Bestand
Ministerium für Entnazifizierung (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners: Die Entnazifizierung sollte nach den Vorstellungen der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges die deutsche Bevölkerung von der Ideologie des Nationalsozialismus und vom Militarismus befreien. In einem Auszug aus dem Bericht über die Konferenz in Jalta vom 3. bis 11. Februar 1945 zur Behandlung der Militaristen und Nationalsozialisten heißt es: "Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören. Wir sind entschlossen, alle deutschen Streikräfte zu entwaffnen und aufzulösen; den deutschen Generalstab, der wiederholt die Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus zu Wege gebracht hat, für alle Zeiten zu zerschlagen; sämtliche deutschen militärischen Einrichtungen zu entfernen oder zu zerstören; die gesamte deutsche Industrie, die für militärische Produktion benutzt werden könnte, zu beseitigen oder unter Kontrolle zu stellen; alle Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen und einer schnellen Bestrafung zuzuführen sowie eine in gleichem Umfang erfolgende Wiedergutmachung der von den Deutschen verursachten Zerstörungen zu bewirken; die Nationalsozialistische Partei, die nationalsozialistischen Gesetze, Organisationen und Einrichtungen zu beseitigen, alle nationalsozialistischen und militärischen Einflüsse aus den öffentlichen Dienststellen sowie dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben des deutschen Volkes auszuschalten und in Übereinstimmung miteinander solche Maßnahmen in Deutschland zu ergreifen, die für den zukünftigen Frieden und die Sicherheit der Welt notwendig sind. Es ist nicht unsere Absicht, das deutsche Volk zu vernichten, aber nur dann, wenn der Nationalsozialismus und Militarismus ausgerottet sind, wird für die Deutschen Hoffnung auf ein würdiges Leben und einen Platz in der Völkergemeinschaft bestehen" (1).
Geschichte des Bestandsbildners: Über die Behandlung der Kriegsverbrecher und Nationalsozialisten steht in einem Auszug aus dem Bericht über die Konferenz von Potsdam vom 17. Juli bis 1. August 1945: "Kriegsverbrecher und alle diejenigen, die an der Planung oder Verwirklichung nazistischer Maßnahmen, die Greuel oder Kriegsverbrechen nach sich zogen oder als Ergebnis hatten, teilgenommen haben, sind zu verhaften und dem Gericht zu übergeben. Nazistische Parteiführer, einflußreiche Nazianhänger und die Leiter der nazistischen Ämter und Organisationen und alle anderen Personen, die für die Besetzung und ihre Ziele gefährlich sind, sind zu verhaften und zu internieren. Alle Mitglieder der nazistischen Partei, welche mehr als nominell an ihrer Tätigkeit teilgenommen haben und alle anderen Personen, die den alliierten Zielen feindlich gegenüberstehen, sind aus den öffentlichen und halböffentlichen Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmen zu entfernen. Diese Personen müssen durch Personen ersetzt werden, welche nach ihren politischen und moralischen Eigenschaften fähig erscheinen, an der Entwicklung wahrhaft demokratischer Einrichtungen in Deutschland mitzuwirken" (2).
Geschichte des Bestandsbildners: Die Handhabung der Entnazifizierung ist in den vier Besatzungszonen recht unterschiedlich gewesen (3). Die britische Besatzungsmacht schuf eine Grundlage zur Durchführung mit der Verordnung Nr. 24 des Kontrollrats vom 12. Januar 1946 - Verfügung zur Entfernung von Nationalsozialisten und anderen Personen, die den Zielen der Vereinten Nationen feindselig gegenüberstehen, aus Stellungen und von verantwortlichen Posten - und der mehrfach geänderten Zonen-Exekutiv-Anweisung Nr. 3 (endgültige Fassung vom 7. März 1947) - Entnazifizierungsmaßnahmen in der britischen Zone. Grundsätzlich war die Entnazifizierung den Besatzungsmächten vorbehalten. Deutsche Entnazifizierungsstellen, die auf Grund der Zonen-Exekutiv-Anweisung Nr. 3 gegründet wurden, hatten nur Ermittlungs- und Begutachtungsfunktionen und ein Vorschlagsrecht zur Eingliederung in die Kategorien III - IV inne.
Auf der Tagung der Außenminister der vier Siegermächte vom 10. März bis 24. April 1947 in Moskau wurde die Übertragung der Entnazifizierung in die Verantwortung der deutschen Behörden beschlossen. Die Durchführung der Entnazifizierung durch deutsche Stellen sollte unter Anwendung der Kontrollratsdirektiven Nr. 24 und Nr. 38 erfolgen (4).
Geschichte des Bestandsbildners: Die Verordnung Nr. 110 der Militärregierung vom 15. Oktober 1947 übertrug dann die Entnazifizierung in der britischen Zone in die deutsche Verantwortlichkeit mit Wirkung vom 1. Oktober 1947. Zugleich erhielten die mit der Durchführung beauftragten deutschen Regierungen in der VO Nr. 110 die Ermächtigung, die für die weitere Entnazifizierung erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Für das Land Niedersachsen waren dies:
1. Verordnung des Niedersächsischen Ministers für die Entnazifizierung über das Verfahren zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 30. März 1948 (Nieders. GVBl. S. 41);
2. Erlass des Niedersächsischen Ministers für die Entnazifizierung betr. Grundsätze für die politische Überprüfung der versorgungsberechtigten ehemaligen Beamten und Hinterbliebenen vom 19. Juni 1948 (Amtsblatt für Niedersachsen S. 190);
3. Erlass des Niedersächsischen Ministers für die Entnazifizierung betr. Überleitung der bisherigen Entnazifizierung vom 24. Juni 1948 (Amtsblatt für Niedersachsen S. 205);
4. Erlass des Niedersächsischen Ministers für die Entnazifizierung betr. Gebühren für die Entnazifizierungsverfahren vom 26. Juni 1948 (Amtsblatt für Niedersachsen S. 206);
5. Verordnung des Niedersächsischen Staatsministeriums über Rechtsgrundsätze der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 3. Juli 1948 (Nieders. GVBl. S. 68);
6. Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über das Verfahren zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 30. März 1948 und zur Verordnung über Rechtsgrundsätze der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 3. Juli 1948, vom 28. September 1948 (Amtsblatt für Niedersachsen Nr. 19a, S. 293);
Geschichte des Bestandsbildners: 7. Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Verfahren zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 30. März 1948 (NGVBl. Nr. 10, S. 41), vom 29. Juni 1949 (NGVBl. Nr. 32, S. 128);
8. Verordnung über Aufhebung der erneuten Überprüfung der Entnazifizierungsentscheidungen vom 30. Juni 1949 (NGVBl. Nr. 34, S. 132);
9. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Verfahren zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 30. März 1948 (NGVBl. Nr. 10, S. 41), vom 14. März 1951 (NGVBl. Nr. 12, S. 90);
10. Verordnung zur Änderung der Verordnung über Aufhebung der erneuten Überprüfung der Entnazifizierungsentscheidungen vom 30. Juni 1949 (NGVBl. Nr. 34, S. 132), vom 8. Januar 1951 (NGVBl. Nr. 25, S. 139);
11. Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 18. Dezember 1951 (NGVBl. Nr. 44, S. 231), geändert am 22. Mai 1987 (NGVBl. Nr. 18, S. 99);
12. Beschluss des Niedersächsischen Landesministeriums über die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 18. Dezember 1951 (NGVBl. Nr. 44, S. 231), vom 3. Juni 1952 (Nds. MBl. Nr. 24, S. 303, Berichtigung: Nds. MBl. Nr. 25, S. 338) (5).
Geschichte des Bestandsbildners: Am 13. Oktober 1947 hatte das Niedersächsische Staatsministerium beschlossen, einen Minister für die Entnazifizierung zu bestellen. Minister für die Entnazifizierung wurde Dr. Hofmeister, Staatssekretär der Staatskommissar für die Entnazifizierung Karl Hofmann. Die vom Staatskommissar Hofmann geleitete Dienststelle wurde unter Übertragung der persönlichen und sachlichen Mittel auf das Ministerium für die Entnazifizierung übertragen.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1949 hörte das Ministerium für die Entnazifizierung auf zu bestehen. Die Abwicklung der Entnazifizierung wurde danach vom Innenministerium wahrgenommen.
Die Entnazifizierung fand ihren Abschluss mit der Verkündigung des Gesetzes zum Abschluss der Entnazifizierung im Lande Niedersachsen vom 18. Dezember 1951 (Nieders. GVBl. S. 231). Die Entnazifizierungsakten mußten gem. § 5 dieses Gesetzes nach dem 31. Mai 1952 an die Staatsarchive abgegeben werden.
Stand: Juni 1982
Anmerkungen:
(1) Irmgard Lange, Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, Siegburg 1976, S. 65
(2) Irmgard Lange, a.a.O., S. 81
(3) Vgl. dazu I. Lange, a.a.O., S. 11-12
(4) Vgl. dazu I. Lange, a.a.O., s. 52
(5) 1-5 in: Joh. Schultz, Willy Müller, Abschluss der Entnazifizierung und Durchführung des Gesetzes zu Art. 131 GG in Niedersachsen, Göttingen 1952, S. 12; 6-12 in: Nds. 100 Acc. 60/55 Nr. 1046
Bestandsgeschichte: Während die Masse der Verfahrensakten schon 1952 ins Archiv gelangte, hat das niedersächsische Innenministerium die Akten des ehemaligen Entnazifizierungsministeriums erst im Jahre 1961 in mehreren Ablieferungen an das Hauptstaatsarchiv abgegeben.
Die Verfahrensakten werden noch laufend verzeichnet, die Bestände (Nds. 171 Hannover, Hildesheim, Lüneburg) sind derzeit noch nicht online recherhierbar.
Stand: Juni 1982 / April 2020
Bearbeiter: Peter Bardehle
- Reference number of holding
-
NLA HA, Nds. 170
- Extent
-
10,2
- Context
-
Nds. Landesarchiv, Abt. Hannover (Archivtektonik) >> Gliederung >> 1 Staatliche Bestände >> 1.13 Land Niedersachsen >> 1.13.2 Inneres >> 1.13.2.2 Entnazifizierung >> 1.13.2.2.1 Oberste Landesbehörde
- Related materials
-
Literatur: Ullrich Schneider, Niedersachsen unter britischer Besatzung 1945. Besatzungsmacht, deutsche Verwaltung und die Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 54, 1982, S. 251-319 Ders., Niedersachsen 1945. Kriegsende, Wiederaufbau, Landesgründung, Hannover 1985 Stefan Brüdermann, Entnazifizierung in Niedersachsen, in: Übergang und Neubeginn. Beiträge zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Niedersachsens in der Nachkriegszeit, hg. von Dieter Poestges, Göttingen 1997, S. 97-118
- Date of creation of holding
-
1943-1953
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.06.2025, 12:45 PM CEST
Data provider
Niedersächsisches Landesarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Time of origin
- 1943-1953