Bestand
(Ober-) Konsistorium (Bestand)
Findmittel: Datenbank; Findbuch, 2 Bde
1. Behördengeschichte
Zählte Kurfürst Joachim I. von Brandenburg zu den entschiedensten Gegner Martin Luthers im Heiligen Römischen Reich, öffneten seine Nachfolger Kurfürst Joachim II. und Markgraf Johann von Küstrin die Mark Brandenburg nur wenige Jahre nach dem Tod des Vaters der Reformation. Joachim führte ab 1539 eine gemäßigte, katholischen Reformbestrebungen nahe stehende kirchliche Erneuerung durch, die wesentliche Teile des katholischen Ritus beibehielt. Für die neue Kirchenordnung von 1540 ersuchte er sowohl Luther als auch Kaiser Karl V. um Zustimmung und erhielt sie auch von beiden. Gleich anderen Fürsten, die sich der Reformation zuwandten, kappte Joachim II. jedoch die Bindungen der märkischen Kirchen zu Rom und trat als Landesbischof (Summepiskopus) an die Spitze der entstehenden Landeskirche. Erst 1562, zehn Jahre vor seinem Tod, berief sich der Kurfürst nach schwerer Krankheit in seinem Glaubensbekenntnis auf die lutherische Reformation.
Bereits 1542/43 rief Joachim nach kursächsischem Vorbild ein Konsistorium als oberste kirchliche Behörde seines Herrschaftsbereichs ins Leben. (Markgraf Johann gründete in Küstrin für die Neumark ein eigenes Konsistorium, das bis 1808 bestand.) Dementsprechend eng war die erste Instruktion dieser kollegialischen Behörde an die Wittenbergischen Ordnung angelehnt. Es setzte sich zusammen aus dem Generalsuperintendenten, drei bis vier geistlichen Beisitzern, dem Kanzler und einigen Kammergerichtsräten. Die Behörde übernahm die Funktionen der bischöflichen Offizialate und ihrer Konsistorien, insbesondere die geistliche Gerichtsbarkeit in Ehe-, Kirchen- und Pfründensachen sowie die Disziplinargewalt über die Geistlichen und die Mitarbeiter der Ortskirchen.
Dieser zentralen Ebene waren die geistlichen Inspektionen untergeordnet, die meist mit einer städtischen Pfarrstelle verbunden waren. Die Inspektoren stellten also eine mittlere Ebene zwischen dem Konsistorium und den Ortskirchen dar. Die Inspektoren hatten alle zehn Jahre in den Pfarren ihres Sprengels Visitationen durchzuführen und die Ortsgeistlichen auf dem platten Land zu beaufsichtigen. Aus diesen Inspektoren entwickelten sich im 19. Jahrhundert die Superintendenturen.
Mit dem Übertritt des Kurfürsten Johann Sigismund zum reformierten Bekenntnis im Jahre 1613 entfiel die konfessionelle Einheit zwischen Landesherrn und -kirche. Bis zum Zustandekommen der preußischen Union herrschte nun ein reformierter Kurfürst über eine mehrheitlich lutherische Bevölkerung. Die Durchführung einer zweiten' Reformation unter kalvinistischen Vorzeichen gelang in der Mark Brandenburg dagegen nicht.
Für das Konsistorium führte der Konfessionswechsel des Kurfürsten, aber auch der sukzessive Erwerb neuer Territorien durch das Kurhaus zu einem Verlust an Kompetenzen und Bedeutung. Kurfürst Johann Sigismund versuchte nach seiner Konversion einen Kirchenrat als oberste kirchliche Behörde zu etablieren, gab diesen Plan aber aufgrund unerwartet großer Widerstände bald wieder auf. Wichtige Kompetenzen fielen nach der Auflösung des Kirchenrats jedoch nicht ans Konsistorium zurück, sondern gingen an den 1604 als Zentralbehörde gegründeten Geheimen Rat über. Während der Geheime Rat nun als zentrale geistliche Behörde des brandenburgisch-preußischen Gesamtstaats fungierte, sank das Konsistorium zu einer kurmärkischen Provinzialbehörde herab. Konfessionell verlor sie ihren lutherischen Zuschnitt, indem auch reformierte Konsistorialräte ernannt wurden. Mit Lucius von Rahden hatte das Konsistorium in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar einen reformierten Präsidenten.
Nachdem Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit seinem Versuch, eine Union der beiden protestantischen Konfessionen herbeizuführen, gescheitert war und die Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) zu einem verstärkten Zuzug reformierter Glaubensflüchtlinge aus Frankreich geführt hatte, wuchs das Bedürfnis, die administrative Eigenständigkeit der Reformierten zu stärken. So wurden neben dem Konsistorium 1701 das Französisch-reformierte Oberdirektorium und 1713 das Evangelisch-reformierte Kirchendirektorium als zentralen Kirchenbehörden für die französisch- bzw. deutsch-reformierten Gemeinden im Königreich Preußen gegründet.
Neben diesen selbständigen Kirchenbehörden entwickelte sich aber auch das Dezernat für die geistlichen Sachen im Geheimen Rat weiter. Unter König Friedrich II. von Preußen wurde daraus das Departement der geistlichen Angelegenheiten, das sich aber durch die Fülle seiner Aufgaben bald überfordert sah. Deshalb wurde 1750 das Kurmärkische Konsistorium zum Oberkonsistorium ausgebaut, das nun als "oberste Spezialbehörde für die Verwaltung der lutherischen Kirche" (Hintze, S. 97) fungierte. Bis auf Schlesien und Cleve-Mark war es für alle königlichen Provinzen zuständig. Es wurde vom dirigierenden Minister des geistlichen Departements in Personalunion geführt. Auch gab es in dieser lutherischen Behörde weiterhin reformierte Geistliche.
Im Zuge der durch die Napoleonischen Kriege ausgelösten Preußischen Reformen wurde auch die staatliche Kirchenverwaltung reorganisiert. Das Oberkonsistorium wurde zusammen mit den anderen zentralen Kirchenbehörden des 18. Jahrhunderts 1809 aufgehoben und die Aufgaben gingen zunächst an die neu gegründeten Regierungen über, bis das Konsistorium der Provinz Brandenburg im März 1816 neu gegründet wurde. Das Amt des Präsidenten des Konsistoriums war mit dem des Oberpräsidenten der Regierung in Personalunion verbunden. 1817 wurde es dem Ministerium der Geistlichen, Medizinal- und Unterrichtsangelegenheiten unterstellt.
Nach der Kabinettsorder vom 31. Dezember 1825 gliederte sich die Behörde in zwei Abteilungen, nämlich in die als Konsistorium' bezeichnete Abteilung für die evangelisch-geistlichen Sachen und in die als Provinzialschulkollegium' bezeichnete Abteilung für das höhere Schulwesen. Beide Abteilungen wurden zunächst vom Oberpräsidenten geleitet. Erst nach 1845 setzte der König für die Konsistorialabteilung eigene Vorsitzende ein, was zu einer Verselbständigung des Provinzialschulkollegiums führte.
Zu den Aufgaben des Konsistoriums gehörte die Einrichtung der evangelischen Synoden sowie die Kontrolle der Synodalbeschlüsse, die Aus- und Fortbildung sowie die Bestätigung, Berufung und Emeritierung der Pfarrer sowie die Disziplinargewalt über sie. Weitere Aufgaben, namentlich die Entscheidung in Streitfällen, die Aufsicht über Kirchenbücher sowie über das Vermögen der nicht dem landesherrlichen Patronat unterstellten Gemeinden lag jedoch bei der Regierung Potsdam.
Mit dem Gesetz über die evangelische Kirchenverfassung vom 3. Juni 1876 ging die oberste Verwaltung der evangelischen Landeskirche vom Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten auf den Evangelischen Oberkirchenrat als neu gegründeter Zentralbehörde über. Mit dem Sturz der Monarchie endete 1918 auch das landesherrliche Kirchenregiment. Seit 1918 sind die evangelischen Konsistorien keine staatlichen Einrichtungen mehr, sondern kirchliche.
2. Bestandsgeschichte
1878 wurden erstmalig Unterlagen des Oberkonsistoriums von der Regierung Potsdam übernommen (Akzession 102/1878) und von Carl Sattler als Repositur 121 im Preußischen Geheimen Staatsarchiv aufgestellt. 1914 folgten weitere Unterlagen, die jedoch direkt vom brandenburgischen Provinzialkonsistorium übernommen wurde. Die abgelieferten Akten waren zuvor von Dr. Karber, Archivar am Geheimen Staatsarchiv, durchgesehen und bewertet worden. Abgegeben wurden zunächst die Generalakten, die im Archiv als "Hauptregistratur" der neu gebildeten brandenburgischen Provinzialrepositur 40 geführt wurden (Akzession 55/1914). Anschließend wurden die so genannten Inspektionsregistraturen abgegeben (Akzession 135/1914) und unter dieser Bezeichnung in derselben Repositur aufgestellt. Im Zuge der archivischen Bearbeitung wurden die bereits 1878 übernommenen Akten auf die Haupt- und die Inspektionsregistraturen aufgeteilt, die Repositur 121 mithin aufgelöst.
Außerdem wurden Bestandsabgrenzungen vorgenommen. So wurden die Überlieferungen des (Ober-) Konsistoriums, der Regierung Potsdam und des Provinzialschulkollegiums abgeglichen und bereinigt. Bis 1922 wurden zudem die Akten sächsischer Provenienz aus den Abgaben herausgelöst und in die Bestände Pr. Br. Rep. 17 Oberamtsregierung der Niederlausitz zu Lübben, Pr. Br. Rep. 40 Sächsische Konsistorien und Rep. 139 Akten kursächsischer und herzoglich sächsischer Zentralbehörden betr. Teile der Provinz Brandenburg überführt. Ein großer Teil der Akten dieses Bestandes ist 1945 beim Magazinbrand vernichtet worden. Die zuvor vorhandenen Akten weist das Altfindmittel aus dem Jahre 1925 aus (AFM X/40 Hauptregistratur).
Weitere Akten waren 1938 von der Regierung Potsdam (Akzession 245/1938) ans Preußische Geheime Staatsarchiv abgegeben worden. Im Gegenteil zu den damals schon als Pr. Br. Rep. 40 aufgestellten Akten des Kurmärkischen Konsistoriums wurden diese Akten während des Krieges mit der restlichen Überlieferung der Regierung Potsdam ausgelagert. Nach dem Krieg wurde die Überlieferung der Regierung Potsdam dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv übergeben, das daraus die Konsistorialakten provenienzgerecht herauslöste und als Pr. Br. Rep. 40 A aufstellte. Die dabei ermittelten Akten des Oberkonsistoriums wurde dann 1963 als Überlieferung einer Zentralbehörde dem Deutschen Zentralarchiv, Abteilung II Merseburg übergeben. 1976 wurden diese Akten durch die Referentin Dr. Kohnke geordnet und verzeichnet. Der Bestand wurde nun als Repositur 99 in der I. HA geführt. Zu einer magazintechnischen Bearbeitung des Bestandes kam es jedoch nicht.
Bei der Überführung des Merseburger Bestände ins Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz 1993 wurde die Überlieferung des Oberkonsistoriums als Abteilung XIII im Sammelbestand I. HA Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen untergebracht. In der 2000 von Jürgen Kloosterhuis besorgten Tektonik des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz wurden die beiden Teilbestände I. HA Rep. 99 und X. HA, Rep. 40 ihrem registraturmäßigen Zusammenhang entsprechend als Bestand (Ober-) Konsistorium in der Systematikgruppe Zentralbehörden der Mark Brandenburg ab 1188 tektoniert. 2011 wurden die Findmittel der beiden Teilbestände in der Archivdatenbank erfasst. Dabei folgte U. der Auffassung, die Akten von Kurmärkischem Konsistorium und Oberkonsistorium, die in der zeitgenössischen Registratur nicht getrennt wurden, als einen Bestand zu verzeichnet. Die zuvor als X. HA, Rep. 40 aufgestellten Akten des Kurmärkischen Konsistoriums wurden deshalb im Zuge der Verzeichnungsarbeiten in den Bestand I. HA Rep. 99 eingearbeitet.
3. Literatur
- Enders, Liselotte, u.a. (Bearb.), Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam (Staatsarchiv Potsdam), Teil II: Behörden und Institutionen in der Provinz Brandenburg 1808/16 bis 1945, Weimar 1967, S. 101ff.
- Heinrich, Gerd (Hrsg.), Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg, Berlin 1999.
- Hintze, Otto, Die Epochen des evangelischen Kirchenregiments in Preußen, in: Historische Zeitschrift 97 (1911), S. 69-118.
4. Verweise auf andere Bestände und Archive
GStA PK
- I. HA GR, Rep. 47 Geistliche Angelegenheiten
- I. HA Rep. 243 Evangelisch-reformiertes Kirchendirektorium
- I. HA Rep. 244 Französisch-reformiertes Oberkonsistorium
- IV. HA, Rep. 17 Oberkriegskonsistorium
- X. HA, Rep. 2 B Regierung zu Potsdam
- XX. HA, Rep. 67 Konsistorium zu Königsberg
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
- Rep. 2 A Regierung Potsdam, Abteilung für Kirchen und Schulen
- Rep. 34 Provinzialschulkollegium
- Rep. 40 A Kurmärkisches Konsistorium
- Rep. 40 B Neumärkische Konsistorium
- Rep. 64 A Generalsuperintendentur Lübben
- Rep. 64 B Superintendenturen
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen
- A 202 I Minden-Ravensberg, Konsistorium
- A 203 II Evangelisch-Reformiertes Kirchendirektorium zu Berlin
- A 203 III Französisches Oberkonsistorium zu Berlin
Staatsarchiv Stettin
- 0040 Französische Reformierte Kirche zu Stettin (Francuska Gmina Zreformowanego Ko?cio?a w Szczecinie)
5. Anmerkungen, Bestellsignatur und Zitierweise
Laufzeit: 1540 - 1909
Die Akten sind zu bestellen: I. HA Rep. 99 Nr. ( )
Die Akten sind zu zitieren: I. HA Rep. 99 (Ober-) Konsistorium Nr. ( )
Dr. Leibetseder
Berlin, 24.02.2012
Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 99
- Reference number of holding
-
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 99
- Extent
-
Umfang: 30 lfm (2702 VE); 30 lfm (2.702 VE)
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Tektonik >> ZENTRALBEHÖRDEN DER MARK BRANDENBURG AB 1188
- Date of creation of holding
-
Laufzeit: 1528 - 1924
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
28.03.2023, 8:52 AM CEST
Data provider
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- Laufzeit: 1528 - 1924