Truppe ins Archiv gelangten, und zum anderen aus Zweitschriften der Kriegstagebücher und Kriegsakten, die in Berlin angefertigt wurden. Das geschilderte Prinzip der Archivierung ist freilich nicht immer durchgehalten worden. So finden sich zum Kriegstagebuch des ersten Rumänienfeldzuges (20. 10.1916-05.02.1917) sowohl das handschriftliche Original als auch eine als "1. Fertigung" bezeichnete Zweitschrift im Bestand M 411, Bund 247, während im Bestand M 130, Bü 5 und 6 eine zweite und dritte Abschrift liegen. Hingegen enthalten z.B. M 130, Bü 42-43 und Bü 58-60 originale Kriegsakten mit handschriftlichen Befehlen und Meldungen sowie Unterschriften kommandierender Offiziere, die offenbar bis 1938 in Berlin verblieben waren. Es bleibt somit festzuhalten, dass für die Kriegstagebücher und Kriegsakten des Württembergischen Gebirgs-Regiments die Bestände M 130 und M 411 komplementär zu benutzen sind. Ergänzend sei darüber hinaus auf den Nachlass des Regimentskommandeurs Theodor Sproesser hingewiesen, der sich unter der Signatur M 660/042 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart befindet, sowie ferner auf M 1/11, Bü 773, das einen Gefechtsbericht Erwin Rommels und weitere Unterlagen zum Italienfeldzug 1917 enthält. Bei dem Schriftgut des Ersatz-Bataillons des Württembergischen Gebirgs-Regiments Nr. 1 handelt es sich überwiegend um Kriegsbesoldungsrapporte, Tagesstärkennachweise sowie Garnisons- und Bataillonsbefehle. Diese liegen, sofern dies erkennbar ist, als Entwurf, Ausfertigung oder zweite Ausfertigung vor. Der Bestand M 130 wurde in der Reichsarchivzweigstelle Stuttgart erstmals 1929 verzeichnet, vermutlich durch Verwaltungsassistent Beiermeister. 1942 erstellte der Sachbearbeiter Keser eine Liste der vom Heeresarchiv Potsdam abgegebenen Unterlagen und fügte diese dem Findbuch an. In den Jahren 1944 und 1946 nahm der nunmehrige Regierungsinspektor Beiermeister umfangreiche Kassationen vor. Sie betrafen die von der Einheit übernommenen Originalakten, wobei insbesondere die Überlieferung zu Versorgung und Besoldung stark ausgedünnt wurde (3). Im Herbst 2006 erfolgte die tiefergehende Neuverzeichnung des Bestandes und seine Erfassung mit onlinefähiger Archivsoftware. Der Bestand umfasst nunmehr 101 Archivalieneinheiten im Umfang von 2,5 lfm. Er ist entsprechend den Provenienzen des Schriftguts in die Unterlagen der aktiven Gebirgstruppe und die Akten der Ersatzformation gegliedert. Innerhalb der Gliederungspunkte sind die Aktenbüschel chronologisch nach dem Beginn der Laufzeit sortiert.
3. Struktur der Kriegstagebücher und Kriegsakten: Die im Bestand M 130 verwahrten Kriegstagebücher und Kriegsakten waren nach einem einheitlichen Muster aufgebaut, das die "Bestimmungen über die Führung und Behandlung der Kriegstagebücher und Kriegsakten" (siehe M 130, Bü 12) vorgaben. Kriegstagebücher sollten demnach enthalten: 1. Angaben zur Zugehörigkeit des Truppenteils zu übergeordneten Armeeeinheiten, 2. Aufzeichnungen zu jedem Kriegstag, in wichtigen Fällen versehen mit einem Verweis auf den entsprechenden Teil der Anlagen, 3. eine auf dem Stand gehaltene Kriegsrangliste der Offiziere, Sanitätsoffiziere und oberen Beamten, 4. regelmäßig ergänzte Angaben zur Verpflegungs- und Gefechtsstärke, 5. Anlagen (Kriegsakten). Als Anlagen bzw. Kriegsakten waren zu führen: 1. eingegangene Nachrichten, Befehle und Meldungen sowie alle erlassenen 2. Befehle, Niederschriften von Telefongespräche usw., 3. über die einzelnen Gefechtshandlungen, Vorpostenaufstellungen usw. 4. eingereichte besondere Berichte (Gefechtsberichte), 5. Pläne, Skizzen, Karten und Fotografien, 6. Gefechtsverluste, 7. Kriegserfahrungen (reflektierende Berichte und Anweisungen aufgrund von Gefechtserfahrungen, z. B. über Fragen der taktischen Aufstellung der Einheiten oder die Problematik der Nachrichtenübermittlung bei einem feindlichen Angriff), 8. Privataufzeichnungen und Tagebücher, sofern von Wert. In der Praxis sind Abweichungen von dieser Norm zu beobachten. Insbesondere wurden nur selten komplette Kriegsakten geführt. Auch der Bezug der Anlagen zu den Kriegstagebüchern war unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Idealfall waren die Anlagen präzise auf die einzelnen Einträge im Kriegstagebuch abgestimmt, in anderen Fällen weisen sie eher den Charakter von Sammelablagen auf. Stuttgart, im Dezember 2006 Wolfgang Mährle Beate Sturm Christoph Volkmar Nachtrag Oktober 2015: Bü 69a wurde in den Bestand M 130 eingegliedert. Der Bestand umfasst nunmehr 102 Archivalieneinheiten. Christoph Dembek Dr. Wolfgang Mährle
Anmerkungen: (1) Für einen ausführlichen Gefechtskalender vgl. M 130 Bü 55. (2) Siehe dazu das alte AR zum Bestand M 130, Reichsarchivzweigstelle Stuttgart, 1929 (mit Nachträgen bis 1946). (3) Die ursprüngliche Gestalt des bestandes kann im alten AR (wie Anm. 1) eingesehen werden.
- Reference number of holding
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, M 130
- Extent
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102 Büschel; 2,5 lfm
- Context
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Militärische Bestände 1871-ca. 1920 >> Behörden und Formationen >> Infanterieformationen >> Gebirgsformationen
- Date of creation of holding
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1914-1919
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
-
20.01.2023, 3:09 PM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1914-1919