Archivbestand

Gemeinde Gruorn Kr. Reutlingen (Bestand)

Überlieferungsgeschichte
Die Gemeinde Gruorn wurde wegen der Erweiterung des Truppenübungsplatzes Münsingen am 10. April 1942 offiziell aufgehoben, die Bevölkerung in württembergische, badische und bayerische Orte umgesiedelt. Vgl. die Einleitung im neuen Bestandsrepertorium A 575.
Das Gemeindearchiv Gruorn wurde z.T. bereits 1938 ins Staatsarchiv Ludwigsburg verbracht und erhielt dort die Signaturen
A 575 (Teilbestand vor 1806) und F 503 (Teilbestand ab 1806). Diese Teilbestände wurden im Rahmen der Beständebereinigung 1969 dem Hauptstaatsarchiv übergeben. Weitere Teile des Gemeindearchivs kamen zwischen 1974 und 2003 vom Stadtarchiv bzw. Notariat Münsingen nach Stuttgart. Alle Archivteile wurden 2004 zusammengefügt und bilden nun den Bestand A 575 des Hauptstaatsarchivs.


1. Zur Geschichte der Gemeinde Gruorn: Die Siedlung Gruorn ist vermutlich bereits bei der frühen alemannischen Landnahme entstanden. Der Ortsname Gruorn erlaubt jedoch keine sichere Namensdeutung. Die in den Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds genannten Edelfreien Ogge et Cuono de Grourin gehören vermutlich hierher, (1) während sich zwei weitere Nennungen von 1094 und 1108 auch auf Gruol bei Haigerloch beziehen könnten. (2) Im Jahr 1094 wird Gozzolt de Groueren in einer Urkunde des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen genannt, und 1108 erscheinen Beringer de Grure und Walther de Gruron als Zeugen bei einer Schenkung für Kloster Blaubeuren. Für das Jahr 1254 findet sich schließlich die erste urkundliche Erwähnung, von der sicher angenommen werden kann, dass Gruorn gemeint ist. Gruorn war zunächst vermutlich Teil der Grafschaft Urach, da der Leutpriester von Grurin im Jahr 1254 bei den Verhandlungen über das Schicksal des Grafen Berthold von Urach erscheint. 1265 gelangte Gruorn zusammen mit der Uracher Grafschaft an Württemberg. Die ursprünglich romanische Dorf- bzw. Pfarrkirche St. Stephan ist 1410 als württembergisches Lehen in der Hand des Heinrich von Speth, der sie in diesem Jahr an K. von Freyberg versetzt; 1454 ist sie wieder in württembergischem Besitz. Nach der Reformation war auch das Dorf Trailfingen, heute Stadtteil von Münsingen, nach Gruorn eingepfarrt. Mit der Niederlage Württembergs in der Schlacht von Nördlingen 1634 begann für Gruorn eine Zeit schwerer Verwüstungen, es verlor über 500 Einwohner. Für das Jahr 1652 sind nur noch 85 Bewohner bezeugt, und selbst 1698 standen noch 19 Hofstätten leer. Haupteinnahmequelle der Gruorner Bevölkerung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts neben der Landwirtschaft die Leinwandspinnerei und -weberei; danach wurde verstärkt mit Holz gehandelt und Holzkohle gebrannt. (3) Am 17. Februar 1937 verfügte das Landratsamt Urach, daß der Ort innerhalb von zwei Jahren zur Vergrößerung des 1895 eingerichteten Truppenübungsplatzes Münsingen geräumt werden müsse. Die Umsiedlung der 665 Einwohner in württembergische, badische und bayerische Orte war bis zum 1. September 1939 fast vollständig abgeschlossen, und am 10. April 1942 gab Reichsstatthalter Wilhem Murr offiziell die Auflösung der Gemeinde bekannt. Einige wenige, meist minderbegüterte Personen, harrten trotzdem weiterhin in ihren Häusern aus. Noch im Jahr 1942 wurde der "Gutsbezirk Münsingen" gebildet. Er geht im Kern auf das Münsinger Hart, ein unbewohntes und unfruchtbares Weidegebiet zurück. Es bildete im Spätmittelalter eine eigene Markung, in der auch die angrenzenden Dörfer Nutzungsrechte hatten. Der Gutsbezirk - eine Gebietskörperschaft mit allen Rechten und Pflichten einer Gemeinde - umfaßt den in Bundeseigentum stehenden Truppenübungsplatz. Dieser wurde nach 1945 von den französischen Stationierungskräften und anschließend von der Bundeswehr in Anspruch genommen. (4) Der Ort Gruorn wurde in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts für militärische Zwecke genutzt und dabei vor allem bei Häuserkampfübungen weitgehend zerstört. Das "Komitee zur Erhaltung der Kirche in Gruorn" hat die Stephanskirche von 1971 bis 1973 renoviert. (5) Sie wurde deshalb vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg im Jahr 2000 erneut als Kulturdenkmal eingestuft. An bestimmten Festtagen wird sie seitdem wieder für Gottesdienste genutzt. Die Aufgabe des Truppenübungsplatzes Münsingen durch die Bundeswehr ist für 2006 geplant. (6) (1) Niedergeschrieben zwischen 1135 und 1138 (Die Zwiefalter Chroniken Orttliebs und Bertholds, neu herausgegeben, übersetzt und erläutert von Erich König und Karl Otto Müller, Stuttgart und Berlin 1941, S. 2 f. bzw. 249) (2) Das Land Baden-Württemberg, Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Bd. 7 , Stuttgart 1978, S. 99 (3) Angelika Bischoff-Luithlen, Gruorn - Ein Dorf und sein Ende, hrsg. vom Schwäbischen Albverein, Stuttgart 1967, S. 63 ff. (4) Manfred Waßner, Die Bildung des Heeresgutsbezirks Münsingen und die Räumung von Gruorn, in: Vom Nutzwald zum Truppenübungsplatz: Das Münsinger Hart, hrsg. von Sönke Lorenz und Roland Deigendesch (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde Bd. 23, Leinfelden-Echterdingen 1998) S. 99 ff. (5) Zum Gruorner Heimattreffen Pfingsten 1973, hrsg. vom Komitee zur Erhaltung der Kirche in Gruorn, 1973 (6) Freundliche Mitteilung von Herrn Stadtarchivar Dr. Roland Deigendesch, Münsingen

2. Zur Geschichte und Verzeichnung des Bestandes: Der Bestand "Gemeinde Gruorn" gehört zu denjenigen Gemeindearchiven, die dem Hauptstaatsarchiv übergeben wurden. Diese Bestände sind ausschließlich lokaler Herkunft. (1) Das Gemeindearchiv Gruorn wurde bereits Ende des Jahres 1938 wenigstens teilweise ins Staatsarchiv Ludwigsburg verbracht. Dort hat man es in die Bestände "Gemeinde Gruorn bis 1806" und "Gemeinde Gruorn ab 1806" aufgeteilt. Das Teilarchiv bis 1806 erhielt die Signatur A 575, dasjenige ab 1806 die Signatur F 503. Beide Teile wurden 1947 von K. Lenth in Ludwigsburg aufgenommen und 1969 im Rahmen der Beständebereinigung dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart übergeben (Az. H. I. 11a, 1969). Diese Beständeteile können an Hand der Konkordanzen am Ende dieses neuen Repertoriums rekonstruiert werden. Die zwei handschriftlichen Findbücher von Lenth wurden in den Bestand A 605 Ältere Repertorien eingereiht. Weitere Teile des Gruorner Archivs kamen 1974, 2000, 2001 und 2003 vom Stadtarchiv bzw. Notariat Münsingen ins Hauptstaatsarchiv. Bei der Abgabe von 1974 handelte es sich überwiegend um Beilagen zu den Gemeinde- (pflege)rechnungen (jetzt in Abt. 1.2.4), bei derjenigen von 2000 (Tgb.Nr. 1107/2000) v.a. um Inventuren und Teilungen (jetzt in Abt. 3), bei derjenigen von 2001 (Tgb.Nr. 3777/2001) um Unterlagen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (jetzt in Abt. 4.5 Steuer- und Güterbücher sowie in Abt. 4.10 Unterpfandsbücher) und bei derjenigen von 2003 (Tgb.Nr. 3755/2003) v.a. um Grundbuchhefte (jetzt in Abt. 4.8). Das letzte Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Gruorn aus den Jahren 1932-1939 wurde im Dezember 2004 vom Kreisarchiv Reutlingen abgegeben; vgl. Bd. 793a. (2) Alle Archivteile wurden von der Unterzeichneten zusammengefügt und z. T. unter Mitwirkung der AnwärterInnen des 39. Lehrgangs des gehobenen Archivdiensts - besonders von Herrn Matthias Schönthaler - im Winter 2000/01 aufgenommen. Die weitere Aufnahme und die Überarbeitung dieser Titel erfolgte im Sommer und Herbst 2004 unter Anwendung des Computerprogramms Midosa 95, die Fertigung des Findbuches mit Hilfe des Programms Microsoft Word durch die Unterzeichnete. Das Bestandsrepertorium A 575 Bd. 1 Bände und Beilagen besteht aus 2169 Nummern; der Bestand selbst umfaßt ca. 30 lfd. m. Ein Fleckenrodel von Gruorn von 1680 befindet sich im Bestand H 120 Lagerbücher von Gemeinden und Spitälern unter Bd. 3. Unterlagen zum Truppenübungsplatz Münsingen werden im Bestand E 151/41 Innenministerium Abt. IV: Kommunalaufsicht in Bü 627 verwahrt. Weitere Akten zum Truppenübungsplatz sind im Staatsarchiv Sigmaringen unter Wü 65/20 vorhanden. (3) Stuttgart, im Dezember 2004 Christine Bührlen-Grabinger (1) Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Altwürttembergisches Archiv (A-Bestände), 2. erweiterte Auflage, bearbeitet von Hans-Martin Maurer, Stephan Molitor und Peter Rückert, Stuttgart 1999, S. 231 (2) Ausgewertet von Manfred Waßner in seinem Beitrag: Die Bildung des Heeresgutsbezirks Münsingen und die Räumung von Gruorn, in: Vom Nutzwald zum Truppenübungsplatz: Das Münsinger Hart, hrsg. von Sönke Lorenz und Roland Deigendesch (Schriften zur südwest-deutschen Landeskunde Bd. 23, Leinfelden-Echterdingen 1998), S. 99-124 (3) Vgl. ebd.

3. Einleitung zum Aktenbestand: Zur Geschichte der Gemeinde Gruorn sowie zur Geschichte und Verzeichnung des Bestandes kann im wesentlichen auf das Bestandsrepertorium A 575 Bd. 1: Bände und Beilagen verwiesen werden. (4) Ergänzend kann vermerkt werden, dass die unter Mitwirkung der Anwärter(innen) des 39. Lehrgangs des gehobenen Archivdiensts, besonders von Herrn Matthias Schönthaler, im Winter 2000/01 aufgenommenen Aktentitel im Sommer 2005 von der Unterzeichneten überarbeitet und die noch unverzeichneten Akten unter Anwendung des Computerprogramms Midosa 95 neu verzeichnet wurden. Die Fertigung des Findbuches erfolgte mit Hilfe des Programms Microsoft Word ebenfalls durch die Unterzeichnete. Das Bestandsrepertorium A 575 Bd. 2: Akten besteht aus 739 Nummern (Ordnungsnummern 2170-2908); der Aktenbestand selbst umfaßt 739 Büschel und ca. 4,5 lfd. m. Der Großteil dieser Akten wurde dem Hauptstaatsarchiv im Jahr 2001 mit Tgb.Nr. 3777 übergeben (Abt. 2.1 Eheverträge, Abt. 2.2 Nachlassakten und Abt. 2.3 Vormundschafts- und Vermögensakten, jetzt A 575 Bü 1-726); ihre seitherige Ordnung wurde beibehalten. Ein anderer Teil stammt aus dem ehemaligen Ludwigsburger Bestand F 503 Gemeinde Gruorn ab 1806 (Bund 84-86, jetzt A 575 Bü 728-730 und Bü 734-739 in Abt. 2.4 Militärakten und Abt. 2.5 Wahlakten). Wenige Akten wurden den Bänden von A 575 entnommen (jetzt A 575 Bü 727 und Bü 731-733 in Abt. 2.4 Militärakten). Unterlagen zum Truppenübungsplatz Münsingen werden im Bestand E 151/41 Innenministerium Abt. IV: Kommunalaufsicht in Bü 627 verwahrt. Weitere Akten zum Truppenübungsplatz sind im Staatsarchiv Sigmaringen unter Wü 65/20 vorhanden. (2) Stuttgart, im August 2005 Christine Bührlen-Grabinger

Anmerkungen: (1) Übersicht über die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Altwürttembergisches Archiv (A-Bestände), 2. erweiterte Auflage, bearbeitet von Hans-Martin Maurer, Stephan Molitor und Peter Rückert, Stuttgart 1999, S. 231 (2) Ausgewertet von Manfred Waßner in seinem Beitrag: Die Bildung des Heeresgutsbezirks Münsingen und die Räumung von Gruorn, in: Vom Nutzwald zum Truppenübungsplatz: Das Münsinger Hart, hrsg. von Sönke Lorenz und Roland Deigendesch (Schriften zur südwest-deutschen Landeskunde Bd. 23, Leinfelden-Echterdingen 1998), S. 99-124 (3) Vgl. ebd. (4) Zur Sozialgeschichte Gruorns vgl. auch Andreas Maisch: Notdürftiger Unterhalt und gehörige Schranken, Lebensbedingungen und Lebensstile in württembergischen Dörfern der frühen Neuzeit (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte Bd. 37, Stuttgart 1992) (5) Vgl. Manfred Waßner: Die Bildung des Heeresgutsbezirks Münsingen und die Räumung von Gruorn, in: Vom Nutzwald zum Truppenübungsplatz: Das Münsinger Hart, hrsg. von Sönke Lorenz und Roland Deigendesch (Schriften zur südwest-deutschen Landeskunde Bd. 23, Leinfelden-Echterdingen 1998), S. 99-124

Abkürzungsverzeichnis: Az. Aktenzeichen Bd. Band Bem. Bemerkung Bestellsign. Bestellsignatur betr. betreffend Bl. Blatt Bü Büschel bzw. beziehungsweise ebd. ebenda f., ff. folgend(e) GA Gemeindearchiv geb. geboren(e) gen. genannt HStA Hauptstaatsarchiv L Ludwigsburg lfd. m laufende Meter o.D. ohne Datum Ordnungsnr. Ordnungsnummer S. Seite Schr. Schriftstück(e) u.a. und andere, unter anderem v.a. vor allem vgl. vergleiche verw. verwitwet(e) z.T. zum Teil

Reference number of holding
Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 575
Extent
2169 Bände, 739 Büschel

Context
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Altwürttembergisches Archiv >> Gemeinden

Date of creation of holding
1704-1985

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13.11.2025, 2:39 PM CET

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  • Bestand

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  • 1704-1985

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