Architektur

Nordconche - Bogenfries im Südosten

Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden; Vierter Band: Kreis Mosbach; Zweite Abteilung (1896); Die Kirche. . Ueber den Ursprung der auf der Nordseite des lieblichen Schüpfergrundes üben halb des Ortes gelegenen romanischen Pfarrkirche ist nichts Sicheres bekannt. Bauer hält es für unwahrscheinlich, dass die J o h a n n i t e r die Kirche erbaut haben, da diese erst i: J. 1249 eine Kommende in Wälchingen besessen hätten und die Bauformen auf eine frühere Entstehungszeit hinwiesen. Seiner Ansicht nach könnten dagegen »die angesehnen Herrn von Boxberg« recht wohl die Gründer dieses Baues gewesen sein. Hiergegen spricht zunächst, dass die Boxberger weder droben in ihrer Residenz, noch in dem am Fusse derselben gelegenen Wanshofen ähnliche kostbare Bauten aufgeführt haben. Ausserdem besassen die Johanniter schon früher, nämlich seit dem Jahr 1192, in der Nähe bei Boxberg und Schweigern grosse Güter, urkundlich sicher nachweisbar einen Hof in Wölchingen freilich erst 1239. Immerhin liegt es viel näher, den reichen bau- ' und kunstverständigen Ordensleuten die Errichtung dieses als Wahrzeichen ihrer Macht weithin sichtbaren, den Schüpfergrund gewissermassen beherrschenden Gottes-hauses zuzuschreiben, als den kleinen Dynasten von Boxberg. Der zum Jahr 1249 er-wähnte fr a t e r C o n r a d u s s a c e r d o s in Wölchingen ist jedenfalls auch vom Orden .eingesetzt gewesen, die P f a rr e i wird also ein oder zwei Menschenalter vorher vom Orden gegründet worden sein. Im Liber Synodalis Wirceburgenis werden zum Jahr 1452 Pfarrei (Kapitel Mergentheim), Frühmesse B. M. V. und Vikarie S. Johannis in Wölchingen genannt. Unter dem Patronat der von Rosenberg im XVI. Jh. wurde i. J. 1558 auch hier die Reformation eingeftihrt und durch den westfälischen Frieden bestätigt. Jetzt evangel. Pfarrkirche für Boxberg und Wölchingen. Die B a u a k t e n des Grossh. General-Landesarchivs über unser Gotteshaus beginnen mit dem Jahr 1663, enthalten aber im Wesentlichen nur für die Baugeschichte belanglose Nachrichten über Reparaturen des durch die vorausgehenden Kriegsjahre offenbar arg beschädigten ehrwürdigen Bauwerks. Ueber den Zustand, in dem es sich zur Zeit befand, als die jüngste Instandsetzung von Seiten der evangelischen Baubehörde in Angriff genommen wurde, berichtet der bauleitende Beamte Baurath B e h a g h e 1 in Heidelberg brieflich Folgendes: »Der damalige Bestand war zu einer planmässig zeichnerischen Festhaltung nicht geeignet, da er ein keineswegs erfreuliches Bild bot und überdies die Urgestalt des Gebäudes durch ein Konglomerat primitivster baulicher Provisorien dem Auge fast entzogen war. Diese allerdings Jahrhunderte überdauernden Provisorien bestanden in Aufbauten über dem nur noch fragmentarisch vorhandenen Hauptgesimse, welche : ihrer ganzen Beschaffenheit nach wahrscheinlich seit der Zerstörung während des Bauernkrieges zu Vertheidigungszwecken gedient hatten und in ihren Einzelheiten aus Bruchstücken des früheren Thurmes und der Giebelaufbauten sich zusammensetzten oder gar in Lehmfachwerk hergestellt waren. Der alte Dachstuhl war aus dünnen, nicht einmal kantig beschlagenen Stämmen aufs Dürftigste zusammengezimmert und in den letzten Jahrhunderten jedenfalls vielfach geflickt worden. Die kaum in das vorige Jahrhundert xurtickdatirenden Glocken hatte man auf der Südseite des Speicherraumes in einem gewöhnlichen eichenen Bockgestell als Glockenstuhl aufgehängt. Im Innern der Kirche sah es geradezu trostlos aus; denn es war mit bunt marmorirten, regellos eingesetzten E m p o r e n von Holz, auf welche zahlreiche Treppchen führten, gänzlich verbaut und derart mit Farbe und bäuerlich rohen Malereien aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts verkleistert, das kaum mehr die Formen der Kapitelle zu erkennen waren und die ganz Kirche den Eindruck einer grotesken Gerümpelkammer machte. Die Wände der Nordseite, welche auf etwa 3 m Höhe in dem hinten angeschlammten Boden des alten Friedhofes steckten, waren auf die ganze Länge der Kirche fast bis zur Höhe der Gewölbeanfänger mit dichten grünen Flechten überzogenund derart durchnäßt, das bis zumheutigen Tag die Spuren hiervon noch nicht gänzlich verschwunden sind. Die Krypta war ebenso bis zur Höhe der Fensterbänke zugeschlammt. Die aus Tuffsteinen hergestellten gewölbe befanden sich vor der restaurierung zum Theil in sehr schlechtem Zustande, da deren Verputz in Folge der hygroskopischenEigenschaften des materials fast gänzlich zerstört war. Was die restaurierung der Kirche betrifft, so mußte zunächst für eine gründliche Frei- und Trockenlegung nebst ausgiebiger Entwässerung gesorgt und sodann die Entfernung aller Aufbauten über dem Hauptgesimse, die Wiederherstellung der früheren Giebel und die Ausführung eines Vierungsthurmes vorgenommen werden, , worauf dann der ganze Innenraum nach Entfernung aller störenden Einbauten in seiner ursprünglichen gestalt freizulegen und wiederherzustellen war. Für das frühere Vorhandensein eines Vierungsthurmes sprachen ausser den vergeblichen Nachforschungen nach etwaigen Fundamentresten eines besonderen Glockenthurmes die Untersuchungen der Vierungspfeiler, deren Fundamente eine ganz ungewöhnliche Tiefe und Stärke aufweisen, sowie einzelne Reste von maueransätzen an den betreffenden Stellen imSpeicherraume. Einen weiteren Anhaltspunkt gaben die mancherlei in den Aufbauten vorgefundenen Trümmer, die nach Ausscheiden der zweifellos zu den gesimsen, Giebelabschlüssen u. dergl. passenden Werkstücke ihre frühere Verwendung bei einem Thurmaufbau sehr wahrscheinlich erscheinen ließen. Die Wiederherstellung der Mittel- und Querschiffsgiebel wurde uns durch unerwartete Auffindung ganz wohl erhaltener Bruchstücke der Anfänger- und gesimssteine des Bogenfrieses am Westgiebel, sowie durch Ausgrbaung einer Reihe verschiedener Motive der Bogen-Einlagen, welche im gewölbeschutt steckten, erleichtert und die Rekonstruktion der ganzen Dachbildung so klar vorgelegt, dass die heutige Gestalt des Dachaufbaues der Kirche wohl als ganz identisch mit der früheren gelten kann, zumal auch bei der Detailirung des Vierungsthurmes mancherlei Anhaltspunkte den Fundstücken entnommen werden konnten. Im Uebrigen ist eine strenge Anlehnung an die romanischen Bauten von Unterfranken beobachtet worden. Die Reinigung und Wiederinstandsetzung des Inneren, insbesondere der Pfeiler, Kapitelle und gewölberippen, überhaupt aller Steinhauerarbeiten war eine äußerst mühsame und zeitraubende Arbeit, da mehre Anstriche (darunter auch Oelfarbe) übereinander saßenund mit dem porösen Steinmaterial geradezu verwachsen waren, so dass sich eine vollständige Überarbeitung durch den Steinmetzen und Aufschlagen der Flächen mittels des Stockhammers als nöthig erwies. Es wurde bei der ganzen Restaurirung ausser der zur Orgelaufstellung unerläßlichen Empore im Westen des Langhausesmnichts hinzugethan; man hielt sich streng an den Grundsatz: Vorhandenes freizulegen resp. Zu ergänzen und Fehlendes zu rekonstruiren.Auchbezüglich der malerei, die in Folge der noch aus früherer Zeit stammenden Feuchtigkeit mittlerweile sehr gelitten hat und in nächster Zeit in haltbarerer Weise erneuert werden soll, beschränkte man sich deshalb auf die allereinfachsten Flächendekoration, umdie Architekturtheilein ihrer würdigen Einfachheit besser zur Geltung kommen zu lassen Die restaurierungsarbeiten wurden im Jahre 1877 begonnen und 1878 vollendet Aus vorstehendem Bericht geht hervor, das alle Bautheile, die oberhalb des Hauptgesimses liegen (Giebel, Dach und Vierungsthurm), als Vollständig erneuert, alles unterhalb desselben liegenden (insbesondere also auch die Gewölbe) als alt und nur stellenweise restaurirt zu betrachten sind. FF

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Standort
Johanniterkirche Wölchingen
Sammlung
Kirchenburgen

Bezug (was)
Kommende
Bauornament
Steinrelief
Rundbogenfries
Langhaus
Wehrkirche

Ereignis
Herstellung
(wann)
12 Jh
(Beschreibung)
Romanisch (spätere Überarbeitungen)

Letzte Aktualisierung
05.03.2025, 16:27 MEZ

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Objekttyp

  • Architektur

Entstanden

  • 12 Jh

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