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Selbstbildnis mit Augenschirm

Graffs Sohn Carl Anton schrieb am 22. Juli 1813 an den Winterthurer Landschaftsmaler Johann Caspar Kuster über das im letzten Lebensjahr entstandene, herausragende Selbstbildnis seines 76jährigen Vaters: »Das Porträt m. Vaters […] noch wenige Monate vor seinem Tode gemahlt. Ob man es wahr nimt, daß die Augen des Künstlers alt u. matt geworden sind, so zeiget sich doch im ganzen noch Kraft und jugendliches Künstlerfeuer« (Carl Anton Graff an Johann Caspar Kuster am 22. Juli 1813, Abschrift von Ulrich Hegner, erhalten in der Studienbibliothek Winterthur, Sign. Ms UH 121/5). Seit seinen Anfängen und während seiner gesamten Schaffenszeit hat sich Graff, wie kein anderer Maler des 18. Jahrhunderts, beständig selbst porträtiert. Über 80 Selbstbildnisse, Originale und Repliken, in Öl gemalt, gezeichnet oder gestochen, sind überliefert. Darüber hinaus wurden zahlreiche Kopien und Reproduktionen gefertigt. Viele davon waren Bestellungen, denn Freunde und Sammler wollten sein Konterfei besitzen. Graff betrieb die Auseinandersetzung mit den eigenen Zügen zur steten Vervollkommnung seiner Kunst. Sich selbst als Forschungsobjekt betrachtend, suchte er seine Gesichtszüge sowie die Veränderungen, die das Alter mit sich brachte, nüchtern zu ergründen. Vom ersten mit 17 Jahren gemalten Selbstbildnis (Kunstmuseum Winterthur) spannt sich der Bogen bis zu diesem wohl letzten Selbstbildnis vor der Staffelei, auf der eine Leinwand mit der Unterzeichnung eines Herrenbildnisses zu sehen ist. Ungemein modern, auf das 19. Jahrhundert vorausweisend, mutet das mit lockerem Pinselstrich gemalte Werk an. Es zeigt eine überraschende Freiheit und Intensität, die malerischer und kräftiger aufgefaßt ist als je zuvor. Hell ins Licht gesetzt hat der Künstler sein Gesicht mit den trotz nachlassender Sehkraft noch scharf blickenden Augen. Der grüne schattenspendende, die Pupillen erweiternde Schirm diente der Linderung seines Augenleidens. Für Paul Ortwin Rave zeigte das Werk, »mit welch psychologischem Scharfblick [Graff] zu erfassen und alle darstellerische Kraft im Antlitz zu sammeln wußte« (Paul Ortwin Rave, Deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts, Berlin 1949, S. 6). Von dieser 1887 im Kunsthandel von der Nationalgalerie erworbenen Erstfassung schuf Graff eine im Format leicht vergrößerte Replik (Privatbesitz, Schweiz; vgl. E. Berckenhagen, Anton Graff, Berlin 1967, Nr. 546). Eine beeindruckende Vorzeichnung, heute im Kunstmuseum Luzern, befand sich im Besitz von Caroline Bardua. | Birgit Verwiebe

Vorderseite | Fotograf*in: Andres Kilger

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technik
Öl auf Leinwand
Maße
Höhe x Breite: 65 x 51 cm
Rahmenmaß: 85 x 71,5 x 7,5 cm
Standort
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
A I 406

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1887 Ankauf von der Kunsthandlung C. G. Börner, Leipzig
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1813

Letzte Aktualisierung
08.08.2023, 11:02 MESZ

Objekttyp


  • Bild

Beteiligte


Entstanden


  • 1813

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