Bestand
Rottenburg, Karmeliterkloster (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Von Lotter 1827 beim Kameralamt Rottenburg ausgehobene Archivalien des um 1280 gegründeten, 1806 mit Hohenberg an Württemberg gekommenen und aufgehobenen Karmeliterklosters, dazu einige 1891 vom Staatsfilialarchiv Ludwigsburg eingekommene Aktenstücke ungeklärter Provenienz (oberösterreichische Regierung Innsbruck?). Der Bestand ist chronologisch geordnet.
Geschichte des Klosters: Der Orden der Karmeliter, um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf dem Berg Karmel im heutigen Israel unter dem Namen "Ordo Fratrum Beatae Mariae Virginis de Monte Carmelo" (= "Orden der Brüder der Seligen Jungfrau Maria vom Berge Karmel") ohne Ordensregel gegründet, kam durch das dortige Vorrücken der Muslime und den darauffolgenden Auszug der Ordensbrüder im 13. Jahrhundert nach Europa. Ursprünglich rein eremitischen sowie asketischen Idealen verpflichtet, wurden sie hier ein Bettelorden, dessen Ziel ebenso die Seelsorge war. Auch das Studium der Mönche erhielt eine größere Bedeutung. Die Ordensregel, Anfang des 13. Jahrhunderts verfasst, wurde zunächst von Papst Honorius III. und schließlich, mit Ergänzungen, von Papst Innozenz IV. bestätigt. Eine Besonderheit besteht darin, dass der Gemeinschaftsleiter kein Abt, sondern nur Prior ist. Seit 1262 hatten die Karmeliter mit Würzburg einen für ihre weitere Ausbreitung in Süddeutschland wichtigen Ausgangspunkt. 1275 erfolgte die erste Klostergründung auf dem Territorium des späteren Königreichs Württemberg in Esslingen, kurz darauf in der neu gegründeten Stadt Rottenburg. Hier hatte Graf Albert II. von Hohenberg dem Orden bereits 1276 einen Platz zum Aufbau eines Klosters geschenkt - die Grundsteinlegung fand schließlich elf Jahre vor der endgültigen Bestätigung durch den Konstanzer Bischof 1292 statt. Das Patrozinium der zum Kloster zugehörigen Kirche war die Heiligste Dreifaltigkeit. Graf Rudolf I. von Hohenberg bestätigte 1327 alle von seinem Vater Albert II. bei der Schenkung verliehenen Privilegien des Karmeliterklosters, darunter auch die Steuerfreiheit. Bald darauf, im Jahr 1381, wurde die Grafschaft an Österreich verkauft; die erwähnten Rechte blieben aber bestehen. Ab 1475 wurde das Klostergebäude unter Meister Hans Schwarzacher durch einen gotischen, vierflügeligen Neubau ersetzt. Nach zwei Brandkatastrophen 1644 und 1735, bei denen das Kloster einschließlich Kirche, Archiv und Bibliothek vollständig abbrannte, wurde es jeweils wiederaufgebaut und geweiht. Der noch heute bestehende Neubau wurde vom hohenzollerischen Bauinspektor H. Schopf geplant. Zur Zeit der Reformation war das Karmeliterkloster stark von den herrschenden Umbrüchen beeinflusst; ab 1534 lag hier ein Schwerpunkt derselbigen in Rottenburg: Von den 20 Mönchen, die Ende des 14. Jahrhunderts dort gelebt hatten, waren 1537 nur noch drei übrig, alle anderen ausgetreten. Allein das Eingreifen des damaligen Provinzials Andreas Stoß (ca. 1480-1540) verhinderte eine vollständige Auflösung - durch seine Bemühungen fasste das Kloster Ende des 16. Jahrhunderts erneut 20 Mitglieder. Nichtsdestotrotz gab es weiterhin Veränderungen: 1651 wurde, unter starkem Widerstand im Konvent, die ältere, strengere Form der Ordensregel eingeführt. Regionaler Adel und die Bürger der Stadt Rottenburg förderten das Kloster, unter anderem durch umfangreiche Schenkungen und Messstiftungen. Sie ließen sich auch bevorzugt in der Klosterkirche begraben. Kulturell besaß das Kloster laut seiner eigenen Chronik in der Barockzeit "ausgezeichnete Musiker, Maler, Bildhauer und Baufachleute". Mit der Aufklärung setzte jedoch ein erneutes Schwinden der Mitglieder ein; 1792 gab es nur noch sechs geweihte Mönche. Im Jahr 1806 ging Rottenburg schließlich in württembergischen Besitz über, wodurch das Karmeliterkloster aufgehoben wurde. Die Mönche wurden entweder Weltgeistliche oder pensioniert, der Klosterbesitz verkauft oder verpachtet. Zunächst als Kaserne genutzt, ist das Gebäude seit 1817 Heim für das Priesterseminar der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Der Chor der ehemaligen Kirche ist dabei die Hauskapelle, das umgebaute Kirchenschiff - zuerst Wohnung für Kleriker, dann Standort kirchlicher Dienststellen und der Diözesanbibliothek - beherbergt seit 1996 Diözesanmuseum und -bibliothek.
Geschichte und Verzeichnung des Bestands: Nach der Auflösung des Klosters gelangten die betreffenden Archivalien zum Königlichen Kameralamt Rottenburg, wo der Geheime Archivar Lotter sie im Jahr 1827 aushob und nach Stuttgart in das Königliche Haus- und Staatsarchiv brachte. 1891 wurde der Bestand durch vom Staatsfilialarchiv Ludwigsburg eingekommene Aktenstücke ergänzt, die zwar aus ungeklärter Provenienz, möglicherweise aber von der oberösterreichischen Regierung Innsbruck stammen. Der Bestand ist chronologisch geordnet. Die Retrokonversion des Archivrepertoriums, um 1890 von J. A. Giefel erstellt, wurde in der Zeit von Februar 2018 bis Januar 2020 von der Archivangestellten Julia Gössel und den Archivinspektoranwärterinnen Annika Stehle, Lena Kirchner, Lisa Jahn und Sophie Hildner unter Anleitung von Diplom-Archivar (FH) Johannes Renz durchgeführt, der auch die Endredaktion übernahm. Die Titelaufnahmen wurden dabei nur punktuell geändert. Zudem wurde ein Orts- und Personenindex, nach Möglichkeit mit Normdeskriptoren, erstellt. Weitere Unterlagen betreffend die Karmeliter in Rottenburg befinden sich u.a. in folgenden Beständen: B 38 I und II Vorderösterreichische Regierung und Kammer betr. Oberamt Rottenburg B 40 Rottenburg, Oberamt B 490 L Rottenburg, Karmeliterkloster H 14 Bd. 208-210 Diplomatare H 232 Bd. 70-110 Lagerbücher der Klöster und Stifte: Rottenburg, Karmeliter Der Bestand umfasst weiterhin 207 Urkunden (U 1-205 mit 5b sowie 198,2) und 5 Büschel mit 1,80 lfd. m. Sophie Hildner Johannes Renz
Literatur: Wolfgang Zimmermann / Nicole Priesching (Hrsg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ostfildern 2003, S. 49 ff., 408 f. Landesarchivdirektion Baden-Württemberg (Hrsg.): Das Land Baden-Württemberg: amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band 7: Regierungsbezirk Tübingen. Stuttgart 1978, S. 143 ff. Georg Schwaiger (Hrsg.): Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. München 2003, S. 273 ff.
1. Landkreise und kreisfreie Städte, Länderkennzeichen:
[A] Österreich
AN Kreisfreie Stadt und Landkreis Ansbach
BB Landkreis Böblingen
BC Landkreis Biberach
BL Zollernalbkreis
CW Landkreis Calw
ES Landkreis Esslingen
FDS Landkreis Freudenstadt
GP Landkreis Göppingen
KN Landkreis Konstanz
RT Landkreis Reutlingen
RW Landkreis Rottweil
SIG Landkreis Sigmaringen
[TR] Türkei
TÜ Landkreis Tübingen
TUT Landkreis Tuttlingen
UL Kreisfreie Stadt Ulm, Alb-Donau-Kreis
2. Sonstige Abkürzungen:
Bd. Band
betr. betreffend
Bl. Blatt
Bü Büschel
bzw. beziehungsweise
ca. circa
d. Ä. der Ältere
d. d. de dato
d. h. das heißt
d. i. das ist
d. J. der Jüngere
f., ff. fortfolgende
fl. (rh.) (rheinische) Gulden
gen. genannt
hl. heilig
Hrsg. Herausgeber
Ind. Indiktion
Kal. Kalenden
lfd. laufende
Monum. Monumenta
Nr. Nummer
o. D. ohne Datum
S. Seite
Schr. Schriftstück
sel. selig
St. Sankt
U Urkunde
u. a. unter anderem
- Reference number of holding
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 490
- Extent
-
207 Urkunden, 5 Büschel (1,80 lfd. m)
- Context
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Neuwürttembergische Herrschaften vor 1803/1806-1810 >> Bistümer, Stifte, Klöster und Pfarreien >> Augustinerkloster Kreuzlingen - Restituierte Klöster
- Indexentry place
-
Rottenburg am Neckar TÜ; Karmeliterkloster
- Date of creation of holding
-
1312-1805
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rights
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Last update
-
20.01.2023, 3:09 PM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1312-1805