Bestand

Stift St. Marien Lemgo (Bestand)

Urkundenbestand: Neben päpstlichen und bischöflichen Privilegien überwiegend Besitz- und Rentenbriefe im Original oder in Abschrift 1267-1733 (676).

Form und Inhalt: Am 8. September 1306, dem Tag Mariä Geburt, bezogen 40 Schwestern des Dominikanerinnenklosters Lahde bei Minden ihr neues Domizil auf der Neustadt in Lemgo. An ihrem Ursprungsort hatten sie nach Streitigkeiten mit den Erben des Stifters (das Kloster war 1265 gegründet worden), mit lokalen Adelsgeschlechtern und mit anderen kirchlichen Orden nicht mehr bleiben können.

Dank der Vermittlung des Mindener Priors Johannes von dem Bussche und einer bedeutenden Geldzahlung, die zum Freikauf des Edelherrn Simon I. zur Lippe aus der Gefangenschaft des Bischofs von Osnabrück benötigt wurde, erhielten die Nonnen eine ausgedehnte Klosterstätte an der im Bau befindlichen Marienkirche, verbunden mit dem Patronatsrecht über die Lemgoer Pfarrkirche St. Johann mit ihren Filialen St. Nicolai und St. Marien, Abgaben- und Vogteifreiheit sowie der Freiheit von städtischer und landesherrlicher Gerichtsbarkeit. Ohne ihre Zustimmung durften in Lemgo keine weiteren geistlichen Einrichtungen, auch keine neuen Kirchen, Kapellen oder Altäre gegründet werden.

Wirtschaftlich wurde das Kloster durch Schenkungen der Edelherrn zur Lippe, der Ritterschaft und des begüterten Lemgoer Bürgertums reichhaltig ausgestattet; es betrieb zudem eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Die Verwaltung des für innerstädtische Verhältnisse riesigen Wirtschaftshofs (Wehlt) lag in der Hand eines Konversen (Laienbruder).

Die Mitglieder des Konvents entstammten überwiegend der Ritterschaft und dem begüterten Bürgertum der lippischen und benachbarten Städte. St. Marien war auch Familienkloster der lippischen Edelherren; zahlreiche Angehörige des Hauses fanden hier Aufnahme. An der Spitze der Schwestern stand die Priorin, deren Stellvertreterin war die Subpriorin; sie wurden in ihren Aufgaben von der Dechantin (Dechanin) unterstützt. Die Zahl der Insassinnen betrug 1306 = 40, 1386 = 30; 1388 wurde sie auf 60, 1709 auf 15 und 1715 auf 10 beschränkt.

In der Reformationszeit war das Kloster lange Zeit ein Hort des Katholizismus, während die Stadt Lemgo sich schon früh der neuen Lehre zuwandte. 1538 wurde es unter dem Vorwand der sittlichen Verwahrlosung einer Reform unterzogen und in ein evangelisches Jungfrauenkloster umgewandelt; die Nonnen bekamen eine andere Tracht und hießen nun Konventualinnen.

Auf eine rechtlich mögliche Säkularisierung, d.h. Umwandlung des Klosters in Staatsgut, wurde in der Folgezeit zwar verzichtet. Dennoch wuchs der Einfluss der Landesherrschaft. 1709 kam es in einem Gerichtsverfahren vor dem Reichshofrat um die erzwungene Aufnahme einer Jungfer Tripmacher zu einem Vergleich, der die Anzahl der Konventualinnen auf 15 begrenzte und das Besetzungsrecht bei Vakanzen zwischen Landesherrn und Konvent regelte (siehe L 110 B Nr. 31 und 32).

Da der Konvent keine schriftlichen Statuten besaß, auf die er sich berufen konnte, wurde man des Streitens müde (Corvey). Die Konventualinnen wählten Amalia Louisa Wilhelmina, Tochter des regierenden Grafen Friedrich Adolph zur Lippe und bereits Äbtissin des Stifts Cappel, zur Nachfolgerin. St. Marien wurde in ein weltliches Damenstift mit einer Äbtissin an der Spitze umgewandelt; Amtsinhaberin sollte immer "eine Gräfin zur Lippe, vorab aus dem regierenden Hause" sein (Kiewning). Die Zahl der nunmehr so genannten Kapitularinnen wurde 1715 auf zehn begrenzt; aufgenommen werden konnten reformierte und lutherische, adlige und bürgerliche Personen.

Am 1. Mai 1887 erhielt das Stift St. Marien zum ersten Mal ein vom Landesherrn "ohne Teilnahme des Stifts lediglich kraft landesherrlicher und bischöflicher Gewalt" (Kiewning) erlassenes schriftliches Statut, durch das es auch die Reste seiner Selbständigkeit verlor. Neben der Äbtissin mussten nun auch die Dechantin und alle neu aufzunehmenden Kapitularinnen landesherrlich bestätigt werden. Die gesamte Verwaltung wurde der Regierung in Detmold unterstellt; der Syndikus war nicht mehr juristischer Vertreter des Stifts.

Die Revolution von 1918 wirkte sich auf das Stift kaum aus. 1923 erließ das Landespräsidium eine neue Satzung (Gesetzsammlung Nr. 32 / Landesverordnungen Bd. 28, S. 223, geändert Nr. 33/1929, ebd. S. 695), die dem Stift seine Selbständigkeit zurückgab und es zu einer Stiftung öffentlichen Rechts machte. Stiftungszweck war, "unverheirateten Töchtern lippischer Beamter durch Verleihung von Präbenden die Mittel zum Lebensunterhalt zu gewähren und sie durch das Zusammenleben zu gemeinsamer Beschäftigung in edlen und gemeinnützigen Werken anzuregen" (§ 1). Äbtissin blieb bis zu ihrem Tode 1958 Prinzessin Carola zur Lippe (seit 1907).
1960 musste das Stift aufgrund finanzieller Schwierigkeiten Abtei und Abteigarten fast geschenkweise (Corvey) an die Stadt Lemgo übertragen; die Äbtissinnenstelle wurde eingespart. Trotzdem konnte die Auflösung nur knapp vermieden werden. Durch Gesetz vom 5. Oktober 1971 wurden die beiden lippischen Damenstifte Cappel und St. Marien vereinigt; die Lemgoer und die Cappeler Stiftsdamen bezogen einen Neubau in Lemgo. Am 19.09.1972 erließ der Landesverband Lippe als Aufsichtsbehörde eine neue Satzung für das Lippische Damenstift St. Marien in Lemgo (siehe L 110 B Nr. 484 und 487).
Die Archivalien des Klosters/Stifts St. Marien wurden bis 1958 "in ungebrochener Tradition am Ort ihres Entstehens aufbewahrt" (Wehlt). Die Aktenkonvolute sind allerdings oft bruchstückhaft, enthalten Konzepte, Notizen, auch viele Abschriften, und sind aufgrund der oft unsauberen und flüchtigen Schrift häufig schwer zu entziffern. Schon die Ermittlung der Laufzeit ist oft zeitaufwendig und mühsam, da die Datierung der Schriftstücke häufig dem laufenden Text, teilweise mit römischen Zahlen, entnommen werden muss. Auch sind die Akten nicht immer chronologisch geordnet.
Im Juli 1958 wurde das Stiftsarchiv - 55 Fach Akten und 676 Urkunden - vom Landesverband Lippe als Depositum dem damaligen Lippischen Landesarchiv übergeben (Zug. 66/1958). Vorausgegangen war eine mitunter polemische geführte Auseinandersetzung um den angebrachten Aufbewahrungsort, an der auch die Presse (Lippische Rundschau) regen Anteil nahm (siehe Dienstregistratur des StA Detmold, D 29 Nr. 281).

Es folgten noch zwei kleinere Zugänge (84/1980 und 1/1982), die hauptsächlich fortgeführte Unterlagen des 1971 aufgehobenen und mit St. Marien in Lemgo vereinigten Stifts Cappel bei Lippstadt (siehe Bestand L 110 A) enthalten. Der Aktenbestand trägt die Bezeichnung L 110 B, die Urkunden sind als L 4 A gesondert verzeichnet; die Karten bilden den Bestand D 73 St. Marien.

Eine - leider manchmal recht grobe - Verzeichnung des Stiftsarchivs wurde von Landesarchivar Hans Kiewning im Oktober 1937 abgeschlossen (Vermerk im alten Findbuch). Die Neuverzeichnung des Aktenbestandes unter Einarbeitung der oben genannten Zugänge erfolgte Ende 2008 / Anfang 2009.

(Bis hierher aus dem Vorwort zum Findbuch L 110B (Stift St. Marien, Lemgo - Akten, erstellt von Arno Schwinger im Februar 2009).
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In dem von Kiewning aufgestellten Verzeichnis beim Stift St. Marien in Lemgo sind auch die von Hodenberg (Calenberger Urkundenbuch, 3. Abt., Archiv de Stifts Loccum, Hannover 1858, Nr. 245ff.) abgedruckten nicht in Lemgo befindlichen Urkunden betreffend das Kloster Lothe berücksichtigt; sie wurden hier fortgelassen.

Literatur / Quellendrucke:
Anonymi chronica monasterii in Lothen, dioecesis Mindensis, post in opidum Lemgo translati. Bei Meibom, script. rer. Germ. II p. 526-532.
Originalhandschrift und Übersetzung von Mag. Weland von 1706 im Lemgoer Stiftsarchiv. Der Verfasser war Ernst Backhaus, sacrae paginae lector des Dominikanerklosters zu Minden, der die Chronik auf Wunsch der Lemgoer Schwestern ausgearbeitet und der Priorin Henrike von dem Busche im Jahr 1531 übersandt hat. Der Abdruck bei Meibom fehlt der Anfang, dagegen hat derselbe einen in unsrer Handschrift fehlenden Schlußsatz.
Lippische Regesten Bd. II, S. VII Anm.

Retrokonversion des Findbuchs durchgeführt vom 21.11.2018 bis zum 21.10.2019. Bu

Reference number of holding
L 4 A
Extent
676 Urkunden 1267-1733. Findbuch: L 4 A.
Language of the material
German

Context
Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe (Archivtektonik) >> 1. Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe >> 1.1. Land Lippe (bis 1947) >> 1.1.2. Verwaltung, Justiz >> 1.1.2.4. Kirchen- und Schulverwaltung, Bildungseinrichtungen >> 1.1.2.4.1. Kirche

Date of creation of holding
1267-1733

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06.03.2025, 6:28 PM CET

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1267-1733

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