Bestand

Verein für das Deutschtum im Ausland (Bestand)

Findmittel: Datenbank; Findbuch, 1 Bd.

Vereinsgeschichte:
Der Bestand enthält keine Akten des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA). Provenienzbildner ist vielmehr der Deutsche Schulverein in Polen e.V.
Nachdem in Folge des Ersten Weltkrieges weite Gebiete der preußischen Provinzen Posen, Westpreußen und Oberschlesien an den wiedergegründeten polnischen Staat abgetreten wurden, stellte sich die Frage der Minderheitenrechte der dort verbliebenen deutschstämmigen Bevölkerung. Nach den Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten und Polen vom 28. Juni 1919 war den Minderheiten in Polen das Recht auf eigene Schulen zugesagt worden. Dies konnte jedoch nur durch Privatschulen umgesetzt werden. Konzessionen für die Errichtung einer Privatschule konnten nur Lehrkräfte erhalten, deren Qualifikationen durch die polnischen Behörden anerkannt wurden. Getragen wurden die Privatschulen durch Ortsschulvereine, die nach dem polnischen Vereinsgesetz gegründet wurden.
Um die Bestrebungen zur Errichtung eines Privatschulwesens für deutschsprachige Kinder zusammenzufassen wurde am 22. September 1919 in Bydgoszcz (Bromberg) der Deutsche Schulverein in Polen gegründet. Auch dieser war den Bestimmungen des polnischen Vereinsgesetzes unterworfen. Langjähriger Hauptgeschäftsführer war von 1922 bis 1939 der Oberstudiendirektor Dr. Otto Schönbeck (1881-1959).
Der Schulverein agierte quasi als Schulaufsichtsbehörde. Jedoch wurde er von polnischer Seite offiziell nicht als zentrale Vertretung anerkannt. Eine wichtige Aufgabe war die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer an den Privatschulen. Eine große Anzahl von Personalakten von Lehrkräften, aber auch Bewerbungsunterlagen von nicht eingestellten Pädagoginnen und Pädagogen, sind vorhanden. Das Verhältnis zu den polnischen Schulbehörden erwies sich als sehr gespannt. Von polnischer Seite wurde oft versucht, die Neugründung und den Erhalt von deutschen Privatschulen auf administrativen Wege zu verhindern. So wurden regelmäßige Inspektionen durch polnische Schulinspektoren durchgeführt und teilweise die Lehrbefugnisse für die deutschen Lehrkräfte entzogen. Auch erfolgte eine strenge Anwendung der staatlichen Bauvorschriften für Schulgebäude, denen die deutschen Privatschulen zuweilen nicht entsprachen und deshalb von der Schließung bedroht waren.
Nach dem polnischen Vereinsgesetz war eine Finanzierung durch ausländische Staaten nicht möglich. Deshalb war man zur Finanzierung auf den Kontakt mit deutschen Vereinen angewiesen. In erster Linie wäre der "Verein für das Deutschtum im Ausland" (VDA) zu nennen, der am 15. August 1881 in Berlin als "Deutscher Schulverein" gegründet wurde. Seit 1908 lautete der Name "Verein für das Deutschtum im Ausland" und seit 1933 "Volksbund für das Deutschtum im Ausland." Hauptziel des Vereins war die sogenannte "Erhaltung des Deutschtums" für im Ausland lebende Deutsche. Dies geschah u.a. durch die Errichtung und Erhaltung deutscher Schulen, Kindergärten und Bibliotheken. Da der VDA nicht direkt in Polen wirken konnte, arbeitete er eng mit dem Deutschen Schulverein in Polen zusammen. Auf Grund dieser Verbindung wurde um das Jahr 2000 der Repositur der jetzige Bestandsname zugewiesen. Inwieweit auch die Ortsschulvereine mit dem VDA zusammenarbeiteten, konnte nicht ermittelt werden.
Weitere Unterstützung erhielt der Schulverein durch die "Deutsche Stiftung" (DStg). Diese wurde am 22. November 1920 in Berlin formal als privater eingetragener Verein gegründet, unterstand jedoch faktisch der Reichsregierung und wurde vom Auswärtigen Amt finanziert.
Nach dem Überfall auf Polen wurden Posen und Westpreußen wieder an das Deutsche Reich angegliedert. Dadurch war keine Notwendigkeit für ein deutsches Privatschulwesen mehr gegeben und der Schulverein stellte seine Tätigkeit ein. Bis zur formellen Auflösung am 10. März 1941 erfolgte die Liquidation des Vereins. In dieser Zeit wurden v.a. noch die Gehalts- und Pensionsansprüche der ehemaligen Lehrerinnen und Lehrer geregelt.
Bestandsgeschichte:
Die Unterlagen (23 Kisten Akten, 300 Pakete) wurden am 2. September 1942 als Akzession 46/1942 durch das Geheime Staatsarchiv vom Deutschen Schulverein in Polen (Abwicklungsstelle Bromberg) übernommen und als Repositur 201 eingeordnet. Infolge der kriegsbedingten Auslagerung von Archivgut gelangte der Bestand nach dem Zweiten Weltkrieg in das Deutsche Zentralarchiv, Dienststelle Merseburg, und wurde dort 1950 durch den Archivmitarbeiter Dr. Diebel verzeichnet (vgl.: I. HA Rep. 178 E, Nr. 1258). Ursprünglich umfasste der Bestand 28 lfm Aktenmaterial. Vorhanden waren v.a. Akten der Hauptgeschäftsstelle Bromberg und der Bezirksgeschäftsstelle Posen, der örtlichen Schulvereine und der einzelnen in Posen-Pommerellen vorhandenen deutschen Privatschulen (Volksschulen und höhere Schulen).
Im Jahre 1960 wurde ein Archivalientausch zwischen Archiven der DDR und der Volksrepublik Polen vereinbart. Hierbei wurden von polnischer Seite die Herausgabe verschiedener, im Deutschen Zentralarchiv, Dienststelle Merseburg, verwahrter Bestände gefordert. Auch der Bestand I. HA Rep. 201 gehörte dazu. Auf einer Besprechung am 25. Mai 1960 wurde festgelegt, dass nochmals eine Revision und Verfilmung der Akten erfolgen sollte. Die geplante Revision wurde durchgeführt. Die Verfilmung der Akten erfolgte im August bis Oktober 1960. Die Mikrofilme wurden am 29. Mai 1962 an die Staatliche Archivverwaltung der DDR übergeben (vgl.: I. HA Rep. 178 E, Nr. 1258). Über den weiteren Verbleib der Filme liegen keine Informationen vor.
Auf einer weiteren Besprechung am 24. Juni 1960 wurden von Seiten des Archivs Bedenken gegen die Abgabe der im Bestand vorhandenen Personalakten vorgetragen. Durch den Vertreter der Staatlichen Archivverwaltung wurde entschieden, dass die Personalakten von der Übergabe ausgenommen bleiben können (vgl.: I. HA Rep. 178 E, Nr. 996). Am 14./15. November 1960 wurden 173 Pakete Akten (ca. 22,3 lfm, 851 VE) und das zugehörige Findbuch an das Wojewodschaftsarchiv Wroclaw (Breslau) übergeben. Ob sich die Archivalien dort heute noch befinden ist nicht bekannt.
Folgende Archivalien wurden an das polnische Archiv abgegeben:
- Nr. 1-276, ohne Nr. 237/1 (279 VE): Akten der Hauptgeschäftsstelle Bromberg und der Bezirksgeschäftsstelle Posen des Deutschen Schulvereins, 1919-1942, überwiegend bis 1939/40
- Nr. 277-432, ohne Nr. 385/8 und 385/9 (567 VE): einzelne Schulen, alphabetisch, 1884-1941, überwiegend 1920er und 1930er Jahre
- Nr. 433-437 (5 VE): Schuljahresberichte (Bromberg, Graudenz, Lissa, Posen, Hohensalza, Krotoschin, Rawitsch, Rogasen), 1917/18-1939/40.
Weitere Einzelheiten zu den abgegebenen Akten finden sich im Findbuch von Dr. Diebel aus dem Jahre 1950 (Bestellsignatur: Altfindmittel, Nr. 576).
Entsprechend der mit der Staatlichen Archivverwaltung getroffenen Vereinbarungen verblieben die ausgewählten Archivalien (v.a. Personalakten) in Merseburg und sollten später an das Deutsche Zentralarchiv in Potsdam abgegeben werden. Die Abgabe der Unterlagen nach Potsdam ist aber aus unbekannten Gründen unterblieben. Deshalb gelangte der Bestand nach der Wiedervereinigung zurück in das Geheime Staatsarchiv PK in Berlin-Dahlem. In den Jahren 2018 und 2019 erfolgte eine Neuverzeichnung des gesamten Bestandes durch den Archivar Guido Behnke. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine neue Klassifikation erstellt.

Bestandsbeschreibung:
Einen Großteil des Bestandes machen Personalakten der Lehrerinnen und Lehrer an den deutschen Privatschulen in Polen aus (Bestellsignaturen: I. HA Rep. 201, Nr. 94 bis Nr. 149). Diese Akten sind alphabetisch nach Familiennamen geordnet. Im Enthält-Vermerk finden sich die Namen der Lehrerinnen und Lehrer, zu denen Materialien vorhanden sind. Ergänzt wird der Name um den letzten bekannten Dienstort im Privatschuldienst. Hierbei wurde der zeitgenössische polnische Ortsname angegeben und der deutsche Name aus der Zeit vor 1918 in Klammern vermerkt.
Der Umfang der einzelnen Personalunterlagen ist recht unterschiedlich. Manchmal sind nur wenige Schriftstücke vorhanden. Teilweise ermöglicht das recht umfangreiche Material aber auch einen guten Überblick zum beruflichen Werdegang und persönlichen Hintergrund der betreffenden Lehrkräfte. Enthalten sind beispielsweise: Personalblätter, Bewerbungsschreiben (teilweise mit Fotografie), Arbeitsverträge, Tätigkeitsberichte, Schriftwechsel mit dem Schulverein, vereinzelt sind auch Schriftstücke zu Untersuchungen bei Verfehlungen im Dienst oder Anträge auf Unterstützungszahlungen vorhanden. Wenn der Familienname der Lehrkraft bekannt ist, kann die betreffende Akte problemlos im Personenindex in diesem Findbuch recherchiert werden. Bei Lehrerinnen ist zusätzlich auch noch der Geburtsname (soweit bekannt) im Index angegeben. Im Übrigen sind bei den Personalakten auch Unterlagen von Lehrerinnen und Lehrern vorhanden, die sich erfolglos beim Deutschen Schulverein beworben haben, also gar nicht im Schuldienst angestellt wurden. Außerdem finden sich auch Bewerbungen um Hauslehrerstellen in Privathaushalten. Wenn zu einer gesuchten Person keine Personalunterlagen vorhanden sind, käme noch eine Suche in den Personalblättern des Schulvereins (Bestellsignaturen: I. HA Rep. 201, Nr. 92 und Nr. 93) in Betracht. Auch in diesem Fall sind die Namen im Personenindex auffindbar.
Eine weitere Gruppe betrifft die Bauunterlagen zu verschiedenen Bauprojekten an Schulgebäuden (Klassifikationsgruppe 04.05.02). Vorhanden sind u.a. Lagepläne, Bauzeichnungen, Grundbuch- und Katasterauszüge, Versicherungsnachweise, Baubeschreibungen und vereinzelt auch Fotografien. Die Ortsnamen der Schulen sind im Ortsindex aufgeführt.
Da bei der vorgenannten Revision im Jahre 1960 durch Frau Dr. Herricht aus den nach Polen abgegebenen Akten die Dubletten von Schriftstücken herausgezogen wurden, sind auch zu anderen Tätigkeitsbereichen des Deutschen Schulvereins einige Unterlagen vorhanden. Diese Dubletten erhielten im Zuge der jetzt abgeschlossenen Verzeichnung neue Bestellsignaturen. Die ursprüngliche Signatur (der nach Polen abgegebenen Akten) findet sich im Feld "jüngste Altsignatur", wobei der Eintrag "aus I. HA Rep. 201, Nr. " in diesem Feld ein Hinweis darauf ist, dass es sich nur um die separierten einzelnen Dokumente handelt, nicht um vollständige Akten.

Literaturhinweise:
Bierschenk, Theodor: Die deutsche Volksgruppe in Polen 1934 - 1939, Würzburg 1954, Seite 52-62
Deutscher Schulverein in Polen e.V.: Dennoch. Gedenkschrift für die deutschen Lehrer in Polen 1919-1939, Posen 1940, 59 Seiten
Dobbermann, Paul: Die deutsche Schule im ehemals preußischen Teilgebiet Polens, Posen 1925, 186 Seiten
Eser, Ingo: "Volk, Staat, Gott!" Die deutsche Minderheit in Polen und ihr Schulwesen 1918-1939, Wiesbaden 2010, 771 Seiten
Fricke, Dieter u.a. (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789 - 1945), Leipzig 1984, Band 2, Seite 359-366 Seiten (Eintrag zur Deutschen Stiftung)
Fricke, Dieter u.a. (Hrsg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789 - 1945), Leipzig 1984, Band 4, Seite 282-297 Seiten (Eintrag zum Verein für das Deutschtum im Ausland)
Prehn, Ulrich: "Volksgemeinschaft im Abwehrkampf." Zur Organisation und Politik des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA) in der Weimarer Republik, Hamburg 1997, 133 Seiten
Verein für das Deutschtum im Ausland (Hrsg.): Jahrbuch des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Dresden u.a. 1926, Seite 248-250

Formalangaben:
Laufzeit: (1904) 1920-1942
Letzte vergebene Nummer: 150
Bestandsumfang: 150 VE (5,5 lfm)
Lagerungsort: Magazin Westhafen
Die Akten sind auf gelben Leihscheinen wie folgt zu bestellen:
I. HA Rep. 201, Nr.
Zitierweise:
GStA PK, I. HA Rep. 201 Verein für das Deutschtum im Ausland, Nr.


Berlin, 11. Februar 2020 (Guido Behnke)

Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 201

Reference number of holding
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 201
Extent
Umfang: 5,5 lfm (150 VE); 5,5 lfm (150 VE)
Language of the material
deutsch

Context
Tektonik >> NICHTSTAATLICHE PROVENIENZEN >> Vereine, Verbände, Organisationen >> (Auswärtige) Kulturpolitik

Date of creation of holding
Laufzeit: (1904) 1920 - 1942

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28.03.2023, 8:52 AM CEST

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  • Laufzeit: (1904) 1920 - 1942

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